Weihnachten

Weihnachten mehr als "eine Dosis Sentimentalität"


Weihnachten sei ein Fest der grenzenlosen Hoffnung, sagt der EKD-Ratsvorsitzende.
epd-bild/Matthias Rietschel
Evangelische Bischöfe erinnern vor Heiligabend an den Sinn des Weihnachtsfests. Die Botschaft von Jesu Geburt setze Hass und Gewalt die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes entgegen. So werde Weihnachten zum Fest der Hoffnung.

Leitende Geistliche der evangelischen Kirche haben kurz vor Heiligabend die Bedeutung von Weihnachten als Fest der Hoffnung und der Liebe betont. In seiner Weihnachtsbotschaft bezeichnete der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, am 20. Dezember in München Weihnachten als ein Fest der grenzenlosen Hoffnung. Der Medienbischof der EKD, Volker Jung, betonte in seiner Botschaft, an Weihnachten zeige sich die "Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes" besonders. Das strahle auch in die Gesellschaft hinein.

Der bayerische Landesbischof Bedford-Strohm sagte, die Botschaft des Weihnachtsfestes verbinde Menschen unterschiedlicher Kulturen und Nationalitäten. Gott sei nicht zuerst Deutscher oder Chinese, Amerikaner oder Afrikaner geworden, sondern "einfach Mensch". Die Botschaft von der Geburt Jesu lasse selbst Menschen nicht kalt, die mit Religion eigentlich nichts anfangen könnten.

Hass und Gewalt dürften "nicht der Grundton unserer Gesellschaft sein", sagte der hessen-naussauische Kirchenpräsident Jung. Das Weihnachtsfest sei die "Gegenbotschaft gegen jede Form von Hass und Gewalt". Die Geburtsgeschichte Jesu sei "eine große Erzählung von der Liebe Gottes", schreibt er auf der Internetseite der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau.

Mehr als acht Millionen evangelische Kirchgänger

An Weihnachten feiern Christen die Geburt von Jesus. Rund 8,3 Millionen Menschen besuchen laut EKD an Heiligabend die Gottesdienste evangelischer Kirchen in Deutschland.

Nach Worten des rheinischen Präses Manfred Rekowski ist Weihnachten viel mehr als "die Dosis Sentimentalität, die man sich alle Jahre wieder einmal gönnt". "Weihnachten ist Gottes Ja zur Menschlichkeit und sein Nein zur Zerstörung des Lebens", erklärte Rekowski in seiner am Freitag in Düsseldorf veröffentlichten Weihnachtsbotschaft. Diese Hoffnung feiere die Christenheit am bevorstehenden Weihnachtsfest. Es sei gut, dass sich viele Menschen an Heiligabend und Weihnachten in die Gottesdienste aufmachen, um sich diese frohe Botschaft für ihr Leben sagen zu lassen, erklärte der leitende Theologe der zweitgrößten Landeskirche.

Die Botschaft von Jesu Geburt mache "mutig und frei, unsere Welt im Geist Christi zu gestalten", sagte der badische Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh in seiner am Freitag in Karlsruhe verbreiteten Weihnachtsbotschaft. Er verwies auf wachsende gesellschaftliche Ängste. Europa werde auf einmal wieder kleiner, militärische Gewalt gelte wieder als legitimes Mittel der Politik. Die Geburt von Jesus sei demgegenüber ein "Zeichen der Hoffnung, dass Gottes Menschenliebe das Leben auf dieser Erde schützt und stärkt."



Postfilialen für Christkind und Weihnachtsmann stark gefragt

Kinder aus aller Welt haben auch in diesem Jahr Briefe an Christkind und Weihnachtsmann geschrieben, die von Mitarbeitern der Deutschen Post beantwortet wurden. Auch manch knifflige Frage stellten die Mädchen und Jungen.

Endspurt für die Helfer von Weihnachtsmann und Christkind bei der Post: Mehr als drei Tonnen Anschreiben haben die 16 Mitarbeiter der Christkindpostfiliale in Engelskirchen seit Mitte November bearbeitet, wie die Deutsche Post DHL Group in Düsseldorf am 20. Dezember mitteilte. Über 124.000 Wunschzettel aus 50 Ländern wurden beantwortet. In der einzigen Weihnachtspostfiliale Ostdeutschlands im brandenburgischen Himmelpfort waren bis Freitag sogar rund 261.000 Wunschzettel eingetroffen.

Die weiteste Reise nach Engelskirchen hatten Briefe aus Neuseeland und Australien zurückgelegt. Noch bis zum 21. Dezember wurden die im Postamt ankommenden Schreiben beantwortet. Die meisten ausländischen Wunschzettel in Himmelpfort sind aus Taiwan eingegangen, gefolgt von Polen und China. Auch dort hatte ein Brief aus Neuseeland den weitesten Weg.

Zeit mit der Familie gewünscht

Neben den Wünschen nach Ritterburgen, Rollschuhen, Zauberkästen und Puppenbetten steht den Angaben der Post zufolge auch vieles auf den bunt bemalten Zetteln, was man nicht kaufen kann. Diese Wünsche handeln von Zeit, Harmonie und gemeinsamen Aktivitäten in der Familie: Dazu gehören etwa "ein entspannter Papa" und ein "Schwimmbad-Besuch mit der Familie".

Zudem stellen die jungen Absender auch zahlreiche Fragen: Die brennendste Frage sei, wie es das Christkind schafft, alle Kinder gleichzeitig am Heiligen Abend zu bescheren.

Insgesamt gibt es sieben weihnachtliche Spezialpostämter bundesweit. Neben Engelskirchen und Himmelpfort gibt es Weihnachtspostfilialen im bayerischen Himmelstadt, in St. Nikolaus im Saarland sowie Himmelsthür, Himmelpforten und Nikolausdorf in Niedersachsen.



Präses besucht Weihnachten Polizisten und Diakoniemitarbeiter

Die westfälische Präses Annette Kurschus besucht zu Weihnachten in Dortmund Polizisten und Mitarbeiter einer diakonischen Einrichtung für suchtkranke Menschen. Mit ihren Weihnachtsbesuchen würdigt die leitende Theologin Menschen, die am 24. Dezember für die Allgemeinheit arbeiten, während andere feiern, wie das Landeskirchenamt am 20. Dezember in Bielefeld mitteilte. Kurschus werde auf der Polizeiwache Körne mit diensthabenden Polizisten ins Gespräch kommen. Teilnehmen werden auch der Polizeipräsident Gregor Lange und Polizeiseelsorgerin Stefanie Alkier-Karweick.

Anschließend werde sich die leitende Theologin mit Mitarbeitern der diakonischen Wohneinrichtung Ludwig-Steil-Haus über den Dienst an Weihnachten austauschen, wie es hieß. In der Einrichtung leben knapp 30 mehrfach beeinträchtigte abhängigkeitskranke Frauen und Männer in behindertengerechten Wohngruppen. Im vergangenen Jahr besuchte Kurschus, die auch stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist, in Münster Taxifahrer und Pflegekräfte eines Hospizes.



Woelki: Weihnachten ist Exportschlager des Christentums

Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki sieht im Weihnachtsfest den wichtigsten "Exportschlager des Christentums". Weihnachten werde weltweit, in Singapur, Tokio, New York oder eben auch in Köln gefeiert und berühre das Herz der Menschen, sagte Woelki der "Bild"-Zeitung (22. Dezember). "Im Weihnachtsgeschehen zeigt sich Gott durch das Kind von Bethlehem in einer Weise, die nicht durch andere Ereignisse wieder- oder überholt werden kann."

Gottes Wirken sei bis heute spürbar, sagte der Erzbischof, auch wenn das Weihnachtsgeschehen einzigartig sei. "Gott wirkt natürlich weiter in der Geschichte durch Menschen, denen wir begegnen, durch unglaubliche Rettungen in der Not oder Momente, in denen wir spüren, dass etwas geschieht, das nicht aus uns selbst kommt. Er ist da."

Die hohe Zahl der Kirchenaustritte sieht Woelki als Herausforderung. "Es tut mir als Mensch und Christ natürlich weh, wenn andere diese beste Botschaft der Welt von Weihnachten nicht entdecken und für sich annehmen können." Es sei nicht mehr selbstverständlich, Christ zu sein, ein "Traditionschristentum" gebe es nicht mehr. "Christentum ist kein Selbstläufer, sondern muss den Menschen erklärt und begründet werden", betonte der Kölner Kardinal. "Diese Aufgabe müssen wir annehmen."



Theologe: Schenken von Zeit ist bedeutsamer als Elektronik


Weihnachtsabend
epd-bild / Jörn Neumann

Weihnachtsgeschenke haben nach Ansicht des katholischen Theologen Manfred Becker-Huberti heutzutage einen zu hohen materiellen Wert. "Das Schenken hat einen Beigeschmack bekommen, da es heute etwas mit Werterhöhung, Ausstattung und Anspruch zu tun hat", sagte der Brauchtumsexperte dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er fordert die Gesellschaft auf, sich zu Weihnachten auf den symbolischen Wert des Schenkens zu besinnen.

Eltern unterlägen bei der Auswahl der Geschenke für ihre Kinder inzwischen einem sozialen Druck, sagte Becker-Huberti. "Es gibt bestimmte Geschenke, die üblich sind und die man haben muss - zum Beispiel ein Smartphone oder Tablet." Solche Geschenke hätten mit dem christlichen Verständnis des Schenkens nichts mehr gemeinsam, kritisierte der 74-Jährige.

"Ein Akt der Nächstenliebe"

Das Schenken sei ein Akt der Nächstenliebe. Mit einem Geschenk zeige man seinem Gegenüber, dass man ihn wertschätze. "Indem ich etwas verschenke, wende ich mich einem Menschen zu und bin empathisch", sagte der Experte. Ein angemessenes Geschenk könne ein Gutschein für eine gemeinsame Unternehmung oder auch eine materielle Kleinigkeit sein. Es dürfe allerdings nicht "zu einem Austausch von rein Materiellem zur Erhöhung von Besitzstand verkommen", fügte Becker-Huberti hinzu. "Das Schenken von Zeit ist viel bedeutsamer als das Schenken von Elektronik."

epd-Gespräch: Patricia Averesch (epd)


Psychologin warnt vor Generalabrechnung an Weihnachten

Während der Weihnachtsfeiertage sollen laut Psychologin Irene Schäfer Diskussionen à la "Was ich dir immer schon einmal sagen wollte" tabu sein. "Generalabrechnungen brauchen einen entspannteren Ort und auch mehr Zeit, um schließlich zu konstruktiven Lösungen zu kommen", sagte die Diplom-Psychologin der Evangelischen Hauptstelle für Familien- und Lebensberatung in Düsseldorf am 17. Dezember. Falls strittige Themen nicht verschoben werden könnten, solle sich auf das notwendige Maß beschränkt werden. "Niemand muss an Heiligabend über Streit im vergangenen Sommerurlaub diskutieren", betonte Schäfer.

Für entspannte Feiertage empfiehlt die Diplompsychologin zudem Alkohol nur in Maßen zu trinken, sich nicht zu überfordern und ein perfektes Weihnachten zu erwarten. Deshalb sollten schon vorher im Familienkreis Wünsche, Bedürfnisse und Erwartungen angesprochen werden. Um Gereiztheit auf engem Raum zu vermeiden, seien ein Spaziergang oder Rückzugsmöglichkeiten wichtig, erklärte Schäfer. Eltern sollten zudem nicht "glucken". Mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen sollten sie frühzeitig besprechen, wann sie gemeinsam feierten, damit diese auch eigene Formen ausprobieren könnten, das Fest zu begehen.

"Partnerschaftsprobleme gehören nicht unter den Weihnachtsbaum"

"Gerade für getrennt lebende Eltern und deren Kinder sind die Feiertage oft besonders heikel", sagte die Diplompsychologin. Auch hier brauche es frühzeitige Absprachen sowie Kompromisse. Kleine Traditionen seien für alle Beteiligten gut, Geschenkewettbewerbe um die Gunst der Kinder wiederum nicht. "Ihre Partnerschaftsprobleme gehören nicht in unter den Weihnachtsbaum", unterstrich Schäfer.

Die Evangelische Hauptstelle ist eine Fachstelle der Evangelischen Kirche im Rheinland. Sie bietet Familien- und Lebensberatung sowie Schwangeren- und Schwangerschaftskonfliktberatung. Zudem ist sie den Angaben zufolge Ansprechstelle für Menschen, die von sexuellem Missbrauch im Bereich der rheinischen Kirche betroffen sind. Die Mitarbeiter haben eine Schweigepflicht.



Künstler-Krippe in Wuppertal ab Heiligabend mit Jesus-Figur

Die Wuppertaler Künstlerin Annette Marks wird an Heiligabend ihre Künstler-Krippe auf dem Laurentiusplatz im Stadtteil Elberfeld fertigstellen. Um 12 Uhr werde sie die Jesus-Figur in die Krippe legen, kündigte die Katholische Citykirche Wuppertal am 18. Dezember an. Anschließend werde Pastoralreferent Werner Kleine das "Martyrologium", die Ankündigung des Weihnachtsfestes nach alter traditioneller Weise, singen und die Weihnachtsbotschaft nach dem Matthäus-Evangelium verkünden.

Der Aufbau der Künstlerkrippe hatte am ersten Adventssamstag begonnen. Sie besteht aus einem vierseitigen Zelt, dessen Planen die Künstlerin im Lauf der Adventszeit in mehreren Aktionen bemalt hat. Zu sehen sind modern anmutende Krippenszenen. Eine Szene zeigt ein Neugeborenes, das vor einem Soldaten liegt. An Heiligabend soll die Soldatenfigur dann herausgelöst werden, so dass Besucher das Zelt betreten und die darin aufgestellte Krippe mit dem Jesus-Kind betrachten können.

In den vergangenen zehn Jahren hatte der Künstler Martin Heuwold jeweils eine Graffiti-Krippe angefertigt.



Wenn andere feiern


Demenzkranke müssen auch Weihnachten betreut werden.
epd-bild/Hanna Eder
An Weihnachten werden wieder viele Menschen arbeiten, während andere mit ihren Familien die Festtage verbringen. Auch im Dienst bemühen sich die Kollegen um etwas Festlichkeit - sei es in einer Behinderteneinrichtung oder auf einer Plattform im Meer.

Die Kerzen am Adventskranz verbreiten ein mildes Licht, auch wenn es aus Brandschutzgründen Elektrokerzen sind. Nach ihrer Arbeit pflegen die Frauen und Männer aus der Wohngruppe der Behinderteneinrichtung Lobetalarbeit in Celle an winterlichen Tagen ein Ritual. Bei Kaffee und Tee liest Erzieher Sebastian Wiesenberg ihnen eine Geschichte vor. "Wir wollen es uns gemütlich machen", sagt Wiesenberg, der in diesem Jahr auch an Heiligabend Dienst hat. Doch nicht immer geht es bei denjenigen, die durch ihren Beruf an Weihnachten gefordert sind, nur besinnlich zu.

Rund ein Viertel aller Erwerbstätigen arbeiten laut Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zumindest gelegentlich an Sonn- und Feiertagen, die meisten im Dienstleistungsbereich. Neben der Gastronomie gehören vor allem die Pflege, Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste zu den Bereichen, in denen die Arbeit an Feiertagen verbreitet ist. Ein Grund dafür liegt im Arbeitszeitgesetz, das eine Feiertagsruhe vorschreibt, aber für diese Branchen Ausnahmen erlaubt.

"Gute Versorgung sicherstellen"

In der Zweigstelle Altencelle der Lobetalarbeit werden rund 150 Menschen mit Behinderungen im Schichtdienst betreut und gepflegt - rund um die Uhr und natürlich an jedem Tag. Bei den Dienstplänen nimmt Einrichtungsleiterin Gisela Thiessen Rücksicht etwa auf die familiäre Situation und sucht die Abstimmung mit den Kollegen. "Aber es ist kein reines Wunschkonzert", sagt sie. "Wir müssen vor allem eine gute Versorgung sicherstellen." Sebastian Wiesenberg sieht das pragmatisch. "Man arbeitet freiwillig alle zwei Jahre Heiligabend und dann wieder Silvester", sagt er mit einem Augenzwinkern. "Aber es ist ein schönes Arbeiten, gerade zu Weihnachten."

In der diakonischen Lobetalarbeit wird eine besondere Atmosphäre schon vor dem Festtag deutlich. Heilerziehungspflegerin Alexandra Mock schneidet in ihrer Wohngruppe von Erwachsenen mit geistiger Behinderung einen Beutel vom Adventskalender. Die mit 70 Jahren älteste Bewohnerin summt vor sich hin. Sprechen könne sie nicht, berichtet Mock. Doch jetzt schleichen sich hörbar Worte des Adventsliedes ein - "Macht hoch die Tür".

Regelmäßige Sonn- und Feiertagsarbeit ist laut Bundesanstalt für Arbeitsschutz aber auch eine Belastung. Der Takt schwingt nicht mehr im Gleichklang mit den meisten anderen. Wer häufiger am Wochenende arbeite, trage ein höheres Gesundheitsrisiko und könne oft schlechter abschalten, sagt Sprecher Jörg Feldmann. Und es gebe eine soziale Komponente: "Tage, an denen viele Menschen gemeinsam freie Zeit haben, sind wichtig." Feiertagsarbeit lasse sich zum Teil nicht vermeiden, sie sollte aber nicht unnötig ausgeweitet werden.

Festtagsstimmung auf der Offshore-Plattform

Pascal Springers Dienst kann Leben retten. In der Nordsee vor Niedersachsen liegt die Plattform zur Stromverarbeitung, auf der der Offshore-Rettungssanitäter der Johanniter in diesem Jahr vom 19. Dezember bis zum 2. Januar im Einsatz ist. In der Praxis dort hat er es vom Husten über Schnittwunden bis zum Herzinfarkt mit allen möglichen Erkrankungen zu tun. Unterstützt wird er per Telemedizin von Ärzten aus Oldenburg und Berlin.

Der 35-Jährige aus Balingen bei Tübingen verbringt die Festtage rund 800 Kilometer von seiner Frau und den fünf und drei Jahre alten Söhnen entfernt. Immer wieder hat er aber auch zwei Wochen am Stück frei. "Es ist ein Leben in zwei Welten", sagt er. Möglich sei das nur, weil seine Frau ihm den Rücken freihalte und er wisse, dass Freunde und Familie für sie da sind.

Um Festtagsstimmung sind aber auch die Arbeiter der Plattform aus aller Welt bemüht, weiß Springer, der sein erstes Weihnachten auf See verbringen wird. Er überlegt, mit Rauchfleisch von der schwäbischen Alb eine heimische Spezialität mitzubringen, so wie es auch die Kollegen aus anderen Ländern täten.

Von Karen Miether (epd)


Heiligabend-Gottesdienst im Düsseldorfer Bahnhof

Bereits zum zehnten Mal laden evangelische und katholische Kirche in Düsseldorf an Heiligabend wieder zu einem ökumenischen Gottesdienst in den Eingangsbereich des Düsseldorfer Hauptbahnhofs ein. Mit der Feier um 12 Uhr in der Bahnhofshalle wollen sie den Reisenden angesichts der Hektik auf den Bahnsteigen einen Moment des Innenhaltens und ein weihnachtliches Erlebnis in außergewöhnlicher Atmosphäre bieten, wie der evangelische Kirchenkreis Düsseldorf am 18. Dezember ankündigte. Den Gottesdienst gestalten Superintendent Heinrich Fucks, Pastoralreferentin Irmgard Poestges, das Team der Bahnhofsmission und das Fanfarencorps Oberbilk.



Weihnachtsgottesdienst im Bielefelder Bahnhof

Auch in diesem Jahr gibt es an Heiligabend im Bielefelder Hauptbahnhof einen ökumenischen Gottesdienst. Außerdem werde zu einem gemeinsamen Essen eingeladen, teilte der Kirchenkreis Bielefeld am 16. Dezember mit. Anschließend erhalten die Gäste gefüllte Weihnachtstüten als kleine Geschenke, die zuvor von evangelischen und katholischen Christen aus den Bielefelder Gemeinden gepackt wurden. Der Gottesdienst wird gestaltet von dem evangelischen Superintendenten Christian Bald und dem katholischen Pastor Herbert Bittis. Ein Posaunenchor verschiedener Bielefelder Gemeinden unterstützt die Feier. Die Veranstalter erwarten rund 500 Menschen.

Die Bahnhofshalle in Bielefeld sei ein guter Ort, Weihnachten zu feiern und komme dem ursprünglichen Geschehen von der Geburt Jesu in einer Herberge ganz nahe, erklärte der Bielefelder Superintendent Bald. Veranstalter sind neben dem Kirchenkreis unter anderem das Dekanat Bielefeld-Lippe, die Diakonie für Bielefeld, die Caritas, die Heilsarmee und die Deutsche Bahn. Der Gottesdienst im Hauptbahnhof beginnt 18.30 Uhr. Die Weihnachtsfeier "für die Menschen unterwegs" in Bielefeld fand erstmals am 24. Dezember 2012 statt.



Bistum Essen präsentiert die Weihnachtsgeschichte per App

Ab diesem Freitag bietet das Bistum Essen eine App, mit der die Weihnachtsgeschichte auf Smartphone oder Tablet zu erleben ist. Wer das mobile Angebot nutzen möchte, kann sich unter www.weihnachts-geschichte.de oder direkt im App-Store und Play-Store die App "Zeitzeugen" kostenlos herunterladen, wie das Ruhr-Bistum am 19. Dezember in Essen mitteilte. Wer dann die Weihnachtsgeschichte auswählt, bekommt ab dem 20. Dezember regelmäßig aktuelle Texte mit Bildern und Videos zu dem Thema zugesandt. In Kurznachrichten, Bildern und Videos wird die biblische Geschichte nacherzählt. Das Angebot ist bis Anfang Januar verfügbar.



Weihnachtsgottesdienstsuche per Mausklick

Die Evangelische Kirche im Rheinland bietet einen Online-Suchdienst für die Weihnachtsgottesdienste in der Region an. Unter "www.ekir.de/weihnachten" haben rheinische Kirchengemeinden mehr als 2.600 Heiligabend- und Weihnachtsgottesdienste in eine zentrale Datenbank eingetragen, wie das Düsseldorfer Landeskirchenamt am 19. Dezember mitteilte. Per Mausklick könnten Internet-Nutzer musikalische Christmetten, Familiengottesdienste mit Krippenspiel und ökumenische Vespern zwischen Aachen und Bad Kreuznach, Idar-Oberstein, Trier und Völklingen einfach abrufen, seien sie zu Hause oder zu Gast bei Verwandten oder Freunden.

Die rheinischen Kirchengemeinden sind auf der Internet-Seite alphabetisch aufgeführt, jeweils mit Gottesdienstzeiten und Adresse. Per Suchfunktion sind die jeweiligen Orte schnell zu finden. Auch steht ein Sprachassistent zur Verfügung. Die Weihnachtsgottesdienste im Bereich der rheinischen Kirche sind auch im bundesweiten Internet-Wegweiser "www.weihnachtsgottesdienste.de" abrufbar.



"Und wickelte ihn in Windeln..."


Statue des Christkindes in Windeln (in der franziskanischen Katherinenkirche in Betlehem, Archivbild)
epd-bild / Fröhlich
Maria wickelte den neugeborenen Jesus nach der Geburt in Windeln, heißt es im Lukasevangelium. Was es mit der Windel Jesu auf sich hat - und wie der Puderzucker rund um den Christstollen damit zusammenhängt.

Zu Weihnachten wird ein Satz wieder in allen Kirchen zu hören sein: "Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe." So übersetzte Martin Luther den mit großer Wahrscheinlichkeit stundenlangen Prozess der Geburt Jesu - und das in nur einem Satz. Ein Detail wird beim Vortragen und Aufführen der Weihnachtsgeschichte oft außer Acht gelassen: die Windel. In Krippenspielen hat die Puppe meist schon die Windel um. Schnell ist die kleine Randnotiz - das Wickeln in Windeln - überlesen.

Dabei taucht die Windel im deutschen Luther-Text zur Geburt Jesu gleich ein zweites Mal auf, wenn der Engel kurz nach der Geburt zu den Hirten spricht: "Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen."

Aber trug das berühmteste Baby der Welt überhaupt Windeln? Die Übersetzung Luthers legt das zwar nahe. Der griechische Ursprungstext, der dem Evangelisten Lukas zugeschrieben wird, verwendet das Verb "sparganóo". Es ist erstmals in den Schriften von Hippokrates und Plutarch erwähnt. Ins Deutsche übersetzt wird es häufig mit "jemanden in Windeln einwickeln". Ein eigenes Wort für "Windel" hat der ursprünglich griechisch verfasste Text im Neuen Testament nicht.

Mit Salz bestreut und in Bandagen gewickelt

Das Wickeln eines Neugeborenen ist der Antike nicht unbekannt - und war etwas anderes, als wir heute mit Pampers und Puder verbinden. Der griechische Arzt Soranos von Ephesos (etwa 100 n. Chr.) widmet dem Thema Wickeln und Pflege eines Neugeborenen ein eigenes Kapitel in seinen gynäkologischen Schriften, den "Gynaikeia". Demnach wurde das Kind, nach Durchtrennen der Nabelschnur, gewaschen, mit Salz bestreut und in Bandagen gewickelt.

Wobei das Einwickeln tatsächlich den gesamten Körper des Kindes meint, exklusive des Kopfes. Ein strammes Wickeln sollte den zarten Kinderleib schützen und Auskühlungen sowie anderen Schäden vorbeugen. Als "Pucken" ist das Ganzkörper-Wickeln in der Gegenwart wieder neu entdeckt worden.

Halbe Windel im Aachener Dom zu sehen

Es gibt nur wenige Details, mit welchen Materialien im Einzelnen gewickelt wurde. Über die Stoffherstellung aus der Zeit vor Christi Geburt gibt es mehr Informationen: Wolle war in Ägypten und China bereits um 5000 v. Chr. bekannt. Ebenso wurden Leinenfasern schon früh zu Garnen verwoben, um daraus Stoffe und Kleider zu fertigen. Baumwolle hingegen hätte importiert werden müssen.

