Kirchen

Die Botschaft verbreiten und den Wandel gestalten


Annette Kurschus hielt am 18. November ihren diesjährigen Präsesbericht vor der Synode in Bielefeld.
epd-West/ Gerd-Matthias Hoeffchen
Sie gilt als Meisterin des geschliffenen Wortes. Eine fromme und zugleich politische Kirche wolle sie vertreten, sagt Annette Kurschus. Die Theologin steht vor ihrer Wiederwahl als Präses der westfälischen Kirche. Und vor großen Herausforderungen.

Um ein klares Wort ist Annette Kurschus nicht verlegen. Ob Migration, Rechtsextremismus oder Klimawandel: Immer wieder nimmt die 56-jährige Theologin Stellung zu Fragen des politischen und gesellschaftlichen Lebens und zählt inzwischen zu den wichtigsten Stimmen des deutschen Protestantismus. Als erste Frau wurde sie vor acht Jahren an die Spitze der Evangelischen Kirche von Westfalen gewählt. Am 20. November soll sie für eine zweite Amtszeit als westfälische Präses bestätigt werden.

Bei der Jahrestagung des in Bielefeld tagenden westfälischen Kirchenparlaments, der Landessynode, ist Kurschus die einzige Kandidatin für das Spitzenamt der viertgrößten Landeskirche mit rund 2,2 Millionen Mitgliedern. Profilieren konnte sich die ehemalige Siegener Superintendentin seit 2015 auch als stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Die reformierte Theologin ist zudem Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Bibelgesellschaft.

Kurschus gilt als begnadete und charismatische Rednerin. Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm adelte sie als Meisterin des Wortes in der Vermittlung biblischer Inhalte und ihrer Konsequenzen für das Leben: "Mit ihren brillanten Predigten und Andachten berührt sie immer wieder viele Menschen, mich eingeschlossen." Das zeigte sich etwa, als Kurschus 2015 im zentralen Trauergottesdienst für die Opfer des Germanwings-Absturzes eine vielbeachtete Predigt hielt. In ihrer Ansprache im Kölner Dom fasste sie das Entsetzen über das Unglück mit 150 Toten einfühlsam in Worte.

Bibel ist Richtschnur

Richtschnur ihrer Äußerungen ist stets die biblische Botschaft. Kurschus plädiert für eine "öffentliche Theologie", die mitten in der Welt von Gott redet. Der christliche Glaube könne "eine Art Grundnahrung und Grundvertrauen für das Funktionieren der Gesellschaft geben". Mit ihrer Redekunst stärke Kurschus die gesellschaftliche Relevanz des Christentums, lautete im Januar die Begründung für die Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Münster an die Theologin. Sie kommuniziere geistliche Einsichten und Perspektiven in das politische und gesellschaftliche Leben.

In ihrer bisherigen Amtszeit habe Kurschus mit einer feinfühligen Sprache kontinuierlich biblische Bezüge zu aktuellen Fragen hergestellt, sagt auch Traugott Jähnichen, Professor für Christliche Gesellschaftslehre an der Ruhr-Universität Bochum. So wende sie sich entschieden gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus und setze sich beharrlich dafür ein, die Willkommenskultur weiter zu gestalten, Flüchtlinge aufzunehmen und in Härtefällen Kirchenasyl zu gewähren.

"Klare Kante" gegen Fremdenfeindlichkeit

Beim Kirchentag im Juni in Dortmund trug Kurschus als leitende Theologin der gastgebenden Landeskirche die Entscheidung mit, keine AfD-Funktionäre auf Podien einzuladen. Sie geißelt Hassbotschaften und fordert "klare Kante" gegen fremdenfeindliche Positionen, plädiert aber zugleich für Gespräche mit AfD-Wählern - nicht alle seien "überzeugte Populisten und Menschenverächter". Ein Herzensanliegen der Präses war der "Rote Faden Migration", der den Kirchentag mit über hundert Veranstaltungen durchzog.

Von ihrem Amtsvorgänger Alfred Buß übernahm Kurschus das entschiedene Eintreten für mehr Klimaschutz. In ihre Amtszeit fielen auch Entscheidungen der westfälischen Kirche für die weitgehende Gleichstellung homosexueller Paare, eine Stärkung des Pfarrdienstes und die Aufarbeitung von Fällen sexuellen Missbrauchs.

Nachdem Kurschus das Ruder in einem relativ ruhigen Fahrwasser mit konsolidierten Finanzen übernahm, steht ihre Landeskirche nun angesichts sinkender Einnahme- und Mitgliederzahlen vor enormen Herausforderungen. "Es wird einen gewaltigen Umbruch geben - finanziell, aber auch personell", sagt Jähnichen. "Deshalb stehen Einschnitte und schwierige Entscheidungen bevor."

Der Umbruch biete aber auch die Chance, sich neu aufzustellen und neue Wege zu eröffnen, betont der Theologe, der auch Mitglied der westfälischen Kirchenleitung ist. "Es ist in den kommenden acht Jahren eine zentrale Aufgabe, diesen Wandel sensibel und gut zu gestalten - die Einschnitte, aber auch die Chancen." Kurschus ist zuversichtlich, dass auch eine kleinere Kirche "künftig ihre Ausstrahlung in die Welt behalten kann", wenn sie bei ihrem Kernauftrag bleibe, die Liebe Gottes weiterzugeben.

Ingo Lehnick (epd)


Zwischen Eintreten für Gerechtigkeit und "Gesinnungsethik"


Luftballons bei Demonstration von Menschenrechtlern für ein uneingeschränktes Recht auf Familiennachzug von Flüchtlingen
epd-bild/Christian Ditsch
"Kirche und Migration" ist das Hauptthema der bevorstehenden westfälischen Landessynode. Die Vorlage wird schon vorab kontrovers diskutiert, die Reaktionen reichen von Zustimmung bis zu heftiger Kritik. Das verspricht eine lebhafte Debatte.

Ein Jahr lang hat die westfälische Kirche auf allen Ebenen über das Thema "Kirche und Migration" diskutiert, auf der seit 17. November tagenden Landessynode soll nun Bilanz gezogen werden. Die Reaktionen auf das im Internet veröffentlichte Diskussionspapier sind höchst unterschiedlich. Ein Schreiber äußert sich auf der eigens zu dem Thema eingerichteten Webseite der westfälischen Kirche dankbar, "dass die Kirche sich dieses wichtigen Themas annimmt und es so in der Öffentlichkeit hält". Ein anderer ist dagegen der Meinung, Einwanderung politisch oder religiös motiviert zu fördern, sei "ein Unsinn und gegen die göttliche Ordnung".

Der Vergleich der heutigen Migration mit Bibelgeschichten erscheine ein wenig blauäugig, wendet eine weitere Userin ein. Laut der Diskussionsvorlage erzähle die Bibel von Menschen, die ihr Migrationsgeschick nicht nur tragen würden, sondern es gestalteten und für andere fruchtbar machten. Wie könne aber ein Mensch, der in einem Lager in Libyen festsitze oder in Italien auf der Straße lebe, sein Migrationsgeschick fruchtbar machen?

Zu wenig Paroli gegenüber Neuen Rechten?

In der Vorlage "Ich bin fremd gewesen, und ihr habt mich aufgenommen" werden biblische Positionen zu Flucht und Migration beschrieben und Herausforderungen einer Migrationsgesellschaft benannt, außerdem wird deutlich Position gegen Fremdenhass bezogen. Die Themen der Diskussion reichen von theologischen Bewertungen bis zu politischen Forderungen.

Der Industrie- und Sozialpfarrer im Kirchenkreis Recklinghausen, Hans Hubbertz, kritisiert, es gebe kein theologisch ausformuliertes Paroli gegenüber der Demagogie der Neuen Rechten. Das Papier sei eine "nahezu rundgefeilte, gesinnungsethische Positionierung". Außerdem vermisse er die Darstellung gegnerischer Positionen. Ignoriert würden zudem Grundfragen, was es etwa bedeute, wenn zwar ein Recht auf Asyl, nicht aber auf Migration bestehe. Oder wie der Anspruch eines kulturellen Pluralismus mit den gemeinsamen Überzeugungen in einer Einwanderungsgesellschaft in ein Gleichgewicht gebracht werden könne.

Theologieprofessor Thomas: Papier ist "Ausdruck geistlicher Mutlosigkeit"

Besonders hart geht der Bochumer Theologieprofessor Günter Thomas mit der Vorlage ins Gericht. Sie sei ein "Ausdruck geistlicher Mutlosigkeit und Verweigerung von Orientierung". Wer einen Sozialstaat wolle, müsse auch hinter einem funktionierenden Nationalstaat stehen, der Grenzen ziehe, schreibt der Theologe in einer Stellungnahme, die er an alle westfälischen Kirchenkreise gemailt hat und die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt.

Wenn in jedem Fremden die Gegenwart Christi gesehen werde, werde jeder Zurückweisung an irgendeiner Grenze der Welt die theologische, moralische und politische Berechtigung entzogen, kritisiert Thomas. Er fordert eine Unterscheidung zwischen in ihrer Heimat verfolgten Flüchtlingen und Migranten, die ein besseres Leben suchen.

Der landeskirchliche Migrationsbeauftragte Helge Hohmann verteidigt hingegen den Ansatz des Diskussionspapiers. Es sei nicht Aufgabe der Kirche, Grenzen der Aufnahme von Flüchtlingen zu benennen, sagte Hohmann dem epd. Ihre Aufgabe sei es vielmehr, für legale und sichere Wege für Flüchtlinge nach Deutschland und Europa einzutreten. Die Vorlage teile bewusst nicht in "echte" Flüchtlinge und "Wirtschaftsflüchtlinge" auf. Auch Armut als Fluchtgrund habe zudem in der Regel ihre Ursachen in Kriegen, Bürgerkriegen oder dem Klimawandel.

Der Leiter des landeskirchlichen Instituts für Kirche und Gesellschaft, Klaus Breyer, sieht die Aufgabe der Kirche darin, zum friedlichen Zusammenhalt der multikulturellen Migrationsgesellschaft beizutragen. Das tue sie, indem sie für soziale Gerechtigkeit eintrete, die auch Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte einbeziehe, sagte der Theologe dem epd. "Dabei formuliert sie auch klar Grenzen der Toleranz, wo menschenfeindliche, rassistische und antisemitische Agitation betrieben wird."

Holger Spierig (epd)


Hauptvorlage der westfälischen Kirche über Migration

"Ich bin fremd gewesen, und ihr habt mich aufgenommen" - unter dieser Überschrift haben die Gemeinden, Kirchenkreise und Einrichtungen der Evangelischen Kirche von Westfalen ein Jahr lang über den Umgang mit Zuwanderern und Flüchtlingen diskutiert. Die interaktive Hauptvorlage, im Internet unter www.kircheundmigration.ekvw.de publiziert, sollte dazu anregen, die verschiedenen Aspekte des Themas kontrovers zu beleuchten. Sie bezieht aber auch klare Positionen. Auf der bis 20. November in Bielefeld tagenden Landessynode soll eine Bilanz gezogen werden.

Die Vorlage beschreibt biblische Positionen zu Flucht und Migration, benennt die Herausforderungen einer Migrationsgesellschaft und präsentiert Integrationsbeispiele aus Kirchengemeinden der 2,2 Millionen Mitglieder zählenden Landeskirche. Gerade für alteingesessene Kirchen Europas biete sich die Chance, wieder neu zu entdecken, dass die Bibel ein Buch der Erfahrungen, Erinnerungen und Hoffnungen von Migration sei.

Präses-Appell

In dem rund 60-seitigen Papier werden auch die Probleme der Integration angesprochen. Dass Menschen mit einer anderen Kultur, Religion und Sprache nach Deutschland kommen, löse manche Sorge und Befremdung aus, die nicht kleingeredet werden dürfe, schreibt Präses Annette Kurschus im Vorwort. Fremdheit dürfe nicht von vornherein als Bedrohung abgewehrt und Migration nicht ausschließlich als Problem verstanden werden.

Mit Blick auf fremdenfeindliche Angriffe wird in der Vorlage dazu aufgerufen, sich schützend vor Betroffene zu stellen. Kirchengemeinden könnten Räume für eine offene Diskussion mit Migranten zur Verfügung stellen. Christen, die aus anderen Ländern stammen, sollten in das kirchliche Leben vor Ort eingebunden werden.

