sozial-Politik

Autismus

Wenn das Kind einfach anders tickt




Autistische Kinder werden von ihrer Umwelt oft in Abwehrhaltung erlebt.
epd-bild/Meike Boeschemeyer
Als Kind eckte Karsten Wellinghoff immer wieder an, musste mehrfach die Schule wechseln. Die Eltern litten, Lehrer fühlten sich überfordert. Die Diagnose war dann fast eine Erleichterung: Asperger-Autismus. Mit der Therapie begann ein neues Leben.

Schulwechsel sind für ihn ein Horror. Karsten Wellinghoff (Name geändert) ist es einfach nie gelungen, wieder Anschluss zu finden. "Dabei tue ich niemandem etwas. Ich habe immer nur versucht, irgendwie dabei zu sein", sagt der 16-Jährige. Doch Karsten gibt zu, dass die Umwelt ihn wohl immer in Abwehrhaltung erlebt habe. Er senkt den Kopf. Er hat eine Odyssee hinter sich - einfach weil er schon als Kleinkind anders tickte als seine Altersgenossen. Beim ihm liegt das Asperger-Syndrom vor, eine Autismus-Störung.

Schwierigkeiten mit sozialem Verhalten

Am 2. April, dem Welt-Autismus-Tag der Vereinten Nationen, soll für die angeborene und unheilbare Entwicklungsstörung sensibilisiert werden. Bei Autisten ist die Wahrnehmung und die Informationsverarbeitung des Gehirns verändert. Sie haben Schwierigkeiten, sich in andere Menschen hineinzuversetzen, mit ihnen zu kommunizieren und soziale Verhaltensregeln einzuhalten.

Karsten Wellinghoffs Erinnerungen wiegen schwer: Irgendwann warf ihn eine Schülergruppe die Treppe hinunter. Dann kamen Kinder zu seinem Haus, warfen eine Plastikflasche durchs Fenster. "Das war der Alptraum. Er wollte überhaupt nicht mehr zur Schule gehen. Ich hatte Angst, dass mein Sohn Suizidgedanken bekommt", sagt seine Mutter.

Die ersten Jahre auf wechselnden Schulen seien schlimm gewesen, vor allem die Ignoranz der Lehrer. "Ich bekomme heute noch eine Gänsehaut", erzählt die Mutter. In der Förderschule war Karsten unterfordert. In der Regelschule sprach die Schulpsychologin von Überforderung.

Autismus wird oft spät erkannt

Karsten Wellinghoff sei beeinträchtigt in der Kommunikation und sozialen Interaktion, besitze aber gute sprachliche Fähigkeiten und eine hohe Intelligenz, erklärt die Bonner Therapeutin Monika Stölting. Asperger-Autisten wie er verfügen meist über normale kognitive Begabungen, einige sind auch hochbegabt. Nur ihr Sozialverhalten wird von anderen als schwierig empfunden. Darum wird der Autismus bei ihnen oft erst spät erkannt.

In Europa geht man nach Angaben des Bundesverbands Autismus Deutschland e.V. von mindestens sechs Autisten auf 1.000 Kinder aus. Dabei kann Autismus, wie etwa bei dem von Dustin Hoffmann in dem Film "Rain Man" gespielten Rechengenie, durchaus sogenannte Inselbegabungen freisetzen. Generell habe ein Mensch mit einer Autismus-Spektrum-Störung ein hohes Bedürfnis nach festen Abläufen und Strukturen, er lebe eine andere Emotionalität, erklärt die Therapeutin.

"Naja", sagt Karsten, "irgendwie habe ich mich schon immer als Sonderling gesehen." Er sei eben introvertiert. Ein halbes Jahr lang wurde er einfach nur krankgeschrieben - bis bei ihm endlich das Asperger-Syndrom erkannt wurde. Letztlich, sagt Karstens Mutter, sei die Diagnose eine befreiende Nachricht gewesen. Endlich wusste die Familie, was los war.

"Asperger ist keine Krankheit"

Tagsüber ging Karsten Wellinghoff nun zunächst in eine jugendpsychiatrische Einrichtung. Und lernte, sich zu sagen: "Ich muss erreichen, mit dem Asperger zu leben. Das ist keine Krankheit." Über das Jugendamt erhielt die Familie eine ambulante Eingliederungshilfe für Jugendliche mit seelischer Beeinträchtigung. Die Therapeutin war von nun an für die autismusspezifische Förderung und Beratung der ganzen Familie verantwortlich. Später kam eine Gruppentherapie hinzu.

"Wir haben immer wieder Alltagssituationen aufgegriffen, die für Karsten schwierig waren, um einen sozial kompatiblen Plan B aufzubauen", erklärt Therapeutin Stölting. So habe man gemeinsam immer wieder überlegt, wie der Junge oder seine Familie der Umwelt seine oft stereotypen Verhaltensmuster im Nachhinein erklären könnten. Den Autismus zu verstehen und trotz großer Ängste ein positives Selbstbild aufzubauen, das sei der Ansatz in der Förderung gewesen.

Die Therapie hat die ganze Familie erleichtert: "So haben wir es geschafft, Karsten nie aufzugeben und ihn so anzunehmen, wie er ist", sagt die Mutter. Der Junge nimmt heute wieder am Schulunterricht teil.

Karsten geht heute auf Menschen zu

"Inzwischen komme ich super klar", sagt Karsten. Er ist stolz und träumt davon, das Abitur anzugehen. Er geht inzwischen sogar ein wenig auf Menschen zu. "Die soziale Interaktion ist jetzt einfacher", berichtet er und muss selbst lachen über seine Fachsprache. Ob er es aber irgendwann schaffe, allein zu wohnen - er ist sich nicht sicher.

Ebba Hagenberg-Miliu


Flüchtlinge

Syrerin will als Bufdi arbeiten




Auch Flüchtlinge würden sich gerne als freiwillige Helfer engagieren.
epd-bild/Jörg Koch
Flüchtlinge, die mit den Gepflogenheiten in Deutschland schon ein wenig vertraut sind, können in der Flüchtlingshilfe wertvolle Arbeit leisten. Das denkt sich jedenfalls sich die Syrerin Souad Rezek - und strebt ein Engagement als Bundesfreiwillige an.

Hektisch und auf Syrisch redet Souad Rezek auf den Mann mit dem Zettel in der Hand am Gleis 6 am Oldenburger Hauptbahnhof ein. Die Flüchtlingsfamilie des Mannes kam mit einer Stunde Verspätung aus Braunschweig an und muss mit dem nächsten Zug weiter nach Schortens. Zwar haben die Behörden alle Verbindungsdaten für die Reise auf einem Zettel ausgedruckt, doch für Menschen aus Syrien sind lateinische Buchstaben genauso verständlich wie die geschwungenen arabischen Schriftzeichen für einen Deutschen. Aber Souad Rezek blickt durch und bringt die Familie zum richtigen Zug.

Souad übersetzt, begleitet und organisiert

"Ohne Souad wären wir hier manches Mal aufgeschmissen", sagt Doris Vogel-Grunwald, Chefin der Oldenburger Bahnhofsmission. Täglich kommen hier Flüchtlinge an, die nicht wissen, wie es weitergeht. Souad Rezek spricht Arabisch, Französisch "und jeden Tag etwas mehr Deutsch". Sie übersetzt, begleitet die Durchreisenden auf das richtige Gleis und organisiert mit Hilfe der Kollegen von der Bahnhofsmission Unterstützung am Ankunftsort.

Die Erziehungswissenschaftlerin streift an jedem Tag die blaue Weste der Bahnhofsmission über und hilft als Ehrenamtliche, wo immer sie kann. Die Mission hat sie als Praktikantin bei einem Sprachkurs kennengelernt. "Wenn ich hier bin, bin ich glücklich, weil ich hier gebraucht werde", sagt sie lächelnd. Darum sei es für sie sehr schnell klar gewesen, nach dem Praktikum dort ehrenamtlich weiterzuarbeiten. Derzeit bemüht sich die Missionschefin um eine halbe Stelle für Rezek im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes. "Die Chancen stehen gut."

Vor acht Monaten ist die Syrerin mit ihrer Familie aus einem Vorort von Damaskus geflüchtet. "Immer wieder ließen die einschlagenden Granaten unser Haus wackeln", sagt die 53-Jährige. Als sie von ihrer Heimat berichtet, schießen ihr die Tränen in die Augen. Nachbarn starben im Granatenhagel. Über Umwege gelangte die Familie nach Deutschland. Bis auf den Vater sind sie inzwischen als Kriegsflüchtlinge anerkannt und dürfen zunächst drei Jahre lang in Deutschland bleiben.

"So viele arme Menschen in Deutschland"

Bei der Bahnhofsmission hat Souad Rezek das "traurige Deutschland" kennengelernt - wie sie es nennt. Ständig sind Wohnungslose, Junkies oder sonst glücklose Menschen in dem Aufenthaltsraum, um sich mit einem stark gezuckerten Kaffee oder Tee aufzuwärmen. Ab und zu gibt es auch ein Stückchen Kuchen. "Ich habe mir nicht vorstellen können, dass es so viele arme Menschen in Deutschland gibt", sagt sie. "Das hat mich sehr überrascht."

Vor wenigen Tagen hat Rezek endlich den begehrten Flüchtlingsausweis erhalten. Nun sucht sie eine kleine Wohnung, um aus der Notunterkunft ausziehen zu können. Dafür, dass sie bei der Bahnhofsmission arbeiten kann, ist sie dankbar. In der ersten Zeit habe sie in der Notunterkunft nichts Sinnvolles machen können, "außer schlafen, aufstehen, essen und wieder schlafen". Das mache einen Menschen unzufrieden und lasse ihn in Lethargie fallen. "Das ist nicht gut."

Ob sie wieder in ihre Heimat zurückkehren möchte? "Ja, natürlich", sagt sie mit einem Lachen. Wenn keine Bomben mehr fallen und Frieden herrscht. "Was soll ich machen? Syrien ist mein Land. Ich liebe es."

Jörg Nielsen


Arbeit

USA bewegen sich beim Mindestlohn



Vor drei Jahren forderte US-Präsident Barack Obama eine Erhöhung des gesetzlichen Mindeststundenlohns von 7,25 Dollar auf neun Dollar. Seither ist auf nationaler Ebene aber nichts passiert. In Zeiten des Wahlkampfs kommt nun Bewegung in die Debatte.

Der mit 39 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichste Bundesstaat Kalifornien will den Unternehmen einen Mindestlohn von 15 Dollar (rund 13,50 Euro) vorschreiben. New York könnte als nächstes folgen. Dort hat der Gouverneur, Andrew Cuomo, eine Werbekampagne für 15 Dollar gestartet. Der demokratische Präsidentschaftsanwärter Bernie Sanders fordert ebenfalls 15 Dollar, seine Konkurrentin Hillary Clinton schlägt zwölf Dollar vor.

Mindestlohngesetze sind in den USA ein Flickenteppich. In 21 der 50 Bundesstaaten gilt exakt die seit 2009 bundesweit vorgeschriebene Lohnuntergrenze von 7,25 Dollar (rund 6,50 Euro). In den anderen Staaten gelten meist geringfügig höhere Sätze. Mehrere Großstädte wie Seattle, San Francisco, Los Angeles und die Hauptstadt Washington wollen ihn deutlich erhöhen.

Es sei eine "Sache der wirtschaftlichen Gerechtigkeit und der Vernunft", 15 Dollar zu zahlen, begründete Kaliforniens Gouverneur Jerry Brown seine Gesetzesvorlage Anfang dieser Woche. Gegenwärtig liegt der Mindestlohn in Kalifornien bei zehn Dollar. Brown will ihn schrittweise erhöhen. Die 15 Dollar würden nach seinen Plänen im Jahr 2022 erreicht.

Die Gewerkschaften jubeln über die neue "nationale Bewegung". Wer 7,25 Dollar verdiene, schaffe es nicht einmal über die Armutsgrenze, beklagen sie. Nach den Angaben des von Gewerkschaften getragenen Aktionsverbandes "Fight for 15" käme die geplante Erhöhung des Mindestlohns in Kalifornien 6,5 Millionen Arbeitnehmern zugute.

Die Gewerkschaften hatten den Gouverneur und Demokraten, Jerry Brown, mit ihrem Vorstoß für ein Volksbegehren in Zugzwang gebracht. Mitte März bestätigte Kaliforniens Wahlbehörde, dass die Gewerkschaften genug Unterschriften gesammelt hätten, um in einer Volksabstimmung über eine Erhöhung des Mindestlohnes bis 2021 auf 15 Dollar entscheiden zu lassen.

Das Parlament soll bereits in wenigen Tagen über den Gesetzentwurf des Gouverneurs abstimmen. Die Gewerkschaften entscheiden danach, ob sie das Volksbegehren zurückziehen.