Tücher und Stoffe waren sehr aufwendig in der Herstellung und dementsprechend wertvoll. Die Windel war also schon ein gewisses Privileg für das Jesuskind. Das Thema "Wickeln" im heutigen Sinne wird in der Forschung nur sporadisch erwähnt. Es ist aber anzunehmen, dass in gemäßigteren Klimazonen Kinder selten gewickelt wurden, um die Notdurft aufzunehmen, sondern einfach nackt blieben.

Wie die Windel ausgesehen haben könnte, ist alle sieben Jahre im Aachener Dom zu sehen. Laut Legende wird hier die originale Windel Jesu verwahrt. Die knapp einen Meter breite Reliquie, ein grober Wollstoff, soll von Konstantinopel als Geschenk für Karl den Großen nach Aachen gebracht worden sein. Es ist hier allerdings nur die halbe Windel zu sehen, die zweite Hälfte liegt in Rom.

Ein schutzloses Kind in der Krippe

Ohne Windel in der Weihnachtsgeschichte hätte der Christstollen heutzutage vielleicht auch keine Puderzucker-Schicht. Der mit Rosinen und Sukkade gespickte Laib wird mit Hilfe des Zuckers haltbar gemacht, schließlich muss er nach dem Backen mehrere Wochen reifen. Nach christlichem Brauchtum symbolisiert der Puderzucker aber auch die Windel des Jesuskindes: Der Puderzucker umhüllt den Laib so fest wie die Windel das Baby. Das Kind in der Krippe musste gewickelt werden, um es auch vor äußeren Einflüssen zu schützen.

Kern der Weihnachtsgeschichte bleibt, dass Gott Mensch geworden ist. Jesus kommt als Sohn Gottes in einem ärmlichen Stall zur Welt und nicht in einem prächtigen Königspalast. "Ein Kindelein, so zart und fein", heißt es in einem Weihnachtslied von Martin Luther. Es wird gewickelt wie alle Neugeborenen, ist angewiesen auf Hilfe und Unterstützung wie jeder Mensch. Das Bild vom schutzlosen Kind in der Krippe hat das Christentum über Jahrhunderte geprägt und sorgt bis heute an Heiligabend für eine besondere Stimmung: Ein fast nacktes Baby - geschützt nur durch eine Windel.

Von Marieke Lohse (epd)



Kirchen

Kirchen fordern Rüstungsexportkontrollgesetz


Deutsches Sturmgewehr G36
epd-bild/Sebastian Backhaus
Waffenlieferungen an arabische Länder gelten als besonders problematisch. Trotzdem gehören einige von ihnen weiterhin zu den wichtigsten Abnehmern deutscher Rüstungsgüter. Die Kirchen fordern gesetzliche Regeln - auch mit Blick auf die Türkei.

Die beiden großen Kirchen kritisieren neue Ausfuhren deutscher Waffen in Krisenregionen und fordern ein Rüstungsexportkontrollgesetz. "Dass ein verbindliches Gesetz heute nötiger denn je ist, zeigt die aktuelle Entwicklung in der Türkei und deren völkerrechtswidriger Einmarsch in Nordsyrien", sagte Prälat Martin Dutzmann, der evangelische Vorsitzende der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE), bei der Vorstellung des diesjährigen GKKE-Rüstungsexportberichts am 17. Dezember in Berlin.

So habe die Bundesregierung in den ersten sechs Wochen nach dem türkischen Einmarsch Anfang Oktober vier Rüstungsexporte im Wert von mehr als drei Millionen Euro genehmigt, sagte der Theologe. In den ersten acht Monaten dieses Jahres habe der Nato-Partner Kriegswaffen für rund 250 Millionen Euro aus Deutschland erhalten.

"Weiße Liste"

Der katholische GKKE-Vorsitzende Prälat Karl Jüsten forderte darüber hinaus, dass auf deutscher wie auf europäischer Ebene Rüstungsexporte an sogenannte Drittstaaten grundsätzlich untersagt werden. Solche Staaten gehören nicht zu EU und Nato, sie sind auch nicht wie die Schweiz der Nato gleichgestellt. Begründete Ausnahmen könnten laut Jüsten über eine "Weiße Liste" festgelegt werden. Deutschland müsse hier mit gutem Beispiel vorangehen.

Als Fortschritt wertet die GKKE indes die deutsche Verschärfung der Richtlinien zum Export von Kleinwaffen Ende Juni dieses Jahres. Deren Ausfuhr in Drittländer soll damit grundsätzlich nicht mehr genehmigt werden. Die Kirchen fordern aber noch ein solches Verbot für Munitionsexporte.

Im ersten Halbjahr 2019 hat die Bundesregierung Einzelgenehmigungen für die Ausfuhr von Rüstungsgütern in Höhe von rund 5,3 Milliarden Euro erteilt - deutlich mehr als ein Jahr zuvor, als der Gesamtwert der Genehmigungen im gleichen Zeitraum rund 2,6 Milliarden Euro betrug. Darunter waren Ausfuhrgenehmigungen an Drittländer im Wert von etwa 2,1 Milliarden Euro. Ägypten gehörte zu den Hauptempfängerländern, das Güter im Wert von rund 800 Millionen Euro erhielt.

Die Vorsitzende der GKKE-Fachgruppe Rüstungsexporte, Simone Wisotzki, kritisierte das scharf. "Deutschland kooperiert mit dem Militärregime von Präsident Abdel Fattah al-Sisi, das in der Kritik steht, Oppositionelle zu Tode zu foltern und Dissidenten zu entführen und zu töten", sagte sie.

"Mehr Waffen führen nicht zu mehr Frieden"

Angeprangert werden im Bericht auch Rüstungsexporte an die Vereinigten Arabischen Emirate, die wie Ägypten zur Jemen-Kriegskoalition gehören. Geografisch bildeten Staaten in der Region des Nahen und Mittleren Ostens sowie Nordafrika "eine der größten Gruppen problematischer Empfängerstaaten", heißt es weiter.

Der Anfang 2018 ausgehandelte Koalitionsvertrag von Union und SPD sieht einen Rüstungsexportstopp an alle unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligten Staaten vor. Wie aus einer aktuellen Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Frage der abrüstungspolitischen Sprecherin der Linksfraktion, Sevim Dagdelen, hervorgeht, gehören trotzdem zum Stichtag 31. Oktober Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate zu den zehn Hauptempfängerländern für Rüstungsexportgenehmigungen - unter anderem neben Algerien und Katar. Dagdelen warf der großen Koalition "eine Missachtung eigener Prinzipien und Gesetze" vor. "Die Bundesregierung befeuert mit ihren Waffenlieferungen die Konflikte im Nahen Osten."

Das evangelische Hilfswerk "Brot für die Welt" hält Deutschland für mitverantwortlich für einen kontinuierlichen Anstieg im internationalen Waffenhandel. Traurigstes Beispiel einer fragwürdigen deutschen Rüstungsexportpraxis sei der Krieg im Jemen, wo sich die weltweit größte humanitäre Katastrophe abspiele: Mehr als 24 Millionen Menschen - etwa 80 Prozent der Bevölkerung - seien auf Hilfe angewiesen. "Mehr Waffen führen nicht zu mehr Frieden", mahnte die Präsidentin des Hilfswerks, Cornelia Füllkrug-Weitzel.



EKD-Ratschef betont Bedeutung des kirchlichen Klimaschutz-Engagements


Heinrich Bedford-Strohm
epd-bild/Philipp Reiss

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, sieht im kirchlichen Engagement für den Klimaschutz einen Wegbereiter für den Erfolg von "Fridays for Future". Er sagte der "Passauer Neuen Presse" (23. Dezember): "Der kirchliche Einsatz für die Bewahrung der Schöpfung hat wahrscheinlich auch dazu beigetragen, den Boden dafür zu bereiten, dass dieses Thema durch junge Menschen von 'Fridays for Future' nun endlich stärker ins Zentrum rückt." Die Klimaschutzbewegung bringe etwas zum Ausdruck, was die christlichen Kirchen seit Jahrzehnten immer wieder in die Öffentlichkeit gebracht hätten.

Die ersten Opfer des Klimawandels seien diejenigen, die am wenigsten dazu beigetragen hätten – etwa Menschen in Afrika, die kaum CO2-Ausstoß verursachten, die aber die Konsequenzen der Wetterextreme besonders hart spürten, sagte Bedford-Strohm. "Das Thema Gerechtigkeit ist also eng mit dem Thema Schöpfung verbunden. Die Folgen des Klimawandels stellen eine massive Ungerechtigkeit in der Welt dar und verschärfen sie noch", betonte der EKD-Ratsvorsitzende: "Wir können als Kirchen nicht anders, als uns dazu klar öffentlich zu Wort zu melden."



Youtuber Rezo befürwortet Einsatz der Kirchen gegen Klimawandel

Der Youtuber Rezo hat die evangelische und katholische Kirche für ihre klare Haltung im Einsatz gegen den Klimawandel gelobt. "Mit jeder Stunde, die ich auf kirchlichen Webseiten verbracht habe, schrumpfte mein Vorwurf, man wäre da irgendwie nicht deutlich genug", schreibt Rezo am 19. Dezember in seiner Kolumne auf "Zeit Online".

Zugleich kritisiert der Youtuber und Pfarrerssohn die Medien dafür, dass sie nicht ausreichend über das Engagement beider Kirchen berichten. "Das ist doch merkwürdig: Da positionieren sich zwei riesige moralische Institutionen, denen laut den aktuellsten Zahlen noch immer über die Hälfte aller Deutschen angehören, so klar und dringlich zu einem der politisch und gesellschaftlich relevantesten Themen - und wir merken es alle gar nicht", kritisiert Rezo. Es seien nicht die Kirchen, die ein Problem mit dem Thema Klima hätten, schreibt er.

"Medienproblem"

Stattdessen hätten die Kirchen ein Medienproblem. Selbst bei aktiver Suche nach Artikeln habe der Youtuber fast keine große Zeitung gefunden, die zum Beispiel über die "Zehn Thesen zum Klimaschutz" des Rats der katholischen Deutschen Bischofskonferenz berichtet hat. "Dabei sind das berichtenswerte Nachrichten, die vielleicht nicht die meisten Klicks generieren, aber mit möglichen Überschriften wie 'Katholische Kirche kritisiert Klimapaket der CDU' auch nicht völlig aufmerksamkeitslos untergehen würden", betont Rezo.

Der Youtuber sieht auch die Mediennutzer in der Pflicht, sich fragen zu lassen, wofür sie eigentlich "ihre Aufmerksamkeit springen lassen". Schlechte Nachrichten über die katholische und evangelische Kirche verbreiteten sich laut Rezo leichter als positive.

Angesichts der eindeutigen Standpunkte beider Institutionen gegen den Klimawandel und ihrer Forderungen nach mehr politischen Maßnahmen fordert Rezo die Christen auf, sich selbst zu engagieren. "Ich bin zwar kein Apostel, aber dennoch bin ich mir ziemlich sicher, dass Jesus es gutheißen würde, wenn Christen ihre Kritik an der Politik und den Feinden der Schöpfung lauter äußern, auf mehr Demos gehen und vehement an die christlichen Standpunkte erinnern, bis wir es alle mitbekommen haben", schreibt er.



EKD-Vize Kurschus glaubt an Lösungen für den Klimawandel


Annette Kurschus
epd-bild//Gerd-Matthias Hoeffchen

Die stellvertretende Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, glaubt an eine erfolgreiche Kehrtwende beim Klimaschutz. Sie sei sicher, dass die Welt und die Menschheit noch zu retten seien, sagte die evangelische Theologin im "Interview der Woche" im Deutschlandfunk. Ihr Glaube gebe ihr diese Hoffnung. Das sei "keine Vertröstung auf ein rosarotes Jenseits". Vielmehr motiviere der Glaube die Christen, sich für den Erhalt der Schöpfung einzusetzen, sagte sie.

Zwar sei jeder Einzelne beim Klimaschutz mitverantwortlich, erklärte die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen. Die Politik müsse aber die Voraussetzungen dafür schaffen, dass sich sowohl die Einzelnen in ihren Haushalten als auch die Betriebe und Unternehmen fragen könnten, was sie für die Rettung des Klimas tun könnten.

Der schädlichen Erderwärmung müsse man alles entgegensetzen, betonte Kurschus: "Das schulden wir auch der nächsten Generation." Unter den Folgen des Klimawandels litten "jene Menschen am meisten, die am allerwenigsten zu ihrem Entstehen beigetragen haben", sagte sie.



30 neue Missbrauchsfälle im Erzbistum Paderborn

Im Erzbistum Paderborn haben sich in diesem Jahr zwischen Januar und Ende Oktober 30 neue mutmaßliche Opfer von sexuellem Missbrauch gemeldet. Die Vorwürfe richteten sich gegen insgesamt 26 Priester und Laien, teilte das Erzbistum am 20. Dezember auf Anfrage mit. Die benannten Zeiträume lägen lange zurück. 19 der beschuldigten Männer seien inzwischen verstorben. Elf von ihnen seien dem Erzbistum Paderborn aus anderen Vorwürfen bekannt gewesen. Fünf Beschuldigte seien noch am Leben, befänden sich aber nicht mehr im aktiven Dienst. Zwei seien dem Erzbistum nicht namentlich bekannt, weil die Betroffenen keine Namen nennen konnten, hieß es.

Bei den Vorwürfen handele sich um in der Schwere deutlich zu unterscheidende Tatvorwürfe, erklärte der Sprecher des Erzbistums, Benjamin Krysmann. Sie seien der Staatsanwaltschaft übergeben worden.

Von den insgesamt 30 Betroffenen, die sich bis Ende Oktober beim Erzbistum gemeldet hatten, sind demnach 15 Frauen. Die Anschuldigungen beziehen sich auf die Jahre zwischen 1946 bis 1949 (fünf Fälle), 1960 bis 1969 (zwölf), 1970 bis 1979 (vier), 1980 bis 1989 (einen Fall) sowie 1990 bis 1999 (sechs). Zwei Anschuldigungen könnten keinem genauen Zeitraum zugeordnet werden, lägen aber vor 1970, hieß es.

Krysmann kündigte an, dass das Erzbistum künftig zu Jahresbeginn die neu gemeldeten Fälle von sexuellem Missbrauch und sexualisierter Gewalt veröffentliche. "Grundsätzlich gilt: Bei den Maßnahmen der Aufarbeitung, Intervention und Prävention von sexuellem Missbrauch ist es entscheidend, dass alle Perspektiven berücksichtigt werden, insbesondere die der Betroffenen", betonte er. Das Erzbistum ermutige weitere mögliche Opfer, sich mit den beiden Missbrauchsbeauftragten oder der Interventionsbeauftragten der Diözese, Petra Lillmeier, in Verbindung zu setzen.



Rheinische Kirche plant verbindlichen Schutz vor sexueller Gewalt

Die Evangelische Kirche im Rheinland will verbindliche Regeln zum Schutz vor sexualisierter Gewalt einführen. Dafür sollen Mitarbeitende beispielsweise vor Beschäftigungsbeginn und mindestens alle fünf Jahre ein Führungszeugnis vorlegen müssen, wie Vizepräses Christoph Pistorius am 18. Dezember in Düsseldorf erläuterte. Auch Ehrenamtliche sollen dazu verpflichtet werden, wenn sie in intensivem Kontakt mit Minderjährigen stehen.

Die Regeln sollen von der rheinischen Landessynode, die vom 12. bis 16. Januar in Bad Neuenahr tagt, als Kirchengesetz beschlossen werden. Sie sollen für alle 687 Gemeinden und 37 Kirchenkreise sowie die Ämter und Werke der zweitgrößten deutschen Landeskirche gelten.

Die rheinische Kirche habe selbst bei dem Thema nicht immer richtig gehandelt, sagte Pistorius und betonte: "Täter dürfen auf keinen Fall durch ihr Amt in der Kirche vor Strafe und Konsequenzen geschützt werden." Gegen das Wegschauen wolle soll vorgegangen und Verharmlosung und Unwissen vorgebeugt werden.

Ein Verdacht auf Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung muss nach dem Gesetzentwurf von Mitarbeitenden verpflichtend an eine zentrale Anlaufstelle gemeldet werden. Zudem soll es ein Einstellungsverbot für Menschen geben, die rechtskräftig wegen einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung verurteilt wurden.

Auf der Landessynode sollen Zahlen zu den bisherigen Vorfällen vorgelegt werden, auch über mögliche Entschädigungen für Opfer soll gesprochen werden. Der Beschlussantrag sieht vor, dass eine unabhängige Kommission auf Antrag von Betroffenen über Unterstützungsleistungen entscheidet.



Theologin: Menschen in Krisengebieten an Weihnachten nicht vergessen

Die rheinische Oberkirchenrätin Barbara Rudolph ruft dazu auf, Menschen aus anderen Weltregionen auch an Weihnachten nicht zu vergessen. In den vergangenen Wochen habe sie viele Hilfegesuche von Kirchengemeinden, etwa aus Hongkong, Westpapua und von den Philippinen erhalten, sagte Rudolph dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Düsseldorf. "Die Gemeinden in Asien und Afrika bereiten sich mit denselben Hoffnungen auf Weihnachten vor wie wir, stehen aber teilweise vor extremen Herausforderungen", sagte die Ökumenebeauftragte der Evangelischen Kirche im Rheinland.

So gingen etwa die aktuellen Proteste in Hongkong nicht spurlos an den christlichen Kirchen vorbei, sagte Rudolph. Viele Gemeinden öffneten den Demonstranten ihre Türen, versorgten sie mit Wasser und Möglichkeiten, das Tränengas der Polizei abzuwaschen. Das gefährde allerdings das bisher gute Verhältnis zur chinesischen Zentralregierung. Der Generalsekretär der Chinesisch-Rheinischen Kirche, Leon Chau, habe in seinem Schreiben von der "größten Herausforderung" gesprochen, vor der die Kirche je gestanden habe.

Kirche als Terrorgruppe eingestuft

Auf den Philippinen wird die Kirche aktuell als Terrorgruppe eingestuft und Christen durch Paramilitärs in Bedrängnis gebracht. Auch aus dem Kongo, Sri Lanka und Westpapua habe sie Hilfegesuche erhalten, sagte Rudolph. Die Oberkirchenrätin ermutigte dazu, diese Christen zu Weihnachten in Gebete mit einzuschließen, für Organisationen mit Spendensiegel zu spenden oder sich selbst in Hilfswerken zu engagieren.

Rudolph forderte dazu auf, Gleichgültigkeit und Zynismus gegenüber Konflikten in anderen Weltregionen abzulegen. "Die Einstellung, man könne dort sowieso nichts mehr bewegen, bringt niemanden weiter", sagte die Oberkirchenrätin. In all den komplexen Konflikten auf der Welt gebe es viele Menschen, die etwas verändern wollten. Darunter seien etwa Organisationen wie Brot für die Welt, die Kindernothilfe, die Vereinte Evangelische Mission (VEM) und auch viele einzelne Menschen vor Ort. Rudolph forderte, die weihnachtliche Freude dürfe "nicht an den eigenen Wohnzimmerwänden enden. Diese Wärme müssen wir weitertragen."

epd-Gespräch: Nora Frerichmann


Papst: Christentum ist nicht mehr Leitkultur

Papst Franziskus hat einen schwindenden Einfluss des Christentums beklagt. "Wir haben keine christliche Leitkultur mehr", sagte er am Wochenende beim Weihnachtsempfang für die römische Kurie im Vatikan. Christen seien nicht mehr die einzigen, die Kultur prägten. Sie seien "weder die ersten noch die, denen am meisten Gehör geschenkt wird", erklärte er in der traditionell programmatischen Rede an die Kurienchefs.

Nach den Worten des Papstes stellt das Christentum keine dominante Größe mehr dar, denn der Glaube sei in westlichen Kulturen keine selbstverständliche Lebensvoraussetzung mehr. Er werde dagegen häufig "geleugnet, belächelt, an den Rand gedrängt und lächerlich gemacht".

Kurie müsse sich Wandel stellen

Das katholische Kirchenoberhaupt forderte die Kurie dazu auf, sich dem gesellschaftlichen Wandel zu stellen. Die Kurie sei "nicht ein von der Wirklichkeit losgelöster Körper, auch wenn diese Gefahr immer besteht", sagte Franziskus, der seit 2013 eine Kurienreform vorantreibt.

Der Papst kündigte an, dass die Amtszeit des Kardinaldekans künftig auf fünf Jahre begrenzt sein wird. Nach Ablauf des Mandats kann die Amtszeit einmalig verlängert werden. Das Kirchenoberhaupt nahm zeitgleich den Rücktritt des seit 2005 amtierenden Kardinaldekans Angelo Sodano an. Der Kardinaldekan nimmt beim Konklave, der Wahl des Papstes durch alle Kardinäle im Alter von unter achtzig Jahren, eine Schlüsselrolle ein.



Die Qual der Bibelwahl


Bibelausgaben
epd-bild/Jens Schulze
Weihnachten ist Bibelzeit. Gottesdienstbesucher hören an Heiligabend den biblischen Bericht von der Geburt Jesu. Wer sich selbst eine Bibel kaufen will, ist vom großen Angebot der Übersetzungen allerdings verwirrt.

"Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging ...", so beginnt die Weihnachtsgeschichte. Aufgeschrieben ist sie im zweiten Kapitel des Lukasevangeliums, an Heiligabend wird sie in den allermeisten Kirchen verlesen. Die Bibel ist Grundlage für das Weihnachtsfest - doch bekommen viele Menschen Schwierigkeiten, für sich selbst oder einen anderen Menschen eine Bibel auszuwählen. Zu vielfältig und unübersichtlich ist das Angebot.

Die Deutsche Bibelgesellschaft in Stuttgart schlägt deshalb auf ihrer Internetseite eine Schneise durch den Dschungel der vielen Übersetzungen. Dort stellt sie 35 deutschsprachige Bibeln vor und charakterisiert ihren Text.

Ein Vers im Vergleich

Übersetzer stehen immer vor dem Problem, ob sie stärker nach dem Wortlaut oder nach dem Sinn übersetzen. Je enger sie sich am alttestamentlichen Hebräisch und am neutestamentlichen Griechisch orientieren, desto schwerer ist der deutsche Text zu verstehen. Je freier und moderner sie übersetzen, desto größer ist die Gefahr, dass sie Dinge in die ursprünglichen Sätze hineininterpretieren, die möglicherweise gar nicht gemeint waren. Aus dem breiten Angebot von Bibeln stellen wir sieben Versionen samt der Übersetzung desselben Verses vor.

LUTHER 2017: Das ist der Klassiker. Niemand hat die deutsche Sprache so stark geprägt wie Martin Luther durch seine Bibelübersetzung. Sie ist über die Jahrhunderte mehrfach revidiert worden, zuletzt zum Reformationsjubiläum 2017. Sie orientiert sich nah am Grundtext und fokussiert dabei erkennbar auf ein evangelisches Glaubensverständnis. Der Text ist nicht immer leicht zu verstehen, bietet gleichzeitig aber viele Wiederentdeckungen von Bibelworten, die in Sprichwörter oder Literatur eingegangen sind. (Röm 3, 28: So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben.)

Mittelweg der Übersetzer

EINHEITSÜBERSETZUNG: Offizielle Bibel der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum. In der Sprache gehoben, gleichzeitig allzu altertümliche Formulierungen vermeidend. Die Übersetzer gehen einen Mittelweg zwischen Nähe zum Urtext und modernem Sprachverständnis. (Röm 3,28: Denn wir sind der Überzeugung, dass der Mensch gerecht wird durch Glauben, unabhängig von Werken des Gesetzes.)

GUTE-NACHRICHT-BIBEL: Übertragung unter Beteiligung evangelischer und katholischer Theologen, verfasst in einfachem, modernen Deutsch. Sie eignet sich aufgrund ihrer unkomplizierten Sprache besonders für Leser, die längere Abschnitte oder ganze Bibelteile erfassen wollen. (Röm 3,28: Denn für mich steht fest: Allein aufgrund des Glaubens nimmt Gott Menschen an und lässt sie vor seinem Urteil als gerecht bestehen. Er fragt dabei nicht nach Leistungen, wie das Gesetz sie fordert.)

Einfache Sprache

BASIS-BIBEL: Moderne, einfache Sprache. Diese Version wendet sich vor allem an junge Menschen und Einsteiger ins Bibellesen. Besonderheit: Sie wurde in erster Linie für das Lesen am Bildschirm konzipiert, um dort gleich Zusatzinformationen zum Text anzubieten. Es gibt das Neue Testament und die Psalmen aber auch in Buchform. (Röm 3,28: Denn wir sind der Überzeugung, dass der Mensch allein aufgrund des Glaubens als gerecht gilt - unabhängig davon, ob er das Gesetz befolgt.)

ZÜRCHER BIBEL: Die Standardbibel für reformierte Christen in der Schweiz und darüber hinaus. Sie geht auf eine frühe Übersetzung zurück, an der der Reformator Ulrich Zwingli beteiligt war. Die revidierte Fassung ist nahe am Urtext und verwendet eine anspruchsvollere moderne Sprache auf literarischem Niveau. Sie setzt auf Verständlichkeit, ohne die Fremdheit mancher Textpassagen glattzubügeln. (Röm 3,28: Denn wir halten fest: Gerecht wird ein Mensch durch den Glauben, unabhängig von den Taten, die das Gesetz fordert.)