Migrationsgesellschaften müssten die Bedingungen gestalten, unter denen Integration gelingen könne, heißt es in dem Text. Das sei in Deutschland lange Zeit ignoriert worden. Gefordert wird ein Einwanderungsgesetz, das ein humanes Flüchtlingsrecht ausdrücklich einschließt. Integrationsmaßnahmen müssten Flüchtlingen und Zugewanderten offen stehen.

Kritik an Abschottung der EU

Innerhalb der EU werden einheitliche Standards der Asylverfahren und soziale Teilhabe für Flüchtlinge angemahnt. Auch Deutschland trage eine Politik der Abschottung Europas im Grundsatz mit, kritisieren die Autoren der Vorlage. Sie kritisieren die Möglichkeit, Asylantragsteller bis zu 24 Monate oder auch ohne zeitliche Begrenzung in der Erstaufnahme festzuhalten. In dieser Zeit gebe es für diese Menschen keine Integrationskurse, keine Schulpflicht für Kinder und keine Arbeitserlaubnis.

Besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen soll dem Papier zufolge eine sichere Passage nach Deutschland ermöglicht werden. Als Beispiel wird das Programm "Humanitäre Korridore" in Italien genannt, das vom Bund der Evangelischen Kirchen in Italien (FCEI) und von der katholischen Gemeinschaft Sant' Egidio getragen und von der westfälischen Landeskirche maßgeblich unterstützt wird. Verteidigt wird das Kirchenasyl. Die Kirche setze sich dabei nicht über Recht hinweg, sondern setze sich in besonderen Fällen für eine erneute Prüfung ein.

Rückmeldungen liegen unter anderem von Kirchenkreisen, Gemeinden und Einrichtungen der Landeskirche vor. Vorgeschlagen werden beispielsweise mehr Dialogveranstaltungen in den Kirchengemeinden, eine stärkere Einbindung von zugewanderten Menschen in die Gemeinden, Seelsorge in zentralen Unterbringungseinrichtungen und ein umfassendes Einwanderungsgesetz.



Kurschus: Vergiftete Sprache ist Nährboden für Hass

Die westfälische Präses Annette Kurschus sieht durch Hass, Gewalt und eine vergiftete Sprache den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährdet. "Für die Morde von Halle etwa oder den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten sehe ich einen kräftigen Nährboden in der subtilen und offenen Vergiftung unserer Sprache", sagte die leitende Theologin der Evangelischen Kirche von Westfalen am 18. November vor der Landessynode in Bielefeld. Es grassiere eine "unerträgliche Maßlosigkeit und blinde Emotionalisierung". Diese Sprache habe sich in weiten Bereichen des politischen und gesellschaftlichen Diskurses eingebürgert.

Gezielte Lüge und Beleidigungen, die Herabsetzung von Minderheiten und politischen Gegnern sowie Drohungen gegen Leib und Leben von engagierten Menschen schlügen "immer öfter um in physische Gewalt bis hin zum Mord", warnte Kurschus, die auch stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist. Sie forderte eine neue Haltung der Anerkennung und Achtung für Menschen, die sich etwa als Kommunalpolitiker, Sanitäter oder Polizisten für das Gemeinwesen einsetzen.

"Wir brauchen eine neue Sorgfalt im Streit"

"Wir brauchen eine neue Sorgfalt im Streit, Respekt im Umgang und eine Sprache, die Präzision über die billige Pointe stellt und Anstand und Argument vor Anrempelung und Attacke setzt", sagte die 56-jährige Theologin vor dem Kirchenparlament. Damit die "Saat von Hass und Verunglimpfung" nicht auch vor den NRW-Kommunalwahlen im September 2020 ausgestreut wird, forderte Kurschus die Gemeinden und Kirchenkreise auf, "lokale Bündnisse zu schmieden für anständigen Streit und respektvolles Ringen". Die beteiligten Politiker, Vereine und Gruppen sollten sich zu Respekt und Fairness verpflichten und Verunglimpfungen, Drohungen und die Ausgrenzung von Minderheiten verbieten.

Alarmiert zeigte sich Kurschus in ihrem Bericht über Erfolge rechtsradikaler Parolen und einen breiten Rückhalt antidemokratischer Kräfte. "Das Vertrauen in unsere Demokratie ist bis ins Mark erschüttert, der Zusammenhalt in unserem Land und erst recht in Europa bröckelt erheblich, der Friede in unserer Welt ist empfindlich in Gefahr", sagte sie. "Das Spiel mit den Ängsten der Menschen, mit ihrer Sehnsucht nach Sicherheit, mit ihrer Suche nach überzeugenden politischen Antworten in einer überkomplexen Welt ist perfides politisches Kalkül."

Rechtspopulismus und rechtsnationaler Terror machten sich bedrohlich breit in Deutschland, beklagte die Präses, die sich nach achtjähriger Amtszeit am Mittwoch zur Wiederwahl stellt. Sie kämen in der Mitte der Gesellschaft mit Macht an die Oberfläche "und reißen andere mit hinein in ihre Dummheit und ihren Wahn". Angesichts dieser Entwicklungen müssten Christen Zivilcourage zeigen und sich mit Juden solidarisieren. Kirchen sollten Orte für konstruktiven Streit und offene Auseinandersetzung sein: "Es gilt, vor Ort mitzumischen und Gesprächsräume zu bieten für lokale und globale Themen."

Appell gegen Hass zum Auftakt

Zum Auftakt der diesjährigen westfälischen Landessynode hatte NRW-Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) am 17. November in Bielefeld zur Abgrenzung von Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit aufgerufen. "Hass ist keine Meinung", sagte er in einem Grußwort vor dem Kirchenparlament. Der rheinische Präses Manfred Rekowski wies darauf hin, dass es zu den Aufgaben der Kirche gehöre, sich gesellschaftlich und politisch einzumischen. Im Eröffnungsgottesdienst hob der Superintendent des Kirchenkreises Gütersloh, Frank Schneider, die christliche Hoffnung zum Volkstrauertag hervor.

Stamp beklagte "ein verstörendes Wiederaufflammen von Antisemitismus, von Fremdenhass". Dabei würden aus Worten Taten und aus menschenverachtender Propaganda erwachse Gewalt und Mord. "Der Anschlag von Halle hat uns dies vor einigen Wochen auf furchtbare Weise wieder vor Augen geführt", erklärte der stellvertretende NRW-Ministerpräsident laut Redetext vor dem Kirchenparlament von rund 2,2 Millionen Protestanten.

NRW-Integrationsminister: Sozialer Frieden baut auf Toleranz

Angesichts dessen sei gerade die Mitte der Gesellschaft gefordert, klare Haltung zu zeigen und auch rote Linien zu ziehen, betonte der Integrationsminister. Er fügte hinzu, die Weimarer Republik sei "auch an der Ambivalenz des Bürgertums" gescheitert. Unerlässlich für den demokratischen Diskurs und den sozialen Frieden in der Gesellschaft sei auch Toleranz gegenüber Anderen.

Rekowski erklärte vor der Synode, nach der Barmer Theologischen Erklärung sei es Aufgabe der Kirche, "an Gottes Reich, an Gottes Gebot und Gerechtigkeit und damit an die Verantwortung der Regierenden und Regierten" zu erinnern. Das Themenspektrum reiche dabei von Erziehung und Bildung bis zu Fragen nach dem gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die 1934 in Wuppertal verfasste Erklärung, die sich gegen den Einfluss Hitlers und gegen die Irrlehren der "Deutschen Christen" wandte, gilt als wegweisendes theologisches Dokument des 20. Jahrhunderts.

Superintendent Schneider sagte im Eröffnungsgottesdienst, die Hoffnung der Auferstehung reduziere den Menschen in seiner Vergänglichkeit nicht auf die Vergangenheit. In dieser Hoffnung zeige sich tiefer Respekt vor der Würde der Opfer von Gewalt und Krieg. Zugleich ermutigten die biblischen Bilder zum Leben Hier und Jetzt. "Als Christen stehen wir immer wieder zum Leben auf, üben den aufrechten Gang, weil Gott im Regiment sitzt", sagte Schneider.

Die Landessynode ist das oberste Organ der westfälischen Kirche, sie tagt in der Regel einmal im Jahr.



Lippische Synode tagt am 25. und 26. November in Detmold

Die Lippische Landeskirche plant für 2020 mit einem Haushalt von 35 Millionen Euro. Der Haushalt, den der juristische Kirchenrat Arno Schilberg der diesjährigen Landesynode in der kommenden Woche vorschlagen will, beträgt drei Millionen Euro weniger als im laufenden Jahr. "Dank der nach wie vor relativ stabilen Konjunktur wirkt sich der Mitgliederschwund aktuell kaum auf die finanzielle Situation aus", sagte Schilberg am 18. November in Detmold. Die Landessynode tagt am 25. und 26. November im Detmolder Landeskirchenamt.

Man könne derzeit nicht verlässlich sagen, wann sich die Mitgliederentwicklung konkret auswirke, betonte Schilberg. Im laufenden Jahr sei ein Verlust von 3.000 Mitgliedern wahrscheinlich.

Auf der Tagesordnung steht den Angaben zufolge auch der Bericht über die Erprobungsräume, mit denen die Landeskirche in den nächsten fünf Jahren zukunftsweisende Konzepte ausprobieren möchte. 17 Kirchengemeinden, Institutionen und Einrichtungen haben sich mit Projekten beworben, für die die Landeskirche 1,5 Millionen Euro zur Verfügung stellt.

Pop-Kantorat geplant

Landessuperintendent Dietmar Arends erläuterte, dass auf Vorschlag einer Fachgruppe zehn Projekte genehmigt werden sollten. Darunter sei beispielsweise die Einrichtung eines Pop-Kantorats, also einer Kirchenmusikerstelle für Popularmusik, für sechs Kirchengemeinden im lippischen Nordosten oder eine von mehreren Gemeinden im lippischen Norden gewünschte gemeinsame Konfirmandenarbeit.

Weitere Themen der Synodalen sind den Angaben zufolge unter anderem ein Votum zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr, drei Fusionen von Kirchengemeinden sowie die Unterzeichnung von Partnerschaftsverträgen mit der Reformierten Kirche in Rumänien (Siebenbürgischer Kirchendistrikt) und der Reformierten Kirche in Ungarn. Im Bericht des Landeskirchenrats werde Landessuperintendent Arends auf das Thema Klimagerechtigkeit eingehen sowie einen Ausblick auf das bevorstehende Fürstin-Pauline-Jahr in Lippe geben, das vor allem die Bildungsarbeit der Kirche in den Mittelpunkt rücke, hieß es.

Erste rein vegetarische Synode

Erstmals wird die Landessynode bei ihrer Tagung ausschließlich vegetarisch versorgt. Damit soll laut Synodenpräses Michael Keil ein Zeichen unter anderem für den Klimaschutz gesetzt werden.

Der Lippischen Landeskirche gehören rund 155.000 Gemeindemitglieder an. Die 69 Gemeinden (58 reformierte, zehn lutherische und eine evangelische) organisieren sich in vier reformierten und einer lutherischen Klasse. Mitglied der Landessynode sind 57 Synodale. An ihrer Spitze steht seit 2013 Dietmar Arends.



Nicht nur Zeugen


Kerstin Claus sprach auf der EKD-Synode in Dresden.
epd-bild/Heike Lyding
Zu spät, zu inkonsequent, zu verhaftet in der Perspektive der Täter: Die Aufarbeitung von Missbrauch in der Kirche stößt den Opfern immer wieder auf. Die evangelische Kirche macht einen Schritt auf sie zu. Sie will einen Betroffenenbeirat einrichten.

Für die Kirche ist es ein Wagnis. "Gratwanderung" nennt es die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs. Die evangelische Kirche will Opfer in die Aufarbeitung von Missbrauch in Gemeinden und Diakonie-Einrichtungen einbinden. "Betroffene sind Beteiligte - nicht etwa Zeugen", sagte Fehrs, Sprecherin des Beauftragtenrats der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), am 12. November bei der Synodentagung in Dresden. Dort sprach auch erstmals eine Betroffene.

Kerstin Claus macht in ihrer Rede deutlich, dass es für die Kirche ein langer Weg wird und es mindestens beim Thema Entschädigung Auseinandersetzungen geben wird. "Aufarbeitung ist kein Sprint", sagt Claus. Es gehe um eine Änderung der Haltung der Kirche.