Umstritten sind die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Unternehmen reagierten ablehnend. Die Erhöhung habe den Verlust von Arbeitsplätzen zur Folge, warnte der Verband der Kleinunternehmer. Nach einer Studie der Universität Berkeley hätte die schrittweise Erhöhung dagegen nur einen geringen Einfluss auf den Arbeitsmarkt.

Konrad Ege


Flüchtlinge

Expertin sieht Pflicht zu Deutschkursen mit Skepsis



Deutschkurse für Flüchtlinge zur Pflicht zu machen, ist nach Einschätzung der Sprachwissenschaftlerin Angela Grimm wenig aussichtsreich. Dadurch könne eine Abwehrhaltung entstehen, sagte die Professorin des Instituts für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien dem Evangelischen Pressedienst (epd). Wie erfolgreich Menschen eine neue Sprache lernen, hänge vor allem mit ihrer Motivation zusammen.

Die Bundesregierung arbeitet derzeit an einem Gesetzespaket, das Flüchtlinge bestrafen soll, die Integrationsangebote ablehnen. Nach den aktuellen Plänen sollen danach anerkannte Flüchtlinge künftig nur noch dann nach drei Jahren Aufenthalt ein unbefristetes Bleiberecht erhalten, wenn sie bestimmte Bedingungen erfüllen wie etwa den Nachweis ausreichender Deutschkenntnisse.

"Wir müssen die Motivation der Menschen zu fassen kriegen", betonte die Osnabrücker Wissenschaftlerin. Dazu bräuchten die Flüchtlinge und Migranten vor allem eine Perspektive für ihre Zukunft, wie etwa die Möglichkeit zu arbeiten. Diese fehle aber derzeit vielen. Aber auch eine Arbeitsstelle allein reiche oftmals nicht aus, um erfolgreich Deutsch zu lernen, wie das Beispiel der Gastarbeiter in den 60er Jahren zeige.

Während Kinder relativ mühelos neue Sprachen lernen und diese "aufsaugen" könnten, falle Erwachsenen das schwerer. Zwar kämen alle Menschen mit der Fähigkeit zur Welt, mehrere Sprachen zu lernen. Diese angeborene Fähigkeit gehe ab dem fünften Lebensjahr aber immer mehr verloren. "Je älter ein Sprach-Lerner wird, desto wichtiger werden Faktoren wie Intelligenz, Talent und die eigene Motivation."

Deshalb sollten den Neuankömmlingen nicht nur ihre Möglichkeiten im "Wirrwarr von Bildungsinstitutionen" erklärt werden. Darüber hinaus müssten ihnen ganz konkrete Beispiele des Lebens wie etwa der Berufsalltag in Deutschland gezeigt werden. So könne erklärt werden, was mit den Berufen an Rechten, aber auch an Pflichten wie beispielsweise gute Deutschkenntnisse oder Pünktlichkeit verbunden sei.

Die neue Sprache zu lernen, sei der Schlüssel zur Integration: "Wenn man Anschluss in der Gesellschaft sucht, geht es nicht ohne Deutsch", sagte Grimm. Hilfreich könne es auch sein, Menschen mit ähnlichem Migrationshintergrund einzubeziehen. "Sie können die Neuankömmlinge begrüßen und wissen, was sie brauchen." In Kanada würden solche "cultural broker" bereits erfolgreich eingesetzt.



Menschenrechte

Forderung nach Monitoring in türkischen Flüchtlingslagern



Vor dem Hintergrund des EU-Türkei-Abkommens in der Flüchtlingspolitik hat die Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering (SPD) eine Beobachtung der Menschenrechtslage in türkischen Flüchtlingslagern gefordert. "Wenn Europa es mit der Hilfe ernst meint, dann muss ein solch weitreichendes Abkommen auch einen Mechanismus zur Einhaltung der Menschenrechte etablieren", sagte die Vorsitzende der Deutsch-Türkischen Parlamentariergruppe des Bundestags dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Ich stelle mir eine Art Monitoring für Menschenrechte in der Türkei vor", sagte sie. Sie forderte die Bundesregierung auf, ein solches Vorhaben voranzutreiben und zu unterstützen.

"Das bezieht sich beispielsweise auf den Schutz von Frauen, Kindern und Behinderten in Flüchtlingslagern", sagte Müntefering. Immer wieder seien schreckliche Lebensgeschichten zu hören, die deutlich machten, wie nötig es sei, dass Menschenrechtsorganisationen wachsam sind.

"Wo so viele Menschen in bedrohlicher Lage sind, da sind auch die Menschenrechte bedroht", sagte Müntefering, die auch Berichterstatterin der SPD-Fraktion für den Nahen und Mittleren Osten im Auswärtigen Ausschuss ist. Bei einem Monitoring könnte beispielsweise das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) eine Rolle spielen, schlug Müntefering vor.

Die SPD-Abgeordnete aus dem Ruhrgebiet verteidigte insgesamt das Abkommen zwischen der EU und der Türkei. Es zeige, dass Europa bereit sei, nach gemeinsamen Lösungen zu suchen. "Das ist das wichtigste Signal, denn der europäische Staatenbund hat in den vergangenen Monaten selten eine gute Figur gemacht", sagte Müntefering.

Man müsse zur Kenntnis nehmen, dass die Türkei mit 2,7 Millionen Flüchtlingen das Land ist, "das bislang mehr Menschen Sicherheit vor dem Bürgerkrieg bietet als die gesamte Europäische Union", sagte sie. Zum Abkommen mit der Türkei gehöre auch, dass die EU nun dabei helfe, diesen Menschen in der Türkei eine Bleibeperspektive zu geben. "Türkische Kollegen sagen mir, dass sie Hilfe brauchen vor allem bei der Beschulung von Kindern", sagte Müntefering. Seit 2011 seien in der Türkei über 150.000 Babys geboren worden alleine von syrischen Flüchtlingen.

"Es gibt jetzt die ersten 50 Millionen Euro für 110.000 Schüler. Das ist richtig und gut vereinbart", betonte die Abgeordnete. Müntefering räumte ein, die Türkei sei "sicherlich kein einfacher Partner". Die innenpolitische Entwicklung sei besorgniserregend, insbesondere was die Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit und damit auch demokratischer Rechte betrifft. "Hier braucht es deutliche Kritik und die habe ich auch", sagte sie.



Flüchtlinge

Baukredite für Schutzmaßnahmen in Unterkünften



Mit Investitionskrediten fördert der Bund den Umbau von Flüchtlingsunterkünften zum Schutz von Frauen und Kindern. Ab sofort stünden insgesamt 200 Millionen Euro zur Verfügung, teilten das Bundesfamilienministerium und die KfW-Bank am 31. März in Berlin mit. Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) hatte das Programm Ende 2015 vorgestellt.

Die Kredite sollen den Kommunen helfen, Immobilien zu erwerben, in denen ausschließlich Frauen und Kinder untergebracht werden können. Außerdem werden mit dem Geld Umbauten zum Schutz von Frauen in gemischten Unterkünften gefördert, etwa abschließbare Räume und getrennte Sanitärbereiche. Gefördert wird auch die Einrichtung eigener Räume für Kinder, etwa Spiel- und Lernzimmer. Die zinslosen Kredite haben eine Laufzeit von zehn Jahren.



Bundesregierung

Antragsfrist beim Fonds Sexueller Missbrauch aufgehoben



Von Kindesmissbrauch im familiären Umfeld Betroffene können auch nach dem 30. April Anträge auf Hilfen stellen. Das Bundesfamilienministerium hat eine bisher geltende Antragsfrist beim Fonds Sexueller Missbrauch aufgehoben, wie der unabhängige Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, am 29. März in Berlin mitteilte.

"Dies ist ein wichtiger erster Schritt! Ich hoffe, dass jetzt auch die Frist für das 'Ergänzende Hilfesystem' für Betroffene, die Missbrauch in Institutionen erlitten haben, ebenfalls gestrichen wird", erklärte Rörig.



Rheinland-Pfalz

Geschichte der Heimerziehung aufgearbeitet



Erst wurden die Heimkinder verwaltet, dann vergessen: Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie eines Teams um den Koblenzer Erziehungswissenschaftler Christian Schrapper zur Geschichte der Heimerziehung in Rheinland-Pfalz von 1945 bis 1975. Der Heimaufenthalt der Kinder in der Nachkriegszeit sei vielfach von traumatisierenden Lebens- und Erziehungsverhältnissen geprägt gewesen, teilte der Campus Koblenz der Universität Koblenz-Landau am 30. März mit. Schrapper war Mitglied des Runden Tischs "Heimerziehung in den 50er und 60er Jahren" in Berlin.

Für das Buch "Verwaltet und vergessen" mit Fotos, Briefen sowie anderen Originaldokumenten seien rund 5.000 Einzelfallakten ausgewertet worden, heißt es. Demnach kommen die Wissenschaftler zum Schluss, dass die Heimerziehung nicht generell Unrecht gewesen sei. Unrecht sei allerdings vielfach begünstigt, zugelassen und nur unzureichend unterbunden worden. Zeitzeugen erzählen von zahlreichen Rechtsverstößen in der Heimerziehung, die oft auch nach damaliger Rechtslage nicht mit dem Gesetz vereinbar waren. Zudem erinnern die Betroffenen an positive Erlebnisse.

In Rheinland-Pfalz lebten bis in die 1980er Jahre einige hundert Jungen im Alter zwischen 14 und 21 Jahren in drei landeseigenen Heimen der Jugendfürsorge, deren Geschichte bisher kaum dokumentiert ist. Auch in der offiziellen Geschichtsschreibung zur Sozialpolitik des Landes komme die Jugendfürsorge mit ihren Einrichtungen kaum vor, heißt es. In Deutschland waren von 1949 bis 1975 mehr als 700.000 Minderjährige in Säuglings-, Kinder- und Jugendheimen untergebracht.

Literatur: "Verwaltet und vergessen. Erinnerungen an staatliche Heimerziehung in Rheinland-Pfalz 1945 bis 1975", hrsg. von Sabine Imeri, Christian Schrapper und Claudia Ströder, 272 Seiten, Panama Verlag, Berlin 2016, ISBN:978-3-938714-50-8. Die Zeitzeugengespräche sind zudem auf einer beiliegenden DVD filmisch dokumentiert.



Nordrhein-Westfalen

Investitionen für mehr Kita-Plätze



Nordrhein-Westfalen hat ein Investitionsprogramm in Höhe von 100 Millionen Euro gestartet, mit dem das Angebot an Kita-Plätzen für drei- bis sechsjährige Kinder ausgeweitet werden soll. Alle Jugendämter im Land könnten ab sofort Investitionsfördermittel zum Bau neuer Kita-Plätze für über-dreijährige Kinder beantragen, teilte das Familienministerium am 24. März in Düsseldorf mit.

Neben dem parallel weitergehenden Ausbau von Plätzen im U-3-Bereich unterstütze die Landesregierung damit die Kommunen und Träger speziell beim Ausbau der Betreuungsplätze für die Drei- bis Sechsjährigen, sagte Familienministerin Christina Kampmann (SPD). Durch den Anstieg bei den Geburten und den vielen Flüchtlingskindern, die mit ihren Familien nach Deutschland gekommen seien, sei ein zusätzlicher Bedarf an Kita-Plätzen entstanden. "Wir haben diesen Bedarf erkannt und handeln", erklärte die Ministerin.

Für die Jugendämter seien entsprechend ihrer Größe Fördergelder reserviert, die für Bauprojekte genutzt werden können, hieß es weiter. Die Mittel können bis Ende 2019 verwendet werden.



Hamburg

Neuer Pflege-TÜV soll Selbstständigkeit stärken



Eine neue Verordnung für Hamburger Pflegeeinrichtungen soll helfen, die Selbstständigkeit der Bewohner zu stärken. "Pflegebedürftige Menschen benötigen zwar Hilfe zur Bewältigung ihres Lebens, wollen und können in den meisten Fällen aber noch selbst bestimmen, was ihnen wichtig ist", sagte Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) am 29. März bei der Vorstellung. Die Ergebnisse der Prüfungen werden künftig im Internet veröffentlicht, um Pflegebedürftige und Angehörigen bei der Wahl einer Einrichtung zu unterstützen. Die Verordnung tritt am 1. April in Kraft und soll die Kontrollen der Wohn-Pflege-Aufsicht einheitlich regeln.

Pflegeheime werden künftig regelmäßig, ambulante Dienste stichprobenartig geprüft. Untersucht wird unter anderem, ob die Pflegeheim-Bewohner Wünsche bei der Essensauswahl anmelden können. Auch sollen die Bewohner selbst entscheiden können, wann sie schlafen gehen oder aufstehen. Weitere Schwerpunkte der Prüfung sind Betreuung und Gesundheit. Ergänzt werden die Prüfungen durch eine anonyme schriftliche Angehörigenbefragung, deren Ergebnisse ebenfalls veröffentlicht werden.