Prüfen im Internet

BIBEL IN GERECHTER SPRACHE: Bei diesem Projekt steht das Bemühen im Mittelpunkt, inklusive Formulierungen zu verwenden und insbesondere Frauen sichtbar zu machen. So wird Gott nicht mehr als "Herr" bezeichnet, sondern durch Begriffe wie "die Ewige" oder "Ich-bin-da" genannt. Sensibel ist die Übersetzung auch beim Verhältnis zwischen jüdischer und christlicher Religion sowie zwischen sozial schwachen und privilegierten Menschen. Das Sprachniveau ist hoch. Zielgruppe seien "engagierte Menschen, die traditionellen Sprach- und Denkmustern kritisch gegenüberstehen", schreibt die Bibelgesellschaft. (Röm 3,28: Wir kommen zu dem Schluss, dass Menschen auf Grund von Vertrauen gerecht gesprochen werden - ohne dass die ganze Tora getan wurde.)

VOLXBIBEL: Dieses Projekt ist im Internet unter Beteiligung vieler Nutzer entstanden und keine Übersetzung, sondern eine Übertragung biblischer Inhalte in die moderne Welt. Dabei wird auch Gassenjargon verwendet, die Psalmen sind teilweise als Rap nachgedichtet. Das durchaus umstrittene Volxbibel-Projekt wendet sich an junge Leute, denen die Welt der Bibel völlig fremd ist. Auch erfahrene Bibelleser machen durch die Verfremdung neue Entdeckungen, wenn etwa Jesus statt auf einem Esel auf einem Moped in Jerusalem einzieht. (Röm 3,28: Ich fasse noch einmal zusammen, was jetzt für jeden Menschen gilt: Meine Schulden bei Gott sind bezahlt, weil ich auf Jesus vertraue, und nicht, weil ich so toll lebe und mich genau an die Gesetze halte, die Mose früher einmal aufgeschrieben hat.)

Eine einfache Möglichkeit, Übersetzungen vor dem Kauf zu prüfen, bietet das Internet. Dort stehen die wichtigsten Bibelversionen vollständig online, beispielsweise unter bibleserver.com.

Von Marcus Mockler (epd)


Kirchengemeinde sammelt Unterschriften gegen Abschiebung von Ghanaer

Die Lippische Landeskirche setzt sich für die Rückholung eines 34-jährigen Flüchtlings aus Ghana ein, der vor dreieinhalb Wochen in sein Heimatland abgeschoben worden ist. Muntari Adam sei ohne Ankündigung am 21. November an seinem Wohnsitz in Blomberg von der Ausländerbehörde das Kreises Lippe abgeholt worden, teilte die lippische Kirche am 18. Dezember in Detmold mit. Die Abschiebung am frühen Morgen erfolgte demnach entgegen eines positiven Votums der Härtefallkommission des Landes Nordrhein-Westfalen. Diese habe sich im Frühjahr dieses Jahres aufgrund des tragischen Einzelfalles von Adam und der individuellen Härte für ein Bleiberecht ausgesprochen, hieß es. Aufgrund traumatischer Erfahrungen habe der Ghanaer in Blomberg zuletzt eine psychosoziale Tagesbetreuung besucht.

Die evangelische Kirchengemeinde Cappel in Blomberg hat nun eine Unterschriftenaktion für Adam gestartet. Die Gemeindemitglieder fordern darin die zuständigen Entscheidungsträger auf, "unverzüglich alle notwendigen Schritte für eine schnelle Rückkehr von Muntari Adam nach Blomberg zu unternehmen".

Muntari Adam floh den Angaben nach vor 17 Jahren aus seiner Heimat, nachdem seine Familie in einem lokalen Krieg in Nordghana umgekommen war. Über das Bürgerkriegsland Libyen und dann Italien kam er vor fünfeinhalb Jahren nach Deutschland. Er sei gut integriert gewesen, erzählte Dieter Bökemeier, Pfarrer für Flucht und Migration der lippischen Kirche. Er habe Freunde, sei Mitglied der Kirchengemeinde Cappel und des internationalen Bibelkreises in Detmold. Nach der positiven Entscheidung der Härtefallkommission habe er Hoffnung geschöpft, in Deutschland bleiben zu können.

Landessuperintendent kritisiert Vorgehen der Behörden

"Ich mache mir jetzt sehr große Sorgen um Muntari", sagte Bökemeier, der mit ihm übers Internet im Kontakt ist. Aus seinen Nachrichten aus Ghana spreche große Verzweiflung. "Er hat kein Geld, die Krankheit hat sich verschlechtert, ohne ausreichend behandelt werden zu können. Er sieht keine Zukunft für sich."

Der lippische Landessuperintendent Dietmar Arends kritisierte das Vorgehen des Kreises Lippe. "Die Abschiebung lässt einen fassungslos zurück", zeigt sich der Theologe erschüttert. "Bei einem Menschen, der offensichtlich krank ist, der in dem Land, aus dem er vor 17 Jahren geflohen ist, keine Perspektive hat, dessen gesamte Familie dort ums Leben kam, und der in Lippe inzwischen über ein ganzes Netz von Beziehungen verfügt, kann man doch nur fragen: Warum?"



Kölner Kirchen fordern Wiederaufnahme von EU-Seenotrettung

Angesichts Tausender im Mittelmeer ertrunkenen Flüchtlinge fordern Kölner Kirchen mehr Engagement für die Seenotrettung. Auch dürfe das Klima in der Gesellschaft nicht von Hass gegen Flüchtlinge bestimmt werden, mahnen die Kirchen.

Evangelische und katholische Kirchen in Köln fordern mehr europäisches Engagement bei der Seenotrettung von Flüchtlingen. "Angesichts der Notlage im Mittelmeer müssen Menschlichkeit und Nächstenliebe Vorrang haben", heißt es einer am 17. Dezember veröffentlichten gemeinsamen Erklärung des evangelischen Stadtsuperintendenten Bernhard Seiger und des katholischen Stadtdechant Monsignore Robert Kleine. Außerdem weisen zwei große Banner an den Kirchen St. Agnes und der Lutherkirche in der Kölner Innenstadt auf das Sterben der Menschen im Mittelmeer hin. Die Aktion solle Orte zum Erinnern schaffen und den Ertrunkenen ein Stück Würde geben, hieß es. Anlass ist der "Internationale Tag der Migranten" am Mittwoch.

"Die humanitär gebotene Seenotrettung im Mittelmeer sollte seitens der EU wiederaufgenommen werden", heißt es in der Erklärung unter dem Titel "Jedes Leben zählt". Erst in weiteren Schritten gehe es um die Prüfung der Fluchtursachen und eine Entscheidung über die Zukunft der geflüchteten Menschen. Die Bekämpfung von Fluchtursachen sei "eine gewaltige und globale Aufgabe". Der Verweis auf diese Zusammenhänge dürfe aber nicht dazu führen, dass grundlegende Menschenrechte an den Grenzen der EU nicht mehr gelten und Menschen nicht aus Seenot gerettet werden.

Ausdrücklich unterstützen die Kölner evangelischen und katholischen Kirchen die zivilgesellschaftlichen und kirchlichen Organisationen, die sich für die Seenotrettung und den Schutz von Geflüchteten einsetzen. Politiker seien gefordert, sich für sichere Fluchtrouten und eine humane Flüchtlingspolitik einzusetzen, hieß es weiter. Nötig sei zudem, dass das Klima der Gesellschaft nicht von Hetze und Hass gegenüber Geflüchteten bestimmt werde. "Es gilt, herrschenden Ängsten, Vorurteilen, aber vor allem rassistischen und nationalistischen Tendenzen und Gefahren entschieden zu begegnen."

Gemeinsam für Perspektive für Flüchtlinge sorgen

Als Christen erhebe man die Stimme immer dann, wenn Menschen in ihrer Würde und Freiheit verletzt würden, erklärte Stadtsuperintendent Bernhard Seiger. "Für uns in der Stadt Köln bedeutet das, aufmerksam und sensibel zu sein für die Bedürfnisse der Menschen, die zu uns kommen." Gemeinsam müsse in Politik, in den Kirchen und in der Wirtschaft dafür gesorgt werden, dass Menschen hierzulande eine neue Perspektive, Schutz und Sicherheit finden.

Stadtdechant Kleine betonte, dass den Flüchtenden im Mittelmeer zuallererst mit Nächstenliebe zu begegnen sei: "Das berührt unser christliches Selbstverständnis." Die Zahl von 15.000 qualvoll Ertrunkenen im Mittelmeer "lässt einen sprachlos werden". Kleine prangerte die Zustände in vielen Flüchtlingslagern an, die im eklatanten Gegensatz zu den Verhältnissen in den reichen Industrieländern stünden. Der katholische Theologe kritisierte eine Verschiebung beim Reden von dem Wert des Lebens: "Wenn bei uns eine Gewalttat geschieht, wird zuerst gefragt, welche Nationalität der Täter hat." Hier gebe eine Unterscheidung zwischen den Guten und den anderen, den Bösen. "Und das Böse kommt über das Mittelmeer. Das ist unerträglich."



Aufhebung des päpstlichen Geheimnisses hilft Missbrauchsopfern


Aufarbeitung von Missbrauchskandal (Archivbild Missbrauchs-Gipfel im Vatikan)
epd-bild/Divisione Produzione Fotografica/Vatican Media
Die Entscheidung des Papstes, das päpstliche Geheimnis in Missbrauchsfällen aufzuheben, ist eine "epochale Entscheidung", meint der Experte für Kirchenrecht, Thomas Schüller. Betroffenenvertreter sehen darin eine Hilfe.

Die Abschaffung des päpstlichen Geheimnisses für Missbrauchsfälle trifft unter Experten und Betroffenen sexualisierter Gewalt auf Zustimmung. Der Kirchenrechtler Thomas Schüller nannte die Aufhebung eine "epochale Entscheidung". Betroffene sexuellen Missbrauchs könnten in Zukunft von der Neuregelung profitieren, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Fälle seien zwar in der Regel kirchenrechtlich und strafrechtlich verjährt. Aber es erweitere die Möglichkeiten der Betroffenen, Entschädigungen zu bekommen. Der Sprecher der Betroffeneninitiative "Eckiger Tisch", Matthias Katsch, bezeichnete die Entscheidung am 18. Dezember im ZDF-Morgenmagazin als "großen symbolischen Akt".

Ab dem 1. Januar 2020 dürfen alle kirchlichen Behörden Akten über Missbrauchsfälle herausgeben, wenn sie von staatlicher Seite dazu aufgefordert werden. Das hatte Papst Franziskus am Dienstag bekanntgegeben. Es erleichtere den staatlichen Behörden in aktuellen Fällen die Verfolgung solcher Straftaten natürlich ungemein, sagte Schüller. Kein Bischof und keine bischöfliche Behörde könne sich mehr mit dem Verweis auf das päpstliche Geheimnis davon ausnehmen, mit dem Staat zusammenzuarbeiten. Er sprach von einer "substanziellen, positiven Veränderung". Schüller ist Professor für Kanonisches Recht an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Er hat zudem jahrelang als Ansprechpartner im Bistum Limburg mit Betroffenen sexueller Gewalt gearbeitet.

"Keine Ausreden mehr"

Der Sprecher des "Eckigen Tisch", Matthias Katsch, betonte, es gebe "keine Ausreden mehr". Vermutlich werde es aber dauern, bis dieser Schritt in den Bistümern vor Ort umgesetzt werde, also die Archive geöffnet würden, um Akten etwa für Entschädigungsprozesse zur Verfügung zu stellen. Auch im Vatikan könnten Tausende Akten der Aufarbeitung zugänglich gemacht werden, sagte er.

Natürlich müsse man abwarten, wie die Bischöfe weltweit nun damit umgehen, sagte Kirchenrechtler Schüller. Staatliche Behörden könnten sich ab sofort jedoch nach Rom wenden, wenn Bischöfe vor Ort nicht kooperieren wollen. Deutschland sei, was die Aufklärung und Aufarbeitung sexueller Gewalt gegen Schutzbefohlene angehe, schon weiter als andere Länder der Welt. Eine Kooperation zwischen staatlichen Strafverfolgungsbehörden und den Bistümern sei etwa in den Leitlinien zur Aufarbeitung der katholischen Deutschen Bischofskonferenz festgehalten.

Jahrhundertealte Regelung

Bischöfe konnten sich bislang bei Sexualdelikten immer auf das päpstliche Geheimnis berufen. Es galt in allen Diözesen und Bistümern weltweit. Das päpstliche Geheimnis besteht seit Jahrhunderten und wurde 1974 bestätigt, erläuterte Schüller. Es bedeutete, dass an Verfahren beteiligte Personen gegenüber Dritten keine Auskunft geben durften. Verstießen die Kleriker gegen die Schweigepflicht drohten Strafen bis hin zur Exkommunikation. Das päpstliche Geheimnis galt aber nicht nur für Sexualstraftaten innerhalb der Kirche, sondern auch bei der Findung von neuen Bischöfen und bei der Papstwahl.



Kölner Dom bekommt Gemälde von Dombauinitiator geschenkt

Der Kölner Dom hat ein Gemälde des Dombauinitiators Sulpiz Boisserée geschenkt bekommen. Das Bild stamme aus dem Besitz der Familie Kann und sei zwischen 1843 und 1844 bei dem Münchner Portraitmaler Joseph Nepomuk Bernhardt gemalt worden, teilte der Zentral-Dombau-Verein am 17. Dezember in Köln mit. Die Stifter sind den Angaben zufolge Nachfahren von Boisserées Bruder Bernhard. Der Kölner Kaufmannssohn Sulpiz Boisserée (1783 - 1854) setzte sich entschieden für die Vollendung des Kölner Doms ein, indem er etwa den Dichter Johann Wolfgang von Goethe, die Gebrüder Grimm, die Könige Friedrich Wilhelm IV. von Preußen und Ludwig I. von Bayern sowie die Architekten Karl Friedrich Schinkel und Georg Moller für die Vollendung des Doms gewann.



Reform gestoppt - Bistum Trier organisiert Arbeit in den Gemeinden

Als Reaktion auf die vom Vatikan ausgesetzte Strukturreform des Bistums Trier hat die Leitung der Diözese Maßnahmen in die Wege geleitet, um die Arbeitsfähigkeit der von den geplanten Zusammenlegungen betroffenen Gemeinden zu sichern. Generalvikar Ulrich von Plettenberg habe deshalb Ende November den amtierenden Gremienmitgliedern der Pfarreien einen Brief geschrieben, in dem er sie bittet, bis zur Klärung der Situation ein Übergangsmandat anzunehmen, teilte das Bistum am 20. Dezember mit.

Die Übergangsmandate gelten den Angaben zufolge bis zur Errichtung neuer Pfarreien und Kirchengemeinden, maximal jedoch bis Ende 2021. Noch liefen die Rückmeldungen, weswegen man nicht abschätzen könne, wie viele Frauen und Männer das Übergangsmandat annähmen, hieß es.

Der Generalvikar betonte, dass die Seelsorge vor Ort für die Gläubigen wie gewohnt weiterlaufe: "Es werden Gottesdienste gefeiert, die Sakramente werden gespendet." Die Seelsorgerinnen und Seelsorger seien für die Menschen da, die Mitarbeitenden der Kirchengemeinden würden ihren Dienst tun. Darüber hinaus wolle man die gewonnene Zeit dazu nutzen, weiter für die Umsetzung der Synode und die Bistumsreform zu werben.

Aus 900 Pfarreien sollen 35 Großpfarreien werden

Das Bistum Trier wollte eigentlich ab dem kommenden Jahr seinen Reformprozess starten. Rund 900 Pfarreien sollten zu 35 Großpfarreien zusammengelegt werden. Nach Beschwerden von Gläubigen stoppte der Vatikan die Umsetzung der Bistumsreform jedoch zunächst, damit der Päpstliche Rat das Vorhaben überprüfen kann. Der Trierer Bischof Stephan Ackermann will nun gegenüber der Kleruskongregation und dem Päpstlichen Rat Stellung zu der geplanten Reform nehmen. Die entsprechenden Stellungnahmen sollen zum Jahreswechsel nach Rom gesandt werden.

Bischof Ackermann hatte das "Gesetz zur Umsetzung der Diözesansynode 2013-2016" zur Schrumpfung der rund 900 Pfarreien Anfang Oktober erlassen. Die Reform ist umstritten. So hatte sich unter anderem die Initiative "Kirchengemeinde vor Ort" gegründet und zu Protesten dagegen aufgerufen.



Akademie-Direktor warnt Kirche vor "populistischen Versuchungen"


Rüdiger Sachau
epd-bild/Jürgen Blume
Zum nächsten Jahr scheidet der Direktor der Evangelischen Akademie zu Berlin, Rüdiger Sachau, aus seinem Amt. Im Gespräch mit dem epd blickt er zurück auf die Arbeit an der Spitze der Akademie und warnt seine Kirche vor Moralisierung.

Der Direktor der Evangelischen Akademie zu Berlin, Rüdiger Sachau, hat die Kirche zu einer stärkeren Auseinandersetzung mit Populismus in den eigenen Reihen aufgefordert. "Erst wenn wir eingesehen haben, dass wir als Kirche immer auch Teil des Problems sind, dann können wir Teil der Lösung werden", sagte Sachau in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Die Kirche sei selbst herausgefordert, "unseren eigenen populistischen Versuchungen nicht zu erliegen und die Gefahr der Moralisierung unserer Botschaft zu erkennen". "Wir sind nicht einfach die Guten", betonte Sachau. Auch Kirchenmitglieder seien gefährdet, rechtspopulistischem Gedankengut zu folgen. Auch Antisemitismus gebe es in der Kirche, "er ist immer wieder in Predigten zu entdecken".

Aufgabe der evangelischen Akademien sei es, "eine Kultur zu erhalten, in der unterschiedliche Meinungen, Positionen und Überzeugungen miteinander ins Gespräch kommen", sagte Sachau, der zum nächsten Jahr als Akademiedirektor ausscheidet. Dieses Gespräch müsse durch drei Dinge bestimmt sein: Respekt und Toleranz, die Kraft guter Argumente und einen Geist, "der vom christlichen Glauben inspiriert ist".

"Landeanflug in nächste Lebensphase"

Sachau ist seit 2006 Direktor der Evangelischen Akademie zu Berlin, die Tagungen und Konferenzen in der Hauptstadt und in Brandenburg veranstaltet. Im nächsten Jahr scheidet er auf eigenen Wunsch aus dem Amt und zieht mit seiner Frau zurück nach Norddeutschland. Sachau wird dort noch einmal als Pastor arbeiten.

"Das ist wie ein Landeanflug in die nächste Lebensphase", sagte er. Sein Amt sei für ihn das schönste gewesen, "das ich mir in der Evangelischen Kirche in Deutschland vorstellen kann". Er glaube aber, "dass es auch zu unserer geistlichen Authentizität gehört, dass wir nicht an unseren Rollen kleben", sagte er und ergänzte: "Wenn ich mich jetzt entschieden habe loszulassen, dann ist das für mich auch eine spirituelle Herausforderung."

epd-Gespräch: Corinna Buschow


Bischof Overbeck stellt Zölibat zur Diskussion

Als Reaktion auf den Priestermangel in der katholischen Kirche hat sich der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck für Alternativen zur Zölibatspflicht ausgesprochen. Angesichts des Nachwuchsmangels stelle sich die Frage: "Wie sollen Priester leben? Sollen sie zölibatär leben oder mit Dispens auch heiraten können?", fragte Overbeck am 19. Dezember bei einer Diskussion des Westdeutschen Rundfunks (WDR) in Köln zum Thema "Brauchen wir die Kirche noch?"

Der Ruhr-Bischof verwies darauf, dass sich das Zölibat in der Geschichte der katholischen Kirche "in vielfacher Weise auch gut bewährt" habe. Allerdings müsse sich die Kirche klarmachen, dass sich die Zeiten geändert hätten: "Die alte Zeit ist wirklich vorbei", betonte Overbeck. Angesichts einer sich verändernden Gesellschaft und einer neuen Kultur laute die Frage deshalb: "Wir können wir den Ursprung zu Jesus Christus im Amt sichern?" In der Diskussion um das Zölibat gehe es um die Glaubwürdigkeit der Priester und die Kirche als Gesamtheit.

Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, bezeichnete die Diskussion um das Zölibat als "meistens fruchtlos". Das Zölibat sei für die Kirche "nicht das Zentrale". Wichtig sei vielmehr, wer in Zukunft die Eucharistiefeiern in den Gemeinden leite, sagte der Präsident der katholischen Laienvertretung.



Kirchenkreis an Lahn und Dill reduziert Zahl der Gemeinden auf 47

Mehrere strukturelle und personelle Veränderungen stehen im evangelischen Kirchenkreis an Lahn und Dill zum Jahreswechsel an. Dabei geht es um Vereinigungen von Kirchengemeinden sowie um die Aufhebung einer Pfarrstelle, wie der Kirchenkreis in Wetzlar am 20. Dezember mitteilte. So werden ab dem 1. Januar insgesamt 47 Kirchengemeinden zum Kirchenkreis gehören. Derzeit sind es 50 Gemeinden.

Die Vereinigung von Kirchengemeinden führt zu einer Arbeitserleichterung und einer Verringerung des Verwaltungsaufwands sowie finanziellen Einsparungen, wie es hieß. Fusioniert werden die Kirchengemeinden Nauborn und Laufdorf zur Kirchengemeinde Nauborn-Laufdorf. Auch die bislang eigenständigen Kirchengemeinden Bonbaden, Neukirchen und Schwalbach werden sich zum 1. Januar zusammenschließen und die Kirchengemeinde Bonbaden-Neukirchen-Schwalbach bilden.

Aufgehoben wird die Pfarrstelle für die Kirchengemeinden Hohensolms und Blasbach, die derzeit noch Pfarrer Hans Hoßbach innehat. Die Kirchengemeinden haben nicht mehr die erforderliche Anzahl von Mitgliedern, um eine Pfarrstelle mit mehr als 50 Prozent Dienstumfang besetzen zu können. So wird die Kirchengemeinde Hohensolms eine pfarramtliche Verbindung mit der Kirchengemeinde Erda-Großaltenstädten eingehen.

Die Kirchengemeinde Blasbach wird sich zudem mit der Kirchengemeinde Aßlar (Bezirk 2) pfarramtlich verbinden und nachbarschaftlich mit Hermannstein zusammenarbeiten. Die Leitungsorgane haben diesbezüglich ein Erprobungsmodell für 2020 beschlossen, das die Aufgaben in den Bereichen Gottesdienst, Amtshandlungen, Seelsorge und Jugendarbeit regelt. Damit wird erstmals eine offizielle Kooperation zwischen zwei unterschiedlichen Landeskirchen in der Region geschaffen: Blasbach gehört zur rheinischen, Hermannstein zur hessen-nassauischen Kirche.

Pfarrer Hoßbach wird den Angaben zufolge einen nicht-stellengebundenen Auftrag im Kirchenkreis an Lahn und Dill übernehmen und ab dem 1. Januar für die Vakanzvertretung in den Kirchengemeinden Leun und Tiefenbach zuständig sein.



Kaum noch Kirchenasyl in Rheinland-Pfalz

Nach einer Reihe von Polizeieinsätzen und Ermittlungsverfahren gegen Pfarrer gibt es in Rheinland-Pfalz kaum noch Gemeinden, die bereit sind, Kirchenasyl zu gewähren. Aktuell bieten im Land noch zwei katholische und eine evangelische Kirchengemeinde Flüchtlingen Schutz vor einer Abschiebung. Das rheinland-pfälzische Integrationsministerium hat zurzeit Kenntnis von elf Fällen, für die rheinland-pfälzische Ausländerbehörden zuständig sind. Die betroffenen Asylbewerber halten sich aber überwiegend in Kirchengemeinden außerhalb von Rheinland-Pfalz auf.

Besonders aktiv ist hierbei die Evangelische Kirche im Rheinland (EKIR). "In Rheinland-Pfalz haben wir zurzeit ein Kirchenasyl und sieben Kirchenasyle in Nordrhein-Westfalen, bei denen aber eine Behörde in Rheinland-Pfalz zuständig ist", teilte deren Sprecher Jens Peter Iven in Düsseldorf dem Evangelischen Pressedienst (epd) mit. Insgesamt geht die rheinische Kirche sogar von aktuell rund 75 Kirchenasylen in den Gemeinden auf ihrem Gebiet aus.

Folge der politischen Stimmung

Der Rückgang bei den Fallzahlen sei eine Folge der politischen Stimmung, sagte Uli Sextro, Referent der Diakonie Rheinland-Pfalz: "Viele sind einfach auch erschöpft." Außerdem hätten die verschärften Bestimmungen im Asylrecht dazu geführt, dass die meisten Flüchtlinge gar nicht mehr aus den großen Erstaufnahmestellen in eine Kommune weiterverteilt würden: "Die Gemeinden lernen die Leute einfach nicht mehr kennen."

Das Katholische Büro in Mainz wollte auf Nachfrage keine näheren Angaben zu den derzeit gewährten Kirchenasylen in Rheinland-Pfalz machen. Die beiden aktuellen Fälle verliefen aber "völlig unproblematisch".

Insgesamt gab es 2019 nach Mainzer Ministeriumsangaben noch 17 Fälle von Kirchenasyl für Personen, die sich zuvor in Rheinland-Pfalz aufgehalten hatten. Im Vorjahr hatte die Zahl fast viermal so hoch gelegen. Allerdings gingen die Behörden einiger rheinland-pfälzischer Städte und Landkreise seit 2017 massiv gegen Kirchengemeinden und Pfarrer vor. Für Schlagzeilen sorgte insbesondere die Situation im Rhein-Hunsrück-Kreis, wo nach Anzeigen der Kreisverwaltung Strafverfahren gegen fünf Pfarrer eröffnet wurden. Im Zuge der mittlerweile eingestellten Ermittlungen ließ die Staatsanwaltschaft unter anderem deren Büros und Wohnungen durchsuchen.




Gesellschaft

Größter Chanukka-Leuchter Europas in Berlin entzündet


Chanukka-Leuchter am Brandenburger Tor
epd-bild/Rolf Zöllner
"Ich fühle mich in Deutschland trotz aller Anfeindungen von Feinden der Demokratie zu Hause", sagt der Präsident des Zentralrats der Juden, Schuster, bei der Zeremonie am Brandenburger Tor.