Vor einem Jahr hatte die EKD-Synode in Würzburg das Thema Missbrauch prominent auf die Tagesordnung gesetzt. Auch wenn bis dahin in einigen Landeskirchen die Auseinandersetzung längst begonnen hatte, war es für den EKD-Verbund der Startschuss für die Aufklärung - ein später, finden die Opfer.

"Sehr erfreulicher Meilenstein"

Umso emsiger wollte die evangelische Kirche das Thema angehen: Ein Elf-Punkte-Plan wurde beschlossen. Teil davon ist die bereits eingerichtete zentrale Anlaufstelle für Betroffene. Studien zur Aufarbeitung wurden ausgeschrieben. Eine erste systematisierte Zählung begann: 770 Missbrauchsfälle sind bis heute bekannt, 60 Prozent davon in der Diakonie. Geld wurde bereitgestellt - für 2020 erneut 1,3 Millionen Euro.

In Dresden kündigt Fehrs die Gründung eines eigenen Betroffenenbeirats an. Vorbild soll der Betroffenenrat beim Unabhängigen Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung sein. Das Gremium mit zwölf Mitgliedern soll möglichst im Frühjahr 2020 starten als "kritisches Gegenüber" zur EKD, sagt Fehrs.

Der Missbrauchsbeauftragte Johannes-Wilhelm Rörig begrüßt diesen Beschluss als "sehr erfreulichen Meilenstein". Er sieht Fortschritte bei der evangelischen Kirche, aber auch weiteren Handlungsbedarf - etwa bei der Verständigung über Standards und Kriterien der Aufarbeitung, die er mit der evangelischen Kirche anstrebt. Er habe keinen Zweifel, dass eine solche Vereinbarung mit der katholischen Kirche bis Jahresende gelinge, sagt er vor der Synode. Mit den Protestanten soll sie möglichst Anfang 2020 stehen.

Unterstützung verspricht Rörig bei der Erstellung einer Dunkelfeldstudie, die die EKD auch angehen wollte. Erste wissenschaftliche Rückmeldungen zeigten aber, dass sich die Kirche allein mit der Erforschung des Dunkelfelds in allen gesellschaftlichen Bereichen übernehmen würde. Nun sucht sie Partner. Die Opfer hat sie bei dem Vorhaben an ihrer Seite: "Sexualisierte Gewalt ist ein Grundrisiko in unserer Gesellschaft", sagt Kerstin Claus vor der Synode, heißt: nicht nur in der Kirche.

"Deutungshoheit aufgeben"

Bei Bischöfin Fehrs bedankt sich Claus - und macht zugleich deutlich, dass sie das Engagement der Hamburgerin auch von anderen in der Kirche erwartet. "Stärken Sie sie", ruft sie den Synodalen zu. Persönlich an den EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm gewandt fordert sie, aus dem Versprechen, null Toleranz gegenüber Tätern und Mitwissern zu üben, Realität werden zu lassen. Das bedeute auch einen Perspektivwechsel in der Kirche: "Sie müssen Ihre Deutungshoheit aufgeben", appelliert sie an die Kirchenverantwortlichen.

Nur die Opfer könnten entscheiden, wann ihr Leid besser werde, sagt Claus. Individuelle Aufarbeitung sei höchst persönlich. Damit bezieht sie sich auf die heikle Debatte um pauschale Entschädigungsleistungen. Seit dem Herbsttreffen der katholischen Bischöfe stehen dort hohe sechsstellige Summen pro Opfer im Raum. Die evangelische Kirche will keine pauschalen Leistungen. Die Debatte um diese Summen sei eine Verkürzung des Problems, sagt der bayerische Oberkirchenrat Nikolaus Blum in Dresden.

Die Protestanten streben stattdessen individuelle Zahlungen zur Unterstützung der Betroffenen an. Aus dem Elf-Punkte-Plan ist das Thema ausgeklammert. "Das reicht nicht", sagt Claus. Sie fordert ein transparentes und einheitliches Entschädigungssystem. Der Betroffenenbeirat könnte damit schon ein erstes konfliktreiches Thema gefunden haben. Darüber müsse gesprochen werden, sagt Claus. Sie sei zunächst aber dankbar für die Öffnung hin zu den Opfern: "Das ist eine große Leistung für eine Kirche."

Corinna Buschow (epd)


Rörig: Betroffene dürfen nie wieder zu Bittstellern werden


Johannes-Wilhelm Rörig
epd-bild/Heike Lyding

Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, sieht Fortschritte im Umgang der evangelischen Kirche mit den Skandalen der Vergangenheit. Aber es gebe noch viel zu tun. Sexuelle Gewalt sei immer noch trauriger Alltag vieler Kinder und Jugendlicher, sagt Rörig im epd-Gespräch.

epd: Auf der EKD-Synode vor einem Jahr wurde ein Elf-Punkte-Plan zum Umgang mit der Missbrauchs-Problematik beschlossen. Ist die Kirche in den letzten zwölf Monaten vorangekommen?

Johannes-Wilhelm Rörig: Wichtige Schritte sind absolviert, weitere müssen aber folgen. Es sind eine zentrale Anlaufstelle eingerichtet und unabhängige Studien zur Aufarbeitung ausgeschrieben worden. Wichtig ist auch, dass ein Betroffenenbeirat bei der EKD eingerichtet werden soll. Der Beauftragtenrat, mit dem ich zusammenarbeite, ist ein stark besetztes und sehr kompetentes Gremium.

Ich kann kein uneingeschränktes Lob aussprechen, aber die Aufarbeitung hat tatsächlich Fahrt aufgenommen. Zentral ist, dass die evangelische Kirche ein verbindliches Fundament schafft für die umfassende Aufarbeitung der Missbrauchsskandale. Es darf niemals mehr passieren, dass Betroffene als Störende und Bittstellende behandelt werden. Vielmehr müssen sie Unterstützung bei der individuellen Aufarbeitung bekommen und mit starken Rechten ausgestattet werden. Das verhandeln wir ja im Moment mit dem Beauftragtenrat.

epd: Wie soll die evangelische Kirche mit Entschädigungsforderungen umgehen?

Rörig: Die evangelische Kirche wird genau wie die katholische Kirche nicht umhinkommen, eine Antwort zu geben. Die Entschädigungsfrage muss unter Einbeziehung von Betroffenen beantwortet werden. Dafür muss ein Rahmen geschaffen werden, um Vorschläge und Erwartungen, aber auch die finanziellen Möglichkeiten zu diskutieren.

Die bisherige Vorgehensweise ist ja ein bisschen intransparent. Wir wissen nicht genau, was im Einzelnen in welcher Landeskirche geleistet wurde. Diese eher individuelle Vorgehensweise für Unterstützungsleistungen sollte kritisch reflektiert werden. Ich halte allerdings auch nichts davon, einfach Zahlen in die Welt zu setzen und einen Wettbewerb um die höchste Summe zu führen.

epd: Herr Rörig, welche Botschaft möchten Sie der Synode mitgeben?

Rörig: Ich will für die dramatische gesellschaftliche Problematik sensibilisieren, dass in Deutschland tausende Mädchen und Jungen sexueller Gewalt ausgesetzt sind. Durch die digitalen Medien kommen neuartige Taten und Formen sexueller Gewalt hinzu. Wir dürfen nicht einfach so hinnehmen, dass zehn Jahre nach dem sogenannten Missbrauchsskandal sexuelle Gewalt noch immer trauriger Alltag vieler Kinder und Jugendlichen ist.

Ich möchte, dass auch durch das Engagement in evangelischen Einrichtungen erreicht wird, dass sexueller Missbrauch verhindert und so schnell wie möglich beendet wird. Dafür müssen alle hinschauen und sich für Schutz und Hilfe einsetzen: Kein betroffenes Kind darf übersehen werden. Wir wissen aus der Arbeit der Aufarbeitungskommission, wie sehr Kinder darunter leiden, wenn Mitwissende oder Vertrauenspersonen untätig bleiben und schweigen.

Bezogen auf Prävention und Intervention sowie Aufarbeitung muss die Kirche nicht nur das Maximum wollen, sondern auch das Maximum tun.

epd-Gespräch: Bettina Markmeyer


Evangelische Kirche plädiert für gewaltfreie Konfliktlösungen


Wolfram Metzig-Eisner berichtete den Synodalen von einem "Brot für die Welt"-Projekt in Kamerun.
epd-bild/Heike Lyding
Auf ihrer Jahrestagung debattiert die evangelische Kirche über Friedensethik. Die Kirche hält am Primat der Gewaltfreiheit fest. Als einen der größten Konfliktherde sieht sie den Klimawandel.

Klimawandel - aus Sicht der evangelischen Kirche ist er eine aktuelle Bedrohung für den Frieden. Die Debatte über Friedensethik steht im Zentrum der Jahrestagung des deutschen Protestantismus in Dresden. Und die Frage der Klimagerechtigkeit hat die Kirche als eine der zentralen Konfliktursachen ausgemacht.

Nach einer Prognose der Weltbank könnten bis zu 140 Millionen Menschen in Südamerika, Südasien und Subsahara-Afrika zu Binnenmigranten werden, weil ihre Heimatregionen unbewohnbar werden. Die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung - dreieinhalb Milliarden Menschen - seien für nur zehn Prozent des weltweiten Ausstoßes klimaschädlicher Treibhausgase verantwortlich, sagte Kira Vinke vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung am 11. November in Dresden vor der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und bezog sich dabei auf eine Statistik der Entwicklungshilfeorganisation Oxfam. Die reichsten zehn Prozent der Menschen auf der Erde hingegen verursachten die Hälfte der CO2-Emissionen. Während die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung nur gering zum weltweiten CO2-Ausstoß beiträgt, ist sie aber schon jetzt überproportional von Klimaschäden wie Dürrekatastrophen, Überflutungen und Luftverschmutzung betroffen.

"Christus drängt uns auf die Seite der Opfer"

Spricht die Kirche heute über Klimawandel und Nachhaltigkeit, geht es ihr nicht allein um die Bewahrung der Schöpfung, es geht - und das wird in Dresden deutlich - um eine neue friedensethische Herausforderung. Der Klimawandel gehöre in der Tat zu den neuen Konfliktkonstellationen, sagte der ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Rande der Synode. "Er ist nicht nur ein Umweltproblem, sondern zugleich ein Friedensproblem. Das ist die dramatischste Einsicht der Diskussion bei dieser Synode."

Friedensethik ist seit jeher ein Thema der Kirche. "Christus drängt uns auf die Seite der Opfer", sagte der badische Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh am Montag in einem theologischen Vortrag. Die Kirche kämpft an der Seite der Schwachen und setzt sich für die Wahrung ihrer Menschenrechte ein.

Wie sie das tun soll, hat die EKD bereits in ihrer friedensethischen Denkschrift im Jahr 2007 dargelegt. "Es gibt keine neuen Grundsatzüberlegungen zur Friedensethik", sagt Wolfgang Huber. Er war 2007 Ratsvorsitzender, als die Denkschrift veröffentlicht wurde. "Dass zur Wahrung und Wiederherstellung des Rechts unter Umständen auch der Einsatz militärischer Gewalt ethisch legitimierbar ist, diese Klärung ist bereits in der Denkschrift 2007 erfolgt", erläutert der Theologe. Der Grundsatz, militärische Mittel nur als Ultima Ratio einzusetzen, und der Primat der friedlichen Konfliktlösung sind weiterhin gültig. Darin unterscheidet sich die Position der Kirche von einem radikalen Pazifismus und trägt stärker den Charakter eines "Verantwortungspazifismus", wie es Huber bezeichnet hat.

"Du sollst nicht töten lassen"

Die Frage, wann die Weltgemeinschaft in Konflikte militärisch eingreift, war immer wieder ein innerkirchlicher Streitpunkt. Dass es dafür moralische Argumente geben kann, machte der amtierende EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm am Beispiel Ruanda deutlich. Nach seinen Besuchen in dem zentralafrikanischen Land habe er seine Einschätzung konsolidiert. Die Weigerung der UN-Verantwortlichen, den in Ruanda anwesenden UN-Soldaten zum Schutz der Menschen auch den Einsatz von Waffengewalt zu erlauben, sei im Nachhinein betrachtet "ein klares moralisches Versagen" gewesen, sagte Bedford-Strohm am Sonntag vor der Synode.

Zur Seenotrettung wiederholte er auch bei dieser Synode den Satz: "Man lässt keinen Menschen ertrinken." Genauso gilt nach den Worten Hubers aber mit Blick auf die Genozide in Ruanda und Srebrenica: "Das Gebot, du sollst nicht töten, schließt das Gebot ein, du sollst nicht töten lassen."