Die neue Verordnung soll sicherstellen, dass die Stadt und der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) keine Doppelprüfungen vornehmen. Der MDK prüft vorwiegend die Qualität der Pflege, die Stadt nimmt die Lebensumstände der Bewohner in den Blick.

Mit der Veröffentlichung der Prüfergebnisse und mit der Kontrolle der ambulanten Dienste ist Hamburg nach Angaben der Gesundheitsbehörde bundesweit Vorreiter. Andere Bundesländer würden ambulante Pflegedienste gar nicht von der staatlichen Aufsicht prüfen lassen.



Saarland

CDU-Staatssekretär für Grundrente



Der saarländische Sozialstaatssekretär Stephan Kolling (CDU) hält eine Grundrente für langjährige Beitragszahler auf Grundsicherungsniveau für möglich. "Es kann nicht sein, dass Menschen am Lebensende in Armut verfallen", erklärte er am 30. März in Saarbrücken. Vor allem Witwen und Selbstständige lebten oft unter dem Grundsicherungsniveau "und schämen sich, eine Aufstockung beim Sozialamt zu beantragen".

Nach Kollings Worten sind neue Maßnahmen nötig. "Die Mütterrente war hier ein wichtiger Einstieg, Minijobs können hingegen auf Dauer keine Lösung sein", sagte der CDU-Politiker. Im Saarland lag die Armutsquote 2013 für über 65-Jährige laut Kolling bei 17,2 Prozent, in Rheinland Pfalz bei 19,8 Prozent.

In Deutschland liegt die Schwelle für Alleinstehende bei 917 Euro im Monat, für einen alleinerziehenden Elternteil mit einem Kind unter sechs Jahren bei 1.192 Euro und für ein Paar mit einem kleinen Kind bei 1.651 Euro.



Hochschule

TV-Lernsender interviewt behinderte Menschen



Der TV-Lernsender nrwision widmet sich ab dem 4. April in einer neuen Talk-Reihe Menschen mit Behinderungen. In der Interview-Reihe mit dem Titel "all inclusive - was heißt schon behindert?" sollen 13 Menschen von ihrem Leben, ihrer Arbeit und ihrer Auseinandersetzung mit ihrer Behinderung berichten, wie der Sender am 31. März ankündigte. Vorgestellt werden unter anderem der Pfarrer und Kabarettist Rainer Schmidt und die Deutsche Meisterin im Rollstuhltischtennis, Sandra Mikolaschek.

Ausgestrahlt wird die neue TV-Reihe im Programm des Senders nrwision. Die Interviews führen Studenten des Instituts für Journalistik der TU Dortmund. Unterstützt wurden sie den Angaben zufolge von der Fakultät Rehabilitationswissenschaften der Hochschule.

Pro Woche ist eine neue Folge im Programm zu sehen. Die Sendungen werden innerhalb der Woche mehrfach zu unterschiedlichen Zeiten gezeigt, unter anderem dienstags um 21 Uhr.

Seit 2009 ist nrwision auf Sendung und wird über das digitale Kabelnetz und per Livestream in ganz Nordrhein-Westfalen verbreitet. Studenten, Auszubildenden und engagierten Bürgern bietet der Sender die Möglichkeit, ihre eigenen Fernsehproduktionen landesweit auszustrahlen.



Flüchtlinge

Hessen will Zahl der Erstaufnahmeeinrichtungen abbauen



Das Land Hessen will die Kapazität der in Betrieb befindlichen Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge deutlich reduzieren. Sozialminister Stefan Grüttner (CDU) sagte am 29. März in Wiesbaden, die Landesregierung arbeite derzeit an einem neuen Standortkonzept seiner Aufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge. Es werde voraussichtlich nur noch etwa die Hälfte der derzeitigen Plätze umfassen. Als Grund nannte der Minister den deutlichen Rückgang der Flüchtlingszahlen in den vergangenen Wochen.

Um für alle Eventualitäten gewappnet zu sein, werde aber ein großer Teil der übrigen Erstaufnahmeplätze weiter als Reservekapazität aufrechterhalten. Bei Bedarf könnten sie kurzfristig wiederhergerichtet werden.

Nach Angaben Grüttners kamen im Januar 6.800 und im Februar 5.100 Flüchtlinge neu nach Hessen. In den ersten drei Wochen im März waren es aber nach Schließung der Balkanroute deutlich weniger. Zuletzt kamen nach Angaben von Flüchtlingskoordinator Axel Wintermeyer (CDU) im Durchschnitt nur noch 68 Flüchtlinge pro Tag.

Aus den Erstaufnahme-Unterkünften, die nun lediglich als Reserve vorgehalten werden, solle das Personal bis auf Hausverwaltung und Wachmannschaften zunächst abgezogen werden. Diese Bauten sollten aber bei Bedarf relativ schnell wieder bezogen werden können. Schließlich sei die Lage weiter volatil, sagte Grüttner. Es gebe viele Unwägbarkeiten wie die weitere Entwicklung auf der Balkanroute, von den Schleppern ausgewählte Ersatzwege oder das Schicksal der im griechischen Idomeni ausharrenden Menschen.

Derzeit befinden sich nach seinen Angaben 12.700 Flüchtlinge in den hessischen Erstaufnahmeeinrichtungen. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer vor einer Weiterleitung an die Kommunen betrage etwa acht Wochen. Die Dauer der Asylverfahren liege bei gut sechs Monaten. Von den 373 für Hessen zugesagten Mitarbeitern des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge seien bislang 200 eingetroffen.



Asyl

Saar-Flüchtlingsrat für Aufnahme von Verzweifelten aus Idomeni



Der Saarländische Flüchtlingsrat fordert die Landesregierung auf, sich für die Aufnahme der im griechischen Idomeni festsitzenden Flüchtlinge in Deutschland einzusetzen. So wie Deutschland im Sommer 2015 die in Ungarn festsitzenden Menschen aufgenommen habe, so müsste dies nun auch mit den Flüchtlingen in Idomeni passieren, betonte Vorstandsmitglied Roland Röder am 29. März in Saarlouis. Insbesondere der saarländische Innenminister Klaus Bouillon (CDU) solle sich als Vorsitzender der Innenministerkonferenz dafür einsetzen.

Flüchtlingsratvorstand Peter Nobert ergänzte, dass die Umstände in Idomeni "menschenunwürdig" seien. "Die Verantwortung für diese nicht hinnehmbare Situation tragen zuerst einmal die EU und die Bundesregierung mit ihrer fortgesetzten Politik der Abschottung", betonte er.

Nach dem Abkommen zwischen der Türkei und der Europäischen Union sollen alle Migranten, die irregulär aus der Türkei über das Meer nach Griechenland kommen, in die Türkei zurückgebracht werden. Im provisorischen Camp in Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze leben zurzeit rund 13.000 Menschen. Sie gehören zu der Gruppe, die noch nicht unter die Abmachung zwischen EU und Türkei fällt. Weil die sogenannte Balkanroute weitgehend geschlossen ist, können sie andererseits ihren geplanten Weg nach Mitteleuropa nicht fortsetzen.



Migrationsforscher

"Einwanderer-Gettos kein Nährboden für Terrorismus"



Der Osnabrücker Migrationsforscher und Sozialgeograf Andreas Pott hat davor gewarnt, in den Einwanderer-Gettos in Brüssel und Paris die Hauptursache für den sich europaweit ausweitenden Terrorismus zu sehen. Die Terror-Miliz "Islamischer Staat" verfüge zur Anwerbung von Kämpfern und Selbstmordattentätern über ausgeklügelte globale Netzwerke, sagte Pott dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Das ist wie eine Art Terrorismus-Industrie."

Es sei zu kurz gegriffen, wenn Experten glaubten, nur oder vor allem benachteiligte junge Muslime aus problematischen Stadtvierteln seien anfällig für extremistische Positionen, betonte der Direktor des Instituts für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien der Universität Osnabrück. Es gebe immer wieder auch gut gebildete und integrierte Migranten wie etwa Mohammed Atta, einer der Attentäter vom 11. September 2001. Sie fühlten sich trotz individueller Erfolge nicht zugehörig zur Gesellschaft und seien dann anfällig für gewaltbereite Ideologien. "Es ist ein Irrglaube, man könne mit vernünftiger Stadtentwicklung den Terrorismus bekämpfen."

Dennoch sei es wichtig, einer Ghettoisierung wie in Frankreich oder Belgien vorzubeugen, mahnte Pott mit Blick auf die Integration der Flüchtlinge in Deutschland. Dabei sei es nicht grundsätzlich problematisch, wenn Zuwanderer sich zunächst in bestimmten Vierteln konzentrierten.

Einwandererviertel habe es immer schon gegeben, betonte der Experte. Sogar die Vorstädte in Frankreich seien einmal ein Vorzeigemodell gewesen. Es sei normal, dass Menschen gleicher Herkunft sich in fremden Ländern zueinander orientierten. Sie könnten sich so gegenseitig beistehen und helfen. "Wir können sie davon auch gar nicht abhalten."

Es sei aber schon lange aus der Forschung bekannt, "dass es dann problematisch wird, wenn diese Trennung von der Mehrheitsgesellschaft in der zweiten und dritten Generation anhält und sich noch verfestigt". Vorbeugen könnten Politik und Gesellschaft mit sozialen Netzwerken, die über die Grenzen dieser Viertel hinaus funktionierten. "Man darf die Verbindung zu den Menschen nicht verlieren und muss mit ihnen im Gespräch bleiben."

Es sei wichtig, die Bewohner etwa in Fragen der Stadtentwicklung zu beteiligen, ihnen gute Schulen zur Verfügung zu stellen und Arbeitsplätze auch außerhalb zu bieten. "Sie müssen die Möglichkeit haben, auch aus den Vierteln wegzuziehen. Genauso müssen die Quartiere so attraktiv sein, dass von außen Menschen dorthin ziehen." Das von Bund und Ländern getragene Programm "Soziale Stadt" habe seit 1999 gezeigt, dass Integration durch intelligente Stadtentwicklung vorangebracht werden könne.




sozial-Branche

Frühgeborene

Eine Handvoll Leben




Frühchen brauchen intensive medizinische Hilfe.
Klinikum der Universität München / Andreas Steeger
Für Kinder, die zu früh auf die Welt kommen, steht alles auf dem Spiel. Auf der Frühgeborenenstation München-Großhadern kämpfen Mediziner um sie.

In dem Glaskasten liegt eine Handvoll Leben, verkabelt und von Monitoren überwacht. Rund 600 Gramm waren es bei der Geburt, etwas mehr als ein Pfund. Viel zu früh ist das winzige, zerbrechliche Mädchen auf die Welt gekommen. Noch wird es künstlich beatmet. In der Frühgeborenenstation in München setzen der Mediziner Andreas Flemmer und sein Team alles daran, das Leben des Kindes zu retten.

Eine Überlebenschance von 84,1 Prozent

Die Chancen stehen gut. Das Perinatalzentrum Großhadern, wie die Frühchenstation in der Fachsprache heißt, ist eines der deutschlandweit führenden Zentren für zu früh geborene Kinder. Bei den Kindern, die bei ihrer Geburt mindestens 500 Gramm wiegen, liege die Überlebensrate heute bei 84,1 Prozent, sagt Flemmer. Ab 750 Gramm überlebten über 90 Prozent der Kinder. Zur Zeit versorgen Flemmer und seine Mitarbeiter elf Frühchen. Neun waren bei ihrer Geburt noch nicht einmal ein Kilo schwer.

Ohne medizinische Hilfe wären die Kinder nicht lebensfähig. Der Darm arbeitet noch nicht, die Nieren filtern noch nicht das Blut, können keine Giftstoffe ausscheiden. "All diese Funktionen versuchen wir durch Medikamente zu stützen", sagt der Mediziner, um dann einzuschränken: "Ein Zuviel ist aber auch nicht gut." Etwa, wenn es um die Sauerstoffversorgung geht. Und er nennt einen berühmten Frühgeborenen: Der Sänger Stevie Wonder ist blind, weil er nach der Geburt zu hohen Sauerstoffkonzentrationen ausgesetzt war. Dadurch löste sich die Netzhaut ab. Die Medizin habe gelernt, dass die Frühgeborenen selbst atmen können, sagt Flemmer.

Der Arzt flüstert, während er auf der Intensivstation neben einem Brutkasten stehen bleibt, wie der Inkubator umgangssprachlich genannt werden. Nur kurz hebt er die Decke über dem Gerät. Die Frühchen sind lichtempfindlich. Sie brauchen viel Ruhe. Und Wärme. In einem Durchgangszimmer stehen zusammengeklappte Liegen für die Eltern. Ein Vater hat sich eine Liege geholt und neben das Bettchen seines Kindes gestellt. Jetzt liegt das Kind, in eine Decke eingewickelt, auf seiner Brust. "Der Körperkontakt ist wichtig", sagt Flemmer.