An Europas größtem Chanukka-Leuchter vor dem Brandenburger Tor in Berlin brennt das erste Licht. Es wurde am 22. Dezember von der Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer, dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, und einem jüdischen Jungen aus Berlin gemeinsam entzündet. Bei der inzwischen bereits 15. Zeremonie an diesem Ort anwesend waren neben rund weiteren 2.000 Gästen auch Bundesjustizministerin Christine Lambrecht und Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (beide SPD) sowie Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke). Mit dem Entzünden des ersten Lichtes an dem zehn Meter hohen Leuchter begann das achttägige jüdische Lichterfest Chanukka.

Bis zum 30. Dezember wird jeden Tag mit Einbruch der Dunkelheit eine weitere Kerze an dem achtarmigen Chanukka-Leuchter entzündet. Eine neunte Kerze in der Mitte dient dem täglichen Anzünden der anderen Lichter. Neben dem Leuchter am Brandenburger Tor, der Europas größter sein soll, stehen weitere 21 im ganzen Stadtgebiet.

Schuster lobt Solidarität nach Halle

Neben Vertretern aus der Politik waren auch Berlins katholischer Erzbischof Heiner Koch und der frühere evangelische Bischof Markus Dröge bei der Zeremonie dabei. Der Berliner Chabad-Vorsitzende Rabbiner Yehuda Teichtal erinnerte in seiner Rede an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, die sich am 27. Januar 2020 zum 75. Mal jährt. Heute sei zu beobachten, "wie der Antisemitismus wieder sein hässliches Haupt erhebt". "Wir werden dem nicht nachgeben", versicherte Teichtal. Juden, Christen und Muslime stünden zusammen, es gebe keinen Platz für Hass in der Gesellschaft. "Antisemitismus ist ein Gift, egal woher es kommt", warnte Teichtal unter Hinweis auf links- und rechtsextremistische oder islamistische Judenfeindlichkeit.

Auch Zentralratspräsident Schuster beklagte, dass in vielen Ländern Europas die Religionsfreiheit wieder in Frage gestellt werde. Er versicherte: "Ich fühle mich in Deutschland trotz aller Anfeindungen von Feinden der Demokratie zu Hause." Nach dem Anschlag vom 9. Oktober in Halle habe es viele Zeichen der Solidarität gegeben. "Das hat uns Mut gemacht", sagte Schuster.

"Teil von uns"

Bundesjustizministerin Lambrecht sagte, der Chanukka-Leuchter im Herzen der deutschen Hauptstadt sei ein Zeichen, "dass jüdisches Leben und jüdische Kultur einen festen Platz in unserem Land haben und ein Teil von uns sind". Berlins Regierender Bürgermeister Müller erinnerte vor dem geschichtsträchtigen Ort auch an die Öffnung des Brandenburger Tores vor genau 30 Jahren. Er unterstrich: "Jüdisches Leben gehört wieder selbstverständlich zu uns."

Mit dem Lichterfest Chanukka (hebräisch: Weihung) feiern Juden den Sieg der Makkabäer über die syrischen Armeen im Jahr 164 vor Christus und die Wiedereinweihung des Jerusalemer Tempels. Weil damals das ewige Licht im Tempel wie durch ein Wunder acht Tage lang gebrannt haben soll, wird an dem Leuchter jeden Tag eine weitere Kerze angezündet.



Staatsvertrag für jüdische Militärseelsorge unterzeichnet


Staatsvertrag für jüdische Militaerseelsorge unterzeichnet
epd-bild/Christian Ditsch
Fast 75 Jahre nach dem Ende der Judenverfolgung in Deutschland haben Bundesregierung und Zentralrat der Juden einen Vertrag für Militärrabbiner in der Bundeswehr unterzeichnet. Ministerin Kramp-Karrenbauer spricht von einem "bewegenden Moment".

Bundesregierung und Zentralrat der Juden haben am 20. Dezember in Berlin den Staatsvertrag für eine jüdische Seelsorge in der Bundeswehr unterzeichnet. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und Zentralratspräsident Josef Schuster unterschrieben gemeinsam das Dokument, das nach rund 100 Jahren die institutionell verankerte Arbeit von Rabbinern im deutschen Militär wieder ermöglicht.

Kramp-Karrenbauer bezeichnete die Unterzeichnung als "bewegenden Moment". Jüdinnen und Juden seien heute in Deutschland zu Hause. "Dass dies möglich und wirklich ist nach den unfassbaren Verbrechen, die von Deutschland ausgegangen sind, macht mich demütig und dankbar", sagte die Ministerin.

Zeichen für Vertrauen

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, sprach von einem "historischen Tag". So wie die Bundeswehr ein Teil des demokratischen Deutschlands sei, sei dies auch die jüdische Gemeinschaft, sagte er. Militärrabbiner zeigten zudem, wie das Vertrauen der jüdischen Gemeinschaft in diesem demokratischen Staat gewachsen sei, nachdem Juden nach dem Holocaust mit großer Distanz auf das deutsche Militär geblickt hätten.

Kramp-Karrenbauer sagte, das Judentum und die deutschen Streitkräfte hätten eine lange Tradition und eine gebrochene Geschichte. Juden hätten insbesondere im Ersten Weltkrieg für das Land gedient, das sie später verraten habe. Zudem verurteilte sie Antisemitismus und betonte, Extremismus, insbesondere Rechtsextremismus, dürfe in der Bundeswehr nicht geduldet werden. Jeder Einzelfall werde geprüft. Zudem solle das Disziplinarrecht nachgeschärft werden, um konsequent mit Extremismusfällen umzugehen.

Vertrag sieht zehn Militärrabbiner vor

Das Bundeskabinett hatte in der vergangenen Woche dem Staatsvertrag für die Verankerung jüdischer Militärseelsorge in der Bundeswehr zugestimmt. Der Vertrag braucht noch einen Beschluss des Bundestags, der im nächsten Jahr erfolgen soll. Dann kann der Vertrag auch praktisch umgesetzt werden.

Er sieht den Einsatz von zehn Militärrabbinern vor. Sie begleiten Soldaten im In- und Ausland und wirken am sogenannten lebenskundlichen Unterricht mit. Seit Jahrzehnten gibt es evangelische und katholische Militärpfarrer in der Bundeswehr auf Grundlage entsprechender Verträge mit den Kirchen.

Weil die Zahl christlicher Soldaten abnimmt und zugleich die Religionszugehörigkeiten pluraler werden, sollen die Pfarrer künftig nicht die einzigen Geistlichen in der Armee sein. Auch eine muslimische Militärseelsorge soll entstehen.

Religiöse Vielfalt Garantie für Demokratie

Die Zahl jüdischer Soldaten schätzt das Verteidigungsministerium auf rund 300. Die Zahl evangelischer Soldaten liegt demnach bei rund 53.000, die der katholischen bei etwa 41.000. Eine genaue Erfassung der Religionszugehörigkeit gibt es nicht.

Der evangelische Militärbischof Sigurd Rink begrüßte die Erweiterung der Seelsorge in der Bundeswehr. Der Umgang mit religiöser Vielfalt gehöre zu den Garantien jeder pluralen Demokratie und gründe sich im Respekt vor der Gewissensfreiheit und Wohlfahrt aller Soldaten, erklärte er. Rink ergänzte, der Staat setze damit auch ein Zeichen, dass Antisemitismus in den Streitkräften keinen Platz haben dürfe. "Der Antisemitismus in Deutschland als Problem der gesellschaftlichen Gegenwart darf nicht geleugnet werden", sagte er.



Seehofer: Mehr Personal für die Bekämpfung des Rechtsextremismus

Der Verfassungsschutz und das Bundeskriminalamt bekommen mehr Stellen für die Bekämpfung des Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus. Innenminister Seehofer warnte erneut, die Gefahr müsse sehr ernst genommen werden.

Mit mehr Personal und Zentralstellen beim Bundeskriminalamt (BKA) und beim Verfassungsschutz soll die Bekämpfung des Rechtsextremismus in Deutschland intensiviert werden. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) stellte am 17. Dezember in Berlin die Pläne zur Umstrukturierung der Behörden vor. Dabei betonte er, die zusätzlichen Aktivitäten würden nicht zu Lasten anderer Aufgaben gehen. Außerdem werde "mit Hochdruck" an einem möglichen Verbot weiterer Organisationen aus dem rechten Spektrum gearbeitet, erklärte Seehofer.

Die Gefahr durch den Rechtsextremismus müsse sehr ernst genommen werden, sagte Seehofer und räumte zugleich ein, dass dies schon früher hätte geschehen müssen. Es gebe in Deutschland rund 12.000 gewaltbereite Rechtsextremisten. Jede zweite politisch motivierte Körperverletzung sei der rechtsextremen Szene zuzurechnen. Es sei "wirklich notwendig, als Bundesrepublik Deutschland stärker gegen den Rechtsextremismus tätig zu werden", sagte Seehofer.

Rechtsextreme Tendenzen in den Bundesbehörden

Zur Ermittlung möglicher rechtsextremer Tendenzen in den Bundesbehörden selbst soll ein neues Referat beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) eingerichtet werden. Bisher handele es sich bei solchen Fällen um Einzelfälle, sagte Seehofer und verwies auf Zahlen aus der Bundespolizei für die Jahre 2012 bis 2019. Danach gab es in dieser Zeit 57 Fälle, die disziplinarrechtlich verfolgt worden seien, was 0,1 Prozent der gesamten Belegschaft ausmache. Jeder einzelne Fall sei aber einer zu viel, betonte der CSU-Politiker.

Nach dem Terror-Angriff auf die Synagoge in Halle hatten die Innenminister von Bund und Ländern einen Zwölf-Punkte-Plan zur verstärkten Bekämpfung des Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus beschlossen. Die meisten Punkte seien inzwischen umgesetzt oder befänden in der Umsetzung, sagte Seehofer.

Hasskriminalität im Netz stärker bekämpfen

Im Rahmen der Maßnahmen werden BKA und BfV jeweils um weitere 300 Stellen zur Bekämpfung des Rechtsextremismus aufgestockt. Auch die Hasskriminalität im Netz soll stärker bekämpft und das Waffenrecht verschärft werden. Der Bundestag hatte die Finanzierung der 600 zusätzlichen Stellen bereits genehmigt. Seehofer sagte, eine wirksame, erfolgreiche Bekämpfung des Rechtsextremismus durch die beiden Behörden sei nur möglich, wenn sie massiv personell aufgestockt würden.

Verfassungsschutz-Chef Thomas Haldenwang sagte, bisher habe man sich vor allem auf rechte Gewalttäter konzentriert. Zu den zentralen Themen für die Zukunft gehöre, die Netzwerke der rechten Szene zu ermitteln und dafür eng mit den Verfassungsschützern der Länder zusammenzuarbeiten. Der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch, erläuterte, sein Amt habe mit dem Aufbau neuer Abteilungen zur Verfolgung der Hasskriminalität im Internet begonnen. Künftig sollen Plattformen schwere Straftaten dem Bundeskriminalamt melden, damit sie verfolgt werden können. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) plant dazu eine Verschärfung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes.

Die Gewerkschaft der Polizei begrüßte die Stellenaufstockungen. Die polizeilichen Aufgaben im Extremismusbereich hätten in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen, hieß es in einer Erklärung. Die Gewerkschaft fordere dafür schon seit Jahren mehr Personal.



Bundesrat billigt Kompromiss zum Klimapaket


Im Gegenzug für steigende Preise für Benzin und Diesel soll die Pendlerpauschale stärker erhöht werden. (Archivbild)
epd-bild/Steffen Schellhorn
Mit der erwarteten Zustimmung des Bundesrats hat das Klimapaket alle Hürden genommen. Neben Erleichterung waren aber auch andere Töne zu hören. Die Bevölkerung müsse bei den anstehenden Umstellungen mitgenommen werden, mahnten die Länderchefs.

Das Klimapaket der Bundesregierung hat die letzte Hürde genommen. Der Bundesrat stimmte am 20. Dezember in Berlin dem im Vermittlungsausschuss ausgehandelten Kompromiss zu. Durch das Vermittlungsverfahren sei ein Klimapaket mit "mehr Klimaschutz und mehr sozialem Ausgleich" gelungen, sagte die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig (SPD), die maßgeblich an den Verhandlungen beteiligt war.

Deutschland steigt nun 2021 mit einem CO2-Preis von 25 Euro in den nationalen Emissionszertifikate-Handel für Verkehr und Gebäude ein. Die Regierungskoalition hatte nur zehn Euro vorgesehen. Bis 2025 soll der CO2-Preis auf 55 Euro steigen. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sprach von einem "nationalen Klimakonsens", der der Erreichung der Klimaziele neuen Schub verleihen werde.

Senkung der EEG-Umlage

Im Gegenzug für die steigenden Preise bei Benzin, Diesel und Heizöl sollen die Bürger stärker entlastet werden als bisher vorgesehen. Um den Strompreis zu senken, wird die sogenannte EEG-Umlage verringert, mit der der Ausbau der Erneuerbaren Energien gefördert wird. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte, die höheren Einnahmen bei der CO2-Bepreisung flössen nicht in die Staatskasse, sondern Strom werde billiger. Ein Durchschnittshaushalt werde um rund 100 Euro im Jahr entlastet.

Bund und Länder hatten sich auch auf eine stärkere Anhebung der Pendlerpauschale verständigt. Sie steigt 2021 um fünf Cent ab dem 21. Kilometer und zusätzlich von 2024 an um weitere drei Cent pro Kilometer. Geringverdiener, denen Steuervorteile nicht helfen, sollen eine Mobilitätsprämie erhalten. Mit der Zustimmung des Bundesrats ist auch der Weg frei für günstigere Bahntickets und die steuerliche Förderung der energetischen Sanierung von Eigenheimen.

Die an den Verhandlungen beteiligten Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten erklärten übereinstimmend, das Vermittlungsverfahren habe zu einem besseren Klimapaket geführt. Es sei "ökologisch wirksamer und sozialverträglicher", sagte der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) und erklärte, es komme angesichts der Herausforderungen nun darauf an, die Gesellschaft zusammenzuhalten.

Ministerpräsidenten von Flächenländern wie der niedersächsische Landeschef Stephan Weil (SPD) mahnten, es dürfe nicht dazu kommen, dass die Menschen auf dem Land vor allem Nachteile hätten. Die vereinbarten Schritte und Entlastungen sollten ihnen dabei helfen umzusteigen, sagte Weil, der selbst für einen höheren CO2-Preis geworben hatte. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wertete den Kompromiss als "ein wirksames Konzept gegen extreme Positionen" und hob die Handlungsfähigkeit der Politik im Zusammenspiel von Bund und Ländern hervor.

Nachverhandlung des CO2-Preises

Der Bundesrat hatte den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat angerufen, weil die Länder eine Umverteilung für die mit dem Klimapaket verbundenen Kosten gefordert hatten. Den zusätzlichen Einnahmen des Bundes durch den CO2-Preis stünden Steuerausfälle bei den Ländern gegenüber, hatten sie erklärt und Entlastungen eingefordert. Die von den Grünen mitregierten Länder erzwangen zusätzlich eine Nachverhandlung des CO2-Preises.

Anfang dieser Woche hatte eine Arbeitsgruppe aus Bund- und Ländervertretern den Kompromiss vorgestellt, dem der Vermittlungsausschuss zustimmte. Einen Tag später gab der Bundestag mit den Stimmen der Koalition und der Grünen grünes Licht.



NRW-Landtag beginnt letzten Plenartag mit Andacht

Am 19. Dezember hat der NRW-Landtag zum letzten Mal in diesem Jahr getagt. Bevor es in die Plenumsdebatte ging, konnten die Abgeordneten an einer Adventsandacht teilnehmen.

Besinnlich hat am 19. Dezember der letzten Plenartag des nordrhein-westfälischen Landtages vor der Weihnachtspause begonnen. Vor Beginn der Sitzung feierten der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, und Pfarrer Antonius Hamers vom Katholischen Büro NRW eine ökumenische Adventsandacht mit den Abgeordneten in der Bürgerhalle. Außerdem überbrachten die Pfadfinder das Friedenslicht aus Bethlehem.

Rekowski rief dazu auf, Veränderungen im Lebensalltag mit kleinen Schritten zu beginnen. "Großes fängt klein an - zu Weihnachten im Kind in der Krippe", sagte der leitende Theologe der rheinischen Kirche bei der Andacht in der Bürgerhalle des Landtages. Gerechtigkeit könne etwa mit ein wenig Verzicht auf Überfluss beginnen.

Hamers erinnerte an den christlichen Widerstand gegen die Nationalsozialisten, vor allem an den Jesuitenpater Alfred Delp, der während der Adventszeit vor 75 Jahren im Gefängnis gesessen und auf seine Hinrichtung gewartet habe. Delp (1907-1945), der im Widerstand gegen den Nationalsozialismus aktiv war, wurde 1944 verhaftet und 1945 hingerichtet.

Pfadfinder überbrachten Friedenslicht

Landtagspräsident André Kuper (CDU) begrüßte anschließend Vertreter der Pfadfinderverbände, die das Friedenslicht aus Bethlehem überbrachten. Die Aktion steht in diesem Jahr unter dem Motto "Mut zum Frieden".

Das Friedenslicht aus Bethlehem wird als Zeichen für Solidarität und Gemeinschaft seit 1986 jährlich in der Geburtsgrotte Jesu Christi in Bethlehem entzündet und nach Wien gebracht. Seit 25 Jahren verteilen die Pfadfinder es auch in Deutschland. Bis zum Heiligen Abend wird das Licht in Gottesdiensten in den Gemeinden weitergegeben. Von dort tragen es die Pfadfinder in Familien, Krankenhäuser und Schulen, in Verbände, öffentliche Einrichtungen, in Altenheime und zu Obdachlosen, in Moscheen und Synagogen.



Habeck für Aufnahme von Flüchtlingskindern aus griechischen Lagern


Robert Habeck (beim evangelischen Kirchentag in Dortmund)
epd-bild/Friedrich Stark
Die Lage in den überfüllten Flüchtlingscamps in Griechenland ist verheerend. Laut UN leiden vor allem unbegleitete Kinder an den unhaltbaren Zuständen. Grünen-Chef Habeck appelliert an die Bundesregierung, die Minderjährigen einreisen zu lassen.

Grünen-Chef Robert Habeck hat sich dafür ausgesprochen, Tausende Migranten aus den überfüllten Lagern Griechenlands nach Deutschland zu bringen. "Holt als erstes die Kinder raus", sagte Habeck der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Auf den griechischen Inseln vor der türkischen Küste drängten sich etwa 4.000 Kinder, darunter "viele Mädchen, viele zerbrechliche kleine Menschen". Da sei schnelle Hilfe ein Gebot der Humanität, sagte Habeck. Die Bundesregierung bekräftigte dagegen, sie lehne einen "Alleingang" zur Aufnahme von Flüchtlingen aus Griechenland ab. Auch andere EU-Staaten müssten einen Beitrag leisten.

Habeck sagte, Bundesländer wie Berlin und Thüringen hätten schon erklärt, dass sie zu einer Aufnahme bereit seien, ebenso die grüne Seite der Regierung von Baden-Württemberg und der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius von der SPD. Deutschland müsse auch handeln, wenn andere in der EU nicht mitmachten, betonte er. "Es ziehen sowieso nie alle mit."

Lob von Pro Asyl

Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl begrüßte die Forderung Habecks. Es sei "unerträglich dass Tausende Flüchtlingskinder in griechischen Elendslagern vor Kälte, Nässe und Hoffnungslosigkeit zittern, während hier weihnachtliche Urlaubsstimmung einkehrt", sagte Geschäftsführer Günter Burkhardt. Nach seiner Darstellung handelt es sich in vielen Fällen um unbegleitete Kinder, die zu Angehörigen nach Deutschland wollen. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) müsse seinen Urlaub unterbrechen, um sofort diesen Minderjährigen die Einreise nach Deutschland zu ermöglichen, forderte Burkhardt.

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Stephan Mayer (CSU), erklärte indes, bei einem "Alleingang Deutschlands" zum jetzigen Zeitpunkt würden sich die anderen EU-Länder ihrer Verantwortung entziehen. "Auch andere EU-Länder müssen erkennen und anerkennen, dass sie einen Beitrag zur Unterstützung Griechenlands leisten müssen", sagte er dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland".

Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler (SPD), forderte eine neue Initiative der EU-Kommission zu einer fairen Verteilung der Geflüchteten auf die EU-Staaten. "Wünschenswert wäre auch ein neues Schutzprogramm für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge", sagte sie dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland"

Merkel zurückhaltend

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte bereits am 18. Dezember zurückhaltend auf die Appelle zur Aufnahme der Kinder reagiert. Deutschland habe eine ganze Reihe an humanitären Gesten gezeigt, müsse aber auch andere europäische Länder überzeugen, dass sie sich beteiligen, erklärte sie im Bundestag. Sie fügte hinzu, dass derzeit Gespräche zu dem Thema geführt würden: "Es gibt noch keine Entscheidung."

Menschenrechtler prangern schon seit Jahren eine verheerende Lage in den Flüchtlingscamps in Griechenland an. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR leben in Lagern auf den Inseln Lesbos, Samos und Kos mehr als 4.400 unbegleitete Kinder "von denen nur jedes vierte altersgerecht untergebracht ist". Demnach sind etwa 500 Kinder mit fremden Erwachsenen in einem großen Lagerzelt im berüchtigten Moria-Camp auf Lesbos untergebracht. Auf Samos wechselten sich mehr als ein Dutzend unbegleiteter Mädchen ab, um in einem kleinen Container zu schlafen, während andere Kinder gezwungen seien, auf Containerdächern zu übernachten. UNHCR nennt diese Bedingungen "äußerst riskant" und appelliert an die europäischen Staaten, die Kinder zügig umzusiedeln.



132 aus Seenot Gerettete in Deutschland angekommen

Deutschland hat erneut aus Seenot gerettete Menschen aus Italien übernommen. Dass Nächstenliebe mehr als eine Weihnachtsfloskel ist, müsse die Bundesregierung aber auch mit einer Aufnahme aus Griechenland beweisen, fordern die Grünen.

Kurz vor Weihnachten hat Deutschland noch einmal mehr als 100 aus Seenot gerettete Migranten aus Italien aufgenommen. Wie das Bundesinnenministerium am 20. Dezember in Berlin mitteilte, wurden insgesamt 132 Menschen überstellt, die auf dem Mittelmeer in Seenot gerieten und nach der Rettung nach Italien gebracht wurden. Einige von ihnen wurden nach Angaben eines Sprechers wegen medizinischer Notfälle direkt nach der Ankunft mit dem Flugzeug in ein Krankenhaus gebracht. 37 der Bootsflüchtlinge kommen nach Angaben der Senatsverwaltung nach Berlin.

Die Gesamtzahl der in Deutschland aufgenommenen Flüchtlinge aus der Seenotrettung erhöht sich damit auf rund 500. Unter den am Freitag in Deutschland angekommenen Migranten sind auch Menschen, die von der Organisation Sea-Watch gerettet wurden, wie der Sprecher des Ministeriums auf Twitter mitteilte. Sie müssen nun das reguläre Asylverfahren durchlaufen und wissen erst danach, ob sie bleiben dürfen.

Keine solidarische Lösung in Sicht

Deutschland gehört zu den Ländern, die sich bereiterklärt haben, aus Seenot gerettete Flüchtlinge aus Italien aufzunehmen. Das Land hatte Rettungsschiffen in der Vergangenheit die Einfahrt in Häfen verweigert. Es verwies darauf, allein mit der Versorgung der Schutzsuchenden überfordert zu sein. Eine solidarische Lösung zur Verteilung der Geretteten, an der sich alle Staaten der EU beteiligen, gibt es bislang nicht.

Derweil drangen Grünen-Politikerinnen weiter auf eine Aufnahme von Minderjährigen aus den überfüllten Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln. "Kinder, die sich vor lauter Traumata selbst verletzen oder nicht mehr essen wollen; Opfer von sexueller Gewalt und Überlebende von Folter, die unter widrigsten Umständen ihr Dasein fristen: All das sind Zustände, die an keinem Ort auf diesem Planeten hinnehmbar sind", erklärten die Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth und die Abgeordnete Luise Amtsberg am Freitag in Berlin mit Verweis auf Berichte von "Ärzte ohne Grenzen".

Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR leben in Lagern auf den Inseln Lesbos, Samos und Kos mehr als 4.400 unbegleitete Kinder, "von denen nur jedes vierte altersgerecht untergebracht ist". Die Grünen stellen sich hinter die Bitte einiger Bundesländer, unbegleitete Minderjährige nach Deutschland holen zu können. "Die Bundesregierung kann nun beweisen, dass Nächstenliebe für sie mehr als eine Weihnachtsfloskel ist", erklärten Roth und Amtsberg.

Die Bundesregierung hat bislang zurückhaltend auf die Forderung reagiert. Am Mittwoch sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Bundestag, dass dazu derzeit noch Gespräche geführt würden. Sie verwies bei der Befragung durch Abgeordnete auch auf die Verantwortung anderer europäischer Länder.



Flüchtlingshilfe: UN erhalten Zusagen über mehrere Milliarden Dollar

Staaten, internationale Organisationen und Firmen geben auf dem ersten Flüchtlingsforum der UN viele Versprechen ab: Jobs für Flüchtlinge, Schulbesuch für vertriebene Kinder und Infrastrukturprojekte für die Aufnahmeländer.

Bei dem ersten Globalen Flüchtlingsforum haben die UN mehrere Milliarden US-Dollar an Zusagen für Hilfsprojekte erhalten. Zudem hätten teilnehmende Staaten, internationale Organisationen und Firmen die Schaffung von 15.000 Jobs für Flüchtlinge, den Schulbesuch vertriebener Kinder und Umsiedlungsprogramme in Aussicht gestellt, erklärte der UN-Hochkommissar, Filippo Grandi, am 18. Dezember in Genf. Grandi äußerte sich zufrieden über die Ergebnisse des Forums.