Gegner militärischen Eingreifens verweisen oft auf die enttäuschende Bilanz militärischer Einsätze, die erklärtermaßen mit dem Ziel der Beendigung von Menschenrechtsverletzungen geführt wurden. So steht es auch in einem Kundgebungsentwurf für Gerechtigkeit und Frieden, der am Mittwoch auf der Synode verabschiedet werden soll. Zum Thema Klimawandel dürfte es bis dahin noch die ein oder andere Änderung am Entwurfstext geben.

Franziska Hein (epd)


Evangelische Kirche: Frieden braucht Klimagerechtigkeit

Der Klimawandel wird zu einer Bedrohung für den Frieden. Er verschärft Konflikte weltweit und führt schon jetzt in Entwicklungsländern zu Armut und sozialer Ungleichheit, heißt es in einer Friedens-Kundgebung der evangelischen Kirche.

Die evangelische Kirche rückt den Klimaschutz in den Fokus christlicher Friedensethik. "Für Frieden in der Welt ist Klimagerechtigkeit eine unabdingbare Voraussetzung", heißt es in einem am 13. November auf der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Dresden verabschiedeten Kundgebungstext. Darin fordert das höchste Gremium der evangelischen Kirche die Bundesregierung auf, die Klimaschutzziele umzusetzen. Die diesjährige Jahrestagung der Protestanten hatte sich schwerpunktmäßig mit dem Thema Friedensethik befasst. Nach Ende der viertägigen Synodenberatungen war für Mittwochabend ein Gottesdienst in der Frauenkirche geplant.

Der Klimawandel entziehe Menschen die Lebensgrundlagen, heißt es in dem Text zur Friedensethik. Das führe zunehmend zu gewaltsamen innerstaatlichen und zwischenstaatlichen Konflikten sowie Migrationsdruck. So wirkten die "katastrophalen Auswirkungen des Klimawandels als Konfliktbeschleuniger". "Eine gerechtere, ressourcen-schonendere und die Würde aller Menschen achtende Weltordnung ist der wichtigste Beitrag für mehr globale Sicherheit und weniger Konflikte", erklärte das Kirchenparlament.

Mehr junge Synodale

Die Kundgebung hält am Grundsatz der evangelischen Friedensethik fest, zivilen und gewaltfreien Mitteln der Konfliktlösung den Vorrang vor militärischen Lösungen zu geben. Der Text spreche sich sehr klar für Gewaltfreiheit aus, sagte die Präses der Synode, Irmgard Schwaetzer, vor Journalisten.

Das Dokument enthält zudem die Forderung an die Bundesregierung, mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts für entwicklungspolitische Maßnahmen auszugeben. Die Forderung orientiert sich an dem Nato-Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandproduktes für Verteidigung auszugeben. US-Präsident Donald Trump hatte die Deutschen in der Vergangenheit immer wieder dazu gedrängt, das auch umzusetzen.

Die Synode beschloss außerdem, junge Menschen stärker an ihren Entscheidungen zu beteiligen. Mindestens 20 von 128 Synodalen - das sind rund 16 Prozent - dürfen in Zukunft zu Beginn ihrer Amtszeit nicht älter als 26 Jahre sein. Die Jungsynodalen erhalten das volle Antrags- und Stimmrecht und werden somit zu vollständigen Mitgliedern der Synode. Die mit der nötigen Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossene Regelung gilt ab 2020 und somit für die nächste Amtsperiode der Synode, die 2021 beginnt und sechs Jahre dauert.

222-Millionen-Euro-Haushalt

Zudem verabschiedete die Synode den Haushalt für das Jahr 2020. Alle Delegierten stimmten dem Entwurf zu. Der Haushaltsplan sieht Aufwendungen in Höhe von 222,1 Millionen Euro vor und damit 4,5 Millionen Euro mehr als 2019. Der Etat sieht unter anderem 1,3 Millionen Euro zusätzlich für die Aufarbeitung von Fällen sexuellen Missbrauchs vor. Der Haushaltsausschuss stellte mit Billigung der Synode zudem eine Million Euro als finanziellen Puffer zur Verfügung.

Im kommenden Jahr will sich die Synode angesichts der sinkenden Mitgliederzahl schwerpunktmäßig mit der Zukunft der evangelischen Kirche befassen. Eine von der EKD beauftragte Studie von Finanzwissenschaftlern der Universität Freiburg prognostiziert, dass sich die Zahl der Kirchenmitglieder bis 2060 gegenüber dem heutigen Niveau halbiert und sich das in ähnlichem Umfang auch auf die Einnahmen auswirken wird. Die EKD ist die Gemeinschaft der 20 evangelischen Landeskirchen mit derzeit rund 21,1 Millionen Protestanten. Die Synodentagung 2020 findet vom 8. bis 11. November in Berlin statt.



Enttäuschung über Friedenskundgebung der EKD-Synode

Die Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF) hat sich enttäuscht über die Friedenskundgebung der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) geäußert. "Wir haben uns in entscheidenden Punkten eine deutlichere Sprache und klarere Aussagen gewünscht", erklärte die Vorsitzende des evangelischen Friedensverbandes, Christine Busch, in Bonn. Das betreffe vor allem Forderungen nach einem Atomwaffenverbot.

Die AGDF hatte die Synode im Vorfeld ihrer Tagung in Dresden aufgefordert, einen Beschluss zur Ächtung von Atomwaffen zu fassen und die Bundesregierung aufzufordern, umgehend den UN-Atomwaffenverbotsvertrag zu unterzeichnen. In dem am 13. November von der Synode verabschiedeten Papier sei nun nur noch von einer Weiterentwicklung des Atomwaffenverbotsvertrages und einem weltweiten Moratorium zur Modernisierung der Atomwaffen die Rede, kritisierte AGDF-Geschäftsführer Jan Gildemeister.

"Da waren frühere Aussagen der EKD und ihrer Repräsentanten viel deutlicher", erklärte Busch. Auch vor einer klaren Forderung nach einem Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland habe sich die Synode gedrückt.

Die diesjährige EKD-Synode hatte sich schwerpunktmäßig mit dem Thema Friedensethik befasst. In dem Kundgebungstext stellte das Kirchenparlament vor allem die Bedeutung der Klimagerechtigkeit für den Frieden in der Welt in den Vordergrund. Die Kundgebung betont zudem den Vorrang ziviler und gewaltfreier Mittel der Konfliktlösung vor militärischen Lösungen. Mit dem Dokument fordert die Synode außerdem die Bundesregierung auf, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungszusammenarbeit auszugeben und die Klimaschutzziele aus dem Pariser Abkommen umzusetzen.



Beschlüsse der EKD-Synode

Mit einer Vielzahl von Beschlüssen sind am 13. November in Dresden die viertägigen Beratungen der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zu Ende gegangen. Ein Überblick über die wichtigsten Entscheidungen des Kirchenparlaments:

FRIEDENSETHIK: "Auf dem Weg zu einer Kirche der Gerechtigkeit und des Friedens" war das Schwerpunktthema der EKD-Synode 2019. In einer Kundgebung stellte das Kirchenparlament die Bedeutung der Klimagerechtigkeit für den Frieden in der Welt in den Vordergrund. Die Kundgebung hält an dem Grundsatz der christlichen Friedensethik fest, zivilen und gewaltfreien Mitteln der Konfliktlösung den Vorrang zu geben vor militärischen Lösungen. Mit dem Dokument fordert die Synode die Bundesregierung auf, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungszusammenarbeit auszugeben und die Klimaschutzziele aus dem Pariser Abkommen umzusetzen. Die Kundgebung wurde bei einer Gegenstimme angenommen.

BETEILIGUNG JUNGER MENSCHEN: In der Synode werden in Zukunft mehr junge Menschen sitzen. Die Delegierten des Kirchenparlaments beschlossen mit der nötigen Zwei-Drittel-Mehrheit, dass mindestens 20 von 128 Synodalen zu Beginn ihrer Amtszeit zwischen 18 und 26 Jahren alt sein müssen. Das entspricht einer Quote von rund 16 Prozent. Zudem erhalten die Jungsynodalen das volle Antrags- und Stimmrecht. Die Regelung gilt ab 2020 und somit für die nächste Amtsperiode der Synode, die 2021 beginnt und sechs Jahre dauert.

FINANZEN: Die Synode hat den EKD-Haushaltsplan für das nächste Jahr beschlossen. Der Haushalt sieht Aufwendungen in Höhe von 222,1 Millionen Euro vor und damit 4,5 Millionen Euro mehr als 2019. Für die Aufarbeitung von Fällen sexuellen Missbrauchs sind im Etat 1,3 Millionen Euro eingeplant. Der Haushaltsausschuss stellt eine weitere Million Euro als finanziellen Puffer zur Verfügung. Mittelfristig stellt sich die evangelische Kirche auf eine abnehmende Finanzkraft ein.

MISSBRAUCH: Die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen in Einrichtungen der evangelischen Kirche und der Diakonie war ein weiteres Schwerpunktthema der Synode in Dresden. Am Dienstagvormittag sprach zum ersten Mal eine Betroffene vor den Synodalen über ihre Erfahrungen. Die Synode würdigte am Mittwoch die bisherige Arbeit des Beauftragtenrats der EKD und die Fortschritte bei der Aufarbeitung wie etwa die Einrichtung der unabhängigen zentralen Anlaufstelle "help!" für Betroffene und deren Angehörige. Ungeklärt ist die Frage von Entschädigungsleistungen für Opfer sexuellen Missbrauchs. In einem einstimmig angenommen Antrag bat die Synode die 20 Landeskirchen, ein einheitliches transparentes Verfahren für materielle Leistungen zu entwickeln.

SEENOTRETTUNG: Die Synode befürwortet die Initiative des EKD-Rates, ein Schiff zur Seenotrettung ins Mittelmeer zu entsenden. Die Synodalen verabschiedeten bei vier Enthaltungen einstimmig einen Antrag, der den Rat auch auffordert, sich weiterhin gegenüber der Bundesregierung und den europäischen Institutionen für Seenotrettung und faire Asylverfahren einzusetzen. Im Haushalt der EKD ist für das Schiff kein Geld eingeplant, denn es soll ausschließlich aus Spenden finanziert werden. Am 3. Dezember startet eine Spendenaktion für das Schiff.

ASYLRECHT: In drei Beschlüssen äußerte sich das Kirchenparlament zu Fragen des Asylrechts. So wird die Einschränkung des Familiennachzugs für subsidiär Geschützte ebenso kritisiert wie eine restriktive Linie des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge bei der Überprüfung der Behördenentscheidungen zu Menschen im Kirchenasyl. An die EU ist der Appell gerichtet, die Schutzstandards in den Mitgliedsstaaten zu vereinheitlichen.

KLIMAPAKET: Schon in seinem Ratsbericht am Sonntag hatte der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm Kritik am Klimapaket der Bundesregierung geäußert. Zum Abschluss der Beratungen verabschiedete die Synode eine Erklärung, in der es heißt, dass die Maßnahmen deutlich nachgebessert werden sollten, "damit das Klimaziel für 2020 so schnell wie möglich und alle weiteren Klimaziele sicher erreicht werden". Auch plädierte das Kirchenparlament dafür, den Ausbau erneuerbarer Energien zu forcieren.

DIGITALISIERUNG: Der EKD-Digitalexperte Christian Sterzik stellte der Synode ein Projekt der Evangelischen Kirche im Rheinland vor, mit dem die Auffindbarkeit von Kirchen im Internet verbessert werden soll. Häufig werden Nutzern von Suchmaschinen und Sprachassistenten wie Alexa nur unzureichende Informationen zu den Angeboten einer nächstgelegenen Gemeinde gegeben. Das soll mit dem Digitalprojekt anders werden. Die Synodalen baten den Rat der EKD, das Projekt aus dem Rheinland auf alle Landeskirchen auszudehnen.

DEMOKRATIE LEBEN: Die Synode kritisiert in einem Beschluss, dass das Bundesprogramm "Demokratie leben!" dahingehend zugunsten kommunaler Modellprojekte verändert wurde, dass bundesweite Träger mit einem Rückgang der Fördermittel um rund die Hälfte zu rechnen hätten.