Viel Personal und viel Erfahrung

Im Perinatalzentrum Großhadern arbeiten 50 Pflegekräfte in drei Schichten sowie insgesamt 14 Ärzte. Die Versorgung dieser Kinder braucht viel Personal und Erfahrung. Erfahrung, die nach Einschätzung von Flemmer nicht jedes ausgewiesene Perinatalzentrum hat. "Um als Perinatalzentrum Level 1 anerkannt zu werden, braucht es 14 Kinder unter 1.000 Gramm im Jahr", kritisiert er die gesetzlichen Vorgaben. Aber nicht jedes dieser Zentren biete die optimale Versorgung, merkt er an.

Eine zu frühe Geburt ist in der Regel voraussehbar. Und trotzdem: Für die Eltern sei die frühe Geburt oft ein Schock: "Es braucht Zeit zu begreifen", sagt die katholische Klinikseelsorgerin Claudia Zierer. Im Team der Klinikseelsorger im Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München ist sie für den Kreißsaal zuständig und begleitet die Mütter und Väter der Kinder. Oftmals mehrere Monate lang. Die Eltern machten mehrere Phasen durch, sagt sie: Depression, die Freude über das Leben, aber auch die Erschöpfung im Klinikalltag, Schuldgefühle und Scham. "Wer als Eltern einen solchen Lebensanfang seiner Kinder miterlebt, bekommt einen anderen Blick auf das Leben", sagt die Seelsorgerin. "Das verändert Leben."

Nicht immer freilich siegt das Leben. An diesem Nachmittag treffen sich Klinikseelsorgerin Zierer und Mediziner Flemmer noch einmal im Kreißsaal. Zu einer Trauerfeier. "Wir sind noch traumatisiert", sagt Flemmer. Am Morgen ist ein Junge kurz nach der Geburt gestorben. Zusammen mit den Eltern werden sie Abschied von dem Kind nehmen. Claudia Zierer zündet dann eine Kerze an, segnet das Kind, das nur wenige Augenblicke auf der Welt war. "Wir erleben Karfreitag und Ostersonntag", sagt die Klinikseelsorgerin.

Barbara Schneider


Elternverein

"Weniger Zentren für Frühgeborene wäre mehr"



Nach Einschätzung des Dachverbandes "Das frühgeborene Kind" gibt es in Deutschland zu viele Perinatalzentren zur Versorgung von frühgeborenen Kindern. "Wir leisten uns im europäischen Vergleich die meisten Zentren, sind aber nicht Spitzenreiter, was das Überleben der Frühgeborenen angeht", sagte Verbandssprecherin Katarina Eglin dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Frankfurt am Main. "Wir denken, dass weniger mehr ist."

Bundesweit gibt es nach Angaben von Eglin insgesamt 162 Perinatalzentren mit dem Level 1 für die Versorgung von sehr kleinen Frühgeborenen. Nicht alle diese Kliniken seien aber auf die spezifischen Krankheitsbilder von Frühgeborenen eingestellt. Eglin verwies auf die Gefahr von Darmentzündungen, Hirnblutungen oder Versteifung des Lungengewebes bei Kindern, die vor der 26. Schwangerschaftswoche auf die Welt kämen. Es sei von Vorteil, wenn es eine Kinderchirurgie in der Klinik gebe. Eine Verlegung in ein anderes Krankenhaus bilde eine zusätzliche Belastung für das Kind.

Gegen das Argument einer flächendeckenden wohnortnahen Versorgung sagte sie: "Eltern wollen nicht die nächste, sondern die beste Versorgung." Dazu gehören ihrer Auffassung nach neben der optimalen medizinischen Betreuung auch Familienzimmer und die Möglichkeit, Geschwisterkinder mitbringen zu können. "Weniger Zentren könnten sich personell besser aufstellen", sagte Eglin.

Um als Perinatalzentrum Level 1 anerkannt zu werden, muss eine Klinik nach Angaben des Gemeinsamen Bundesausschusses von Ärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen unter anderem ein 24-Stunden-Arztpräsenz gewährleisten sowie entsprechende Qualifikationen von Ärzten und Pflegepersonal nachweisen. Darüber hinaus müssen pro Jahr mindestens 14 Frühchen betreut werden.

Eglin kritisierte, für Kliniken sei es sehr lukrativ, ein Perinatalzentrum zu betreiben. Deshalb strebten weitere Zentren in den Markt. Den Angaben ihres Verbandes zufolge können Kliniken den Krankenkassen durchschnittlich 110.000 Euro für die intensivmedizinische Behandlung eines sehr unreifen Frühgeborenen unter 750 Gramm in Rechnung stellen. Das sei ein wirtschaftlicher Anreiz, der diese Patientengruppe für viele Kliniken attraktiv mache, sagte sie.

Der Dachverband ist ein deutschlandweites Netzwerk von Selbsthilfe-Initiativen und Beratungsstellen für Frühchenfamilien. Der Verband wurde 1992 gegründet und unterstützt die Eltern von frühgeborenen Kindern mit Beratungsangeboten.



Obdachlosigkeit

Zuerst eine Bleibe




Wien verschafft Obdachlosen mit einem neuen Hilfskonzept ein Dach über dem Kopf.
epd-bild/Rolf Zöllner
Erst die eigene Wohnung, dann auf Wunsch weitere Hilfen: Ein Wiener Projekt stabilisiert Obdachlose mit einem sofortigen Mietvertrag. Ohne Vorgaben. Was in der österreichischen Hauptstadt Erfolge feiert, wird nun auch in Hamburg ausprobiert.

Momentan braucht Johannes Auer etwas mehr Hilfe als sonst. Die Behördenbriefe stressen den seit vielen Jahren obdachlosen Wiener: Ob Krankenkasse oder Sozialamt für ihn zahlen, ist unklar. Formulare, Fristen, Widersprüchliches: "Mir geht gleich die Pumpe, wenn ich in den Briefkasten sehe", sagt der 51-Jährige, der eigentlich anders heißt und die Post am liebsten ignorieren würde. Das geht natürlich nicht. Aber: "Es ist schon besser, dass ich das nicht alleine machen muss."

Paradigmenwechsel in der Wohnungslosenhilfe

Wie viel Hilfe er sich holt, entscheidet Auer selbst. Ebenso wie alles, was seine Wohnung angeht. Wohlgemerkt seiner eigenen, für die nur er einen Mietvertrag und einen Schlüssel hat. Die Wohnungslosen-Organisation Neunerhaus hat ihm diese Wohnung nicht am Ende eines langen Hilfeweges vermittelt, sondern am Anfang. Sogar noch bevor er überhaupt angefangen hatte, mit einem Betreuer die Nachwirkungen seiner nach Scheidung und Arbeitslosigkeit begonnenen Lebenskrise anzugehen.

Bedingung für die Vermittlung der eigenen vier Wände war diese Betreuung aber nicht: Wohnen und Hilfe sind bei "Housing First" (deutsch: "Wohnen Zuerst") streng voneinander getrennt. Das Konzept des Wiener Pilotprojekts stammt aus den USA. 2012 hat die Organisation Neunerhaus daraus ein eigenes Modell entwickelt. "Das ist ein grundlegender Paradigmenwechsel in der europäischen Wohnungslosenhilfe", sagt Markus Reiter, Geschäftsführer von Neunerhaus.

Eigentlich werde Hilfe für Wohnungslose nämlich anders herum aufgezogen - auch in Deutschland. So sollen Betroffene erst betreut ihre Probleme lösen, bevor sie als "wohnfähig" in eigenen Wohnungen leben dürften, sagt Reiter. Das jedoch könne Jahre dauern und wirke auch als Disziplinierungsmittel: "Wer einen Fehler macht, riskiert gleich den Wohnplatz", erklärt Reiter. Durch Druck und Fremdbestimmung würden Menschen aber nicht selbstständig.

Fast alle wohnen "stabil"

Reiters Klienten wohnen in 81 Wohnungen überall in Wien verteilt. Viele kämen direkt von der Straße, ihre Vorgeschichte seien den Nachbarn nicht bekannt. Bisher habe keiner der 158 Teilnehmer nur den Schlüssel und dann keine Hilfe vom Sozialarbeiter angenommen, erzählt Reiter. Nur einer habe die Wohnung verloren und den Kontakt abgebrochen. Alle anderen wohnten "stabil", überwiesen die Miete und kämen auch gut mit den Nachbarn aus.

Inzwischen verzeichne der Pilotbericht eine Erfolgsquote von 98 Prozent. Die meisten der rund 10.000 Wiener Wohnungslosen könnten so sofort zu Wohnenden werden, schätzt Reiter. Aber: Wohnungen, für deren Miete Sozialhilfe reicht, sind Mangelware. Zum Modell gehöre deshalb eine Wohnungsplattform - und harte Überzeugungsarbeit. Inzwischen gebe es 17 Partner aus der Wohnungswirtschaft.

Der Vorteil für den Sozialstaat ist klar: Er spart viel Geld. 80 "Housing-First"-Wohnungen kosteten den städtischen Fonds "Soziales Wien" jährlich 700.000 Euro, sagt Abteilungsleiter Kurt Gutlederer. Ein klassisches Wohnheim sei fast doppelt so teuer. "In einer Einrichtung wird halt rund um die Uhr betreut, bei 'Housing First' nach Bedarf - und das ist weniger."

Hamburg macht es Wien nach

Darauf hofft auch die Stadt Hamburg, die mit einem Modellprojekt junge Erwachsene aus Jugendhilfe-Einrichtungen nach den Prinzipien des Wiener Konzepts unterbringen will: mit eigenem Mietvertrag und freiwilliger Betreuung.

Etwa 1.200 Volljährige lebten in Hamburg vor allem deshalb noch in einer Einrichtung, weil günstige Wohnungen fehlten, sagt Wolfgang Pritsching von der Hamburger Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration. Würden nur 300 der jungen Erwachsenen "Housing First" statt Jugendhilfe bekommen, könnte die Stadt 1,2 Millionen Euro sparen. Aktuell unterstütze das Hamburger Projekt 50 Mieter.

Laut Johannes Auer funktioniert das Wiener Projekt: "Meine Wohnung verliere ich nicht mehr." Fast sechs Jahre lang hat er bei wechselnden Bekannten übernachtet. Nach Bandscheibenvorfällen wurde er arbeitslos und trank immer mehr: "Hätte ich so weiter gemacht, wäre ich nicht mehr."

Miriam Bunjes


Führungskräfte

"Jeder will sein eigenes Süppchen kochen"




Martin Beck
epd-bild/privat
Um den Führungsnachwuchs in Sozialunternehmen ist es nach Ansicht des Tübinger Personalberaters Martin Beck schlecht bestellt. Es gebe zu wenige gute Bewerber, sagt der Experte.

Spitzenpositionen sind nach Ansicht des Beraters oft zu lange von ein- und derselben Person besetzt. Damit mache es die Sozialbranche jüngeren Leuten besonders schwer, kritisiert er. Seit fast 30 Jahren berät der Lehrbeauftragte an der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg Unternehmen in der Sozialwirtschaft bei der Besetzung von Führungspositionen. Mit Beck sprach Marcus Mockler.

epd sozial: Herr Professor Beck, wie ist es um den Führungsnachwuchs in sozialen Einrichtungen bestellt?

Martin Beck: Bisher ist noch jede Stelle besetzt worden. Aber für die Größe der Branche und für die Attraktivität der zu besetzenden Positionen gibt es heute zu wenige gute Bewerber.

epd: Woran liegt das?

Beck: Das hat mehrere Gründe. Einer ist, dass sich die Branche nicht vernünftig um die Qualifizierung ihres Nachwuchses kümmert. Es gibt zwar Akademien und Fortbildungseinrichtungen bei den Verbänden, aber sie zeigen wenig Wirkung. Es fehlt die Solidarität der Landesverbände, der Fachverbände oder der großen Einrichtungen. Jeder will sein eigenes Süppchen kochen. Eine Ausnahme war vor über 20 Jahren ein gemeinsames Projekt, an dem ich von Anfang an beteiligt war. Es ist nach drei oder vier Durchgängen eingeschlafen. Mehr als die Hälfte der damaligen Teilnehmer ist heute Chef in einer kirchlichen Sozialorganisation.

epd: Werden die Positionen nicht häufig mit Leuten aus dem eigenen Haus besetzt?