Insgesamt seien 770 Zusagen für die Verbesserung der Lage der Flüchtlinge und der Aufnahmeländer eingegangen. Allein die Weltbank habe 4,7 Milliarden US-Dollar für die Stabilisierung armer Staaten und Projekte für Flüchtlinge zugesagt, betonte Grandi. Die Gelder sollen unter anderem in die wirtschaftliche Entwicklung fließen. Einzelne Staaten und Institutionen wollten rund zwei Milliarden US-Dollar für die internationale Flüchtlingshilfe bereitstellen. Die Inter-Amerikanische Entwicklungsbank habe angekündigt, eine Milliarde US-Dollar zu investieren.

Unternehmen schließlich hätten ihre Bereitschaft geäußert, 250 Millionen US-Dollar einzusetzen. Rund 3.000 Delegierte der Vereinten Nationen, aus Politik, Wirtschaft und der Zivilgesellschaft hatten seit 16. Dezember über bessere Hilfen für die Betroffenen der globalen Flüchtlingskrise beraten.

71 Millionen Menschen auf der Flucht

Die Staaten sollten "mutige und konkrete" Zusagen machen, verlangte UN-Generalsekretär António Guterres. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hatte mehr internationale Solidarität mit armen Aufnahmeländern gefordert. Finanzschwache Staaten beherbergten die meisten Flüchtlinge und müssten die schwerste Last tragen. Die Lasten müssten fair geteilt werden.

Neun der zehn größten Aufnahmeländer für Flüchtlinge sind laut Maas Länder mit niedriger und mittlerer Wirtschaftsleistung wie Uganda oder Pakistan. Das einzige Industrieland in dieser Gruppe sei Deutschland. Gerade einmal ein Fünftel der 193 UN-Staaten beteilige sich in nennenswerter Weise an der Versorgung der Millionen Menschen, die weltweit auf der Flucht sind.

Nach UN-Angaben hat die Türkei mit 3,7 Millionen Menschen die meisten Flüchtlinge aufgenommen. Darauf folgten Pakistan mit 1,4 Millionen Menschen, Uganda mit 1,2 Millionen Kindern, Frauen und Männer sowie Deutschland und der Sudan, die jeweils 1,1 Millionen Flüchtlinge beherbergten.

Entwicklungsländer forderten auf dem Forum auch Unterstützung für die instabilen Heimatregionen von Flüchtlingen. Herkunftsländern wie Somalia müsse beim Aufbau der Infrastruktur und der Wirtschaft sowie bei der Befriedung von Konflikten gezielt geholfen werden, erklärte ein Regierungsvertreter Kenias.

Kenia beherberge knapp 500.000 Flüchtlinge, viele davon aus dem benachbarten Somalia, fügte der Regierungsvertreter aus Nairobi hinzu. Die somalischen Flüchtlinge könnten nur in eine sichere und stabile Heimat zurückkehren.

Weltweit sind nach UN-Angaben rund 71 Millionen Menschen auf der Flucht vor Gewalt, Krieg und zunehmend auch dem Klimawandel. Es sei der höchste Stand seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

Angesichts der globalen Flüchtlingskrise hatten mehr als 170 UN-Staaten vor einem Jahr den Globalen Flüchtlingspakt beschlossen. Wesentlicher Bestandteil ist das Flüchtlingsforum, das regelmäßig zusammentritt.



Land will junge Flüchtlinge besser in Ausbildung und Arbeit bringen

Das Land Nordrhein-Westfalen stellt 50 Millionen Euro bereit, um insbesondere junge Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt zu integrieren. Kreise und kreisfreie Städte in NRW können ab sofort Fördermittel der Landesinitiative "Durchstarten in Ausbildung und Arbeit" beantragen, wie die Ministerien für Arbeit und Integration am 20. Dezember in Düsseldorf mitteilten. Zur Auswahl stehen sechs Förderbausteine, von Coachings über berufsbegleitende Qualifizierung und Sprachförderung bis hin zum nachträglichen Erwerb des Hauptschulabschlusses. Von der Initiative sollen vor allem Geflüchtete mit Duldung und Gestattung profitieren, wie es hieß.

Das Programm richtet sich den Angaben nach an 18- bis 27-Jährige mit besonderem Unterstützungsbedarf, die sonst keinen oder nur nachrangigen Zugang zu Leistungen der Arbeitsförderung und Integrationskursen haben. Dabei wird ein besonderer Augenmerk auf junge Frauen gelegt. So erhalten Mütter mit Kleinkindern eine Pauschale für eine Kinderbetreuung, damit sie an Integrationsangeboten teilnehmen können, wie es hieß. Das Programm läuft zunächst bis Ende Juni 2022.

"Junge Geflüchtete sollen nicht untätig Zeit verlieren"

NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sagte: "Wir schließen mit unserem Landesprogramm eine Förderlücke." Junge Geflüchtete sollten so die Chance erhalten, nicht untätig Zeit zu verlieren. "Solange sie hier sind, sollen sie so früh wie es nur geht, die Möglichkeit erhalten unsere Sprache zu lernen, sich weiter zu qualifizieren und eine Ausbildung oder Arbeit aufzunehmen."

NRW-Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) betonte: "Die Aufnahme von Arbeit oder Ausbildung ist der entscheidende Schlüssel zur Integration." Mit dem neuen Förderprogramm könnten die Kommunen jungen Flüchtlingen Wege aufzeigen, ihren Lebensunterhalt selbstständig zu sichern, unabhängig von Transferleistungen. Von der Initiative profitierten aber auch Unternehmen, die unbürokratischere Möglichkeiten zur Deckung des Fachkräftebedarfs erhielten.



"Ahnenstätte Seelenfeld": Stadt fordert Distanzierung von Extremismus


"Ahnenstaette Seelenfeld" in Petershagen
epd-bild/Thomas Krueger
Ein Forschungsbericht hat der "Ahnenstätte Seelenfeld" nationalsozialistische Verbindungen nachgewiesen. Ob sich die Träger inzwischen von dieser Tradition gelöst haben, daran gibt es begründete Zweifel. Die Stadt fordert nun Konsequenzen.

Die Stadt Petershagen hat vom Trägerverein der umstrittenen "Ahnenstätte Seelenfeld" eine eindeutige öffentliche Distanzierung vom Rechtsextremismus gefordert. Der Rat der Stadt beschloss am Donnerstagabend einstimmig, den "Ahnenstättenverein Niedersachsen" zu einer erneuten Stellungnahme aufzufordern, wie eine Sprecherin dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Freitag sagte. Laut einem von der Stadt in Auftrag gegebenen Forschungsbericht zweier Historiker weist der 1930 gegründete private Friedhof mit völkischen Wurzeln unter anderem Verbindungen zu der als rechtsextremistisch eingestuften Vereinigung "Artgemeinschaft" auf.

Es gehe um eine Distanzierung des Trägervereins von jeglichen rechtsextremen, völkischen oder antisemitischen Tendenzen, betonte die Sprecherin. Auch erhoffe man sich, dass der Trägerverein für die Zeit nach 1945 mehr Licht ins Dunkel seiner Geschichte bringt. Nach Angaben der Historiker hatte der Ahnenstättenverein ihnen die Einsicht in seine Archive verweigert. Dennoch habe man nachweisen können, dass Rechtsextreme und neonazistische Menschen zumindest in Einzelfällen an zentraler Stelle in das Leben der Ahnenstätte eingebunden gewesen seien oder Versammlungen des Vereins besucht hätten, hatten die Forscher berichtet.

Studie: Entstehung von antisemitischem Weltbild geprägt

Bereits die Entstehung des privaten Friedhofs um 1930 sei klar von einem antisemitisch-rassistisch dominierten Weltbild seiner Gründer geprägt gewesen, hieß es in der Untersuchung. Basierend auf der demokratiefeindlichen Ideologie des Ex-Weltkriegsgenerals Erich Ludendorff (1865-1937) und seiner Ehefrau Mathilde (1877-1966) sei eine "deutsch-völkische Gegenwelt" gegen das "christlich-protestantische Milieu" geschaffen worden.

Laut dem Ratsbeschluss will die Stadt die auf ihrer Internetseite in einer anonymisierten Fassung veröffentlichte Ausarbeitung durch eine öffentliche Präsentation und Diskussionsveranstaltungen breiter bekannt machen. Auch solle eine Kurz-Publikation erstellt sowie eine Informationstafel an der Ahnenstätte aufgestellt werden. Dabei handele es sich um ein erstes Maßnahmenpaket, erläuterte die Sprecherin. Mit der zu Petershagen gehörenden Ortschaft Seelenfeld sollen demnach Gespräche hinsichtlich des zukünftigen Umgangs mit der Ahnenstätte aufgenommen werden.

Die Debatte um den idyllisch anmutenden Begräbnisplatz hatte 2017 ein Journalist ausgelöst, der auf einem Mitgliedertreffen des Trägervereins der Ahnenstätte einen rechtsextremen Aktivisten aus Niedersachsen ausgemacht hatte. Daraufhin hatte die Stadt Petershagen die Historiker mit der Aufarbeitung von Geschichte und Gegenwart der Anlage beauftragt.

Einzugsgebiet auf gesamtes Bundesgebiet ausgebreitet

Schon während der NS-Zeit und ab den 1950er Jahren habe sich das Einzugsgebiet der Ahnenstätte weit über Ostwestfalen-Lippe hinaus ins gesamte Bundesgebiet ausgeweitet, hatten die Forscher ermittelt. Die Verbindungen zum 1937 von Mathilde Ludendorff gegründeten, vorübergehend verbotenen und inzwischen vom Verfassungsschutz beobachteten "Bund für Gotterkenntnis" seien offensichtlich.

Auf der Anlage finden nach Angaben der Stadt Petershagen nach wie vor vereinzelt Beisetzungen statt. Eine jüngere Veröffentlichung einer Publikation der vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuften "Artgemeinschaft" zeigt laut den Wissenschaftlern, dass Menschen aus dieser Szene sich oder ihre Angehörigen in Seelenfeld bestatten lassen möchten.



Gutachten bestätigt NS-Vergangenheit von vier LKA-Chefs in NRW

Mindestens vier ehemalige Chefs des Landeskriminalamtes NRW sind einem Gutachten zufolge Täter des NS-Unrechtsregimes. "Das Gutachten zeigt ein sehr bedrückendes Ergebnis", sagte der amtierende LKA-Direktor Frank Hoever am 16. Dezember in Düsseldorf. "Das hat mich sehr erschüttert." Das Gutachten setzte sich mit den ersten sechs Behördenleitern nach Ende des Zweiten Weltkriegs auseinander.

Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) erklärte, die Beteiligung an nationalsozialistischen Unrechtsmaßnahmen von Friedrich Karst, Friederich D'heil, Oskar Wenzky und Günter Grasner sei "geschichtswissenschaftlich evident". Das Ergebnis der Studie sei "umso erschreckender, als die Genannten in ihrem Amt teilweise eine Seilschaft aus der NS-Zeit pflegten". "Aus heutiger Sicht hätten sie niemals mehr als Polizisten arbeiten dürfen", unterstrich Reul.

Im Oktober 2016 hatte das Landeskriminalamt sein 70-jähriges Bestehen gefeiert. Damals kamen Hinweise auf, dass es klüger wäre, den ein oder anderen Behördenchef nicht zu ehren - wegen seiner Aktivitäten in der Nazi-Zeit.

Historiker: "Kein untypischer Befund"

Der Historiker Martin Hölzl, der die wissenschaftliche Untersuchung geführt hatte, betonte, das Ergebnis "sei kein untypischer Befund". Die Behörden hätten nach Kriegsende Spezialisten gesucht. Das man die vier LKA-Chefs trotz ihrer Verstrickungen in NS-Taten eingestellt habe, habe auch deshalb funktioniert, da "die, die davon wussten, selbst beteiligt gewesen waren", sagte Hölzl.

Das Landeskriminalamt war im Oktober 1946 gegründet worden. Die vier LKA-Chefs zwischen 1946 und 1969 hätten zudem "ihre eigenen Legenden gestrickt". So betonten sie stets, als Kriminalpolizei in der NS-Zeit "nur unpolitische Täter" verfolgt zu haben, erklärte Hölzl. Dabei hätte die Kriminalpolizei der Gestapo in nichts nachgestanden. Der Wissenschaftler wies zudem darauf hin, dass in den Jahren nach dem Krieg die in der NS-Zeit Verfolgten, wie etwa Sinti und Roma, Homosexuelle oder Mitglieder der KPD "keine starke Lobby" gehabt hätten.

Einer der vier in NS-Verbrechen verstrickten LKA-Chefs habe sich damals sogar "selbst als Widerständler" eingestuft, hieß es. Ein anderer habe gar einen Entschädigungsantrag gestellt, weil seine berufliche Karriere durch die NS-Zeit geschädigt worden sei.



Gericht verurteilt Friedensaktivisten zu Geldstrafe

Der Friedensaktivist Hermann Theisen hat mit seiner Aufforderung an Militärangehörige, Details völkerrechtswidriger US-amerikanischer Drohnen-Einsätze öffentlich zu machen, nicht zu einer Straftat aufgerufen. Das Amtsgericht Bad Berleburg sprach Theisen von dem Vorwurf frei, wie ein Sprecher des Landgerichts Siegen dem Evangelischen Pressedienst (epd) am 21. Dezember sagte. Die Richter verurteilten ihn jedoch zu einer Geldstrafe in Höhe von 750 Euro, weil er als Leiter einer Demonstration gegen Versammlungsauflagen verstoßen hatte (AZ: 7DS 203/19).

Theisen hatte in Flugblättern zum "Whistleblowing" aufgerufen. Die Papiere hatte er im Frühjahr vor dem US-Stützpunkt im pfälzischen Ramstein sowie am "United States Africa Command"-Hauptquartier in Stuttgart, am Bundesverteidigungsministerium in Bonn und an der Hachenberg-Kaserne im Siegerland verteilt. Darin forderte er von den Soldaten, "die Öffentlichkeit umfassend und rückhaltlos" über die Beteiligung der Luftwaffe an den Drohnen-Einsätzen zu informieren. Seine Aktion hatte er damit begründet, die Bundesregierung unternehme nichts, um die Nutzung von US-Militärstützpunkten in Deutschland für völker- und menschenrechtswidrige Drohneneinsätze zu beenden.

Hermann Theisen stand wegen verschiedener Flugblattaktionen immer wieder im Fokus der Justiz. In den allermeisten der inzwischen über 25 Strafverfahren wurde er spätestens in der Berufungsinstanz freigesprochen. Menschenrechts- und Friedensorganisationen fordern die Bundesregierung seit Jahren auf, die Unterstützung von Drohnenangriffen durch die Satelliten-Relaisstation in Ramstein zu unterbinden.



Düsseldorfer Tabelle: Unterhalt für Kinder steigt 2020 erneut

Trennungskinder bekommen ab 2020 von ihren unterhaltspflichtigen Elternteilen mehr Geld. Die neue "Düsseldorfer Tabelle" tritt am 1. Januar in Kraft, wie das Oberlandesgericht Düsseldorf am 16. Dezember mitteilte. Der Mindestunterhalt für ein Kind bis sechs Jahre steigt demnach um 15 Euro auf 369 Euro. Für Jungen und Mädchen bis zum zwölften Lebensjahr liegt er bei 424 statt bisher 406 Euro, für Kinder bis zum 18. Lebensjahr bei 497 statt 476 Euro. Für volljährige Kinder, die noch im Haushalt eines Elternteils leben, steigt der Unterhaltssatz erstmals seit zwei Jahren wieder leicht und liegt nun bei 530 statt 527 Euro.

Die Mindestwerte gelten für ein Nettoeinkommen von bis zu 1.900 Euro. Auch für unterhaltspflichtige Väter und Mütter in den höheren Einkommensgruppen steigen die Bedarfssätze je nach Verdienst um fünf bis acht Prozent, wie das Gericht mitteilte. Auf den Unterhaltsbedarf muss das Kindergeld angerechnet werden, bei minderjährigen Kindern in der Regel zur Hälfte. Das Kindergeld liegt seit Januar 2019 für das erste und zweite Kind bei je 204 Euro, für das dritte bei 210 Euro und für jedes weitere Kind bei 235 Euro.

Der Selbstbehalt des unterhaltspflichtigen Elternteils steigt erstmals seit 2015 wieder, wie das Gericht mitteilte. Für nicht erwerbstätige Elternteile, die unterhaltspflichtige und unverheiratete Kinder unter 21 Jahren haben, liegt der Betrag bei mindestens 960 Euro (bisher 880 Euro) und Erwerbstätigen stehen mindestens 1.160 Euro zu (bisher 1.080 Euro). Die Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle bleiben laut Gericht 2020 unverändert.

Die "Düsseldorfer Tabelle" war zuletzt zum 1. Januar 2019 angepasst worden, eine erneute Änderung wird es laut Gericht voraussichtlich zum Jahr 2021 geben. Wegen der Mindestunterhaltsverordnung vom September dieses Jahres stiegen die Beträge für Kinder dann voraussichtlich auf 378 Euro, 434 Euro und 508 Euro. Die vom Oberlandesgericht Düsseldorf herausgegebene Tabelle gibt seit 1962 einheitliche Richtwerte für die Berechnung des Familienunterhalts vor. Die Tabelle selbst hat keine Gesetzeskraft und ist eine allgemeine Richtlinie, die von allen Oberlandesgerichten bundesweit bei der Berechnung des Kindesunterhalts benutzt wird.



Nur jeder zehnte Langzeitarbeitslose findet regulären Job

Nur wenige Menschen finden nach einer Suche von mehr als einem Jahr einen Job. Bis November waren lediglich rund elf Prozent der Langzeitarbeitslosen auf dem ersten Arbeitsmarkt erfolgreich. Für sie forderte die Linke mehr Engagement.

Nur jeder zehnte Langzeitarbeitslose (10,8 Prozent) hat in diesem Jahr eine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt gefunden. Dagegen konnte fast jeder Dritte (30,2 Prozent), der seit weniger als einem Jahr ohne Job war, bis November eine reguläre Beschäftigung aufnehmen, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Fraktion Die Linke im Bundestag hervorgeht. Zuerst hatte die "Saarbrücker Zeitung" (20. Dezember) über die Zahlen berichtet.

Zudem sei mehr als jeder zweite Langzeitarbeitslose (53 Prozent) aus der Statistik gefallen, weil er etwa arbeitsunfähig (34,5 Prozent) oder nicht verfügbar (11 Prozent) war, hieß es. Jeder Vierte (24,2 Prozent) tauchte in der Datensammlung nicht mehr auf, weil er sich in einer Ausbildung oder sonstigen Maßnahme befand.

Im November gab es nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit insgesamt rund 698.000 Langzeitarbeitslose. In Nordrhein-Westfalen waren es 238.000, im Saarland 10.000. Etwa jeder dritte Arbeitslose (32 Prozent) war demnach bundesweit ein Jahr oder länger ohne Beschäftigung. In NRW lag der Anteil der Langzeitarbeitslosen mit 38,5 Prozent etwas höher, im Saarland mit 31,5 Prozent etwas niedriger.

Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linken, Sabine Zimmermann, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), die Bundesregierung müsse "endlich die Realität zur Kenntnis nehmen und deutlich mehr für die vielen Langzeitarbeitslosen tun". Sie forderte neben einer ausreichenden finanziellen Unterstützung auch einen allgemeinen Rechtsanspruch auf regelmäßige Weiterbildung. Arbeitgeber sollten sich nicht länger über einen vermeintlichen Fachkräftemangel beklagen, sondern stattdessen stärker Langzeiterwerbslose einstellen, erklärte Zimmermann.



"Die Kinder, der Müll und der Tod"


Dem deutschen Fotografen Hartmut Schwarzbach ist das Unicef-Foto des Jahres 2019 gelungen
epd-bild/Christian Ditsch
Orte, an denen Kinder nicht sein sollten - das zeigen die Unicef-Fotos des Jahres. Das Siegerfoto 2019 des deutschen Fotografen Hartmut Schwarzbach blickt auf müllsammelnde Kinder im Hafen von Manila.

Ein schmales Mädchen mit bunten Freundschaftsbändchen am Arm steht im Schmutzwasser und fischt Plastikmüll aus dem verdreckten Meer: Dem deutschen Fotografen Hartmut Schwarzbach ist damit das Unicef-Foto des Jahres 2019 gelungen. Das Siegerbild trägt den Titel "Die Kinder, der Müll und der Tod" und zeigt die damals 13-jährige Wenie und andere Kinder in einem Meer aus Müll im Hafen von Manila auf den Philippinen. Es erzählt vom Überlebenskampf von Kindern angesichts gleich dreier Tragödien unserer Zeit: Armut, Umweltverschmutzung und Kinderarbeit, wie Unicef Deutschland am 19. Dezember zur Preisverleihung in Berlin mitteilte.

Wenie sammelte zum Zeitpunkt der Aufnahme jeden Tag Plastikmüll, um diesen bei einem Müll-Recycler für wenig Geld zu verkaufen. "Auch wenn Kinderarbeit verboten ist, bleibt vielen Mädchen und Jungen in dem Slum keine andere Wahl", kritisierte Unicef.

Schwarzbachs Foto habe "wie mit einem Brennglas ganz viele Geschichten eingesammelt", erklärte Elke Büdenbender, Schirmherrin des Wettbewerbs und Frau des Bundespräsidenten. Es sei aufgenommen an einem Ort, "wo Kinder eigentlich nicht sein sollten". Weiter betonte sie: "Kinder sind das Wertvollste, was wir haben." Die Einhaltung der Kinderrechte sei eine Aufgabe für alle.

Der freie Fotojournalist Hartmut Schwarzbach arbeitet den Angaben zufolge unter anderem für die Magazine "Spiegel" und "Stern" sowie für den NDR, Arte und für Hilfsorganisationen. Seit langem beschäftigt er sich mit dem Thema Müll, der auch aus reichen Wohlstandsstaaten in den ärmsten Gegenden der Welt landet. Was er mit seinen Fotos dokumentiere sei "mit den christlichen Werten meiner Erziehung nicht vereinbar", begründete der Fotograf seine Motivation. Das Siegerfoto war demnach für das Magazin "kontinente!" der katholischen Hilfsorganisation Missio entstanden.

Kinderschicksale in Afghanistan

Den zweiten Preis erhielt das Foto "Tapfer ohne Orden" des Australiers Andrew Quilty. Es dokumentiert die grausamen Hinterlassenschaften des Krieges in Afghanistan. Das Familienporträt zeige die Würde von sieben Geschwistern, denen durch explodierte Blindgänger Gliedmaßen fehlen, sagte der Juryvorsitzende und Kulturwissenschaftler Klaus Honnef: "Die Kinder mussten Mutter und Schwester sterben sehen." Im vergangenem Jahr wurden den Angaben zufolge in Afghanistan über 1.400 Zivilisten bei Explosionen von Minen und Blindgängern verletzt oder getötet. Fast 90 Prozent von ihnen waren Kinder.

Das Bild "In der Unterwelt" des Spaniers Antonio Aragón Renuncio bekam den dritten Preis. Der Fotograf habe die Qual der Goldsucher-Kinder von Burkina Faso festgehalten - bis hin zu den Friedhöfen, auf denen viele von ihnen liegen, hieß es. Weltweit werden laut Unicef Millionen Mädchen und Jungen in Minen, Textilwerkstätten, auf Farmen, in Privathaushalten oder in Bordellen ausgebeutet.

Unicef Deutschland hat in diesem Jahr zum 20. Mal Bilder renommierter Fotojournalisten ausgezeichnet, die die Persönlichkeit und die Lebensumstände von Kindern auf herausragende Weise dokumentieren. In diesem Jahr wurden rund 1.800 Bilder eingereicht, die das Leben von Kindern im Krieg, auf der Flucht, in Armut sowie die Folgen des Klimawandels auf Kinder zeigen.

Von Christine Xuân Müller (epd)


Zwölf Glockenschläge, zwölf Kerzen


Gedenken an die Opfer des Terroranschlags auf dem Breitscheidplatz
epd-bild/Christian Ditsch
Vor drei Jahren lenkte ein islamistischer Terrorist einen Lkw in die Menge auf dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz. Erneut hat Berlin der Opfer gedacht. Am dritten Jahrestag wurde mit Kerzen, Schweigen und Glockenschlägen an sie erinnert.

Berlin hat am 19. Dezember der Opfer des Terroranschlags auf dem Weihnachtmarkt am Breitscheidplatz vor drei Jahren gedacht. Den ganzen Tag über kamen Menschen an den Gedenkort neben der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Sie legten Blumen nieder, zündeten Kerzen an oder versammelten sich zum stillen Gedenken.

Am Abend wurde mit einer Gedenkandacht in dem evangelischen Gotteshaus an die zwölf Todesopfer und die rund 100 teilweise schwer Verletzten der Gewalttat vom 19. Dezember 2016 gedacht. Der Weihnachtsmarkt wurde vorübergehend geschlossen, die Lichter am Breitscheidplatz ausgeschaltet. Zum Zeitpunkt des Anschlags, um 20.02 Uhr, erklangen zwölf Glockenschläge in Erinnerung an die zwölf Todesopfer.

"Moment tiefster Dunkelheit"

Der Jahrestag des Anschlag bleibe "ein Moment tiefster Dunkelheit", sagte der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Christian Stäblein, in der Andacht in der Gedächtniskirche. Das Dunkle gehe nicht weg, wenn man es verdränge. Mit dem Gedenken und dem Erinnern werde auch gezeigt, "das Dunkle, der Tod, der Mord, der Terror, das ist nicht stärker, das behält nicht die letzte Macht".

Weiter betonte er, "die Glockenschläge, die an das Ermorden des Lebens an diesem Ort und auch an die Hoffung erinnern, dass kein Leben verloren ist". Gebraucht werde eine Gesellschaft gegen Hass, sagte der Bischof in seiner Ansprache. Die US-amerikanische Jazz- und Opernsängerin Jocelyn B. Smith sang zum Gedenken den Song "Shine A Light".