SYNODE 2020: Bei der Synodentagung im nächsten Jahr soll über die evangelische Kirche im Umbruch beraten werden. Im Mittelpunkt steht die Frage, auf welche Aufgaben sich Kirche angesichts sinkender Mitgliederzahlen und Einnahmen in den nächsten Jahren konzentrieren soll. Eine von der EKD beauftragte Studie von Finanzwissenschaftlern der Universität in Freiburg prognostiziert, dass sich die Zahl der Kirchenmitglieder bis 2060 gegenüber dem heutigen Niveau halbiert und sich das in ähnlichem Umfang auch auf die Einnahmen auswirken wird. Die Synode findet vom 8. bis 11. November 2020 in Berlin statt.



Theologe Christian Stäblein übernimmt Berliner Bischofsamt


Gottesdienst zum Bischofswechsel in der Marienkirche (v.l.): Solange Wydmusch, Mitglied der EKBO-Kirchenleitung; Markus Dröge, Synodenpräses Sigrun Neuwerth und Christian Stäblein.
epd-bild/Christian Ditsch
Seit über einem halben Jahr steht fest, dass Stäblein Bischof Markus Dröge im Amt nachfolgt. Nun wurde der 52-Jährige in einem Festgottesdienst in sein neues Amt eingeführt.

Der neue Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Christian Stäblein, ist am 16. November mit einem Festgottesdienst in sein Amt eingeführt worden. In dem Gottesdienst in der Marienkirche in Berlin wurde zugleich sein Amtsvorgänger Markus Dröge in den Ruhestand verabschiedet. Zu der Feier waren rund 700 Gäste eingeladen, darunter neben zahlreichen Bischöfen anderer Landeskirchen und Gemeindemitgliedern auch der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, und Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (beide SPD).

In seiner Predigt im Festgottesdienst rief Stäblein zu Gottvertrauen und zur Schaffung von Gerechtigkeit und Frieden im Kleinen wie im Großen auf. Der neue Berliner Bischof wandte sich zudem energisch gegen jede Form von Antisemitismus. Es dürfe nicht nachgelassen werden, "dagegen zu stehen, das laut zu machen, dass wir dagegen stehen". Es sei wichtig, gegen Angriffe mit Worten und Taten zu kämpfen.

"Gerechtigkeit und Frieden ohne Halt von Prignitz bis Görlitz bis Oderbruch, von ökumenisch bis weit über den eigenen Glauben" hinaus, seien das Ziel, betonte Stäblein: "Für eine Gesellschaft in Frieden, für Gerechtigkeit, auf die man sich verlassen kann."

"Lebenszugewandt"

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, gratulierte Bischof Stäblein zum Amtsantritt und würdigte den 52-Jährigen in seinem Grußwort als "einen intellektuell tiefgängigen, lebenszugewandten und eine große Zuversicht ausstrahlenden Theologen", der alle Voraussetzungen dafür habe, seine Kirche in die Zukunft zu führen.

Zugleich würdigte der Ratsvorsitzende den 65-jährigen Amtsvorgänger Stäbleins. "Bei vielen Themen öffentlicher Theologie war Markus Dröge als Hauptstadtbischof eine starke und profilierte Stimme", betonte Bedford-Strohm. Dröge habe es geschafft, "mit der Kraft der Argumente rechtspopulistischen Strömungen und ihren Vertretungen immer wieder Paroli zu bieten".

Der katholische Berliner Erzbischof Heiner Koch dankte Dröge in seinem Grußwort für seinen "verlässlichen ökumenischen Einsatz". Bischof Stäblein wünschte er Mut, Zuversicht und Gelassenheit bei allen Herausforderungen.

"Kontinuität im besten Sinne"

Berlins Regierender Bürgermeister Müller betonte, Dröge habe viel für das Miteinander in der Stadt getan und sich klar gegen Menschenfeindlichkeit eingesetzt. Bischof Stäblein stehe mit seinem "unbedingten Einsatz gegen Antisemitismus, Rassismus" und andere Formen der Diskriminierung für "Kontinuität im besten Sinne". Brandenburgs Regierungschef Woidke sagte, die Landeskirche und ihre Bischöfe seien "verlässliche Verbündete im Kampf für Menschlichkeit und Miteinander" und stünden für Werte, die "für unsere Gesellschaft unverzichtbar sind".

An den Feierlichkeiten nahmen auch die Frauenrechtlerin und muslimische Imamin Seyran Ates, der Rabbiner Andreas Nachama, der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime, Aiman Mazyek, und die Präsidentin der Berliner Humboldt-Universität, Sabine Kunst, teil.

Die Spenden der Kollekte im Gottesdienst wurden für medizinische Notfälle im Kirchenasyl gesammelt. Damit solle der Grundstock für einen Fonds zur finanziellen Unterstützung solcher Fälle angelegt werden, hieß es.



Sächsische Synode zwischen Ratlosigkeit und Neuanfang


Ex-Bischof Rentzing wurde mit einem Gottesdienst aus dem Amt verabschiedet.
epd-bild/Matthias Rietschel
Nach dem Bischofsrücktritt ringt die sächsische Synode um gemeinsame Positionen. Sie will auch eine neue Kultur der Kommunikation. Kritik gibt es an Petitionen.

Sie wollen eine faire Kommunikation. Darin sind sich die Synodalen der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens wohl alle einig. Welche Wege dahin führen könnten, darüber hat sich das Kirchenparlament am Wochenende auf seiner Tagung in Dresden ausgetauscht. Der Rücktritt des sächsischen Landesbischofs Carsten Rentzing sei auch ein kommunikatives Problem, heißt es.

Rentzing hatte sein Amt am 11. Oktober zur Verfügung gestellt. Kurz darauf war bekanntgeworden, dass er während seiner Studienzeit antidemokratische Texte verfasst hatte. Das Landeskirchenamt stufte diese als "elitär, in Teilen nationalistisch und demokratiefeindlich" ein. Bei seiner Verabschiedung am 15. November in Dresden distanzierte sich Rentzing von den Texten erstmals öffentlich.

Guse: Blick nach vorn richten

Verschwiegen hatte der als streng konservativ geltende Theologe auch die als Student eingegangene Mitgliedschaft in einer schlagenden Verbindung. In einer Online-Petition war der Landesbischof aufgefordert worden, sich "von allen nationalen, antidemokratischen und menschenfeindlichen Ideologien" klar zu distanzieren. Hintergrund war auch ein Vortrag von 2013, den der Theologe in der Berliner "Bibliothek des Konservatismus" hielt, die dem Umfeld der Neuen Rechten zugerechnet wird. Eine zweite Petition sprach sich nach der Rücktrittankündigung von Rentzing dafür aus, dass er im Amt bleibt.

Synodalpräsident Otto Guse appellierte an das Kirchenparlament, den Blick nun nach vorn zu richten. Etliche Synodale machten deutlich, dass Petitionen gegen Personen für sie kein Weg seien, Kontroversen zu klären. Sie seien "für die Zukunft kein Umgang unter uns, das sollten wir deutlich formulieren", sagte etwa der Synodale Christoph Apitz aus Plauen. Er wolle die "wirklichen Probleme benennen" und "nicht den Deckel darüber machen". Apitz sprach sich dagegen aus, "dass wir die Texte so rundlutschen, dass sie bei einer Abstimmung durchgehen, aber von außen als nichtssagend wahrgenommen werden".

Der Vorsitzende des sozial-ethischen Ausschusses der Synode, Gert Liebert, formulierte moderater: "Es muss sich auch darauf verständigt werden, was zur sächsischen Landeskirche nicht passt." Man müsse neben dem Glaubensbekenntnis eine gemeinsame Grundlage für die Kommunikation finden, "wenn wir gefühlte Gräben in der Landeskirche ausgleichen wollen, wenn wir nicht zurückfallen wollen". Jeder Einzelne müsse sich dafür ein Stück zurücknehmen. "Wir müssen uns aber auch klarwerden, wo Unterschiede herkommen", sagte Liebert.

"Gewisse Ratlosigkeit"

Der Superintendent im Leipziger Land, Jochen Kinder, mahnte: "Wir sollten ehrlich miteinander reden." Wenn sich derzeit "eine gewisse Ratlosigkeit breit macht", dann solle dem auch Ausdruck verliehen werden. "Dann ist derzeit nicht mehr möglich", sagte er.

Klar wurde in der Debatte auch, dass es ohne Rückblick auf die vergangenen Schock-Wochen nicht geht. "Es ist kein Normalvorgang, dass ein Bischof zurückgetreten ist", betonte der Leipziger Synodale Till Vosberg. Wenn die Landessynode danach etwas sage, solle sie sich auch auf das Ereignis beziehen.

Die 80 Synodalen wollen sich positionieren. Einen ganzen Abend lang rangen sie um eine Erklärung, über die idealerweise zum Abschluss der Tagung abgestimmt werden soll. Zwei Entwürfe liegen vor. Dabei sitzt ihnen die Zeit im Nacken. Es ist immerhin die letzte reguläre Tagung der fünfjährigen Legislaturperiode. Im Sommer tritt eine neue Synode zusammen.

Eine Arbeitsgruppe im Landeskirchenamt soll eingerichtet werden, die den Kommunikationsprozess nach dem Bischofsrücktritt begleitet. Am 18. November wollte die Synode auch darüber abstimmen. Die Projektgruppe solle sich zum Beispiel auch über Petitionen verständigen und der nächsten Landessynode ihre Ergebnisse vorlegen.

Katharina Rögner (epd)


Bischof Kramer: Keine Verzagtheit trotz Mitgliederschwund


Friedrich Kramer
epd-bild/Matthias Rietschel

Sinkende Mitgliederzahlen dürfen nach Überzeugung des neuen Landesbischofs der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland nicht zu Verzagtheit und Verdruss führen. Es habe etwas Lähmendes, wenn man nur auf den demografisch bedingten Mitgliederschwund schaue, sagte Bischof Friedrich Kramer dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der Leitende Geistliche der evangelischen Kirche in Sachsen-Anhalt und Thüringen fügte hinzu: "Es kommt vielmehr darauf an, dass wir lebendige Gottesdienste und eine gute Seelsorge machen, dass man merkt, dass Kirche was zu sagen hat." Dies hänge "nicht von Zahlen ab".

Spezialisierung der Gemeinden

Allerdings stehe seine Kirche vor der Aufgabe, Strukturen anzupassen. Dabei sprach sich Kramer für Flexibilität und Erprobungsräume aus: "Wenn wir Strukturanpassungen weiterhin machen auf der Basis Pfarrer und Gemeinde, würde das einen enormen und letztlich sinnlosen Kraftaufwand bedeuten." Er glaube, dass der künftige Weg über stärkere Spezialisierungen der Gemeinden führt. Kramer sagte: "Nach einer aktuellen Studie brennen Pfarrer nicht aus, weil sie zu viel arbeiten, sondern zu vieles." Dies sei letztlich eine Überforderung und führe zu Frust.

Seine Vision für die Landeskirche in zehn Jahren sei, dass diese dann noch eine halbe Million Mitglieder habe. Aktuell sind es noch rund 700.000 Mitglieder. Zweitens hoffe er, dass alle Kirchen erhalten werden können: "Wir sind hier Sachverwalter eines grandiosen Erbes im mitteldeutschen Raum." Die gesellschaftliche Relevanz von Kirche werde in Zeiten der Polarisierung und des Auseinanderfallens zunehmen, weil es Orientierung in der Gesellschaft brauche.

epd-Gespräch: Dirk Löhr und Jens Büttner


Scheidende Regionalbischöfin: "Tätige Nächstenliebe statt Superethik"


Susanne Breit-Keßler und Heinrich Bedford-Strohm.
epd-bild/elkb/Christian Topp

Die Münchner Regionalbischöfin, Susanne Breit-Keßler, hat bei ihrem Abschied aus dem Amt konkrete Hilfe statt "Superethik" angemahnt. Sich um Arme, Fremde, Kranke, Sterbende und Gefangene zu kümmern, müsse in einer Familie selbstverständlich sein, "auch in einer weltweiten", sagte die Theologin laut Redemanuskript am 17. November in der Münchner Lukaskirche, wo sie in den Ruhestand verabschiedet wurde. Zugleich forderte die 65-Jährige Bescheidenheit: Niemand müsse sein Handeln zu einer Art "Superethik" stilisieren, mit der er anderen "als moralischer Besserwisser auf dem Kopf herumtanzt".

In ihrer Abschiedspredigt benannte Breit-Keßler noch einmal Herzensanliegen wie den globalen fairen Handel, dem sie sich als Botschafterin des Textilsiegels "Grüner Knopf" verschrieben hat, oder den öffentlichen Widerstand gegen "den elenden Antisemitismus von links und rechts".