Beck: Den Versuch gibt es oft, gleichzeitig erleben wir immer wieder Differenzen zwischen dem scheidenden Chef und seinem Aufsichtsrat. Da ermutigt ein Vorstand eine geeignete Person zur Bewerbung – und der Aufsichtsrat lehnt den Kandidaten dann ab. Für den Bewerber ist das meistens ein schwerer Schlag, den er nicht einkalkuliert hatte. Es gibt bei der Besetzung aber auch erstaunliche regionale Empfindlichkeiten, dass man etwa im Norden keinen Chef haben will, der bayerischen oder sächsischen Dialekt spricht. Da nutzt dann die beste Qualifikation nichts.

epd: Was empfehlen Sie einem jüngeren Menschen, der sich auf eine Führungsaufgabe in der Sozialwirtschaft vorbereiten will?

Beck: Sie oder er sollte ein paar Jahre praktische Erfahrungen in einem Sozialunternehmen sammeln und dann, bevorzugt berufsbegleitend, ein Postgraduierten-Studium im Bereich Management oder Zivilgesellschaft absolvieren.

epd: Was meinen Sie konkret mit praktischen Erfahrungen?

Beck: Am besten wäre eine Assistentenstelle beim Vorstand etwa einer diakonischen Einrichtung. Davon gibt es leider viel zu wenige. Mit Assistent meine ich nicht den Kofferträger oder die gehobene Sekretärin, sondern Leute, die mit guter Ausbildung ein paar Jahre kreuz und quer in einem Unternehmen bei guten Projekten und den vielfältigen Aufgaben mitwirken können, sich ausprobieren können und auch eigene Verantwortungsbereiche übernehmen.

epd: Warum gibt es so wenige derartige Assistentenstellen?

Beck: Ein Grund ist sicher das Geld. Meine Meinung dazu ist: Wenn sich ein Diakonieunternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten keinen Assistenten für den Vorstand leisten kann, dann sollte es sich Sorgen machen. Ein anderer Punkt: Nicht jeder Vorstandsvorsitzende oder Geschäftsführer findet die Vorstellung prickelnd, dass plötzlich jeden Tag ein junger, hungriger und neugieriger Mensch um ihn herum ist und ihn beim Führen beobachtet. Nicht alle haben die Demut, sich so in die Karten sehen zu lassen, gerade auch in schwierigen Situationen.

epd: Sind die Gehälter für Chefs im Sozialbereich unattraktiv?

Beck: Bei den größeren Einrichtungen werden die Führungskräfte inzwischen gut bezahlt. Natürlich gibt es einen Abstand zur freien Wirtschaft. Wer etwa aus einer weltweit tätigen Finanzgesellschaft kommt, für den ist der Wechsel zur Diakonie ein finanzieller Rückschritt. Aber es geht dabei ja nicht nur ums Geld, sondern auch um den Sinn der Tätigkeit.

epd: Sie haben an anderer Stelle kritisiert, dass viele Vorstände in Diakonie und Caritas Jahrzehnte an ihrem Stuhl kleben. Was ist daran schlecht?

Beck: Es ist schwer, 30 Jahre lang dieselbe Position inne zu haben und dabei gleichbleibend gut zu bleiben. Das schaffen nur wenige. Früher wurde diese Sesshaftigkeit in der Diakonie auch geistlich verbrämt, da galt es als „Untreue“, den Arbeitgeber zu wechseln. Dieses Verharren ist für die Führungskraft nicht gut, weil sie irgendwann mit der Organisationen verschmilzt. Es ist auch für das Werk nicht gut, weil eine ganze Generation von Mitarbeitern nur einen Chef kennt – so wie eine Generation von Deutschen nur Helmut Kohl als Bundeskanzler kannte. Auch die Innovationskraft eines Unternehmens kann darunter leiden. Nach 10 oder 15 Jahren sollte also im Normalfall ein Wechsel dran sein.

epd: Wie löst man das praktisch?

Beck: Indem man die Vorstandspositionen auf fünf Jahre mit der Option der Verlängerung vergibt. Das führt zwar nicht automatisch zu einem Wechsel, aber es führt dazu, dass man sich Gedanken macht. Im letzten Jahr vor Ablauf der Periode redet man beispielsweise über die Ziele einer weiteren Amtszeit. Und der Vorstand kann gemeinsam mit dem Aufsichtsrat eine Bilanz der zurückliegenden Jahre ziehen.



Schlichtung

Damit der Streit nicht vor Gericht landet




Bernd Andrick
epd-bild/Caritasverband_Essen
Seit 20 Jahren vermittelt die Schlichtungsstelle der Caritas im Bistum Essen zwischen Beschäftigten und Arbeitgebern. Und das sehr erfolgreich, sagt Leiter Bernd Andrick: "Ohne uns hätten die Gerichte deutlich mehr zu tun."

Ganz gleich, um was es im Berufsleben geht: Der Schlichtungsstelle des Caritasverbandes für das Bistum Essen ist kein Fall fremd. Kündigungen, verweigerte Gehaltserhöhungen, zu viele Überstunden oder sexuelle Belästigung: Seit Januar 1996 wurden knapp 1.000 Fälle geschlichtet. Wie das geschieht und worauf es dabei ankommt, erläutert Professor Bernd Andrick im Gespräch mit Dirk Baas.

epd sozial: Herr Andrick, Sie haben innerhalb von 20 Jahren Ihrer Tätigkeit als Leiter der Caritas-Schlichtungsstelle im Bistum Essen knapp 1.000 Verfahren geschlichtet. Diese hohe Zahl überrascht. Sind die Caritas-Mitarbeiter besonders streitlustig?

Bernd Andrick: Nein, davon kann nicht die Rede sein. Wenn man die Gesamtzahl der Verfahren auf die Jahre verteilt, sind es etwa 50 Verfahren pro Jahr. Bei einem Volumen von rund 25.000 Mitarbeitern in den karitativen Einrichtungen des Bistums relativieren sich die Zahlen. Hinzu kommt, dass nach den Arbeitsvertragsrichtlinien die Schlichtungsstelle bereits bei Meinungsverschiedenheiten angerufen werden kann. Etwa, wenn man bei einer Rechtsfrage unterschiedlicher Auffassung ist, aber keineswegs die Anrufung des Arbeitsgerichts beabsichtigt.

epd: 90 Prozent der Fälle wurden erfolgreich gelöst. Wie definieren Sie denn "Erfolg" und sehen das die beteiligten Streitparteien auch so?

Andrick: Erfolg ist dann gegeben, wenn man eine Meinungsverschiedenheit gütlich beilegt. Und er ist auch darin zu sehen, dass sich die Schlichtungsstelle zu einer offenen Rechtsfrage positioniert und das von den Parteien akzeptiert wird. Ein Erfolg ist es schließlich auch, wenn die Parteien, mit denen man keine Einigung erzielen konnte, sich auf der Grundlage der zunächst für gescheitert erklärten Schlichtung anschließend auf eine den Streit beendende Lösung verständigen.

epd: Mit was für Nöten der Beschäftigten haben Sie zu tun? Unterscheiden sich die Beschwerden inhaltlich von denen in anderen Unternehmen?

Andrick: Nein, die Meinungsverschiedenheiten betreffen das gesamte Arbeitsrecht. Der Bogen reicht von den Kündigungen über Abmahnungen, Vergütungsfragen, Arbeitszeit bis hin zum Mobbing. Einen Unterschied zu anderen Unternehmen kann ich nicht erkennen, weil sich die arbeitsrechtlichen Probleme in allen Bereichen des Arbeitslebens widerspiegeln.

epd: Trotz Datenschutz: Was war der ungewöhnlichste Fall, an den Sie sich erinnern?

Andrick: Selten, dafür aber besonders signifikant sind Kündigungen auf der Führungsebene, etwa bei Chefärzten oder Geschäftsführern. Die in diesen Fällen vorgeworfenen Pflichtverletzungen sind nicht alltäglich, sondern fallen schon aus dem alltäglichen Rahmen heraus.

epd: Gemeinhin bringt man den kirchlichen Bereich, also Caritas und Diakonie, nicht gleich mit arbeitsrechtlichen Streitigkeiten in Verbindung. Ein Trugschluss?

Andrick: Im karitativen wie im diakonischen Bereich findet sich ebenso wie etwa bei Gewerkschaften der Alltag des Arbeitsrechts. Insofern sind konfliktträchtige Sichtweisen zu arbeitsrechtlichen Fragen bei uns auch nicht ungewöhnlich.

epd: Warum blickt die Öffentlichkeit hier genauer hin als andernorts? Und wie funktioniert die Schlichtung unter dem Brennglas?

Andrick: Gemeinhin besteht die Auffassung, im karitativen und diakonischen Bereich könne es wegen der diesen Institutionen innewohnenden menschenfreundlichen Wesensarten keine Konflikte geben. Zwar sind die Schmerzgrenzen der karitativen Einrichtungen mit Blick auf die Interessen der Beschäftigten regelmäßig großzügig. Aber irgendwann werden auch sie überschritten mit der Folge arbeitsrechtlicher Reaktionen. In der Schlichtung wird dann ausgelotet, wem bei Würdigung der unterschiedlichen Interessenlagen was zugemutet werden kann.

epd: Verspüren Sie und Ihre Kollegen einen besonderen Druck, wenn etwa die Medien über die Streitfälle berichten?

Andrick: Weil die Schlichtungen in nichtöffentlicher Sitzung stattfinden, gelangen ihre Inhalte nicht in die Öffentlichkeit. Insofern entsteht kein Druck. Ist darüber aber bereits vorab berichtet worden, ist das für die Schlichtungsstelle ein besonderer Anreiz, eine befriedende Lösung herbeizuführen. Die Schlichtungsstelle ist darüber hinaus bemüht, den jeweiligen Streit möglichst aus der Öffentlichkeit herauszuhalten. So soll vermieden werden, dass es zu verzerrten Sichtweisen über die Caritas kommt und die Institution in ihrer Reputation Schaden nimmt.

epd: Oft lässt sich eine Kündigung gar nicht vermeiden. Wie vermeidet Ihre Schlichtung den Gang vor das Arbeitsgericht?

Andrick: In den meisten Fällen gelingt in der Schlichtungsverhandlung ein Vergleich. Die Schlichtungsstelle investiert viel Zeit für eine Verhandlung und besitzt durch ihre beiden Beisitzer von der Dienstnehmer- und Dienstgeberseite die besonderen Fachkenntnisse zu den spezifischen Bereichen der karitativen Einrichtungen. Hierdurch erschließen sich die Probleme des Falles, die es durch einen interessengerechten Vergleichsvorschlag zu lösen gilt.

epd: Aber was passiert, wenn die Schlichtung doch scheitert? Bleibt dann nur noch der Gang vor Gericht?

Andrick: Nein, nicht zwingend. Es kommt auf den Fall an. Das Scheitern der Schlichtungsverhandlung bedeutet nicht zwingend den Gang zum Arbeitsgericht. Aber manchmal findet er statt.



Jugendsozialarbeit

"Integration braucht ein Gesamtkonzept"



Der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit fordert weitere Investitionen in Jugendhilfe, Bildung und Ausbildung. "Eine gute Ausbildung bietet für Flüchtlinge die beste Grundlage für ein selbstbestimmtes Leben, nachhaltige Integration und gesellschaftliche Teilhabe", teilte der Dachverband von Fach- und Wohlfahrtsverbänden am Donnerstag in Berlin mit.

Weil auch die geflüchteten jungen Menschen nach Artikel 28 der UN-Kinderrechtskonvention Anspruch auf Bildung hätten, spricht sich der Verband dafür aus, ihnen statusunabhängige Angebote der sprachlichen, schulischen und beruflichen Förderung zu ermöglichen. Auch seien weitere finanzielle Investitionen unabdingbar, um ausreichende Unterstützung durch die Jugendsozialarbeit für junge Geflüchtete sicherzustellen.

"Völlig unabhängig davon, wie lange diese Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland leben, haben auch sie selbstverständlich Anspruch auf die Leistungen der Jugendhilfe und der Jugendsozialarbeit", sagte Klaus Wagner, stellvertretender Sprecher des Kooperationsverbundes: "Es ist unsere Aufgabe, förderliche Rahmenbedingungen für sie zu schaffen, wie für alle jungen Menschen mit Unterstützungsbedarf."

Sprach- und Integrationskurse müssten an den Bedarf junger Menschen angepasst werden und in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen. Auch müssten die Wartezeiten für junge Geflüchtete deutlich verkürzt werden. Und: Die Betroffenen sollten schnellstmöglich Zugang zur Schule und zur Ausbildungs- und Arbeitsförderung erhalten.

"Wir fordern eine Bildungs- und Ausbildungsoffensive", sagte Wagner: "Neben dem Schutz vor Abschiebung während der gesamten Bildungsphase sind mehr finanzielle Mittel für Sprachbildung, für bedarfsgerechte berufsorientierende und berufsvorbereitende Angebote sowie für die Beratung und Begleitung in Ausbildung notwendig."