Nach der Andacht verlas Gedächtniskirchenpfarrer Martin Germer am Gedenkort die Namen der zwölf Todesopfer, die aus Deutschland, Polen, Tschechien, der Ukraine, Israel und Italien stammen. Seit zwei Jahren erinnert ein Mahnmal in Form eine goldenen Risses auf den Stufen vor der Kirche an die Opfer des schlimmsten islamistischen Anschlags in Deutschland.

Die Israelin Yakim Elyakim, deren Mutter Dalia bei dem Anschlag getötet und deren Vater Rafi schwer verletzt wurde, schilderte, wie der 19. Dezember 2016 ihr Leben für immer veränderte. Zeit heile nicht die Wunden, sagte sie: "Die Zeit stumpft die Wunden höchsten ab. Aber sie verschwinden nicht." Zugleich sprach die Angehörige den Helfern nach dem Anschlag Dank und Anerkennung aus.

100 Verletzte

An der Gedenkveranstaltung nahmen neben Angehörigen der Opfer unter anderem auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD), der Präsident des Abgeordnetenhauses, Ralf Wieland (SPD), Vertreter des Bundes, Bundes- und Landesbeauftragte für die Anliegen von Opfern und Hinterbliebenen von terroristischen Straftaten im Inland sowie Vertreter von Botschaften, der Kirche, des Bezirks und des Weihnachtsmarktes am Breitscheidplatz teil.

Bei dem islamistisch motivierten Terroranschlag war am 19. Dezember 2016 ein Lastwagen in die Besuchermenge des Weihnachtsmarktes auf dem Breitscheidplatz gerast. Zwölf Menschen starben, rund 100 Menschen wurden teilweise schwer verletzt.




Soziales

Bundespräsident: Bahnhofsmissionen bleiben "unverzichtbar"


Bundespräsident Steinmeier besuchte die Berliner Bahnhofsmission.
epd-bild/Rolf Zöllner
Bundespräsident Steinmeier hat die Arbeit der Bahnhofsmission gewürdigt. Bei seinem Besuch der Mission im Berliner Hauptbahnhof sprachen Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender mit haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern und Stammgästen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am 17. Dezember mit seiner Frau Elke Büdenbender die Bahnhofsmission im Berliner Hauptbahnhof besucht. Bei der knapp einstündigen Visite sprachen sie mit den haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern und Stammgästen der Sozialeinrichtung. Anlass des Besuchs war das 125-jährige Jubiläum der Bahnhofsmissionen.

Die erste Hilfeeinrichtung dieser Art wurde 1894 am Schlesischen Bahnhof, dem heutigen Berliner Ostbahnhof, von Pastor Johannes Burckhardt gegründet. Berlinerinnen aus katholischen, evangelischen und jüdischen Gemeinden wollten damals Frauen aus ländlichen Gebieten, die auf Arbeitssuche nach Berlin kamen, Hilfe anbieten und sie vor sexueller und Arbeitsausbeutung beschützen.

125 Jahre später nannte Steinmeier die Sozialeinrichtungen immer noch "unverzichtbar". "Bahnhofsmission, das hat sich nicht erledigt", betonte der Bundespräsident. Sie seien eine zentrale Anlaufstelle für Menschen in sozialen Notlagen und böten zudem Unterstützung für Reisende von der Einstiegshilfe an den Gleisen bis zur Begleitung von Kindern. Bundesweit gibt es aktuell 104 Bahnhofsmissionen, die zumeist in evangelischer, katholischer oder in ökumenischer Trägerschaft sind.

"Nicht jeder findet sein Ziel"

Er habe den größten Respekt vor der Arbeit der zahlreichen hauptamtlichen und 2.000 ehrenamtlichen Mitarbeiter bundesweit, die jährlich 800.000 ehrenamtliche Stunden leisteten, sagte Steinmeier. "Hier, am Berliner Hauptbahnhof, können wir die ganze Breite der Unterstützung erleben", sagte der Bundespräsident. Hier könne man aber auch sehen, "nicht jede Reise, die unternommen wird, ist erfolgreich und nicht jeder findet sein Ziel", sagte Steinmeier. Diese Menschen bekämen in den Bahnhofsmissionen Unterstützung und Hilfe. Nicht nur an Weihnachten, sondern an 365 Tagen im Jahr gebe es Anlass, denjenigen zu danken, die diese Hilfe leisteten.

Besuche von Hilfe- und Obdachloseneinrichtungen gehören zur Tradition der Bundespräsidenten. Vergangenes Jahr besichtigte Steinmeier vor Weihnachten eine Wärmestube für Obdachlose in der Berliner Heilig-Kreuz-Kirche, im Jahr davor war er in der Bahnhofsmission am Berliner Bahnhof Zoo. Steinmeier hat zudem zum Thema Obdachlosigkeit promoviert und noch als Außenminister ehrenamtlich Brote in der Bahnhofsmission am Zoo geschmiert. Auch war er schon mit dem Kältebus der Berliner Stadtmission unterwegs.

Mehr als die Hälfte der jährlich etwa zwei Millionen Gäste in den Bahnhofsmissionen sind den Angabe zufolge in sozialen Schwierigkeiten wie Obdachlosigkeit, Armut, Einsamkeit oder Alkoholabhängigkeit. Darüber hinaus leisteten die Bahnhofsmissionen jährlich etwa 350.000 Reisehilfen.



Sozialministerin dankt Tafel-Mitarbeitern im Saarland

Die saarländische Sozialministerin Monika Bachmann (CDU) hat den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der fünfzehn saarländischen Tafeln für ihre Arbeit gedankt. "Dank ihnen gibt es hier mehr als nur Lebensmittel für die Bedürftigen - nämlich Anschluss, Wärme und immer ein offenes Ohr", erklärte Bachmann nach ihrer "Tafel-Tour" am 22. Dezember in Saarbrücken. Für Februar habe sie Tafel-Vertreter zu einem "Salongespräch" eingeladen, um zu erfahren, welche Unterstützung sie brauchten, kündigte die Ministerin an.

In den vergangenen Tagen hatte Bachmann den Angaben zufolge gemeinsam mit Staatssekretär Stephan Kolling alle saarländischen Tafeln besucht. Im Rahmen einer Spendenaktion verteilten sie Sach- und Geldspenden verschiedener Sponsoren und führten Gespräche mit den ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern. Insgesamt 1.500 Weihnachtstüten mit Süßigkeiten, 1.500 Kilo Clementinen, 750 Päckchen Weihnachtsgebäck und 1.500 Packungen Schokolade seien gespendet worden, hieß es.



Organspende: Kirchen schreiben vor Weihnachten an Abgeordnete


Organ-Entnahme (Archivbild)
epd-bild / Annette Zoepf
"Erhebliche rechtliche, ethische und seelsorgerliche Bedenken": Mit einem eindringlichen Brief zum Thema Organspende haben sich die Kirchen an die Bundestagsabgeordneten gewandt. Sie sind gegen den Entwurf von Gesundheitsminister Spahn.

In einem Brief an alle Abgeordneten des Bundestags haben die beiden großen Kirchen vor den Plänen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und anderen Parlamentariern zur Neuregelung der Organspende gewarnt. Bei der von der Gruppe vorgeschlagenen Widerspruchsregelung hätten sie "erhebliche rechtliche, ethische und seelsorgerliche" Bedenken, heißt es in dem Schreiben, das in dieser Woche an die Abgeordneten ging und dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. Der Staat "würde damit tief in den Kernbereich der menschlichen Existenz eingreifen".

Unterzeichnet ist das Schreiben vom Bevollmächtigten der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Berlin, Martin Dutzmann, und dem Leiter des Katholischen Büros in der Hauptstadt, Karl Jüsten. "Mit dem Brief wollten wir vor den Weihnachtstagen einen Impuls geben zur individuell wie gesellschaftlich sehr folgenreichen Entscheidung des Bundestages Anfang des kommenden Jahres zur Organspende", sagte Dutzmann dem epd.

Mitte Januar im Bundestag

Der Bundestag wird voraussichtlich in seiner ersten Sitzungswoche im neuen Jahr Mitte Januar über eine Neuregelung der Organspende abstimmen. Dazu konkurrieren im Wesentlichen zwei Gesetzentwürfe. Beide haben das Ziel, die Zahl der Organspenden zu erhöhen, unterscheiden sich aber im Herangehen. Eine Abgeordnetengruppe um Bundesgesundheitsminister Spahn und den SPD-Politiker Karl Lauterbach will die sogenannte Widerspruchsregelung einführen, wonach jeder Organspender wäre, der dem nicht widersprochen hat.

Eine andere Gruppe um die Grünen-Chefin Annalena Baerbock und die Linken-Vorsitzende Katja Kipping will an der jetzigen Regelung festhalten, wonach die Zustimmung Voraussetzung für eine Organspende ist. Der Willen soll aber regelmäßig bei Behörden oder beim Arzt aktiv erfragt werden.

"Zu tiefer Eingriff in Persönlichkeitsrecht"

Die Kirchen sprechen sich für diese Regelung aus. Sie sei geeignet, "die erfreulich große Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung in eine individuelle Organspendebereitschaft zu überführen", heißt es in dem Brief.

Zu den ethischen Bedenken gegen die Pläne von Spahn und Lauterbach erklärte Dutzmann: "Wir sind der Meinung, dass der Staat hier einen zu tiefen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht vornimmt, auch wenn ein Widerspruch möglich ist." Bei jeder Weitergabe persönlicher Daten gelte, dass man dieser explizit zustimmen müsse. "Das darf bei meinem Herzen oder meiner Niere doch nicht andersherum sein", sagte der Prälat.

"Andere Faktoren"

Zudem sei bislang nicht erwiesen, dass die Widerspruchsregelung die Zahl der Organtransplantationen tatsächlich erhöhen werde. "In Ländern mit Widerspruchslösung, die höhere Organspenderzahlen verzeichnen, spielen auch andere Faktoren eine wesentliche Rolle: In Spanien etwa gilt als Kriterium für die Möglichkeit der Organentnahme der Herztod, nicht der Hirntod wie bei uns", sagte Dutzmann.

Dem Schreiben der beiden Kirchen beigefügt ist deren achtseitige Stellungnahme, die sie anlässlich der Ausschussanhörung im Bundestag im September verfasst hatten. Auch dort hatten die Kirchen gegen die Widerspruchsregelung argumentiert. Mit ihrem Brief an alle 709 Bundestagsabgeordneten bekräftigen sie nun nochmals ihre Position.



Wegen Ehebruchs gekündigter Organist erhält keinen Schadenersatz

Ein Kirchenmusiker, dem eine katholische Gemeinde wegen einer außerehelichen Beziehung gekündigt hatte, erhält keinen Schadenersatz für entgangenen Lohn. Auch wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Kündigung für menschenrechtswidrig angesehen und dem Kläger eine Entschädigung in Höhe von 40.000 Euro zugesprochen hat, könne der Organist keinen Schadenersatz für entgangene Vergütung oder Rentenansprüche verlangen, urteilte am 19. Dezember das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt. (AZ: 8 AZR 511/18)

Der Organist und Chorleiter war bei der katholischen St. Lambertus Gemeinde in Essen-Rellinghausen angestellt. Als der verheiratete Mann eine außereheliche Beziehung einging und daraus auch noch ein Kind hervorging, kündigte die katholische Kirche dem Mann im März 1998 wegen des Verstoßes gegen die katholischen Loyalitätspflichten und Grundsätze.

Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens

Seine Kündigungsschutzklage blieb vor dem Landesarbeitsgericht ebenso erfolglos wie seine spätere Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht. Der EGMR urteilte jedoch im September 2010, dass die Kündigung wegen seiner außerehelichen Beziehung ihn in seinem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt (AZ: 1620/13). Im Juni 2012 sprachen die Straßburger Richter ihm daher eine Entschädigung in Höhe von 40.000 Euro zu.

Eine Wiederaufnahme des Kündigungsschutzverfahrens lehnte das Bundesarbeitsgericht (BAG) im November 2012 nach damaligem Recht jedoch ab (AZ: 2 AZR 570/11). Mit einer neuen Klage meinte der Organist, die Kirche müsse ihm trotz der rechtskräftigen deutschen Urteile dann wenigstens Schadenersatz für die ihm entgangene Vergütung und einen Ausgleich für Rentenansprüche bezahlen - insgesamt 275.067 Euro. Die katholische Kirchengemeinde habe ihn "vorsätzlich sittenwidrig geschädigt".

Wurde eine Kündigungsschutzklage rechtskräftig abgewiesen, schließe dies grundsätzlich etwaige Ansprüche des Arbeitnehmers auf Ersatz des entgangenen Lohns oder Rentenanspruchs aus, urteilte jedoch das BAG. Zwar könne anderes bei einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gelten, dies habe das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hier aber zu recht verneint, entschied das BAG. Seit September 2002 arbeitet der Kirchenmusiker halbtags in einer evangelischen Kirchengemeinde.



WHO-Experte empfiehlt "Kunst auf Rezept"


Nils Fietje
epd-bild/Jules Bower

Ärzte in Deutschland sollen nach Ansicht eines Experten der Weltgesundheitsorganisation WHO "Kunst auf Rezept" verschreiben dürfen. "Komplexe Krankheiten lassen sich nicht allein mit einer Tablette oder einer Operation beseitigen", sagte Nils Fietje vom WHO-Regionalbüro für Europa dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Kopenhagen. Er empfiehlt, medizinische Behandlungen um kreative Aktivitäten wie Tanzen, Singen und Museumsbesuche zu ergänzen.

Es ist dem Experten zufolge erwiesen, dass Tanz-Therapien Menschen mit der Parkinson-Krankheit helfen, ihre motorischen Fähigkeiten zu verbessern. Bei der Lungenkrankheit COPD, die mit Atemnot einhergeht, helfe regelmäßiges Singen, die Lungenkapazität zu erweitern.

In Deutschland werden laut Fietje künstlerische Aktivitäten als Behandlungsformen in der Medizin bislang kaum eingesetzt. In der schwedischen Region Skane hingegen verschrieben Ärzte bereits "Kultur auf Rezept". In Großbritannien leiteten Ärzte Patienten an spezielle Sozialarbeiter weiter, sogenannte "link worker", die diese wiederum an künstlerische Aktivitäten heranführten, erklärte Fietje, der bei der WHO als Forschungsreferent für Kulturelle Kontexte von Gesundheit und Wohlbefinden arbeitet.

Museumsführungen für Demenzkranke

Auf lange Sicht sei das Verschreiben von "Kunst auf Rezept" für das deutsche Gesundheitssystem wirtschaftlich günstiger als die Beschränkung auf biomedizinische Behandlungen, fügte der 43-Jährige hinzu. "In Deutschland existieren die nötigen lokalen Strukturen häufig schon, sie müssten nur noch für diesen Bedarf umgewandelt werden." Museen könnten zum Beispiel spezielle Führungen für Demenzkranke anbieten.

Fietje betonte, dass es sich dabei nicht um Behandlungen für ein gehobenes Publikum handle. "Es geht nicht darum, hohe Kunst zu produzieren, sondern darum, überhaupt erst künstlerisch oder kulturell aktiv zu sein." So könne es sich schon positiv auf die körperliche und geistige Gesundheit auswirken, wenn eine Person regelmäßig lese, singe, male oder ins Theater gehe.

Einem jüngst veröffentlichten WHO-Bericht zufolge schlafen etwa Kinder, deren Eltern ihnen vor dem Einschlafen eine Geschichte vorlesen, länger und könnten sich in der Schule besser konzentrieren. Singen verbessere zum Beispiel die Aufmerksamkeit und geistige Fähigkeiten. Für den Bericht hat die WHO 900 englisch- und russischsprachige Publikationen zum gesundheitlichen Nutzen künstlerischer Aktivitäten ausgewertet.

epd-Gespräch: Patricia Averesch


"Welthungerhilfe" beklagt sinkende Spendenbereitschaft

Der Generalsekretär der Deutschen Welthungerhilfe, Mathias Mogge, beklagt eine sinkende Spendenbereitschaft unter den jüngeren Generationen. "Es gibt leider immer weniger Menschen, die spenden", sagte Mogge der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (21. Dezember). Dass das Gesamtvolumen an Spenden in Deutschland bei rund 8,3 Milliarden Euro einigermaßen stabil bleibe, liege nur daran, dass einzelne Personen höhere Beträge spendeten.

"Die Generation, die vielleicht noch den Krieg miterlebt und selbst Entbehrungen erlitten hat, ist offenbar solidarischer als die nachfolgenden Generationen", erläuterte der Nothilfe-Manager. "Wir müssen Wege finden, auch jüngere Menschen anzusprechen, damit wir den Familien in den Ländern des Südens eine Perspektive geben können." Die Hilfsorganisation freue sich über jeden Einzelnen, der bereit sei, etwas von seinem Verdienst abzugeben, um den Hunger in der Welt zu besiegen.

Eindringlich forderte der Generalsekretär mehr Hilfe der Geberländer, um die Länder des Südens gegen die Erderwärmung zu wappnen: "Klimawandel produziert Hunger, und zwar an ganz vielen Orten auf der Welt." Dort müssten die Menschen damit rechnen, dass drei oder vier Jahre kein Regen falle, obwohl sie von der Landwirtschaft abhängig seien.

"In den reichen Ländern gibt es aber einfach nicht die notwendige Solidarität mit denjenigen, die unter dem Klimawandel leiden, obwohl sie ihn nicht verursacht haben", sagte Mogge mit Blick auf den Klima-Gipfel in Madrid, der vor einer Woche endete. Er appellierte auch an die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass armen Länder die Anpassung an den Klimawandel finanziert werde. "Für unglaublich viele Menschen ist der Klimanotstand längst grausame Realität."



Steinmeier ehrt Engagierte bei Neujahrsempfang

Sie engagieren sich in der Bildung oder Flüchtlingshilfe, als Stiftungsgründer oder Stadtführer: Für den 9. Januar lädt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erneut rund 70 Engagierte aus allen Bundesländern ins Schloss Bellevue in Berlin ein. Mit der Einladung zum Neujahrsempfang und einem gemeinsamen Mittagessen wollen Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender für deren ehrenamtliche Arbeit danken, wie das Bundespräsidialamt am 20. Dezember in Berlin mitteilte.

Die Eingeladenen engagieren sich quer durch nahezu alle gesellschaftlichen Bereiche. Unter den Geehrten ist unter anderem Sevim Celebi-Gottschlich, die nach Angaben des Bundespräsidialamtes als erste Migrantin Mitglied in einem deutschen Parlament war, nämlich von 1987 bis 1989 im Berliner Abgeordnetenhaus. Aus Bremerhaven wird Abdul-Kader Jaber geehrt, der sich als ehemaliger Kapitän bei der dortigen Seemannsmission engagiert. Im Dezember 2018 hatte er den Angaben zufolge bereits seinen 1.000. Bordbesuch.

Aus Nordrhein-Westfalen werden vier Frauen und drei Männer für ihr Engagement geehrt, darunter der Leiter des Deutsch-Niederländischen Jugendwerks Aachen, Michael Bayer. Geehrt werden zudem die Neusser Rechtsanwältin Esma Cakir-Ceylan, die Migrantinnen als Opfer von häuslicher Gewalt unterstützt, und der Ixhel Escamilla aus Herford für ihre Jugendarbeit bei der Aids-Hilfe Bielefeld. Weitere Geehrte sind die Wuppertalerin Marion Fabricius, die ehrenamtlich in der Justizvollzugsanstalt Remscheid Gefangene betreut, und Dany Hewelt aus Dortmund von der Trans*Jugendarbeit in NRW. Die Duisburgerin Sonja Rauner unterstützt als Mentorin junge Frauen auf dem Weg in Führungspositionen und Diethelm Salomon aus Düsseldorf setzt sich als Vorsitzender der Polizeistiftung NRW für im Dienst verletzte Polizisten ein.




Medien & Kultur

Märchen, Shows und Klassiker


ARD und ZDF zeigen neue Märchenfilme an Weihnachten (Archivbild)
epd-bild/Rolf Zöllner
Wer auch an Weihnachten nicht auf den Fernseher verzichten will, kann sich auf neue Märchenfilme bei ARD und ZDF freuen. Sat.1 bleibt seiner Weihnachtstradition treu und sendet die Kevin-Filme, RTL hat Animation im Programm.

Alle Jahre wieder erklingen nicht nur die gleichen Lieder unterm Weihnachtsbaum, auch das TV-Programm wiederholt sich: Im Ersten laufen die "Sissi"-Filme, beim ZDF tummeln sich Carmen Nebel und Helene Fischer, bei Sat.1 ist Kevin allein zu Haus und RTL erfreut mit heiterem Zeichentrick.

Die schönsten Filme zeigen ARD und ZDF nachmittags: "Schneewittchen und der Zauber der Zwerge" mit Nadeshda Brennicke als böser Stiefmutter läuft an Heiligabend um 15.05 Uhr im ZDF. Der Fernsehfilm ist eine hochklassige und sehr zeitgemäße Variation des Grimm'schen Klassikers mit einer Heldin (Tijan Marei), die nicht nur schön, sondern auch stark und mutig ist.

Ein Höhepunkt des weihnachtlichen Familienprogramms

Das beste neue ARD-Märchen ist die Geschichte "Von den 12 Monaten", die das Erste am 26. Dezember um 13.15 Uhr zeigt: Der Frostige Fürst hat sich mit dem Monat Februar verbündet, auf dass es für immer Winter bleibe. Die Hoffnung der anderen elf Monate ruht nun auf einem jungen Paar, das vier Zutaten für einen Zaubertrank finden muss, damit die Königin die Jahresuhr auf den März umstellen kann. Die aufwendige Ausstattung und die Handlung machen den Film zu einem echten Höhepunkt des weihnachtlichen Familienprogramms.

Natürlich darf auch "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" nicht fehlen. Das Erste zeigt den Defa-Klassiker an Heiligabend um 17.05 Uhr, abends gibt es die deutsch-tschechische Aschenputtel-Variation um 20.15 Uhr in den Dritten Programmen von WDR und RBB.

Carmen Nebel feiert Heiligabend in den Bergen

Anders als früher geht es in diesem Jahr zumindest bei den großen Sendern auch im Abendprogramm heiter oder besinnlich zu. Die ARD erfreut am 24. Dezember um 20.15 Uhr mit der unverwüstlichen "Feuerzangenbowle" mit Heinz Rühmann, im ZDF feiert Carmen Nebel Heiligabend in den Bergen mit viel Weihnachtsmusik. Bei RTL tummeln sich die "Minions", die liebenswerten und stets zu Unfug aufgelegten gelben Begleiter des früheren Schurken Gru, dessen jüngstes Abenteuer "Ich - Einfach unverbesserlich 3" der Sender am 25. Dezember zeigt.

Zur gleichen Zeit heißt es im Ersten Abschied nehmen: "Stille Wasser" ist der letzte Fall für Uwe Kockisch als Commissario Brunetti. Auch diese Folge ist vor allem wegen der schönen Venedig-Bilder sehenswert. Trotzdem schwingt eine gewisse Melancholie mit, immerhin ermittelt Brunetti seit fast 20 Jahren für die ARD.

"Friede auf Erden - für jeden Menschen guten Willens"

Am Zweiten Weihnachtsfeiertag kehrt im Ersten fast schon wieder der Alltag ein: Der "Tatort" aus München ("One Way Ticket") erzählt von einer besonders raffinierten Form des Drogenschmuggels, beeindruckt aber vor allem durch sein visuelles Konzept. Im ZDF übernimmt derweil Florian Silbereisen zum ersten Mal das Ruder im "Traumschiff" und nimmt Kurs auf Antigua.

Wem der Sinn an Weihnachten nicht nach Märchen, Shows oder gar Krimi steht, dem bieten ARD und ZDF ebenfalls allerhand. An Heiligabend überträgt das Erste ab 16.15 Uhr die Evangelische Christvesper aus Eichstetten am Kaiserstuhl. Das Motto dieses Weihnachtsgottesdienstes lautet "Friede auf Erden - für jeden Menschen guten Willens". Um 23.20 sendet die ARD eine Katholische Christmette aus Hünfeld bei Fulda.

Konzert mit Stars aus Klassik und Pop

An Heiligabend zeigt das ZDF um 18 Uhr wie in jedem Jahr "Weihnachten mit dem Bundespräsidenten". Auf Einladung von Frank-Walter Steinmeier präsentieren internationale Solisten ein Konzertprogramm mit Weihnachtsliedern und musikalischen Überraschungen. Das von Johannes B. Kerner moderierte Konzert findet in der imposanten katholischen Josefskirche in St. Ingbert im Saarland statt. Um 19.15 Uhr geht es musikalisch weiter: Markus Lanz präsentiert unter dem Titel "Weihnachten in Rom" ein Konzert mit Stars aus Klassik und Pop. Später am Abend, um 22.30 Uhr, gibt es auch im Zweiten eine Evangelische Christvesper, diesmal aus dem fränkischen Weißenburg.

Tradition hat auch die Übertragung eines Katholischen Weihnachtsgottesdienstes am Ersten Feiertag im ZDF. Um 10.45 Uhr sendet das Zweite aus dem Hohen Mariendom zu Hildesheim, Bischof Heiner Wilmer wird besonders das Thema der Flucht im Weihnachtsevangelium herausarbeiten. Um 12 Uhr folgt "Urbi et Orbi", der alljährliche Weihnachtssegen des Papstes. Anschließend erkundet Markus Lanz die Geschichte der "Heiligen Stadt" Rom (12.35 Uhr) und entdeckt ihr Brauchtum. Der Höhepunkt des Ersten Weihnachtsfeiertags dürfte für viele Zuschauer jedoch eher weltlich sein: Ab 20.15 Uhr zeigt das ZDF eine weitere Weihnachtsshow mit Helene Fischer und internationalen Gästen.

