Ausgabe 13/2016 - 01.04.2016
Frankfurt a. M (epd). Nach Einschätzung des Dachverbandes "Das frühgeborene Kind" gibt es in Deutschland zu viele Perinatalzentren zur Versorgung von frühgeborenen Kindern. "Wir leisten uns im europäischen Vergleich die meisten Zentren, sind aber nicht Spitzenreiter, was das Überleben der Frühgeborenen angeht", sagte Verbandssprecherin Katarina Eglin dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Frankfurt am Main. "Wir denken, dass weniger mehr ist."
Bundesweit gibt es nach Angaben von Eglin insgesamt 162 Perinatalzentren mit dem Level 1 für die Versorgung von sehr kleinen Frühgeborenen. Nicht alle diese Kliniken seien aber auf die spezifischen Krankheitsbilder von Frühgeborenen eingestellt. Eglin verwies auf die Gefahr von Darmentzündungen, Hirnblutungen oder Versteifung des Lungengewebes bei Kindern, die vor der 26. Schwangerschaftswoche auf die Welt kämen. Es sei von Vorteil, wenn es eine Kinderchirurgie in der Klinik gebe. Eine Verlegung in ein anderes Krankenhaus bilde eine zusätzliche Belastung für das Kind.
Gegen das Argument einer flächendeckenden wohnortnahen Versorgung sagte sie: "Eltern wollen nicht die nächste, sondern die beste Versorgung." Dazu gehören ihrer Auffassung nach neben der optimalen medizinischen Betreuung auch Familienzimmer und die Möglichkeit, Geschwisterkinder mitbringen zu können. "Weniger Zentren könnten sich personell besser aufstellen", sagte Eglin.
Um als Perinatalzentrum Level 1 anerkannt zu werden, muss eine Klinik nach Angaben des Gemeinsamen Bundesausschusses von Ärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen unter anderem ein 24-Stunden-Arztpräsenz gewährleisten sowie entsprechende Qualifikationen von Ärzten und Pflegepersonal nachweisen. Darüber hinaus müssen pro Jahr mindestens 14 Frühchen betreut werden.
Eglin kritisierte, für Kliniken sei es sehr lukrativ, ein Perinatalzentrum zu betreiben. Deshalb strebten weitere Zentren in den Markt. Den Angaben ihres Verbandes zufolge können Kliniken den Krankenkassen durchschnittlich 110.000 Euro für die intensivmedizinische Behandlung eines sehr unreifen Frühgeborenen unter 750 Gramm in Rechnung stellen. Das sei ein wirtschaftlicher Anreiz, der diese Patientengruppe für viele Kliniken attraktiv mache, sagte sie.
Der Dachverband ist ein deutschlandweites Netzwerk von Selbsthilfe-Initiativen und Beratungsstellen für Frühchenfamilien. Der Verband wurde 1992 gegründet und unterstützt die Eltern von frühgeborenen Kindern mit Beratungsangeboten.