Empfang mit Söder und Bedford-Strohm

Auch einen Auftrag formulierte die ständige Vertreterin des Landesbischofs: "Die Bitte um Vergebung, wo homosexuelle Menschen in der Kirche Ausgrenzung und Verachtung erfahren haben - das muss noch kommen." Dazu sei tatkräftige Aufklärungsarbeit nötig, denn nur dann werde diese Bitte auch glaubwürdig.

Im Anschluss an den Gottesdienst gab es einen Empfang in der Synagoge am Jakobsplatz, zu dem auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm und die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, erwartet wurden.

Susanne Breit-Keßler repräsentierte 18 Jahre als Regionalbischöfin den Kirchenkreis München-Oberbayern mit 150 evangelischen Gemeinden und rund 500.000 Protestanten. Am 30. November geht sie in Ruhestand. Ihr Nachfolger ist der bisherige Nürnberger Dekan Christian Kopp.



Graböffnung in Mainz: Im Sarkophag lag Erkanbald


Öffnung des Sarkophags in der Johanniskirche im Juni dieses Jahres.
epd-bild/Andrea Enderlein
Wissenschaftler sind sich jetzt sicher: Die evangelische Johanniskirche war vor über 1.000 Jahren der Dom von Mainz. Der Tote aus einem Sarkophag im Kirchenschiff konnte als Erzbischof Erkanbald identifiziert werden.

Den Schlüssel zur Lösung des Rätsels brachten letztlich wohl einige dunkle Wollreste, auf denen sich kreuzförmige Verzierungen abzeichneten. Fünf Monate nach der medienwirksam inszenierten Sarkophag-Öffnung in der evangelischen Mainzer Johanniskirche steht jetzt fest: In dem Grab befand sich tatsächlich der 1021 verstorbene Mainzer Erzbischof Erkanbald. "Er ist es, um es kurz zusammenzufassen", leitet der evangelische Mainzer Dekan Andreas Klodt die Vorstellung des Forschungsberichts ein. Damit kann auch aus wissenschaftlicher Sicht als erwiesen gelten, dass St. Johannis bis ins 11. Jahrhundert hinein die Kathedrale der damals mächtigen Stadt Mainz war.

Der Sarkophag war bereits 2017 im Zuge archäologischer Grabungen mitten im Kirchenschiff entdeckt worden. Die verantwortlichen Wissenschaftler wollten unbedingt klären, wer darin bestattet wurde. Von Anfang an vertraten sie die These, es könnte sich um Erkanbald gehandelt haben. Doch die Sargöffnung im Juni brachte zunächst keine Klärung. In dem Grab waren, anders als erhofft, weder ein Bischofsring noch eine Inschriftentafel gefunden worden, die den Namen des Toten hätten preisgeben können. Und die aufgefundenen Überreste waren durch Ätzkalk fast vollständig zersetzt - eine Boulevardzeitung schrieb in dem Zusammenhang bereits vom Mainzer "Bröselbischof".

"Indizienprozess"

"Wir sind mitten in einem Indizienprozess, wo kleine Mosaiksteinchen das Ganze bilden", erklärt Forschungsleiter Guido Faccani. Der Schweizer Archäologe betont, dass noch immer nicht alle Untersuchungen abgeschlossen seien. Dennoch ließen die Funde keine andere Erklärung zu, als dass es sich tatsächlich um den Erzbischof aus dem 11. Jahrhundert handelt. So konnte die Konstanzer Anthropologin Carola Berszin einige Knochenreste genauer untersuchen. Ihren Erkenntnissen zufolge starb der in dem Sarkophag bestattete Mann im Alter zwischen 40 und 60 Jahren. Zuletzt habe er an Wohlstandskrankheiten wie Fußgicht gelitten.

Entscheidend für die Lösung des archäologischen Rätsels waren jedoch Analysen der Textilreste. Neben recht gut erhaltenen feinen Ziegenlederschuhen, wie sie auch andere Bischöfe im Mittelalter trugen, stießen die Forscher auf Reste eines sogenannten Palliums - eines vom Papst verliehenen Stoffbandes, das Erzbischöfe über ihren Gewändern trugen. Bereits am Tag der Sarkophag-Öffnung seien die Forscher darauf aufmerksam geworden, räumte Faccani ein. Sie hätten ihre Vermutung aber zunächst nicht öffentlich gemacht. "Eine erste Beobachtung muss bestätigt und abgesichert werden", sagte der Forscher. "Das ist nicht Bosheit, sondern wissenschaftlich korrekt."

Königskrönung 1002 in Johanniskirche

Weil die Bestattungsorte der Vorgänger und Nachfolger Erkanbalds bekannt sind, gibt es aus jener Epoche keinen anderen Würdenträger, der für eine Bestattung im damaligen Dom infrage kommt. Von Erkanbald wird zudem berichtet, dass er in seiner eigenen Bischofskirche bestattet wurde. Für die Stadt Mainz bringt der Forschungsbericht die Gewissheit, dass viele historische Ereignisse wie die Königskrönung von Heinrich II. im Jahr 1002 sich in der heute evangelischen Johanniskirche abspielten. Auch zu Zeiten des legendären Mainzer Bischofs Bonifatius, bekannt als "Apostel der Deutschen", war die heutige Johanniskirche im 8. Jahrhundert wohl schon Zentrum des Mainzer Bistums.

Die evangelische Kirche überlegt nach wie vor, wie sie die wohl älteste Bischofskirche nördlich der Alpen künftig nutzen will, die bislang stets im Schatten des nahe gelegenen Mainzer Martinsdoms stand. "Das ist ein Ort, der Geschichte atmet, und das soll er auch weiterhin tun", stellt Dekan Klodt klar. Überlegt werde, St. Johannis als übergemeindlichen Veranstaltungsort aufzuwerten. In jedem Fall sei die Situation der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt ganz und gar ungewöhnlich: "Zwei Dome in direkter Nachbarschaft - das soll den Mainzern erst einmal einer nachmachen."

Karsten Packeiser (epd)


Hilfswerke und Diözesen starten Kampagne zum Thema Frieden

Die katholischen Hilfswerke und Diözesen widmen sich im Kirchenjahr 2020 der Friedensarbeit. Unter dem Motto "Frieden leben. Partner für die Eine Welt" wollen sie ein Zeichen für Frieden, Versöhnung, Weltoffenheit und interreligiösen Dialog setzen, wie das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat am 17. November in Essen ankündigte. An der Aktion beteiligen sich neben der Konferenz der Diözesanverantwortlichen Weltkirche auch das Kindermissionswerk Die Sternsinger, Misereor, Renovabis sowie Missio Aachen und München.

Das Aktionsjahr beginnt am 1. Advent (1. Dezember) mit der Adveniat-Eröffnung in Freiburg und endet mit dem Weltmissionssonntag im Oktober 2020 in Mainz und Passau. Begleitet wird das Jahresthema durch das "Friedenskreuz 2020" des Eichstätter Bildhauers Raphael Graf, das durch Deutschland unterwegs sein wird, wie Adveniat ankündigte. Während der Jahresaktionen berichten Projektpartner der Hilfsorganisationen in den 27 deutschen Diözesen von ihrer Friedensarbeit in der ganzen Welt. Die Helfer stünden etwa in Afrika, Lateinamerika oder Ozeanien den Menschen zur Seite, die den Folgen von Gewalt, staatlicher Willkür, gesellschaftlichen Konflikten oder den Folgen des Klimawandels ausgesetzt seien.



Weltgebetstagskomitee: Rheinische Vertreterin neu im Vorstand

Die Delegierten des deutschen Weltgebetstags-Komitees haben einen neuen Vorstand gewählt. Bei der turnusgemäßen Wahl wurde Ulrike Göken-Huismann wiedergewählt, neu kamen Mona Kuntze und Iris Pupak in den Vorstand, teilte das Deutsche Komitee des Weltgebetstags der Frauen in Stein bei Nürnberg am 13. November mit. Pupak ist die Vertreterin der Evangelischen Frauen im Vorstand. Die Diplom-Sozialpädagogin ist bei der Evangelischen Frauenhilfe im Rheinland zuständig für den Weltgebetstag. Deren Arbeit für den Weltgebetstag begleitet die 60-Jährige bereits seit 19 Jahren.

Kuntze ist Mitglied des Forum Frauen des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland. Im Vorstand des Weltgebetstags sei die Soesterin für die kleinen Kirchen und Religionsgemeinschaften, hieß es.

Göken-Huismann ist im Bundesvorstand der Katholischen Frauen Deutschlands (kfd). Die 58-Jährige ist seit vier Jahren als Vertreterin der römisch-katholischen Frauengemeinschaft im Vorstand. Zum ökumenischen vierköpfigen Vorstand gehört außerdem Cornelia Trommer-Klimpke aus der evangelisch-methodistischen Kirche als Liaison-Person zum Internationalen Weltgebetstagskomitee, teilte das Komitee mit. Sie wurde 2018 für sechs Jahre gewählt.

Der Weltgebetstag ist nach eigenen Angaben die weltweit größte Basisbewegung christlicher Frauen. Der Gottesdienst wird jedes Jahr am ersten Freitag im März in mehr als 120 Ländern weltweit gefeiert. 2020 steht der Weltgebetstag unter dem Motto "Steh auf und geh!" und kommt von Frauen aus Simbabwe. Die Komiteesitzungen finden zweimal im Jahr statt. Sie sind die offiziellen Mitgliederversammlungen des Weltgebetstags.



Online trauern: Chat-Andacht zum Ewigkeitssonntag

Mit einer Chat-Andacht können Trauernde am Ewigkeitssonntag (24. November) auch im Internet ihrer Verstorbenen gedenken. Das Chat-Andacht im Internet ergänze das gottesdienstliche Angebot der Kirchengemeinden vor Ort, teilte die Evangelische Kirche im Rheinland in Düsseldorf mit. Das Portal "trauernetz.de" richte sich an Trauernde, die am Ewigkeitssonntag nicht an einem Gottesdienst teilnehmen können.

Angehörige und Freunde könnten im Chat namentlich auch der Menschen gedenken, die vor längerer Zeit verstorben sind, hieß es weiter. Ab sofort könnten sie deren Namen in ein digitales Trauerbuch eintragen. Während der Andacht am Sonntag würden diese im Chat eingeblendet und im Gebet vor Gott gebracht. Gehalten wird die Andacht den Angaben nach von den rheinischen Pfarrern Ralf Peter Reimann und Maike Roeber. Seit mittlerweile zehn Jahren sei die Chat-Andacht für Trauernde ein fester Ort, um an verstorbene Angehörige und Freunde zu erinnern, sagte Roeber.

Für evangelische Christen ist der Ewigkeitssonntag der Gedenktag, an dem sie sich an ihre Verstorbenen erinnern. "Trauernetz.de" ist ein gemeinsames Angebot der rheinischen Kirche, der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, der Evangelischen Landeskirche in Baden, der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers und der Evangelischen Kirche von Hessen und Nassau.



Früherer Direktor der Evangelistenschule Johanneum gestorben

Die Evangelische Kirche im Rheinland trauert um den ehemaligen Direktor der Evangelistenschule Johanneum in Wuppertal, Fritz Gaiser. Er starb in der im Alter von 87 Jahren, wie die rheinische Kirche mitteilte. Präses Manfred Rekowski würdigte den Pfarrer als sprachfähigen und überzeugenden Theologen sowie engagierten Lehrer. Als leidenschaftlichen Prediger hätten ihn viele rheinische Gemeinden erlebt. Mit seiner zugewandten Art habe er viele Absolventen der Schule geprägt, schrieb Rekowski in einem Kondolenzschreiben an die Angehörigen.

Nach seiner Ausbildung am Johanneum war Gaiser zunächst in Württemberg tätig, ehe er von 1959 bis 1964 als Dozent an die Wuppertaler Einrichtung zurückkehrte. Nach weiteren Stationen in Württemberg war der Theologe dann von 1984 bis 1995 als Direktor des Johanneums tätig.

Die Evangelistenschule Johanneum in Wuppertal bildet seit 1886 junge Menschen für den hauptamtlichen kirchlichen Dienst aus, etwa als Jugendreferenten, Stadtmissionare oder Gemeindepädagogen. Seit seiner Gründung ist die Schule ein freies Werk innerhalb der evangelischen Kirche. Das Seminar finanziert sich aus Spenden und Schulgeld.