Baden-Württemberg

Netz von Flüchtlingskoordinatoren im Aufbau



Evangelische Landeskirche und Diakonie in Württemberg bauen ein flächendeckendes Netz mit Flüchtlingskoordinatoren auf. Ziel sei es, in jedem der 47 Kirchenbezirke eine halbe Stelle für diese Arbeit zu besetzen, sagte Diakonie-Chef Dieter Kaufmann laut einer Mitteilung der Diakonie am 24. März in Aalen. Im Ostalbkreis wurden drei Flüchtlingskoordinatoren in ihr Amt eingeführt.

Kaufmann lobte das kirchliche Engagement im Ostalbkreis. Dort habe man einen "Asylführerschein" entwickelt, um Ehrenamtliche für die Flüchtlingsarbeit zu qualifizieren. Nach Angaben des Diakonie-Chefs gibt es aus allen Regionen hohe Bedarfsmeldungen für die Begleitung und Koordination der vielen Ehrenamtlichen.

Der Einsatz für verfolgte und gefährdete Menschen gehört laut Kaufmann zu den elementaren Aufgaben der Christenheit. "Das biblische Gebot, den Fremden zu schützen, durchzieht die biblische Botschaft. Kirche und Diakonie setzen dieses Gebot in ihrer Arbeit um", sagte er. Die Evangelische Landeskirche in Württemberg hat für die Flüchtlingshilfe für die Jahre 2014 bis 2017 fast 17 Millionen Euro freigegeben, die Hälfte davon geht in Projekte in den Herkunftsregionen.



Thüringen

Verbände fordern Schulsozialarbeit für Flüchtlinge



Junge Flüchtlinge brauchen nach Meinung der Thüringer Sozialverbände mehr Angebote der Schulsozialarbeit. Eine gute Schulsozialarbeit ermögliche eine bessere Integration von Schülern mit Flüchtlingshintergrund, gezielte Elterarbeit und Unterstützung traumatisierter Flüchtlingskinder, erklärte der Vorsitzende der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege, Reinhard Müller, am 30. März in Erfurt.

Müller forderte deshalb eine stärkere Vernetzung der Schulen mit den Verbänden, die sich auch in der neuen Richtlinie der Landesregierung "Schulbezogene Jugendsozialarbeit" wiederfinden solle. Bislang fehle aber ein Passus in der Richtlinie, der den Aufbau eines solchen Netzwerkes ermögliche.

Die LIGA der Freien Wohlfahrtspflege in Thüringen besteht aus 6.000 Einrichtungen und Diensten der Freien Wohlfahrtspflege. Über 60.000 Menschen sind hauptamtlich in ihren Spitzenverbänden tätig.



Abrechnungsbetrug

Ersatzkassen in NRW fordern 1,2 Millionen Euro zurück



Die Ersatzkassen in Nordrhein-Westfalen haben im vergangenen Jahr 1,2 Millionen Euro wegen Abrechnungsbetrugs von Pflegediensten, Ärzten und Apotheken zurückgefordert. In insgesamt 27 Fällen seien Manipulationen festgestellt worden, erklärte der Verband der Ersatzkassen in NRW in Düsseldorf. Der Arbeitsausschuss zur Bekämpfung von Abrechnungsmanipulation der Ersatzkassen legte am 29. März seinen Tätigkeitsbericht für 2015 vor. Demnach lagen die Schadensersatzforderungen der Ersatzkassen im vergangenen Jahr dreimal so hoch wie 2014.

Abrechnungsbetrug liegt vor, wenn zu viel Geld abgerechnet wird oder Leistungen in Rechnung gestellt werden, die nicht erbracht wurden. Von insgesamt 46 im vergangenen Jahr untersuchten und abgeschlossenen Fällen erhärtete sich der Verdacht dem Bericht zufolge in 27 Fällen, in denen auch die Staatsanwaltschaft eingeschaltet wurde. In 19 Fällen bestätigten sich die Vorwürfe nicht. In 34 weiteren Fällen läuft die Überprüfung noch.

Mit 450.000 Euro forderten die Ersatzkassen den höchsten Betrag von einem Apotheker zurück. Er steht den Angaben zufolge unter Verdacht, nicht verbrauchte Fertigprodukte für die künstliche Ernährung zurückgenommen, wiederverkauft und erneut bei den Kassen abgerechnet zu haben. Bei einer Steuerprüfung sei der mutmaßliche Schwindel aufgefallen, hieß es. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft dauern den Angaben nach noch an.

"Die Höhe der Rückforderungen belegt, dass Abrechnungsmanipulation kein Bagatelldelikt ist", betonte der Leiter der NRW-Landesvertretung der Ersatzkassen, Dirk Ruiss. Die Krankenkassen sind den Angaben nach gesetzlich dazu verpflichtet, Abrechnungsmanipulationen nachzugehen. Wenn sie Betrug feststellen, fordern sie Schadensersatz oder schließen einen Vergleich und schalten in schweren Fällen die Staatsanwaltschaft ein.

Zu den Ersatzkassen gehören die gesetzlichen Krankenversicherungen Techniker Krankenkasse, die Barmer GEK, die DAK-Gesundheit, die Kaufmännische Krankenkasse, die Hanseatische Krankenkasse und die Handelskrankenkasse.



Pflege

Diakonie aktiv gegen Fachkräftemangel



Das Diakonische Werk Schleswig-Holstein macht gegen den Fachkräftemangel in der Pflege mobil. Unter dem Motto "Diakonie und Demografischer Wandel" werden in den nächsten drei Jahren Pflegeeinrichtungen beim Aufbau einer nachhaltigen Personal- und Organisationsentwicklung unterstützt. Das Projekt wird vom Europäischen Sozialfonds mit rund 260.000 Euro gefördert, teilte die Diakoniezentrale am 24. März in Rendsburg mit.

Geplant sind Schulungen, Fachtage, Workshops und Beratungen. Konkrete Ziele des Projektes sind unter anderem, die Krankheitsquoten bei den Mitarbeitern zu senken, alters- und generationengerechte Arbeitsplätze zu schaffen, das Gesundheitsmanagement zu stärken und insgesamt die Einrichtungen als attraktive Arbeitgeber zu etablieren.



Ostdeutschland

Beschäftigte der Sozialwirtschaft erhalten höhere Gehälter



Für die 6.500 Beschäftigten der Sozialwirtschaft in Thüringen, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern sind die neuen Tarifverträge unter Dach und Fach. Der Arbeitgeberverband PATT des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes und die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst und Dienstleistungen (GÖD) vereinbarten für die nächsten beiden Jahre Tarifsteigerungen von 4,3 Prozent, teilte der Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege am 29. März in Neudietendorf bei Erfurt mit.

Ab 1. Juli 2016 steigen demnach die Einkommen der Beschäftigten in der Sozialwirtschaft um 2,5 Prozent, ab 1. Juli 2017 noch einmal um 1,8 Prozent. Neben den allgemeinen Lohnsteigerungen für alle Beschäftigten sehen die Verträge den Angaben zufolge zusätzlich Verbesserungen für langjährige Mitarbeiter vor. Für sie werden eine weitere Vergütungsstufe sowie zusätzliche Urlaubstage eingeführt. Auch für Schichtarbeitnehmer und Nachtarbeit wurden zusätzliche bzw. höhere Ausgleiche eingeführt.



Niedersachsen

Mehr Geld für katholische Erzieherinnen und Pädagogen



Die rund 13.000 Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst der katholischen Caritas in Niedersachsen und Bremen erhalten ab April 3,5 Prozent mehr Lohn. Darauf einigten sich Vertreter von Arbeitgebern und Mitarbeitern bei den Tarifverhandlungen in der Arbeitsrechtlichen Kommission, wie die Dienstgeber am 30. März in Osnabrück mitteilten. Damit setzt die Regionalkommission Nord einen Beschluss der Caritas-Bundeskommission um.

In Niedersachsen und Bremen sind insgesamt rund 40.000 Caritas-Mitarbeiter tätig. Etwa 13.000 arbeiten als Erzieherinnen, Sozialpädagogen und Heilpädagogen - für sie gilt der jetzige Beschluss. Die Beschäftigten verteilen sich auf die Bistümer Hildesheim und Osnabrück sowie auf den Offizialatsbezirk Oldenburg des Bistums Münster. Arbeitgeber und Arbeitnehmer hatten seit Februar verhandelt und zwischenzeitlich einen Vermittlungsausschuss angerufen.



Hamburg

Aktionsbündnis protestiert gegen fehlende Unterkünfte



Zum Ende des Winternotprogramms am 31. März hat das Hamburger Aktionsbündnis gegen Wohnungsnot am 30. März erneut an den Senat appelliert, den Kampf gegen Wohnungslosigkeit zum Schwerpunkt seiner Politik zu machen. Etwa 900 Menschen würden ab 1. April wieder zu den anderen Obdachlosen stoßen, die den ganzen Winter über draußen ausgeharrt haben, sagte Bündnissprecherin Bettina Reuter bei einer Protestaktion in der Hamburger Innenstadt. Insgesamt rund 2.000 Menschen würden dann wieder unter freiem Himmel schlafen.

Inakzeptabel sei auch, dass zusätzlich 6.000 Menschen in Obdachlosenunterkünften nur notdürftig untergebracht seien, sagte Reuter. Das Aktionsbündnis fordert vor allem den Bau von mehr Sozialwohnungen und Wohnungen für besonders benachteiligte Personengruppen. Das Hamburger Aktionsbündnis ist ein Zusammenschluss von Trägern der Wohnungslosenhilfe aus der Freigemeinnützigen Wohlfahrtspflege.



Generationen

Deutscher Verein will Wohnen für alle verbessern



Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge gibt Empfehlungen für ein besseres Wohnen für alle Generationen. "Generationengerechtes Wohnen geht über das altersgerechte Wohnen hinaus", sagte Vereinsvorstand Michael Löher am 29. März in Berlin. Dieses Konzept nehme alle Altersgruppen in den Blick.

Das Angebot des Vereins richte sich unter anderen an Kommunen, Wohnungswirtschaft und Bürger. Neben einzelnen Wohnungen und Häusern helfe der Verein außerdem, Sozialräume und Quartiere für alle Generationen angemessen zu gestalten.

Nach Löhers Worten ist eine langfristige Kooperation zwischen allen Akteuren notwendig, um Wohnen mehr mit Blick auf alle Generationen zu gestalten. Die Zusammenarbeit müsse über Ressort- und Institutionsgrenzen hinweg geführt werden.

Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge ist das gemeinsame Forum von Kommunen und Wohlfahrtsorganisationen sowie ihrer Einrichtungen, der Bundesländer und von den Vertretern der Wissenschaft für alle Bereiche der sozialen Arbeit und der Sozialpolitik. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend unterstützt den Verein finanziell.



Tagungen

Bundeskongress Kinder- und Jugendarbeit im September



Der bundesweite Fachkongress Kinder- und Jugendarbeit befasst sich im September an der TU Dortmund mit Praxisprojekten, Ansätzen aus den Hochschulen und der Organisationsentwicklung. Interessierte hauptberufliche Mitarbeiter, Freiwillige, Studierende oder Wissenschaftler können sich bewerben, wenn sie erfolgreiche oder gescheiterte Projekte und Ansätze in Workshops vorstellen wollen, wie die Hochschule am 30. März ankündigte.

Zu den Kongressthemen vom 26. bis 28. September zählen unter anderem freiwilliges Engagement und Hauptberuflichkeit, Digitalisierung, Diversität und Inklusion sowie Jugendarbeit in der Migrationsgesellschaft.




sozial-Recht

Bundesgerichtshof

Kommunen dürfen defizitärer Klinik helfen




Kommunen dürfen verschuldete Kliniken finanziell unterstützen.
epd-bild / Werner Krüper
Kommunen dürfen nach einem Gerichtsurteil ihren verschuldeten Krankenhäusern finanziell unter die Arme greifen. Voraussetzung sei jedoch, dass ein Kreis oder eine Stadt von vornherein klar die Maßstäbe festlege, nach denen der finanzielle Ausgleich stattfinden und berechnet werden soll. Der evangelische Krankenhausverband kritisierte die Entscheidung.

In seiner Entscheidung vom 24. März fügte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hinzu: Wenn diese Transparenzanforderungen nicht erfüllt würden, könne es sich bei den finanziellen Hilfen um staatliche Beihilfen handeln, die bei der EU-Kommission angemeldet werden müssten.

Konkret ging es um die defizitären Kreiskliniken Calw. Der Landkreis hatte die Kliniken im April 2008 und erneut im Dezember 2013 mit der medizinischen Versorgung der Bevölkerung betraut. Die öffentlichen Kreiskrankenhäuser wurden in den Krankenhausplan von Baden-Württemberg aufgenommen. Doch die Geschäfte liefen nicht gut. Für das Jahr 2011 wurde ein Fehlbetrag von mehr als drei Millionen Euro und 2012 von 6,2 Millionen Euro erwirtschaftet.

