Regensburg (epd). Die oft lähmende Trauer, wenn ein nahestehender Mensch stirbt, die Unfähigkeit der Angehörigen sich nach dessen Tod um alles zu kümmern - das hat Christoph Breit oft erlebt. Rund 20 Jahre war er Gemeindepfarrer in der bayerischen evangelischen Landeskirche (ELKB). Er weiß daher, "welches Chaos in solchen Fällen manchmal in der Familie herrscht". Umso wichtiger sei es daher, den eigenen Nachlass schon zu Lebzeiten zu regeln. Das gelte nicht nur für materielle Dinge: "Es betrifft auch das digitale Erbe", sagt Breit.
Der Beauftragte für soziale Medien in der ELKB hält derzeit in ganz Bayern Vorträge über den "digitalen Nachlass". Also darüber, was nach dem Tod eines Nutzers mit E-Mail-Konten, dem Zugang zum Onlinebanking, mit Profilen in sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter, Chats auf Whatsapp oder persönlichen Daten auf Computer und Handy geschieht. Er erlebe oft eine große Handlungsunfähigkeit, sagt Breit: "Viele beschäftigen sich ungern damit - vielleicht, weil dann das Thema Tod ein Stück näher rückt."
Tatsächlich hat sich die große Mehrzahl der Deutschen noch nicht mit der Frage beschäftigt. Nicht einmal jeder Zehnte hat sein digitales Erbe vollständig geregelt, wie jüngst eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov zeigte. Dabei wäre eine solche Vorsorge wichtig, nicht nur, weil es dabei oft um sensible Daten geht.
Netflix-Abo vererbbar
Auch die rechtliche Lage ist alles andere als eindeutig: "Es besteht große Rechtsunsicherheit beim digitalen Erbe", sagt der Regensburger Erbrechts-Professor Martin Löhnig. So hat zwar 2018 der Bundesgerichtshof entschieden, dass das soziale Netzwerk Facebook den Eltern einer Minderjährigen nach deren Tod Zugang zum Konto des Kindes gewähren muss. "Wir wissen aber nach dem Urteil nur, wie wir vergleichbare Fälle zu behandeln haben", sagt Löhnig.
Die Folgen für anders gelagerte Fälle könne man daraus nicht ableiten. Soll heißen: Elektronische Bücher, ein iTunes-Account oder ein Netflix-Abo sind zwar vererbbar. "Offen ist aber, ob die Erben die E-Books tatsächlich lesen, die Songs hören oder die Filme weiterhin schauen dürfen", sagt der Jurist.
Um Klarheit zu schaffen, arbeiten Löhnig und seine Mitarbeiterin Magdalena Mayr derzeit an einer Studie mit, die das Bundesjustizministerium in Auftrag gegeben hat. Beteiligt sind dabei neben den Regensburger Juristen auch Rechtswissenschaftler der Universität Bremen und das Darmstädter Fraunhofer-Institut für Sicherheit in der Informationstechnologie.
Ziel sei es, aufzuzeigen, welche Nachteile die geltenden Regelungen beim digitalen Erbe für die Nutzer und deren Angehörigen haben können - und wie man diese beheben kann, erläutert Mayr. So gebe es in den Vertragsbedingungen der Online-Anbieter oft problematische Klauseln: "Etwa die, dass ein Konto nicht weitergegeben werden darf, solange es keine gesetzliche Bestimmung zum digitalen Erbe gibt", sagt Mayr: "Da bleibt den Erben dann nichts übrig, als bei einem Anwalt Rechtsrat einzuholen."
Zu Lebzeiten regeln
Um Hinterbliebenen den Zugang zu den Daten zu erleichtern, empfehlen die beiden Juristen den Nutzern, ihren digitalen Nachlass schon zu Lebzeiten zu regeln. "Man sollte eine Liste erstellen, in der sämtliche Accounts und Passwörter aufgeführt werden", rät Oliver Buttler, Experte für Internet und Verbraucherrecht bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Darin sollte man auch festlegen, was genau mit den Konten nach dem Tod passieren soll. Die Liste sollte man an einem sicheren Ort hinterlegen. Außerdem sollte man jemanden bevollmächtigen, nach dem Tod den digitalen Nachlass zu verwalten.
Die Regensburger Juristen plädieren darüber hinaus dafür, dass die Anbieter der Online-Dienste künftig beim Vertragsabschluss Auswahlmöglichkeiten anbieten, was im Todesfall des Nutzers passieren soll. "Der Nutzer sollte zum Beispiel bei Kontoeröffnung festlegen können, ob das Konto bei seinem Tod gelöscht werden muss oder ob die Erben es weiter betreiben können", sagt Mayr. Bislang böten erst wenige Anbieter diese Möglichkeit - und wenn, dann nicht umfassend genug. Dabei wäre eine solche Regelung auch für die Online-Dienste positiv, weil sie Rechtssicherheit schaffe, sagt Löhnig.