sozial-Politik

Migrationsforscher

"Einwanderer-Gettos kein Nährboden für Terrorismus"



Der Osnabrücker Migrationsforscher und Sozialgeograf Andreas Pott hat davor gewarnt, in den Einwanderer-Gettos in Brüssel und Paris die Hauptursache für den sich europaweit ausweitenden Terrorismus zu sehen. Die Terror-Miliz "Islamischer Staat" verfüge zur Anwerbung von Kämpfern und Selbstmordattentätern über ausgeklügelte globale Netzwerke, sagte Pott dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Das ist wie eine Art Terrorismus-Industrie."

Es sei zu kurz gegriffen, wenn Experten glaubten, nur oder vor allem benachteiligte junge Muslime aus problematischen Stadtvierteln seien anfällig für extremistische Positionen, betonte der Direktor des Instituts für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien der Universität Osnabrück. Es gebe immer wieder auch gut gebildete und integrierte Migranten wie etwa Mohammed Atta, einer der Attentäter vom 11. September 2001. Sie fühlten sich trotz individueller Erfolge nicht zugehörig zur Gesellschaft und seien dann anfällig für gewaltbereite Ideologien. "Es ist ein Irrglaube, man könne mit vernünftiger Stadtentwicklung den Terrorismus bekämpfen."

Dennoch sei es wichtig, einer Ghettoisierung wie in Frankreich oder Belgien vorzubeugen, mahnte Pott mit Blick auf die Integration der Flüchtlinge in Deutschland. Dabei sei es nicht grundsätzlich problematisch, wenn Zuwanderer sich zunächst in bestimmten Vierteln konzentrierten.

Einwandererviertel habe es immer schon gegeben, betonte der Experte. Sogar die Vorstädte in Frankreich seien einmal ein Vorzeigemodell gewesen. Es sei normal, dass Menschen gleicher Herkunft sich in fremden Ländern zueinander orientierten. Sie könnten sich so gegenseitig beistehen und helfen. "Wir können sie davon auch gar nicht abhalten."

Es sei aber schon lange aus der Forschung bekannt, "dass es dann problematisch wird, wenn diese Trennung von der Mehrheitsgesellschaft in der zweiten und dritten Generation anhält und sich noch verfestigt". Vorbeugen könnten Politik und Gesellschaft mit sozialen Netzwerken, die über die Grenzen dieser Viertel hinaus funktionierten. "Man darf die Verbindung zu den Menschen nicht verlieren und muss mit ihnen im Gespräch bleiben."

Es sei wichtig, die Bewohner etwa in Fragen der Stadtentwicklung zu beteiligen, ihnen gute Schulen zur Verfügung zu stellen und Arbeitsplätze auch außerhalb zu bieten. "Sie müssen die Möglichkeit haben, auch aus den Vierteln wegzuziehen. Genauso müssen die Quartiere so attraktiv sein, dass von außen Menschen dorthin ziehen." Das von Bund und Ländern getragene Programm "Soziale Stadt" habe seit 1999 gezeigt, dass Integration durch intelligente Stadtentwicklung vorangebracht werden könne.


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