Verluste wurden ausgeglichen

Der Kreistag entschied daraufhin, seinen defizitären Kliniken in Calw und Nagold zu helfen. Er erklärte sich bereit, die Verluste der Kreiskliniken für die Jahre 2012 bis 2016 auszugleichen. Außerdem gewährte er in den Jahren 2010 bis 2012 Ausfallbürgschaften zur Absicherung von Investitionsdarlehen über knapp 15 Millionen Euro sowie Investitionszuschüsse.

Der Bundesverband Deutscher Privatkliniken (BDVK) sah darin eine unzulässige staatliche Beihilfe. Diese müssten bei der EU-Kommission angemeldet werden. Da dies nicht geschehen war, seien die Hilfen rechtswidrig. Die Kreiskliniken verwiesen darauf, dass sie im Interesse der Allgemeinheit handelten.

Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart ließ offen, ob es sich hier um staatliche Beihilfen handelte. Aber selbst wenn dies der Fall wäre, handele es sich um Zuwendungen im allgemeinen Interesse. Dann müssten diese bei der EU-Kommission nicht angemeldet werden.

Transparenz gefordert

Der BGH urteilte, dass Kommunen zwar ihre verschuldeten Kliniken nicht im Regen stehen lassen müssen. Doch einfach so Gelder in die Kliniken stecken, gehe auch nicht. Um von der Meldepflicht bei der EU-Kommission freigestellt werden zu können, müssten die Kliniken mit der allgemeinen medizinischen Versorgung beauftragt worden sein. Dabei müsse auch die Berechnung von Ausgleichszahlungen transparent geregelt werden.

Dies sei bei der 2008 erteilten Beauftragung der Kliniken nicht geschehen. Daher soll nun das OLG Stuttgart prüfen, ob der Defizitausgleich für die Jahre 2012 und 2013 aus anderen Gründen rechtmäßig war oder ob es sich um unzulässige Beihilfen handelt. In der aktuellen Beauftragung von Dezember 2013 sei die Berechnung von Ausgleichszahlungen dagegen transparent geregelt worden, so hieß es.

Der Vorsitzende des Deutschen Evangelischen Krankenhausverbandes (DEKV), Christoph Radbruch, kommentierte die BGH-Entscheidung mit den Worten: "Der eigentliche Skandal liegt darin, dass Kliniken in nicht-öffentlicher Trägerschaft im Falle von Betriebskostendefiziten nicht mit einem Ausgleich aus öffentlichen Haushaltsmitteln ihrer Kommunen und Kreise rechnen können.“ Dies stelle für Kliniken in nicht-öffentlicher Trägerschaft "einen erheblichen Wettbewerbsnachteil" dar.

Az.: I ZR 263/14

Frank Leth


Förderung

Stadt darf Kita-Träger nicht ausschließen



Eine Kommune darf einen freiwilligen Zuschuss für Eltern, deren Kind einen Kindergarten besucht, nicht nur für kommunale Kitas gewähren. Auch freie Träger müssten entsprechend gefördert werden. Andernfalls verstößt dies gegen den Gleichheitsgrundsatz, entschied der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg in Mannheim in einem am 14. März bekanntgegebenen Urteil. Bei der Höhe der Förderung dürfe die Kommune jedoch Unterschiede in den Betreuungsangeboten berücksichtigen.

Konkret ging es um die Praxis der Stadt Künzelsau, Eltern eine deutliche Beitragsermäßigung zu gewähren, wenn sie ihre Kinder in einem städtischen Kindergarten unterbringen. Davon wollten auch die klagenden Eltern profitieren und verlangten von der Stadt die Erstattung von Kita-Beiträgen in Höhe von 11.621 Euro. Ihre Kinder besuchten einen Waldorfkindergarten.

Das Verwaltungsgericht Stuttgart wies die Klage der Eltern auf Erstattung der gezahlten Beiträge ab. Allerdings verpflichtete das Gericht die Kommune, aus Gleichbehandlungsgründen noch einmal über den Antrag für einen Zuschuss zu entscheiden.

Auch der VGH kippte die Förder-Praxis der Kommune. Mit der direkten Förderung des Besuchs allein einer städtischen Kita würden das gesetzliche Wahlrecht der Eltern und deren Erziehungsbestimmungsrecht unterlaufen. Es verstoße gegen das Gleichheitsgebot im Grundgesetz, wenn Eltern, die ihre Kinder in einen Kindergarten eines freien Trägers schicken, von der freiwilligen Förderung ausgeschlossen werden.

Die Stadt müsse daher neu über den Förderantrag der klagenden Eltern entscheiden. Allerdings brauche die Förderung zwischen den Kindergärten der einzelnen Träger nicht gleich hoch sein.

Az.: 12 S 638/15



Oberlandesgericht

Schmerzensgeld wegen Haarverlust nach Chemotherapie



Eine Frau, die nach einer Chemotherapie dauerhaft ihre Haare verloren hat, erhält vom Krankenhaus 20.000 Euro Schmerzensgeld. Das Oberlandesgericht Köln erklärte in dem am 23. März veröffentlichten Urteil, die Frau sei nicht ausreichend über die Risiken der Brustkrebsbehandlung aufgeklärt worden.

Ein zum Behandlungszeitpunkt 2007/2008 noch recht neues und besonders wirksames Krebsmedikament führte bei der Frau nach Gerichtsangaben zu einem dauerhaften Verlust fast ihrer kompletten Körperbehaarung, Wimpern und Augenbrauen. Ihr Kopfhaar wächst nur teilweise nach. Über dieses Risiko hätten die Ärzte die Patientin vorher nicht informiert, hieß es. Die Frau leide seitdem unter erheblichen und nachhaltigen psychischen Belastungen.

Während das Landgericht Köln als Vorinstanz entschied, dass zum Behandlungszeitpunkt noch keine ausreichenden Anhaltspunkte für das Risiko eines dauerhaften Haarausfalls bestanden, kam das Oberlandesgericht zu einer anderen Bewertung. In den vom Hersteller veröffentlichten Fachinformationen für Ärzte werde darauf verwiesen, dass bei einer Studie mit einer Nachbeobachtungszeit von 55 Monaten 3,2 Prozent der Patientinnen dauerhaft ihre Haare verloren. Patienten müssten auch dann über die Risiken einer Behandlung aufgeklärt werden, wenn diese nur selten eintreten, urteilten die Richter.

Das Gericht folgte auch nicht der Argumentation des Krankenhauses, dass die Frau die Behandlung auch dann gewählt hätte, wenn sie von allen Risiken gewusst hätte. Der Senat habe in einer langen Befragung der Klägerin den Eindruck gewonnen, dass sie sich im Falle einer vollständigen Aufklärung in einem Entscheidungskonflikt befunden hätte. Dabei sei nicht sicher, wie ihre Entscheidung ausgefallen wäre.

Az.: 5 U 76/14



Landesarbeitsgericht

"Junges Team" ist nicht diskriminierend



Arbeitgeber dürfen Stellen für ein "junges, hoch motiviertes Team" ausschreiben. Das Wort "jung" ist in diesem Zusammenhang mehrdeutig und daher nicht altersdiskriminierend, wie das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg in einem am 12. März veröffentlichten Urteil entschied.

Konkret ging es um eine Stellenanzeige eines IT-Unternehmens, welches 2014 "die Besten der Besten für den Bereich Softwareentwicklung" suchte. Die Arbeit erfolge "in einem jungen, hochmotivierten Team". Verlangt wurden von dem künftigen "Softwareentwickler (m/w) auch "sehr gute Deutsch- und Englischkenntnisse".

Die 52-jährige Klägerin russischer Herkunft wurde mit ihrer Bewerbung abgelehnt. Sie verlangte daraufhin eine Diskriminierungsentschädigung in Höhe von 10.000 Euro. Sie sei wegen ihres Alters, ihres Geschlechts und ihrer russischen Herkunft nicht genommen worden. Sie verwies dabei auf den Anzeigentext.

Das LAG urteilte, dass es keine Hinweise für eine Diskriminierung gebe. Zwar sei mit der Formulierung "Softwareentwickler (m/w)" nur die männliche Form gewählt worden. Der Zusatz mache aber deutlich, dass sich die Anzeige auch an Frauen gleichermaßen richtete. Auch seien "sehr gute Englisch- und Deutschkenntnisse" für ein internationales IT-Unternehmen schlicht notwendig und stellten keine Diskriminierung wegen der Herkunft dar.

Auch eine Altersdiskriminierung liege nicht vor. Ein "junges Team" könne zwar auf das Alter der Teammitglieder verweisen, ebenso aber auch auf das Alter des Teams. Denn "jung" bedeute laut Duden sowohl "in jugendlichem Alter" als auch "noch nicht lange bestehend".

Im konkreten Fall sei es sogar naheliegend, dass die Formulierung "junges Team" auf das erst kurze Bestehen des Teams verweise. Denn das IT-Unternehmen, das die Anzeige geschaltet hatte, bestand seit gerade mal sechs Jahren und habe außerdem auf ein "neu entstandenes Geschäftsfeld" verwiesen. Zudem würden ein Studium, mehrjährige Berufserfahrung und zahlreiche weitere Qualifikationen erwartet, was zeige, dass Bewerberinnen und Bewerber ohnehin nicht mehr ganz jung sein könnten.

Az.: 19 Sa 27/15



Verwaltungsgericht

Nicht zu klein für die Polizeiarbeit



Körperliche Anforderungen an bestimmte Berufsgruppen führen immer wieder zum Rechtsstreit. Jetzt hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen die körperlichen Mindestgrößen von Polizeibewerbern in Nordrhein-Westfalen für rechtswidrig erklärt. Es sei nicht erkennbar, ob die 2006 festgelegten Mindestgrößen zur Einstellung in den gehobenen Polizeivollzugsdienst überhaupt erforderlich sind, urteilte am 14. März das Gericht.

Geklagt hatte ein abgelehnter Polizeibewerber, der wegen seiner 166,5 Zentimeter Körpergröße als nicht tauglich befunden wurde. In Nordrhein-Westfalen wird für den Polizeidienst von Männern eine Körpergröße von mindestens 168 Zentimetern und von Frauen von 163 Zentimetern verlangt.

Das Verwaltungsgericht hielt die Ablehnungsentscheidung wegen der fehlenden 1,2 Zentimeter Körpergröße für rechtswidrig. Zwar dürfe das Land Mindestanforderungen für die Körpergröße festlegen und dabei auch zwischen Frauen und Männern unterscheiden. Denn wegen ihrer durchschnittlich geringeren Körpergröße wären Frauen gegenüber Männern bei einer einheitlichen Körpergröße insgesamt benachteiligt.

Das Land habe die festgelegte Mindestkörpergröße für Polizeibewerber aber nicht ausreichend mit statistischem Material unterfüttert. Es sei nicht klar, warum die festgesetzten Mindestgrößen für die Anforderungen im Dienst erforderlich seien.

Je nach Bundesland dürfen Polizeibewerber unterschiedlich klein oder groß sein. In Baden-Württemberg, Bayern, Hessen oder Brandenburg wird eine einheitliche Mindestkörpergröße von 160 Zentimeter verlangt. Im Saarland gibt es gar keine festgelegte Mindestgröße - dort entscheidet der Polizeiarzt im Einzelfall. Bei der Bundespolizei werden 165 Zentimeter und 163 Zentimeter verlangt. Bundespolizisten dürfen aber auch nicht alle überragen. Bewerber über 197 Zentimeter werden nicht eingestellt.

Az.: 1 K 3788/14



Asyl

Schweden muss Antrag von konvertiertem Iraner neu prüfen



Eine in Europa erfolgte Konversion zum Christentum kann unter bestimmten Umständen ein Grund dafür sein, dass die Behörden das Asylgesuch eines Menschen aus einem islamischen Land neu prüfen müssen. Das geht aus einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg zum Fall eines Iraners in Schweden hervor. Die Richter urteilten am 23. März, dass Schweden die Bestimmungen zum Recht auf Leben und zum Verbot der Folter verletzen würde, wenn es den Mann ohne weitere Prüfung in seine Heimat abschieben würde. Zugleich muss Schweden ihm für seine Aufwendungen 33.742 Euro zahlen.

Der Mann war Ende 2009 nach Schweden gekommen und hatte um Asyl nachgesucht. Dabei machte er zunächst nur politische Aktivitäten als Asylgrund geltend. Seinen eigenen Angaben zufolge hatte er in den vorangegangenen zwei Jahren an regimekritischen Websites mitgearbeitet, wie das Gericht rekapitulierte. Dafür sei er dreimal inhaftiert worden.

Die schwedischen Behörden hielten die politischen Aktivitäten aber für nicht sehr schwerwiegend. An dieser Beurteilung hatte seinerseits der Gerichtshof für Menschenrechte nichts auszusetzen. Die Schweden lehnten aufgrund dieser Beurteilung den Asylantrag ab.