Mehr Bundesmittel für Potsdamer Garnisonkirchturm

Seit zwei Jahren wird am neuen Potsdamer Garnisonkirchturm gebaut. Nun hat der Haushaltsausschuss im Bundestag weitere Fördermittel dafür beschlossen. Die Baustiftung freut sich, von den Gegnern kommt Kritik.

Für den Wiederaufbau des Potsdamer Garnisonkirchturms sollen nun mehr als 20 Millionen Euro Bundesmittel bereitgestellt werden. Zusätzlich zur Erhöhung der Bundesförderung von 12 auf 20,25 Millionen Euro habe der Haushaltsausschuss in seiner jüngsten Sitzung auch 750.000 Euro für eine Machbarkeitsstudie über den Wiederaufbau des Kirchenschiffs beschlossen, teilte der Haushaltsausschuss dem Evangelischen Pressedienst (epd) auf Anfrage am 15. November in Berlin mit. Für die Errichtung des Kirchturms hat die Baustiftung bisher rund 40 Millionen Euro veranschlagt.

Die Garnisonkirchenstiftung begrüßte die Entscheidung. Der Beschluss über zusätzliche Bundesmittel sei "richtig großartig", sagte Vorstand Peter Leinemann dem epd am Freitag in Potsdam: "Das ist ein großer Schritt auf die vollständige Vollendung des Turms hin." Die noch fehlenden drei bis vier Millionen Euro müssten nun aus Spenden finanziert werden. Die Stiftung konzentriere sich derzeit weiter auf den Turm, sagte Leinemann zu den Geldern für die Machbarkeitsstudie: "Aber wir freuen uns natürlich, wenn der Bund Mittel zur Verfügung stellt, um substanzielle Voruntersuchungen für ein Gebäude auf dem Grundstück des ehemaligen Kirchenschiffs anzustellen."

Kritik von Linkspartei

Neben der bereits angekündigten Aufstockung der Bundesförderung von 12 auf 18 Millionen Euro habe der Haushaltsausschuss eine sogenannte Verpflichtungsermächtigung ab 2021 über weitere 2,25 Millionen Euro für Mehrbedarf beschlossen, bestätigte das Büro der CDU-Bundestagsabgeordneten Patricia Lips in Berlin. Eine weitere Verpflichtungsermächtigung sei für die Machbarkeitsstudie für das Kirchenschiff beschlossen worden, hieß es in der Ausschussverwaltung.

Von der Linken im Bundestag kam scharfe Kritik. Mit der Erhöhung um 8,25 Millionen Euro werde die staatliche Förderung für den Wiederaufbau des Garnisonkirchturms nahezu verdoppelt, erklärte die Linken-Obfrau im Haushaltsausschuss, Gesine Lötzsch. Statt "unverfroren immer mehr Geld vom Staat" zu nehmen, sollte die Baustiftung besser "den Potsdamer Geldadel um mehr Spendenmittel" bitten. Lötzsch kritisierte zudem, dass die Garnisonkirche ein "Wallfahrtsort für die extreme Rechte" gewesen sei und dennoch gefördert wird.

Abriss 1968

Auch von den Grünen im Bundestag kam Kritik. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Erhard Grundl erklärte, die Bewilligung weiterer Mittel in Millionenhöhe für die Garnisonkirche sei "ein großer Fehler". Der Wiederaufbau sei ein "geschichtsrevisionistisches" Projekt. Grüne und Linke hatten bereits zur Bundestagssitzung vom 26. September erfolglos Anträge gegen die weitere Auszahlung von Bundesmitteln für den Garnisonkirchturm eingebracht.

Die Garnisonkirche wurde 1945 im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört und 1968 in der DDR abgerissen. Der Wiederaufbau ist vor allem wegen der Geschichte der preußischen Militärkirche umstritten. Kritiker sehen das Bauwerk als Symbol des preußischen Militarismus und des NS-Regimes. Befürworter des Wiederaufbaus betonen vor allem die Bedeutung der Barockkirche für das Stadtbild. Die evangelische Kirche will den neuen Garnisonkirchturm für Friedens- und Versöhnungsarbeit nutzen.



Missbrauch: Priester nach Verurteilung noch jahrelang im Einsatz

Trotz zweimaliger Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs ist ein Priester des Erzbistums Köln jahrzehntelang weiter seelsorgerisch tätig gewesen. Der Interventionsbeauftragte des Bistums Münsters, Peter Frings, sei im Mai auf den Fall aufmerksam geworden, teilten die Bistümer Münster und Essen am 12. November gemeinsam mit dem Erzbistum Köln mit. Der heute 85-jährige Priester wurde den Angaben zufolge bereits 1972 wegen "fortgesetzter Unzucht mit Kindern und Abhängigen" zu einer Haftstrafe und 1988 wegen sexueller Handlungen an Minderjährigen zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden.

Nach der Bewährungsstrafe arbeitete der Mann den Angaben nach von 1989 bis 2002 als Altenheimseelsorger in Köln und in seinem Ruhestand bis 2015 als Ruhestandsgeistlicher. "Dieser Fall wirft in besonders bedrückender Weise Fragen auf, die gründlich aufgearbeitet werden müssen", sagte der Interventionsbeauftragte des Erzbistums Köln, Oliver Vogt.

Akten an Kanzlei übergeben

Das Erzbistum hat das gesamte Aktenmaterial zu dem Fall nach eigenen Angaben einer Anwaltskanzlei in München übergeben. Die Juristen sollen prüfen, welche Verantwortlichen worüber informiert waren und wer für die Entscheidungen über einen weiteren seelsorgerischen Einsatz verantwortlich ist. Die genauen Untersuchungsergebnisse sollen im Frühjahr 2020 vorgestellt werden.

Man könne nicht ausschließen, dass es in allen drei Diözesen weitere Betroffene gibt, sagte Vogt. Er rief dazu auf, alle Vorfälle bei einer der beauftragten, externen Ansprechpersonen in den Diözesen melden. Die Akten aus den Bistümern seien teilweise sehr lückenhaft. Der Priester war den Bistümern zufolge seit 1960 in Köln Weidenpesch, Köln Porz, Essen-Kettwig, Bocholt/Lowick, in Münster, Recklinghausen, Moers-Asberg, im Kölner Clarenbachwerk und als Ruhestandsgeistlicher in Bochum Wattenscheid tätig.



Missbrauchsurteil: Gericht lässt Berufung von Kardinal Pell zu

Das Oberste Gericht von Australien hat am 13. November den Berufungsantrag des wegen Missbrauchs Minderjähriger verurteilten Kardinals George Pell zugelassen. Der High Court in Canberra werde voraussichtlich Anfang kommenden Jahres über den Fall entscheiden, berichtete die Tageszeitung "Sydney Morning Herald" (Online).

Der frühere Finanzchef des Vatikans hat die gegen ihn erhobenen Vorwürfe stets zurückgewiesen. Ein Berufungsgericht in Melbourne hatte einen früheren Antrag des ehemaligen Präfekten des vatikanischen Wirtschaftssekretariats auf Berufung im August abgelehnt.

Pell war im Dezember von einem Geschworenengericht wegen Missbrauchs zweier Jungen schuldig gesprochen und zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden. Seit Februar sitzt er in Haft. Der Missbrauch an zwei Chorknaben im Alter von zwölf und 13 Jahren soll sich in Pells Zeit als Erzbischof von Melbourne Ende der 1990er Jahre ereignet haben.



USA: José Gomez neuer Vorsitzender der katholischen Bischöfe

Die römisch-katholischen Bischöfe der USA haben am 12. November erstmals einen Latino zum Vorsitzenden ihrer Bischofskonferenz gewählt. Die Bischöfe stimmten Medienberichten zufolge bei ihrer Tagung in Baltimore (US-Staat Maryland) mit überwältigender Mehrheit für Erzbischof José Gomez aus Los Angeles. Der 67-Jährige war bislang stellvertretender Vorsitzender.

Der in Monterrey in Mexiko gebürtige Gomez hat unmittelbar vor seiner Wahl zu Einwanderungsfragen Stellung bezogen. Junge Migranten sollten nicht mit der Drohung einer Abschiebung leben müssen, sagte Gomez laut "New York Times". Derzeit berät das Oberste US-Gericht über das Schicksal von Hunderttausenden jungen Migranten, die als Kinder ohne gültige Papiere eingereist sind. Präsident Donald Trump will ein Schutzprogramm für diese Gruppe kippen. Etwa 40 Prozent der Katholiken in den USA sind Latinos.




Kirchenkreise

Kirchenkreis An der Agger hat neuen Superintendenten

Pfarrer Michael Braun ist der neue leitende Theologe im evangelischen Kirchenkreis An der Agger. Die Synode des Kirchenkreises wählte den Oldenburger im ersten Wahlgang in das Amt des höchsten Repräsentanten der evangelischen Kirche im Oberbergischen Kreis und im Rhein-Sieg-Kreis, wie der Kirchenkreis am 16. November mitteilte. Er soll im Februar mit einem Gottesdienst als neuer hauptamtlicher Superintendent eingeführt werden.

Das Kirchenparlament wählte Braun auf seiner Herbsttagung in Gummersbach mit 69 von 118 Stimmen. Damit setzte er sich durch gegen Michael Kalisch, Pfarrer der Kirchengemeinde Wiedenest, Thomas Seibel, Pfarrer der Kirchengemeinde Waldbröl, und Sven Waske, Leiter der Online-Redaktion der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Braun ist seit 2004 leitender Theologe des Kirchenkreises Oldenburger Münsterland und war davor Gemeindepfarrer in Löningen und Lohne. Er folgt auf Jürgen Knabe, der im Februar nach 19 Jahren aus seinem Amt als ranghöchster Vertreter der evangelischen Christen im Kirchenkreis An der Agger verabschiedet wird. Der Kirchenkreis umfasst 25 Kirchengemeinden im Oberbergischen Kreis und im Rhein-Sieg-Kreis (Windeck-Rosbach).



Dietmar Pistorius ist neuer Superintendent für Bonn

Pfarrer Dietmar Pistorius ist der neue leitende Theologe im Kirchenkreis Bonn. Die Synode des Kirchenkreises wählte auf ihrer Tagung im Haus der Evangelischen Kirche Bonn den 53-Jährigen aus Troisdorf in das Amt des höchsten Repräsentanten der evangelischen Kirche in Bonn, wie der Kirchenkreis am 16. November mitteilte. Er soll im März in der Schlosskirche in der Bonner Universität als neuer Superintendent eingeführt werden.

Die Amtszeit von Pistorius, der sich gegen die 54-jährige Bonner Pfarrerin Wibke Janssen durchsetzte, beträgt acht Jahre. Der Vater von vier Kindern ist noch Gemeindepfarrer an der Stadtkirche in Troisdorf und wird der erste hauptamtliche Superintendent im Kirchenkreis Bonn.

Pistorius folgt auf Eckart Wüster, der zum Jahresanfang in den Ruhestand geht. Wüster war den Angaben zufolge mit 20 Jahren länger als jeder Vorgänger ranghöchster Vertreter der evangelischen Christen im Bonner Kirchenkreis, in den Kommunen Bonn, Alfter und Bornheim. Er wird Ende Januar mit einem Festgottesdienst in der Kreuzkirche verabschiedet.



Kirchenkreis an Lahn und Dill unterzeichnet Vielfaltserklärung

Der evangelische Kirchenkreis an Lahn und Dill hat sich der "Wetzlarer Erklärung für ein Zusammenleben in Vielfalt" angeschlossen. "In einer Zeit, in der einzelnen Menschen oder ganzen Personengruppen aufgrund irgendeiner Überzeugung, Herkunft oder Orientierung Hass entgegenschlägt und sie damit in ihrer Menschenwürde missachtet werden, halten wir es für dringend geboten, ein Zeichen für Vielfalt zu setzen", sagte der stellvertretende leitende Pfarrer des Kirchenkreises, Jörg Süß. Gott habe alle Menschen zu seinen Ebenbildern gemacht. Deshalb unterstütze der Kirchenkreis alle Bemühungen, die sich dafür einsetzten, dem Rechnung zu tragen.

"Die Europäische Menschenrechtskonvention, das Grundgesetz und damit unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung sind unser gemeinsames Fundament", heißt es in der Erklärung. Diese bildeten Kompass und Rahmen des Handelns. "Jeder Mensch ist mit seinen Talenten und Möglichkeiten einmalig." Die Unterzeichner setzten sich für Rahmenbedingungen ein, in denen sich jeder Mensch bestmöglich entfalten und gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen könne. Zudem betonten sie, sich ausdrücklich gegen Ausgrenzung, Diskriminierung, Rassismus, Hass und Gewalt zu wenden.