Von Tilmann Gangloff (epd)


Weltweit 389 Journalisten in Haft


Protest von "Reporter ohne Grenzen" zum Tag der Pressefreiheit (Archivbild)
epd-bild/Rolf Zöllner

Die Arbeit für Journalisten ist nach Angaben von "Reporter ohne Grenzen" in vielen Ländern schwerer und riskanter geworden. Die gefährlichsten Länder für Medienschaffende seien derzeit Syrien, Mexiko, Afghanistan, Pakistan und Somalia, heißt es in der in Berlin veröffentlichten "Jahresbilanz der Pressefreiheit" 2019 der Organisation.

Seit Jahresbeginn sind demnach weltweit mindestens 49 Medienschaffende getötet worden darunter allein in Syrien und Mexiko jeweils zehn. Im Vorjahr seien 86 Journalisten ums Leben gekommen. 389 Menschen weltweit seien aktuell wegen ihrer journalistischen Tätigkeit in Haft. Das seien zwölf Prozent mehr als vor einem Jahr.

Fast die Hälfte von ihnen sei in China (120), Ägypten (34) und Saudi-Arabien (32) inhaftiert, hieß es. "Die hohen Zahlen inhaftierter Journalistinnen und Journalisten in China, Ägypten und Saudi-Arabien sind ein Beleg dafür, wie diese Regime die Schraube der Repression weiter angezogen haben", sagte der Vorstandssprecher der Organisation, Michael Rediske.

57 Entführungen

In Syrien sitzen aktuell 26 Journalisten im Gefängnis, wie es weiter hieß. Dort gehe "Reporter ohne Grenzen" aber von einer weit höheren Dunkelziffer aus. In der Türkei und in Vietnam seien es jeweils 25. Dazu kämen mindestens 57 Medienschaffende weltweit, die derzeit entführt seien.

Mehr als 40 Prozent der in China inhaftierten Medienschaffenden sind den Angaben zufolge Bürgerjournalistinnen und -journalisten, die trotz verschärfter Zensur sozialer Netzwerke versucht hatten, über das Internet unabhängige Informationen zu verbreiten. Die meisten Neuverhaftungen habe es unter Journalisten gegeben, die der muslimischen Minderheit der Uiguren angehören.

Nur eine Minderheit der getöteten Journalisten sei in Kriegsgebieten umgekommen, hieß es weiter. Die meisten seien in Ländern getötet worden, in denen formal Frieden herrsche. "Selbst wenn 2019 deutlich weniger Medienschaffende in bewaffneten Konflikten getötet wurden als in früheren Jahren: Ein Land im Friedenszustand wie Mexiko ist für Journalistinnen und Journalisten ebenso gefährlich wie das Bürgerkriegsland Syrien", sagte Rediske.

Seit Jahren verschlossen

In Syrien wurden laut "Reporter ohne Grenzen" mit 30 auch die meisten Entführungen von Journalisten gezählt. Auf Platz zwei und drei folgen der Jemen (15) und der Irak (elf). Ein Medienschaffender wurde dem Bericht zufolge im Osten der Ukraine verschleppt.

Von den meisten der in Syrien Entführten habe es im ganzen Jahr kein Lebenszeichen gegeben, hieß es. Manche von ihnen seien seit sieben Jahren verschollen. Zehn Journalisten, die im Jemen seit 2015 von den Huthis festgehalten werden, drohe die Hinrichtung durch ihre Entführer.

Stichtag der Zählung war laut "Reporter ohne Grenzen" der 1. Dezember. Todesfälle wurden für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 1. Dezember berücksichtigt.



Juan Moreno zum "Journalisten des Jahres 2019" gewählt

Rund ein Jahr, nachdem der "Spiegel"-Journalist Claas Relotius als Fälscher aufflog, wird der Aufdecker des Falls zum "Journalisten des Jahres" gewählt: Reporter Juan Moreno erhält die Auszeichnung des "Medium Magazins".

Der freie Reporter Juan Moreno ist von der Fachzeitschrift "Medium Magazin" zum "Journalisten des Jahres" 2019 gewählt worden. Moreno sei es zu verdanken, dass der "Spiegel"-Journalist Claas Relotius Ende Dezember 2018 als notorischer Betrüger entlarvt worden sei, erklärte die Jury am 18. Dezember in Frankfurt am Main. Moreno, der selbst überwiegend für das Hamburger Nachrichtenmagazin arbeitet, war Relotius bei dessen Fälschungen auf die Schliche gekommen.

Moreno habe "als Reporter die Hartnäckigkeit des gründlichen Rechercheurs und ehrlichen journalistischen Handwerkers" gezeigt, erklärte die 100-köpfige Fachjury weiter. Zudem habe er den Mut bewiesen, für die Wahrheit persönlich viel aufs Spiel zu setzen, da ihm zunächst niemand glauben wollte.

Journalistische Standards umgekrempelt

Die Folgen seiner Recherchen würden die Debatten über Qualitätsjournalismus weit über 2019 hinaus prägen. "Letztlich hat Morenos Enthüllungsgeschichte die journalistischen Standards für Authentizität, Transparenz und Belegbarkeit von Recherchen im ganzen Land umgekrempelt", hieß es. "Er hat damit das Potenzial des Journalismus zur Selbstkorrektur gestärkt."

Der "Spiegel" hatte den Betrugsfall im eigenen Haus am 19. Dezember 2018 öffentlich gemacht. Der vielfach mit Preisen ausgezeichnete Journalist Relotius gab nach internen Nachforschungen Fälschungen zu und verließ das Haus. Relotius hatte über mehrere Jahre hinweg Tatsachen verfälscht und Geschichten erfunden. Angestoßen hatte die Nachforschungen Moreno, dem beim "Spiegel" laut dem im Mai vorgelegten Untersuchungsbericht einer internen Aufklärungskommission zunächst nicht geglaubt wurde und der schließlich auf eigene Faust Untersuchungen anstellte.

Gefährlicher Zeitdruck

Mitte September war Morenos Buch "Tausend Zeilen Lüge. Das System Relotius und der deutsche Journalismus" im Rowohlt Berlin Verlag erschienen. Darin beschreibt der Journalist, wie er Relotius enttarnte. Vor einigen Wochen war bekanntgeworden, dass Relotius Moreno vorwirft, darin selbst Tatsachen verdreht oder unzulässig arrangiert zu haben, und gegen das Buch vorgeht.

Die größte Gefahr für den Journalismus seien nicht Fälscher wie Relotius, sagte Moreno dem "Medium Magazin": "Die Gefahr ist, dass viele Journalisten faktisch keine Zeit haben, den Beruf so zu machen, wie man ihn eigentlich machen sollte", warnte er mit Blick auf Sparmaßnahmen in Redaktionen.

Preisvergabe im Februar

Der undotierte Preis "Journalistinnen und Journalisten des Jahres" wird von der Branchenzeitschrift seit 2004 in mehreren Kategorien verliehen. Die Jury besteht aus Vertretern und Vertreterinnen der Medienbranche sowie aus den Ausgezeichneten des Vorjahres und Nachwuchs-Talenten der "Top 30 bis 30" des Jahres 2019. Die Preise werden am 17. Februar 2020 in Berlin verliehen.



SR-Wirtschaftsplan 2020 mit Fehlbetrag verabschiedet

Der Rundfunkrat des Saarländischen Rundfunks (SR) hat am 17. Dezember den Wirtschaftsplan 2020 mit einem Minus von 5,3 Millionen Euro einstimmig beschlossen. Aufwendungen in Höhe von 129,2 Millionen Euro ständen Erträge von 123,9 Millionen Euro gegenüber, sagte SR-Intendant Thomas Kleist am 17. Dezember in Saarbrücken. Der SR sei noch in der Lage, diesen Fehlbetrag aus eigenen Mitteln zu schließen. Ab 2021 käme die Rundfunkanstalt aber in eine noch schwierigere Situation, wenn sich die Rahmenbedingungen nicht veränderten.

Die Einnahmen des SR aus Rundfunkbeiträgen und dem ARD-Finanzausgleich vermindern sich den Angaben zufolge im Jahr 2020 um 2,4 Millionen auf rund 109 Millionen Euro. Damit entsprächen die Rundfunkbeiträge auf der Ausgabenseite dem Niveau aus dem Jahr 2005. Die Anzahl der Planstellen bleibe unverändert bei 544, hieß es.

Um in die Crossmedialität zu investieren, seien auf zwei Jahre befristet 1,5 Millionen Euro vorgesehen, betonte Kleist. Die Zusammenführung von Fernsehen, Hörfunk und Online sei kein Sparprogramm, sondern zunächst einmal eine zusätzliche Leistung, da die klassischen Sparten wie etwa das Fernsehen weiter bedient werden müssten. "Die jungen Leute kommen nicht mehr zu uns, wir müssen zu ihnen gehen", unterstrich der SR-Intendant. Insgesamt seien 6,3 Millionen Euro an Investitionsmittel vorgesehen, die in Produktion, Technik und Baumaßnahmen fließen würden.

Der Verwaltungsratsvorsitzende Joachim Rippel betonte, dass der Haushalt sich in einem Spannungsverhältnis zwischen notwendiger Sicherung, Zukunft und schwieriger finanzieller Situation befinde. "Da jedoch die finanziellen Probleme struktureller Art, keineswegs selbstverschuldet und auf Dauer auch nicht aus eigener Kraft zu beheben sind, ist eine Anpassung des Finanzausgleichs unabdingbar", unterstrich er. Die Prognose der Beitragseinnahmen hatte für den SR mehr Gelder vorgesehen, als dies tatsächlich der Fall ist.



Syrisch-orthodoxes Kloster in Warburg ist LWL-Denkmal des Monats

Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) hat das ehemalige Dominikanerkloster in Warburg zum Denkmal des Monats gekürt. Die Syrisch-Orthodoxe Kirche in Deutschland habe das Kloster in enger Zusammenarbeit mit den Denkmalbehörden vorbildlich restauriert, erklärte der LWL am 19. Dezember in Münster. Nach dem Wegzug der Dominikaner zu Beginn der 1990er Jahre nach Leipzig hatte die Syrisch-Orthodoxe Kirche in Deutschland Kirche und Kloster gekauft und zum Bischofssitz ihres Erzbistums Deutschland gemacht. Außerdem habe sie hier das weltweit erste Museum der syrisch-orthodoxen Kirche eingerichtet.

Seit der Amtseinführung des jungen Erzbischofs Mor Philoxenus Matthias Nayis im Jahr 2012 seien die beschädigten Bleiglasfenster im Kreuzgang und die Kreuzigungsgruppe am Eingang restauriert worden, erklärte der LWL. Danach seien das Kirchendach, das Fenstermaßwerk und die 100 Meter lange Klostermauer denkmalsgerecht instandgesetzt worden. Außerdem hätten Erzbischof Mattias und sein Team die beschädigte Bischofsfigur des Kirchenportals wieder mit einem Bischofsstab ausgestattet und die marode Turmbekrönung gegen ein neues Kreuz ausgetauscht.

Unterstützung von westfälischer Kirche

Die Sanierung wurde unter anderem von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, dem Land NRW, der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie der westfälischen Landeskirche und dem Erzbistum Paderborn unterstützt, wie der LWL erklärte. Für die kommende Jahre seien weitere Maßnahmen geplant.

Das Kloster war nach LWL-Angaben in den 1920er Jahren für den Dominikanerorden errichtet worden. Kurz nach dem Mauerfall 1989 seien die Dominikaner nach Leipzig gezogen, um in den neuen Bundesländern seelsorgerisch zu wirken. Neue Eigentümerin wurde die Syrisch-Orthodoxe Kirche von Antiochien in Deutschland, die die Kirche St. Jakob von Sarug weihte. Seit 2012 leben neben dem Erzbischof zwei Mönche, eine Nonne und sieben Studenten des Priesterseminars in der Klosteranlage. Dazu kommen in den Ferien bis zu 240 Messdienerschülerinnen.

Die Syrisch-Orthodoxe Kirche ist eine christliche Glaubensgemeinschaft der Aramäer. Die aus Mesopotamien stammende Glaubensgemeinschaft hat sich besonders nach den Verfolgungen im osmanischen Reich seit Ende des 19. Jahrhunderts auch in Deutschland angesiedelt. Die syrische Kirche in Deutschland zählt den Angaben nach etwa 100.000 Mitglieder. Sie finanziert sich ausschließlich über Spenden.



Steinmeier würdigt Beethoven als "Meister der Kammermusik"

Zu Beginn des Beethoven-Jubiläumsjahrs hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den Komponisten als "Meister der Kammermusik" gewürdigt. Das Pathos des menschlichen Strebens nach Freiheit und des menschlichen Leids seien in Ludwig van Beethovens Musik unüberhörbar, sagte Steinmeier am 17. Dezember bei einem Konzert im Berliner Schloss Bellevue laut vorab verbreitetem Redemanuskript. Am Vorabend war das Jubiläumsjahr anlässlich des 250. Geburtstags von Beethoven (1770-1827) in Bonn offiziell eröffnet worden. Bis zum 16. Dezember 2020 sind deutschlandweit Tausende Konzerte und Veranstaltungen geplant.

Große Kunst werde gebraucht, könne aber auch missbraucht werden, sagte der Bundespräsident. Dass gerade Beethoven zur Selbstdarstellung des Nationalsozialismus missbraucht worden sei, mahne zur bleibenden guten Vorsicht vor übersteigertem, unreflektiertem Pathos, erklärte Steinmeier. Zum politischen Missbrauch gänzlich ungeeignet seien indes die kammermusikalischen Werke Beethovens wie Sonaten und Lieder. "Wo die großen Werke die Kraft haben, viele Seelen und Herzen zu einem gemeinschaftlichen Erlebnis zu sammeln, so gehen diese intimen Werke wohl vor allem den Einzelnen an", sagte Steinmeier: "Sie führen uns zu uns selbst, sie lassen uns Innenräume in uns selber erleben oder allererst entdecken."

Der Geburtstag Beethovens wird mit Konzerten, Ausstellungen, Lesungen, Vorträgen und Performances in ganz Deutschland und andernorts gefeiert. Das bundesweite Jubiläumsjahr steht unter dem Titel "BTHVN2020".

Ludwig van Beethoven wurde 1770 in Bonn geboren. Im Alter von 22 Jahren zog er nach Wien, wo er 1827 starb. Er ist auch heute noch einer der weltweit meistgespielten Komponisten. Zu seinen bekanntesten Werken zählen die "Ode an die Freude", die zur 1972 Europahymne wurde, und die fünfte Sinfonie (Schicksalssinfonie) .



NDR-Intendant Marmor sorgt sich um Solidarität in der ARD


Lutz Marmor
epd-bild / Stephan Wallocha
Ab 2021 müssten die Fernsehanstalten noch einmal deutlich kürzen, sagt der scheidende NDR-Intendant Lutz Marmor im Gespräch mit dem epd. Der Finanzausgleich für die kleineren Anstalten werde jetzt noch schwieriger.

Der scheidende NDR-Intendant Lutz Marmor warnt angesichts neuen Spardrucks vor einer Entsolidarisierung in der ARD. Der Vorschlag der Finanzkommission KEF, den Rundfunkbeitrag auf 18,36 Euro zu erhöhen, reiche für die ARD "absolut nicht", sagte der 65-Jährige dem Evangelischen Pressedienst (epd). Ab 2021 müssten die Anstalten noch einmal deutlich kürzen. "Darin liegt Sprengkraft", sagte Marmor: Der Finanzausgleich für die kleineren ARD-Anstalten sei im Senderverbund noch nie leicht gewesen, "das wird jetzt noch schwieriger". Das mache ihm große Sorge.

Auch für den NDR werde die Situation schwierig, da der Sender über wenig Eigenmittel verfüge, sagte der Intendant: "Wir können ja nicht zum WDR gehen und sagen: Gebt uns das Geld, das Ihr gespart habt." Der NDR habe im Wirtschaftsplan für 2020 bereits 30 Millionen Euro eingespart, ab 2021 stehe noch ein deutlich größeres Kürzungspaket bevor.

Er finde es verwunderlich, dass das ZDF bei den Berechnungen der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) für die kommende Beitragsperiode ab 2021 besser wegkomme als die ARD-Anstalten, sagte Marmor. Der Senderverbund habe sich in der Pflicht gesehen, bei den Anmeldungen maßzuhalten, das habe aber nichts genutzt: "Obwohl wir weniger angemeldet haben, sind wir stärker gekürzt worden." Der KEF-Bericht soll im Februar kommenden Jahres veröffentlicht werden.

Plattformen der ARD stärken

Er würde sich wünschen, dass die ARD-Anstalten trotz des Spardrucks "nicht nur regional denken, sondern das Erste und die gemeinsame ARD-Mediathek stark halten", sagte Marmor. Die Intendantinnen und Intendanten hatten im November beschlossen, die großen fünf gemeinsamen Plattformen der ARD - "Tagesschau.de", "Sportschau.de", "Kika.de", die Mediathek und die Audiothek - zu stärken.

Die ARD-Sender müssten aber auch weiterhin starke Angebote in Radio und Fernsehen machen, sagte Marmor: "Die Älteren haben genauso ein Anrecht auf Programm wie die Jüngeren. Ich bin nicht der Meinung, dass wir jetzt alles Lineare streichen sollten. Wir müssen die lineare Stärke nutzen, um den Übergang ins Netz bestmöglich zu schaffen." Der NDR mache "das Programm für die Menschen. Ich wünsche mir, dass das nie vergessen wird."

Marmor, der zwölf Jahre an der Spitze des NDR stand, übergibt sein Amt Anfang Januar an seinen Nachfolger Joachim Knuth. Der in Köln geborene Betriebswirt Marmor war von 1991 bis 2008 Verwaltungsdirektor bei drei ARD-Anstalten, zunächst beim ORB, dann beim NDR und schließlich beim WDR. Der NDR macht Programm für Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Der Sender nahm 2018 knapp 980 Millionen Euro aus dem Rundfunkbeitrag ein, sein Gesamtetat liegt im kommenden Jahr bei knapp 1,2 Milliarden Euro.

epd-Gespräch: Diemut Roether


Beim digitalen Erbe besteht große Rechtsunsicherheit


Eltern können das Facebook-Konto ihres toten Kindes erben.
epd-bild / Norbert Neetz
Wenn ein Mensch stirbt, ist oft nicht klar, was die Erben mit seinen digitalen Daten machen dürfen. Eine Studie soll nun Möglichkeiten aufzeigen, das zu ändern.

Die oft lähmende Trauer, wenn ein nahestehender Mensch stirbt, die Unfähigkeit der Angehörigen sich nach dessen Tod um alles zu kümmern - das hat Christoph Breit oft erlebt. Rund 20 Jahre war er Gemeindepfarrer in der bayerischen evangelischen Landeskirche (ELKB). Er weiß daher, "welches Chaos in solchen Fällen manchmal in der Familie herrscht". Umso wichtiger sei es daher, den eigenen Nachlass schon zu Lebzeiten zu regeln. Das gelte nicht nur für materielle Dinge: "Es betrifft auch das digitale Erbe", sagt Breit.

Der Beauftragte für soziale Medien in der ELKB hält derzeit in ganz Bayern Vorträge über den "digitalen Nachlass". Also darüber, was nach dem Tod eines Nutzers mit E-Mail-Konten, dem Zugang zum Onlinebanking, mit Profilen in sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter, Chats auf Whatsapp oder persönlichen Daten auf Computer und Handy geschieht. Er erlebe oft eine große Handlungsunfähigkeit, sagt Breit: "Viele beschäftigen sich ungern damit - vielleicht, weil dann das Thema Tod ein Stück näher rückt."

Tatsächlich hat sich die große Mehrzahl der Deutschen noch nicht mit der Frage beschäftigt. Nicht einmal jeder Zehnte hat sein digitales Erbe vollständig geregelt, wie jüngst eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov zeigte. Dabei wäre eine solche Vorsorge wichtig, nicht nur, weil es dabei oft um sensible Daten geht.

Netflix-Abo vererbbar

Auch die rechtliche Lage ist alles andere als eindeutig: "Es besteht große Rechtsunsicherheit beim digitalen Erbe", sagt der Regensburger Erbrechts-Professor Martin Löhnig. So hat zwar 2018 der Bundesgerichtshof entschieden, dass das soziale Netzwerk Facebook den Eltern einer Minderjährigen nach deren Tod Zugang zum Konto des Kindes gewähren muss. "Wir wissen aber nach dem Urteil nur, wie wir vergleichbare Fälle zu behandeln haben", sagt Löhnig.

Die Folgen für anders gelagerte Fälle könne man daraus nicht ableiten. Soll heißen: Elektronische Bücher, ein iTunes-Account oder ein Netflix-Abo sind zwar vererbbar. "Offen ist aber, ob die Erben die E-Books tatsächlich lesen, die Songs hören oder die Filme weiterhin schauen dürfen", sagt der Jurist.

Um Klarheit zu schaffen, arbeiten Löhnig und seine Mitarbeiterin Magdalena Mayr derzeit an einer Studie mit, die das Bundesjustizministerium in Auftrag gegeben hat. Beteiligt sind dabei neben den Regensburger Juristen auch Rechtswissenschaftler der Universität Bremen und das Darmstädter Fraunhofer-Institut für Sicherheit in der Informationstechnologie.

Ziel sei es, aufzuzeigen, welche Nachteile die geltenden Regelungen beim digitalen Erbe für die Nutzer und deren Angehörigen haben können - und wie man diese beheben kann, erläutert Mayr. So gebe es in den Vertragsbedingungen der Online-Anbieter oft problematische Klauseln: "Etwa die, dass ein Konto nicht weitergegeben werden darf, solange es keine gesetzliche Bestimmung zum digitalen Erbe gibt", sagt Mayr: "Da bleibt den Erben dann nichts übrig, als bei einem Anwalt Rechtsrat einzuholen."

Zu Lebzeiten regeln

Um Hinterbliebenen den Zugang zu den Daten zu erleichtern, empfehlen die beiden Juristen den Nutzern, ihren digitalen Nachlass schon zu Lebzeiten zu regeln. "Man sollte eine Liste erstellen, in der sämtliche Accounts und Passwörter aufgeführt werden", rät Oliver Buttler, Experte für Internet und Verbraucherrecht bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Darin sollte man auch festlegen, was genau mit den Konten nach dem Tod passieren soll. Die Liste sollte man an einem sicheren Ort hinterlegen. Außerdem sollte man jemanden bevollmächtigen, nach dem Tod den digitalen Nachlass zu verwalten.

Die Regensburger Juristen plädieren darüber hinaus dafür, dass die Anbieter der Online-Dienste künftig beim Vertragsabschluss Auswahlmöglichkeiten anbieten, was im Todesfall des Nutzers passieren soll. "Der Nutzer sollte zum Beispiel bei Kontoeröffnung festlegen können, ob das Konto bei seinem Tod gelöscht werden muss oder ob die Erben es weiter betreiben können", sagt Mayr. Bislang böten erst wenige Anbieter diese Möglichkeit - und wenn, dann nicht umfassend genug. Dabei wäre eine solche Regelung auch für die Online-Dienste positiv, weil sie Rechtssicherheit schaffe, sagt Löhnig.

Von Andreas Jalsovec (epd)


"Schmähkritik": Böhmermann zieht vor Verfassungsgericht

Jan Böhmermanns "Schmähkritik" hat das Bundesverfassungsgericht erreicht: Der Satiriker wehrt sich in Karlsruhe gegen das Teilverbot seines Erdogan-Gedichts. Er sieht dadurch die Kunst- und Meinungsfreiheit verletzt.

Der Rechtsstreit um das Erdogan-Schmähgedicht von Jan Böhmermann kommt vor das Bundesverfassungsgericht. Der Satiriker hat Verfassungsbeschwerde gegen das Teilverbot des Gedichts über den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan eingelegt, wie Böhmermanns Anwalt Christian Schertz am 19. Dezember dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin sagte. Böhmermann wendet sich damit gegen Urteile von Hamburger Gerichten, die einen Großteil der Äußerungen aus dem 2016 vorgetragenen Gedicht untersagt hatten. Zunächst hatte der "Tagesspiegel" (online) über die Beschwerde berichtet. (AZ: 1 BvR 2026/19)

Die Beschwerde macht laut Schertz eine Verletzung der im Grundgesetz geschützten Kunst- und Meinungsfreiheit geltend. Für ihn sei "ziemlich offensichtlich, dass auch staatspolitische Überlegungen bei den Entscheidungen eine Rolle spielten", betonte der Anwalt mit Blick auf mögliche diplomatische Folgen der Urteile. Die Freiheit der Kunst sei ein Werkzeug, sich gegen die Feinde von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie zur Wehr zu setzen. Dies festzustellen, werde die Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts sein, sagte Schertz.

Paragraf 103 gestrichen

Das Karlsruher Gericht bestätigte auf epd-Anfrage, dass die Beschwerde anhängig ist. Ein Entscheidungstermin sei derzeit nicht absehbar, erklärte ein Sprecher.

Böhmermanns Erdogan-Gedicht hatte im Frühjahr 2016 in der Türkei und in Deutschland heftige Reaktionen ausgelöst. Unter dem Titel "Schmähkritik" hatte der Satiriker am 31. März 2016 in seiner ZDFneo-Sendung "Neo Magazin Royale" teils wüste Beschimpfungen gegen Erdogan vorgetragen und ihm unter anderem Sex mit Tieren unterstellt. Zur Begründung stellte der Satiriker seinem Auftritt voran, er wolle den Unterschied zwischen erlaubter Satire und in Deutschland verbotener Schmähkritik erklären.

Erdogan klagte auf Unterlassung gegen den Moderator. Das Landgericht Hamburg und das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) verboten in dem zivilrechtlichen Streit schließlich weite Teile des Gedichts. Damit blieb es Böhmermann untersagt, 18 von 24 Zeilen der "Schmähkritik" zu wiederholen. Die fraglichen Passagen beinhalteten schwere Herabsetzungen mit Bezügen zum Intimen und Sexuellen, für die es in der Person oder dem Verhalten Erdogans keine tatsächlichen Anknüpfungspunkte gebe, hatte das OLG ausgeführt.