Der Mann war allerdings in Schweden zum Christentum konvertiert. Das hatten die Behörden nicht berücksichtigt, weil er es zwar erwähnt, aber nicht als formellen Asylgrund geltend gemacht habe, erklärte das Gericht. Nach Ablehnung seines Asylgesuchs berief er sich dann doch auf den Glaubenswechsel. Die Behörden lehnten nun aber eine Prüfung der daraus erwachsenden Gefahren ab, weil es sich um keine "neuen Umstände" handele.

Dagegen wandte sich das Urteil des Gerichtshofs für Menschenrechte. Die Konversion zum Christentum könne den Mann im Iran in Gefahr bringen, urteilten die Straßburger Richter. Aufgrund der absoluten Geltung des Rechts auf Leben und des Folterverbots sei Schweden trotz des bisherigen Verlaufs des Verfahrens zur neuerlichen Prüfung des Falls verpflichtet. Davon abgesehen habe der Mann zwischenzeitlich auch neue Dokumente beigebracht. Darunter befänden sich insbesondere eine persönliche Erklärung über seine Bekehrung und die Art und Weise, wie er bei einer Abschiebung im Iran den Glauben zu praktizieren gedenke, sowie die Erklärung eines früheren Pfarrers seiner schwedischen Gemeinde.

Az.: 43611/11




sozial-Köpfe

Krankenkassen

Andreas Storm in DAK-Vorstand gewählt




Andreas Storm
epd-bild/DAK-Gesundheit
Andreas Storm ist vom Verwaltungsrat der Krankenkasse DAK-Gesundheit in den Vorstand gewählt worden. Der ehemalige Gesundheitsminister des Saarlandes (CDU) soll das Amt am 1. Juli antreten.

Storm löst im Sommer zunächst Claus Moldenhauer (65) als stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden ab, der in den Ruhestand geht. Der 51-jährige Diplom-Volkswirt soll dann am 1. Januar 2017 die Nachfolge von Herbert Rebscher als Vorstandsvorsitzender übernehmen, wenn dieser wie geplant ausscheidet.

Der CDU-Politiker gehörte 15 Jahre lang dem Deutschen Bundestag an, war zwischen 2005 und 2011 Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie für Arbeit und Soziales, anschließend unter Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) Chef der saarländischen Staatskanzlei und danach bis 2014 Gesundheitsminister im Saarland.



Weitere Personalien



Ulrike Witten (33), Theologin, erhält den mit 5.000 Euro dotierten Hanna-Jursch-Preis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Wittens Doktorarbeit untersucht Lehre und Wirken der drei kirchengeschichtlich bedeutsamen Frauenpersönlichkeiten Elisabeth von Thüringen (1207-1231), Florence Nightingale (1820-1910) und Mutter Teresa (1910-1997). Die wissenschaftliche Mitarbeiterin der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg beschreibt die Lebensläufe aus kirchen- und diakoniehistorischer Perspektive. Der alle zwei Jahre vergebene Preis zeichnet herausragende wissenschaftlich-theologische Arbeiten aus der Perspektive von Frauen aus.

Julia Schäuble und Jutta Schüle, ehrenamtliche Helferinnen der Evangelischen Gesellschaft (eva), sind mit der Auszeichnung "Stuttgarter des Jahres 2016" geehrt worden. Acht weitere Personen erhielten die Auszeichnung. Schäuble ist seit 2012 regelmäßig im Gradmann Haus für demenzerkrankte ältere Menschen im Einsatz. Jutta Schüle hat im Gemeindepsychiatrischen Zentrum Birkach einen inklusiven Tanztreff ins Leben gerufen. hat. Am Abend des 21. März sind beide mit acht weiteren Preisträgern in den Wagenhallen geehrt worden. Der Preis wird seit 2014 von der Stuttgarter Zeitung und der Stuttgarter Versicherungsgruppe vergeben und ist mit insgesamt 30.000 Euro dotiert.

Beate Busse (50) wird neue Schulleiterin an der Ostschule der Stiftung Eben-Ezer in Lemgo. Ab dem 1. Juni 2016 arbeitet sie sich in ihren neuen Verantwortungsbereich an der integrativen Grundschule ein. Busse tritt die Nachfolge von Klaus Hollmann an, der zum Ende des Schuljahres in den Ruhestand geht. Busse ist gebürtige Mindenerin und unterrichtet seit 12 Jahren an der Grundschule Hohenhausen. Seit 2012 ist sie zusätzlich Koordinatorin für Inklusion beim Schulamt des Kreises Lippe.

Gustav Doubrava, Ehrenvorsitzender des Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbundes (BBSB) ist am 23. März im Alter von 78 Jahren gestorben. Er war von 1975 bis 2003 Vorsitzender des Verbandes. Doubrava habe diesen ältesten Selbsthilfeverband des Landes weiterentwickelt und entscheidend geprägt, hieß es. „Mit Gustav Doubrava verliert Bayern einen wichtigen Streiter für mehr Selbstbestimmung", Irmgard Badura, die Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für die Belangen von Menschen mit Behinderung.

Evamaria Schaller, Kölner Videokünstlerin, erhält das diesjährige Dr. Dormagen-Guffanti-Stipendium und wird ein halbes Jahr mit behinderten Menschen leben und künstlerisch arbeiten. Während des sechsmonatigen Stipendiums gilt für die Künstlerin Präsenzpflicht auf dem Gelände des Städtischen Behindertenzentrums Dr. Dormagen-Guffanti. Am Ende des Stipendiums steht eine Abschlussausstellung, die die entstandenen Arbeiten präsentiert. Schaller wurde 1980 im österreichischen Graz geboren. Sie studierte Multimedia Art in Salzburg und Film in Prag. 2011 absolvierte sie ihr Postgradualstudium an der Kunsthochschule für Medien in Köln, wo sie lebt und arbeitet.

Roland Ries, ehemaliger Vorsitzender des Diözesan-Caritasverbands Trier, ist am 27. März im Alter von 85 Jahren verstorben. Von 1982 bis 2000 stand Prälat Ries als Vorsitzender an der Spitze des Diözesan-Caritasverbandes Trier, dessen Neuorganisation im Jahr 1985 er prägte. Er habe den Krankenhausbereich in Rheinland-Pfalz und Saarland, aber auch auf Bundesebene geprägt, hieß es. 1992/93 war er Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft. 1987 erhielt er den Verdienstorden des Landes Rheinland-Pfalz, 2000 den Brotteller, die höchste Auszeichnung des Deutschen Caritasverbandes, und 2003 das Große Bundesverdienstkreuz.

Carina Gödecke, nordrhein-westfälische Landtagspräsidentin (SPD), unterstützt die Deutsche Kinderhospizstiftung für die Verleihung ihres Medienpreises als Schirmherrin. Der Medienpreis TOM und die prämierten Beiträge trügen dazu bei, Aufmerksamkeit für die Lebenssituation der erkrankten Kinder, der Angehörigen sowie für die Arbeit der Mitarbeiter zu schaffen, erklärte Gödecke. Die Preisverleihung findet am 6. Dezember im Düsseldorfer Landtag statt. Beiträge können noch bis zum 31. August eingereicht werden.




sozial-Termine



Die wichtigsten Fachveranstaltungen bis Mai

April

12.-13.4. Fulda:

Fachtagung "Trauma Flucht. Erziehungsberatung im Netzwerk der Hilfen"

der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung

Tel.: 0911/977140

www.bke.de

13.4. Frankfurt am Main:

Fachtagung "Integration von minderjährigen unbegleiteten Jugendlichen

in der Kinder- und Jugendhilfe"

des Instituts für Sozialarbeit und Sozialpädagogik

Tel.: 069/95789-153

www.iss-ffm.de

14.4. Mülheim a.d.R.:

Sozialethisches Kolloquium "Eigentum verpflichtet!"

der Katholischen Akademie "Die Wolfsburg"

Tel.: 0208/99919981

www.die-wolfsburg.de/tagungen/16068

14.4. Münster:

Seminar "Kirchliche Stiftungen, rechtliche Grundlagen, Rechnungslegung, Stiftungsaufsicht"

der BPG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Tel.: 0251/48204-12

www.bgp-muenster.de

14.-15.4. Berlin:

Fachtagung "Flüchtlingsfamilien im Schatten der Hilfe? Geflüchtete Minderjährige

und ihre Familien in Deutschland"

des Deutschen Instituts für Urbanistik

Tel.:030/39001139

www.fachtagung-jugendhilfe.de

14.-16.4. Kassel:

Christlicher Gesundheitskongress "Zeichen setzen - heilen und begleiten

in Gesundheitswesen und Gemeinde"

Tel.: 04104/9170934

www.christlicher-gesundheitskongress.de

14.-17.4. Nürnberg:

Werkstätten-Messe "Impulse für eine inklusive Arbeitswelt"

der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen

Tel.: 069/94339436

www.werkstaettenmesse.de

15.4. Berlin:

Fortbildung "Rechtliche Aspekte der Pflegedokumentation"

des DBfK Nordost

Tel.: 030/208987260

19.4. Berlin:

Fortbildung "Transkulturalität in der Pflege-Kompetenzerwerb oder Bedienungsanleitung

für Menschen aus anderen Kulturen"

des DBfK Nordost

Tel.: 030/208987260

20.-21.4. Frankfurt a.M.:

Messe und Kongress "Zukunft Lebensräume"

der Messe Frankfurt Exhibition GmbH

Tel.: 069/75750

www.zukunft-lebensraeume.de

20.-22-4. Augsburg:

Tagung "(Un-)Haltbare Zustände? Kritische Betrachtung der Wohnungslosenhilfe

nach zehn Jahren SGB II"

des Deutschen Caritasverbandes

Tel.: 0761/200276

www.caritas.de/termine

21.4. Berlin:

Seminar "Mit Pflegediagnosen arbeiten"

des DBfK-Regionalverbandes Nordost

Tel.: 030/108987266

21.4. Münster:

Seminar "Haftungsrisiken des GmbH-Geschäftsführers in der Krise"

der BPG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Tel.: 0251/48204-12

www.bpg-muenster.de

23.4. Bad Kreuznach:

"Erstes palliativmedizinisches Symposium"

der Stiftung Kreuznacher Diakonie

Tel.: 0671/605-3858

www.kreuznacherdiakonie.de

26.4. Kassel:

Fachtag "Die Pflegestärkungsgesetze - Ambulant und stationär, statt ambulant vor stationär!"

der diakonischen Fachverbände DEVAP und VdDD

Fax: 030/83001-25277

www.devap.info

26.4. Münster:

Seminar "Betriebsverfassungsrecht für Arbeitgeber: Mitbestimmung in sozialen

und personellen Angelegenheiten"

der BPG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Tel.: 0251/4820412

https://www.bpg-muenster.de/seminarangebote-bpg-unternehmensgruppe

27.4. Berlin:

Strategieworkshop Krankenhaus "Stark aufgestellt für die Zukunft"

der Evangelischen Bank eG

Tel.: 0431/6632-1321

www.eb.de

28.-29.4. Eichstätt:

Fachtagung "Ökonomie und Management der Sozialimmobilie"

der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt

Tel.: 08421/9321673

www.ku.de/swf/ncs

Mai

2.-4.5. Loccum:

Tagung "Arbeitsmarktzugang für Flüchtlinge - wie können Spracherwerb,

gesellschaftliche Integration und berufliche Qualifizierung durch Arbeit gelingen?

der Evangelischen Akademie Loccum

in Kooperation mit dem KDA und der Gewerkschaft IGBCE

Tel.: 05766/810

www.loccum.de

3.-4.5. Köln:

Tagung "ALL IN: Qualität und Öffnung von Kulturarbeit durch Inklusion"

des Instituts für Bildung und Kultur

Tel.: 02191/794297

www.ibk-kubia.de/symposium

9.5. Freiburg:

Seminar "Neues vom Bundesarbeitsgericht"

der Unternehmensberatung Solidaris

Tel.: 02203/8997221

www.solidaris.de

11.5. Berlin:

Seminar "Die GmbH-Geschäftsführung in der steuerbegünstigten GmbH - Anstellungsvertrag,

Kompetenzen, Haftungsrisiken"

der BFS Service GmbH

Tel.: 0221/97356159

www.bfs-service.de

11.-13.5. Leipzig:

Deutscher Stiftungstag 2016 "Älter - bunter - anders: Demografischer Wandel und Stiftungen"

des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen

Tel.: 030/89794777

12.5. Köln:

Seminar "Compliance in sozialtätigen Unternehmen"

der Unternehmensberatung Solidaris

Tel.: 02203/8997221

www.solidaris.de

17.-20.5. Hamburg:

Suchttherapietage "Diagnose - Hilfe oder Etikett?"

des Zentrums für Interdisziplinierte Suchtforschung

Tel.: 040/741054203

www.suchttherapietage.de