Zuletzt war Böhmermann in dem Rechtsstreit auch vor dem Bundesgerichtshof (BGH) gescheitert. Der BGH hatte die Beschwerde des Satirikers gegen die Nichtzulassung der Revision durch das OLG Ende Juli abgewiesen. Die Rechtssache habe weder grundsätzliche Bedeutung noch diene sie der Fortbildung des Rechts, hieß es zur Begründung.

Im Zuge der Affäre um das Schmähgedicht wurde zum Jahresbeginn 2018 auch der Paragraf 103 aus dem deutschen Strafgesetzbuch gestrichen, der die "Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten" unter Strafe stellte. Erdogan hatte auf Grundlage dieser Regelung auch Strafanzeige gegen Böhmermann gestellt, die Staatsanwaltschaft Mainz hatte die Ermittlungen jedoch im Herbst 2016 eingestellt.



"Früher war mehr Lametta" nicht vom Urheberrecht geschützt

Das berühmte Loriot-Zitat "Früher war mehr Lametta" ist nicht durch das Urheberrecht geschützt. Das entschied das Oberlandesgericht München laut einer Mitteilung vom 20. Dezember und bestätigte damit kurz vor Weihnachten eine Entscheidung des Landgerichts. Die Erben des 2011 verstorbenen Vicco von Bülow, der unter seinem Künstlernamen "Loriot" bekannt wurde, wollten verhindern, das ein Unternehmer T-Shirts mit dem Ausspruch "Früher war mehr Lametta" bedruckt.

Dieser Erben-Forderung kamen die Richter nicht nach. In der Urteilsbegründung heißt es, dass dem kurzen Satz "Früher war mehr Lametta" die hinreichende Schöpfungshöhe für einen Schutz fehle. Seine Besonderheit und Originalität erfahre der Satz erst durch die Einbettung in den Loriot-Sketch "Weihnachten bei Hoppenstedts" und die Situationskomik. Blende man diese Einbettung aus, handle es sich um einen eher alltäglichen und belanglosen Satz.

Im Sketch "Weihnachten bei Hoppenstedts" (1978) beklagt sich Opa Hoppenstedt über einen dürftig geschmückten Weihnachtsbaum mit den inzwischen berühmten Worten "Früher war mehr Lametta".



Bischof Stäblein neuer Vorsitzender des EPV Ost

Der Berliner Bischof Christian Stäblein ist neuer Vorsitzender des Evangelischen Presseverbandes (EPV) Ost. Die Mitgliederversammlung wählte den 52-jährigen Theologen am 19. Dezember in Berlin zum Nachfolger von Dietrich Bauer, der den Verein seit 2012 geleitet hatte. Stäblein ist seit November Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Sein Vorgänger, Oberkirchenrat Bauer, ist seit über einem Jahr Direktor der Diakonie Sachsen, zuvor war er als Oberlandeskirchenrat im Landeskirchenamt der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens tätig.

Stäblein stammt aus Niedersachsen. Er studierte Theologie, Judaistik, Philosophie, Geschichte und Rechtswissenschaften, bevor er 2000 zum Pfarrer ordiniert wurde. Vor seinem Wechsel nach Berlin arbeitete Stäblein als Studiendirektor am Predigerseminar der hannoverschen Landeskirche im Kloster Loccum. Im November 2014 wurde er von der Synode der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz zum Propst, im April 2019 schließlich zum Bischof der Landeskirche gewählt.

Der Evangelische Presseverband Ost gibt den Landesdienst Ost des Evangelischen Pressedienstes (epd) heraus. Den Landesdienst tragen die Landeskirchen Anhalt, Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Mitteldeutschland und Sachsen sowie das Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik, zu dem auch die epd-Zentralredaktion gehört. Der epd Ost unterhält außer in Berlin Redaktionen und Korrespondentenbüros in den Landeshauptstädten Dresden, Magdeburg, Potsdam und Erfurt sowie in Leipzig.



Journalist darf nicht als "Gashahnaufdreher" beschimpft werden

Ein Journalist darf nicht wegen eines AfD-kritischen Artikels als "Gashahnaufdreher" im Nationalsozialismus beschimpft werden. Ein solcher Vergleich sei nicht durch die Veröffentlichung des Journalisten gerechtfertigt, erklärte das Oberlandesgericht Köln in einer am 16. Dezember veröffentlichten Entscheidung (Az: III-1 RVs 180/19). Die Richter werteten die Formulierung als Ehrkränkung.

Der Journalist hatte sich nach Gerichtsangaben unter dem Titel "Versteht es doch endlich: Rechtes Gedankengut darf nicht toleriert werden" in einem Online-Magazin mit dem Auftritt des AfD-Politikers Björn Höcke auf der Frankfurter Buchmesse befasst. Der Angeklagte hatte danach auf seiner Homepage den Journalisten beleidigt, wie das Gericht mitteilte. Der Mann schrieb dabei, der Journalist tue so, als hätten "solche intoleranten Mindertalentierten und Mitläufer wie er", die im Nationalsozialismus "mit absoluter Sicherheit eine Superkarriere als Gashahnaufdreher hingelegt hätten, irgendeine andere stalinistische Kackmeinung als die ihrige je toleriert".

"Ehrkränkung von erheblichem Gewicht"

Das Oberlandesgericht wertete den Vergleich mit "Gashahnaufdrehern" als eine Ehrkränkung von erheblichem Gewicht. Damit sei der Journalist ohne erkennbaren Ansatz in die Gruppe von Menschen mit nationalsozialistischer Gesinnung gerückt worden.

Der Journalist habe ein gesellschaftliches Phänomen angesprochen. Der Angeklagte hingegen habe allein die Person des Journalisten in den Fokus genommen und ihm unterstellt, er wäre im NS-Unrechtsregime "Mitläufer" geworden. Der Artikel des Journalisten sei zudem in Wortwahl und Ausdruck äußerst moderat und sachlich gefasst gewesen. Die Äußerungen des Angeklagten seien in dieser Form weder durch ein "Recht zum Gegenschlag" im geistigen Meinungskampf noch unter dem Aspekt der Kunstfreiheit gerechtfertigt.

Das Oberlandesgericht hob mit seiner Entscheidung einen Teilfreispruch des Landgerichts Bonn auf und verwies den Fall an das Gericht zurück. Das Landgericht hatte den Angeklagten wegen anderer Beleidigungen zu einer Gesamtgeldstrafe von 3.600 Euro verurteilt, den Mann jedoch in diesem Punkt freigesprochen.




Entwicklung

"Das schlimmste Weihnachten, das wir je hatten"


Millionen Simbabwer sind nach WFP-Schätzung infolge von Trockenheit und Armut bedroht, vor allem in ländlichen Regionen. (Archivbild)
epd-bild / Dagmar Wittek
In Simbabwe wissen viele Menschen nicht, wie sie über die Feiertage kommen sollen. Strom ist rationiert, Bargeld knapp, und die Preise für Sprit und Lebensmittel sind explodiert.

In vielen Familien in Simbabwe ist an ein Festessen zu Weihnachten nicht zu denken. Der Regierung und den Vereinten Nationen fehlt das Geld, um die Ernährung für alle Bürger zu sichern. "Wir reden von Millionen Menschen, die vom Hunger betroffen sein werden, wenn wir jetzt nichts tun", sagt Ashley Baxstrom vom Welternährungsprogramm (WFP) in der Hauptstadt Harare dem Evangelischen Pressedienst (epd). Von den benötigten 293 Millionen US-Dollar (263 Millionen Euro) habe die Staatengemeinschaft erst gut ein Drittel zugesagt.

Im Januar drohe in vielen Gebieten eine Hungerkrise und ab Februar der Notstand, wenn es nicht gelinge, jetzt Lebensmittel ins Land zu schaffen. Die nächste Ernte wird erst im April erwartet. 7,7 Millionen der 14,4 Millionen Simbabwer sind nach WFP-Schätzung infolge von Trockenheit und Armut bedroht, vor allem in ländlichen Regionen. Dem Land fehlen Devisen, um Saatgut oder Dünger zu importieren. In vielen Distrikten breite sich die Armut aus, sagt Baxstrom. Viele Menschen hätten nicht mehr genug zu Essen.

"Viele hungern jetzt schon"

Die neuen, im November eingeführten Simbabwe-Dollars sind noch kaum verfügbar. Vor Bankschaltern bilden sich Warteschlangen. Wer kann, lebt vom US-Dollar. "Viele hungern jetzt schon", sagt ein Designer in Harare am Telefon, der seinen Namen aus Angst vor Repressionen nicht genannt haben möchte. Er erwartet "das schlimmste Weihnachten, das wir je hatten".

Auch eine 68-jährige Rentnerin findet: "So schlecht war die Lage noch nie." Ihr Weihnachten werde sehr ärmlich ausfallen, denn sie könne sich kein Mehl für Kuchen leisten: "Brot ist heute 19 Mal teurer als im Januar. Aber Renten und Gehälter sind nicht gestiegen."

Sprit ist knapp

Die Preise sind um bis zu 300 Prozent explodiert, die Regierung hat aufgehört, Inflationsraten zu veröffentlichen. Hinzu kommen Stromsperren. Der Designer sagt, er habe in Harare nur nachts zwischen 22 und 5 Uhr morgens Strom. Wer keinen Generator besitze, könne bei Tag keine Geräte oder Maschinen laufen lassen. Produktion und Umsätze seien eingebrochen.

Aber auch der Sprit - für Generatoren und Fahrzeuge - ist knapp. Vor Tankstellen stauen sich die Autos oft mehrere Hundert Meter lang. Empörte Simbabwer posten davon Fotos in den sozialen Medien. Wer US-Dollars hat, kann auf dem Schwarzmarkt Benzin kaufen, doch das ist illegal. Das Leitungswasser wurde vielerorts in Harare abgestellt, und auf die Müllabfuhr ist kein Verlass mehr.

Präsident Emmerson Mnangagwa (77) verspricht seit Monaten Besserung. Er regiert seit Ende 2017, nachdem das Militär den autoritären Langzeitherrscher Robert Mugabe nach 37 Jahren im Amt gestürzt hatte. Bei der Wahl 2018 wurde Mnangagwa mit knapper Mehrheit im Amt bestätigt. Der Wechsel an der Staatsspitze weckte viele Hoffnungen in der einstigen Kornkammer im südlichen Afrika.

Ärzte seit Monaten im Streik

Doch das neue Regime erwies sich Menschenrechtlern zufolge als so brutal wie das alte, lies Demonstranten niederknüppeln, zu Hunderten festnehmen und das Internet sperren. Mindestens 17 Menschen wurden bei Massenprotesten getötet. Ausländische Journalisten bekommen kaum Visa. Und wenn Simbabwer mit ihnen sprechen, müssen sie Repressionen befürchten.

Die Wirtschaftsleistung ist laut Internationalem Währungsfonds 2019 um fast acht Prozent geschrumpft. Wirksame Reformen sind nicht in Sicht.

Besonders prekär ist die Lage auch im Gesundheitswesen. Die Ärzte der staatlichen Krankenhäuser befinden sich seit Monaten im Streik. Mit Gehältern von umgerechnet rund 100 US-Dollar (90 Euro) im Monat könnten sie ihre Familien nicht ernähren, kritisieren Ärztevertreter. Außerdem sei die Ausstattung in den Klinken so miserabel, dass sie den Patienten oft nur unzureichend helfen könnten. Wichtige Kliniken sind geschlossen oder nur zu einem Drittel belegt. Andere arbeiten nur im Notbetrieb.

Von Stefan Ehlert (epd)


Menschenrechtspreis für einen Uiguren

Preisverleihung ohne Preisträger: Der uigurische Ökonom Tohti konnte nicht nach Straßburg reisen, um den Sacharow-Preis des EU-Parlaments entgegen zu nehmen. Er wurde in China zu lebenslänglich verurteilt.

Sein Stuhl blieb leer: Der in China inhaftierte uigurische Aktivist Ilham Tohti ist am 18. Dezember in Abwesenheit mit dem Sacharow-Preis des Europaparlaments ausgezeichnet worden. Damit würdigte das Parlament den friedlichen Einsatz des Ökonomen für die Rechte der Uiguren und den Dialog mit den Han-Chinesen. Parlamentspräsident David Sassoli sagte bei der Preisverleihung in Straßburg: "Wir hoffen, dass Ilham Tohti freigelassen wird, dass er uns besuchen kommt."

Tohti wurde 2014 wegen angeblichem "Separatismus" zu lebenslanger Haft verurteilt. Nach Angaben von Amnesty International wurde er in Einzelhaft gehalten und gefoltert. Für ihn nahm seine Tochter Jewher Ilham den mit 50.000 Euro dotierten Menschenrechtspreis unter minutenlangem Applaus entgegen. "Ich weiß nicht, wo mein Vater sich befindet", sagte sie in ihrer Ansprache und zeigte ein Foto, das ihn mit der Hand auf dem Herzen abbildete. Zuletzt habe sie 2017 von ihrem Vater gehört, da sei er in einem Gefängnis in Ürümqi gewesen.

"Keine Angst vor Armut"

Der Wirtschaftsprofessor Tohti hatte sich seit zwei Jahrzehnten für die Rechte der Uiguren in China eingesetzt. Die Familie habe kein Geld mehr für Lammfleisch gehabt, weil er das Geld für seine Webseite gebraucht habe, berichtete seine Tochter. "Mein Vater hatte keine Angst vor Armut", wenn er damit der Sache der Uiguren habe dienen können. Stets habe er den friedlichen Ausgleich gesucht. Zuletzt habe sie ihren Vater 2013 am Flughafen in Peking gesehen, als sie zum Studium in die USA reiste.

Jewher Ilham erhob schwere Vorwürfe gegen die chinesische Führung: "Heute gibt es für die Uiguren in China keine Freiheit", sagte sie. Viele seien in der Region Xinjiang in sogenannten Umerziehungslagern inhaftiert, wo sie ihrem Glauben und ihren Traditionen abschwören sollten. Die Tochter des Preisträgers sprach von "Konzentrationslagern" und prangerte auch die Unterdrückung von Usbeken, Kasachen, Tibetern und Menschenrechtsanwälten in China an. Selbst in Washington habe sie Angst, weil ihr Computer auch dort gehackt werde.

Europapolitiker der Grünen, der CDU und der SPD begrüßten die Auszeichnung Ilham Tohtis. "Das Europäische Parlament hat mit eindeutiger Kritik an Chinas Unterdrückungspolitik in Xinjiang sehr entschieden Position bezogen", sagte der Grünen-Politiker Reinhard Bütikofer, Vorsitzender der China-Delegation des Parlaments. Michael Gahler (CDU), außenpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion, kritisierte: "China schwingt sich zur Weltmacht auf und tritt gleichzeitig die Rechte von Minderheiten mit Füßen."

In Lagern festgehalten

Dietmar Köster, außenpolitischer Sprecher der Europa-SPD, warnte: "Die chinesische Regierung trachtet danach, die Uiguren in ihrer Sprache, Kultur und Existenz als Ethnie zu zerstören." Nach Angaben von Amnesty International werden Schätzungen zufolge eine Million Uiguren und andere Muslime in Lagern festgehalten. Als Grund gebe Peking an, religiösen Extremismus und terroristische Aktivitäten zu verhindern.

Das Europaparlament vergibt den Sacharow-Preis für geistige Freiheit seit 1988. Er ist nach dem sowjetischen Physiker, Dissidenten und Friedensnobelpreisträger Andrej Sacharow (1921-1989) benannt. Preisträger im vergangenen Jahr war der damals in Russland inhaftierte und inzwischen freigekommene ukrainische Filmemacher Oleg Senzow.

Weitere Nominierte 2019 waren eine Gruppe kenianischer Schülerinnen, die eine App gegen weibliche Genitalverstümmelung entwickelt haben, und drei brasilianische Umwelt- und Menschenrechtsaktivisten, darunter die ermordete Politikerin und Feministin Marielle Franco.



Unruhen in Indien: Premierminister bezichtigt Opposition der Lüge

Seit Tagen sorgt eine Reform des Staatsbürgerschaftsrechts in Indien für blutige Ausschreitungen: 23 Menschen kamen bislang ums Leben. Die Regierung weist den Vorwurf zurück, dass das Gesetz anti-muslimisch sei.

Trotz blutiger Proteste gegen das neue Staatsbürgerschaftsrecht bleibt Indiens Regierung unbeirrt: Premierminister Narendra Modi verteidigte am 22. Dezember bei einer Massenkundgebung in der Hauptstadt Neu-Delhi die Reform und beschuldigte die Opposition, Lügen zu verbreiten, wie die Zeitung "Indian Express" berichtete.

"Einige Oppositionsparteien verbreiten jede Menge Gerüchte, sie führen die Menschen in die Irre und heizen die Gemüter auf", sagte Modi in seiner über einstündigen Rede. Er versicherte, dass das umstrittene Gesetz sich nicht gegen Muslime wende. Bei landesweiten Protesten gegen die Reform, die nicht-muslimische Einwanderer begünstigt, sind bislang 23 Menschen ums Leben gekommen. Die Polizei nahm Hunderte Demonstranten fest.

Internet abgeschaltet

Auch am 22. Dezember widersetzten sich wieder Tausende dem von der Regierung erlassenen Versammlungsverbot, um gegen die Reform zu protestieren. In Teilen Indiens blieb das Internet weiter abgeschaltet. Modis hindunationalistische Bharatiya-Janata-Partei (BJP) kündigte eine Massenkampagne an, bei der in den kommenden zehn Tagen 30 Millionen Familien besucht werden sollen, um ihnen das Gesetz zu erklären und den "Lügen" und "Mythen" der Opposition zu begegnen.

Das Gesetz gewährt nicht-muslimischen Einwanderern aus den Nachbarländern Pakistan, Bangladesch und Afghanistan die indische Staatsbürgerschaft. Die hindunationalistische Regierung unter Premierminister Modi hatte die Reform in der vergangenen Woche durch das Parlament gebracht, offenbar ohne mit einem solchen Widerstand - auch von Nicht-Muslimen - zu rechnen.

Etwa 80 Prozent der Inder sind Hindus. Die zweitgrößte Religionsgruppe sind die Muslime mit etwa 180 Millionen Menschen. Unter der hindunationalistischen BJP, die seit 2014 Indien regiert, hat sich das einst religiös tolerante Indien gewandelt. Im August hatte die Regierung die vollständige Integration des mehrheitlich muslimischen Kaschmirs in den indischen Staat beschlossen und den Sonderstatus der Himalaya-Region abgeschafft. Im Oktober veröffentlichte die Regierung ein neues Staatsbürgerregister für den Bundesstaat Assam und erklärte fast zwei Millionen Einwohner, die Mehrheit von ihnen Muslime, faktisch für staatenlos.



Unicef: Neun Kinder in Afghanistan täglich getötet oder verstümmelt

In Afghanistan werden laut Unicef durchschnittlich neun Kinder pro Tag getötet oder verstümmelt. Die Zahl ist in den ersten neun Monaten 2019 um elf Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen, wie aus dem am 17. Dezember von dem Kinderhilfswerk veröffentlichten Bericht "Preserving Hope in Afghanistan" hervorgeht. Das Jahr 2019 sei für afghanische Kinder "besonders tödlich" gewesen, sagte Unicef-Exekutivdirektorin Henrietta Fore.

Als Ursache für den Anstieg wird in dem Bericht eine Zunahme von Selbstmordattentaten und Bodenkämpfen zwischen regierungstreuen Kräften und ihren Gegnern genannt. Der Konflikt habe "verheerende Auswirkungen auf das Leben von Kindern". In den Jahren zwischen 2009 und 2018 wurden in Afghanistan insgesamt etwa 6.500 Kinder getötet und rund 15.000 weitere verletzt. 2018 wurde das Land als das tödlichste Kriegsgebiet der Welt eingestuft. In dem Jahr starben in Afghanistan den Angaben zufolge 927 Kinder in bewaffneten Konflikten, 2.135 wurden verletzt.

600.000 Kinder schwer mangelernährt

Das UN-Kinderhilfswerk forderte von den Konfliktparteien, ihren menschen- und völkerrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen und Kinder zu schützen, Angriffe auf Schulen und Gesundheitszentren zu stoppen und den Zugang zu humanitärer Hilfe zu ermöglichen.

Kinder in Afghanistan leiden laut dem Unicef-Bericht allerdings nicht nur unter dem Konflikt, sondern auch unter den Folgen von Naturkatastrophen, Armut und Unterentwicklung. Laut dem Bericht brauchen 3,8 Millionen Kinder humanitäre Hilfe. 3,7 Millionen schulpflichtige Kinder gehen nicht zur Schule, 600.000 Kinder unter fünf Jahren sind schwer mangelernährt, 30 Prozent müssen Kinderarbeit leisten und jedes dritte Mädchen wird vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet.



Amtsinhaber Ghani gewinnt Präsidentenwahl in Afghanistan

Der afghanische Staatschef Aschraf Ghani hat die Präsidentenwahl vom September gewonnen. Laut vorläufigem Ergebnis der unabhängigen Wahlkommission kommt der 70-Jährige mit 50,64 Prozent der Stimmen auf eine knappe absolute Mehrheit, wie der TV-Sender "Tolo News" am 22. Dezember berichtete. Ghanis Kontrahent Abdullah Abdullah erhielt demnach nur 39,52 Prozent.

Damit wäre der Weg für eine zweite Amtszeit Ghanis frei. Allerdings haben Abdullah und sein Team bereits erklärt, das Resultat der Abstimmung nicht anzuerkennen. Die Bekanntgabe der Wahlergebnisse hatte sich immer wieder verzögert, weil die Seite von Abdullah Nachzählungen in Dutzenden Wahlbezirken verlangt hatte.

Gewalt und Drohungen der Taliban

Der 70-jährige Ghani und der 59-jährige Abdullah hatten nach der chaotischen Wahl 2014 auf Drängen der USA eine Einheitsregierung gebildet. Es ist unklar, wieweit sich nun das Endergebnis der Wahl weiter verzögern wird. Abdullah hat angekündigt, 7.000 Beschwerden von der Wahlbeschwerdekommission prüfen zu lassen. Ein neuer Streit um das Wahlresultat könnte die politische Situation in Afghanistan weiter destabilisieren. Anfang Dezember haben die USA die vor drei Monaten abgebrochenen Verhandlungen mit den Taliban über Frieden am Hindukusch wieder aufgenommen. Der Konflikt dauert inzwischen 18 Jahre an.

Die Abstimmung im September war die vierte Präsidentenwahl seit dem Sturz der Taliban 2001. Die Wahl war von Gewalt und Drohungen der Taliban überschattet. Bei 113 Attentaten am Wahltag wurden mindestens 32 Menschen getötet und 123 verletzt. Insgesamt war die Beteiligung niedrig: Nur 1,9 Millionen von mehr als 9,6 Millionen wahlberechtigten Afghanen gaben ihre Stimme ab.



Stiftung: Am Jahreswechsel 7.754.847.000 Menschen auf der Erde


Kinder betrachten einen Globus (Archivbild).
epd-bild/Uwe Lewandowski

In der Silvesternacht werden laut Prognosen voraussichtlich 7.754.847.000 Menschen auf der Erde leben. Das sind rund 83 Millionen Menschen mehr als ein Jahr zuvor, wie die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung am 20. Dezember in Hannover mitteilte. Damit wuchs die Bevölkerung der Erde 2019 in etwa um die Einwohnerzahl Deutschlands. Jede Sekunde kommen laut der Stiftung derzeit durchschnittlich 2,6 Erdenbürger hinzu, wenn man die Geburten abzüglich der Todesfälle hinzurechnet. Die 8-Milliarden-Marke wird voraussichtlich 2023 erreicht.

Besonders stark wächst die Bevölkerung in Afrika. Bis 2050 wird sich den Prognosen zufolge die Einwohnerzahl dort von heute rund 1,3 Milliarden Menschen auf voraussichtlich 2,5 Milliarden nahezu verdoppeln. Frauen in Afrika bekommen derzeit durchschnittlich 4,4 Kinder, deutlich mehr als im weltweiten Durchschnitt (2,4 Kinder pro Frau).

Ungewollte Schwangerschaften

Im Jahr 2100 wird Afrika voraussichtlich rund 4,3 Milliarden Einwohnerinnen und Einwohner haben. Hauptursache für das Bevölkerungswachstum in den Ländern südlich der Sahara sei, dass viele Frauen ungewollt schwanger würden, weil sie nicht verhüten könnten, erklärte die Stiftung. "Frauen wünschen sich zumeist weniger Kinder als ihre Partner, haben aber bei der Familienplanung kein Mitspracherecht", sagte Stiftungs-Geschäftsführerin Renate Bähr.

Die Stiftung fordert, die Rechte von Frauen zu stärken, Aufklärung und Zugang zu modernen Verhütungsmitteln zu verbessern und eine gute Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Diese Ziele müssten bei der Entwicklungszusammenarbeit stärker ins Zentrum rücken. "Wenn Frauen frei entscheiden könnten, ob, wann und wie viele Kinder sie bekommen, würde die Bevölkerungszahl in Afrika südlich der Sahara zum Ende dieses Jahrhunderts um 30 Prozent niedriger liegen, als derzeit prognostiziert wird", sagte Bähr.

Wie sich die Weltbevölkerung auf die Kontinente verteilt, erklärt die Stiftung anhand eines Modells: Wenn die Welt heute ein Dorf mit nur 100 Menschen wäre, wären davon 59 aus Asien, 17 aus Afrika, zehn aus Europa, acht aus Lateinamerika, fünf aus Nordamerika und einer aus Ozeanien. Im Jahr 2050 hätte das Dorf insgesamt 128 Einwohnerinnen und Einwohner.