Süß gehört den Angaben zufolge zu den Erstunterzeichnern bei einer Vielfaltskonferenz im Wetzlarer Rathaus. Ausrichter der Konferenz war das Freiwilligenzentrum Mittelhessen mit dem Arbeitskreis "Engagierte Stadt". Zu den Unterzeichnern zählen Vertreter aus Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft und Politik.



Kirchenkreis Koblenz beschließt Resolution gegen Antisemitismus


Mann mit Kippa
epd-bild/Christian Ditsch

Die Synode des evangelischen Kirchenkreises Koblenz hat eine Resolution gegen Antisemitismus und judenfeindliche Angriffe beschlossen. Sie habe sich damit eine Resolution der evangelischen Kirchengemeinde Oberwinter zu eigen gemacht, teilte der Kirchenkreis mit. Diese werde in allen Gottesdiensten des Kirchenkreises am Buß- und Bettag sowie in der Öffentlichkeit bekannt gegeben.

"Die Synode des Evangelischen Kirchenkreises Koblenz nimmt mit größter Sorge zur Kenntnis, dass in unserem Land in offener und in dreister Form antisemitische und judenfeindliche Angriffe vehement zunehmen", heißt es in der Resolution. Gemeinden sollten allen Formen von antisemitischen Taten und Äußerungen sowohl in als auch außerhalb der eigenen Reihen entgegentreten. Bildungseinrichtungen und politisch Verantwortliche sollten mehr Präventionsmaßnahmen realisieren. "In den Schulen, in Gruppen und Kreisen unserer Gemeinden, darf es kein Verdrängen oder Verharmlosen antisemitischer Vorfälle geben", beschloss die Synode.

"Wir ermutigen dazu, geeignete Zeichen der Solidarität und der Pflege guter Beziehungen zu jüdischen Nachbarinnen und Nachbarn zu setzen", heißt es in der Resolution. "Wir wollen uns stärker dafür einsetzen, dass die Mitglieder der jüdischen Gemeinschaften unsere Kirchengemeinden als Orte von spürbarer Solidarität erfahren, in denen ihnen Christinnen und Christen mit Respekt und Anerkennung begegnen."



Köln-Süd mit neuem Konzept gegen sexuelle Übergriffe

Der evangelische Kirchenkreis Köln-Süd hat bei seiner Synode ein Schutzkonzept gegen sexuelle Übergriffe beschlossen. Die 82 Synodalen hätten das Konzept zur Prävention sexualisierter Gewalt und zum Umgang mit Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung einstimmig verabschiedet, teilte der Kirchenkreis mit. Das Papier wurde den Angaben zufolge im Frühjahr an alle Gemeinden geschickt.

Nach der Einarbeitung einiger Änderungswünsche und der nun erfolgten Beschlussfassung soll es eine gedruckte Neuauflage geben, die den Gemeinden zur Verfügung gestellt wird. Die Evangelische Kirche im Rheinland hatte Ende Oktober ein öffentliches Schuldbekenntnis abgelegt. "Unsere Kirche ist schuldig geworden, weil in ihr Täter geschützt wurden", sagte Vizepräses Christoph Pistorius.

Bis 2030 müssen sieben Pfarrstellen abgebaut werden

Die Synode nahm auch die Pfarrstellenplanung in den Blick: Den Angaben zufolge muss der Kirchenkreis bis 2030 sieben Pfarrstellen abbauen. Superintendent Bernhard Seiger appellierte bei der Kreissynode vergangenes Wochenende an die Gemeinden, gemeinsame Strategien zu entwickeln, wie der Kirchenkreis mitteilte. Die Stellenzahl wird in den kommenden elf Jahren von 24,5 auf 17,5 sinken.

Der Finanzausschuss stellte den Synodalen zudem die Haushaltsplanung vor. Für 2020 sind Ausgaben von rund 753.000 Euro, Erträge von 763.500 Euro und Rücklagen-Entnahmen von 66.400 Euro geplant. Der Kirchenkreis geht demnach von einem Bilanzergebnis in Höhe von 76.900 Euro aus.

Das Gremium wählte zudem den Hürther Pfarrer Jan Ehlert zum Synodalbeauftragten für Informations-Technologie. Als Schwerpunkttehma für die kommenden beiden Jahre wurde die Taufe festgelegt. Der Kirchenverband Köln und Region habe dazu eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Die Synode beschäftigte sich zudem mit dem kirchlichen Engagement gegen Antisemitismus und der Bewahrung der Schöpfung, vor allem mit Blick auf den Klimawandel: Die Kirchengemeinden müssten sich über den eigenen Anteil am Klimaabdruck im Klaren sein und "zum Beispiel in Bezug auf die Energiebilanz unserer Gebäude, unsere Verantwortung stärker wahrnehmen", sagte der Superintendent.

Zum Kirchenkreis Köln-Süd gehören 16 Gemeinden mit etwa 65.800 Gemeindemitgliedern.



Kirchenkreis Köln-Nord unterstützt Schiff von EKD und Sea-Watch

Der evangelische Kirchenkreis Köln-Nord spendet 10.000 Euro an die Rettungsaktionen im Mittelmeer von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und dem Seenotrettungsverein Sea-Watch. Auf ihrer Herbstsynode stimmten die Abgeordneten dafür, den geplanten Verein der EKD für ein Schiff zur Seenotrettung zu unterstützen, wie der Kirchenverband mitteilte. Sollte die Idee bis Ende Juni nicht umgesetzt werden, geht die Spende an Sea-Watch.

Auf der Tagung in der evangelischen Stadtkirche am Pariser Platz wurde zudem der Jahresabschluss 2018 des Kirchenkreises vorgelegt. Die Gesamtbilanz lag den Angaben zufolge bei rund 3,46 Millionen Euro mit einem Überschuss von knapp 150.000 Euro, der zum größten Teil an die Gemeinden geht. Außerdem spendet der Kirchenkreis 7.500 Euro an das Projekt "Armenbetten" des Diakonischen Werkes Köln und Region für Menschen ohne Krankenversicherung.

Die Synode verabschiedete zudem ein Schutzkonzept gegen sexuelle Gewalt, das einen Maßnahmenkatalog, Interventionsleitfaden und wichtige Anschriften für Betroffene enthalten soll. Die Kirchengemeinden sollen bis spätestens 31. März 2021 eigene Schutzkonzepte erarbeiten, wie das Kirchenparlament beschloss.

Für die anstehenden Presbyteriumswahlen am 1. März kündigte der Kirchenkreis einen Presbytertag am 16. Mai an. Die nächsten Kreissynoden finden am 9. Juni und am 14. November statt.



Kreissynode Solingen über Diakonie, Seenotrettung und Zukunft

Der Evangelische Kirchenkreis Solingen hat sich auf seiner Herbstsynode schwerpunktmäßig mit der Diakonie beschäftigt. Zudem unterzeichnete Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) die "Potsdamer Erklärung" und damit den Beitritt der Stadt Solingen zum Bündnis "Städte Sicherer Häfen", wie der Kirchenkreis mitteilte. Damit habe Kurzbach im Namen des Stadtrates einer Bitte der Synode aus der vorherigen Tagung entsprochen. Solingen setzt sich als Teil des Bündnisses für Initiativen und Hilfen zur Aufnahme in Seenot geratener geflüchteter Menschen ein.

Superintendentin Ilka Werner warb in ihrem Bericht dafür, einen Teil der gemeindlichen Verantwortung und Finanzkraft auf den Kirchenkreis zu verschieben. Vor dem Hintergrund des fortschreitenden Abbaus von Pfarrstellen sollten nicht einzelne Gemeinden allein die Verantwortung für langfristiges finanzielles Engagement tragen, erklärte Werner. Stattdessen könne die Gemeinschaft der Gemeinden mehr Verantwortung übernehmen. Auf Bitte des Kreissynodalvorstandes diskutieren die Gemeinden in ihren Presbyterien über diesen Vorschlag, wie es hieß. Eine Entscheidung soll in den kommenden fünf Jahren getroffen werden.

Das Kirchenparlament mit 70 Synodalen verabschiedete außerdem den Haushalt für 2020. Er umfasst den Angaben zufolge für die Arbeit des Kirchenkreises und seines Diakonischen Werkes Ausgaben in Höhe von 5,48 Millionen Euro. Es würden Einnahmen in Höhe von 5,35 Millionen erwartet - das Defizit solle aus Rücklagen ausgeglichen werden. Nach den Worten von Rainald Rasemann vom Kreissynodalvorstand waren trotz geplanter Defizite in den vergangenen Jahren die Bilanzen ausgeglichen oder konnten mit einem kleinen Plus abgeschlossen werden.

Die Synode beschloss zudem, bei der Kirchenleitung die Wiederbesetzung der hauptamtlichen Superintendentinnenstelle ab 2021 zu beantragen, wie der Kirchenkreis mitteilte. Werners Amtszeit laufe im Frühjahr 2021 aus, sie habe bereits angekündigt, zur Wiederwahl zu kandidieren.



Kirchenkreis Iserlohn stärkt diakonischen Bereich

Der Evangelischen Kirchenkreis Iserlohn richtet seine Finanzsatzung neu aus. Auf der jüngsten Herbstsynode in Iserlohn beschlossen die rund 120 anwesenden Delegierten einstimmig, dass ab kommenden Jahr zehn Prozent der zugewiesenen Kirchensteuereinnahmen vor der satzungsmäßigen Bedienung der Haushalte für diakonische und gemeindediakonische Aufgaben bereitgestellt werden, wie der Kirchenkreis mitteilte. "Wir wollten unserer Finanzsatzung eine Vision geben, nach dem Grundsatz 'Geben vor Nehmen'", erklärte Superintendentin Martina Espelöer.

Das neue Verteilsystem begünstigt den Angaben nach die sozialen Dienste der Diakonie Mark-Ruhr und die Kirchengemeinden vor Ort gleich stark. Dabei solle vor allem die Unterstützung von Bedürftigen gewährleistet und gestärkt werden, et darunter Mittagstische und Kleiderkammern sowie Institutionen wie Bahnhofsmission, Flüchtlings- und Wohnungslosenhilfe. Dies beinhalte sowohl gemeindediakonische Aufgaben, könne aber auch die finanzielle Mitunterstützung von Personal des sogenannten Kirchlichen Feldes bedeuten, erklärte der Kirchenkreis.

Mehreinnahmen von 990.000 Euro

"Wir verstehen unseren Auftrag als Kirche darin, diakonisch zu handeln", betonte Espelöer. Das solle sich bei der Gestaltung neuer Konzeptionen genauso deutlich zeigen wie im Alltag des Gemeindelebens vor Ort und eben auch in der Verteilung des Finanzhaushaltes. Wichtig sei ihr auch, dass es sich nicht um ein Antragswesen handelt: "Es soll spürbar sein, dass mehr Geld da ist!", sagte die Superintendentin. Der Kirchenkreis setze hier auf die Beteiligung und Eigenverantwortung der Gemeinden vor Ort.

Die Kreissynodalen beschäftigten sich zudem mit der Haushaltsplanung. Laut Verwaltungsleiter Bernd Göbert hat der Kirchenkreis Iserlohn hat für das Jahr 2018 Kirchensteuereinnahmen in Höhe von 13,6 Millionen Euro erhalten. Damit hätten die Zuweisungen aus den Kirchensteueraufkommen um rund 990.000 Euro über den Erwartungen gelegen. Rund 860.000 Euro gehen an die Kirchengemeinden, etwa 80.000 Euro an die Synodalen Dienste wie zum Beispiel das Jugendreferat und rund 50.000 Euro an die Diakonie.

Die Prognose zeige, dass weiterhin ein sparsames und sorgfältiges Haushalten notwendig sei, hieß es. So würden die Kostensteigerungen bei den Kindertageseinrichtungen oder der Gebäudeerhaltung durch die Kirchensteuern nur noch knapp gedeckt.

Mehr Klimaschutz als Ziel

Weiteres Thema war der Klimaschutz. Angeregt durch die "Fridays for Future"-Bewegung rufen die Kreissynodalen dazu auf, das nachhaltige Engagement zu verstärken. Bis zum 31. März 2020 können Ideen eingereicht werden, wie im Kreiskirchenamt und in den 25 Kirchengemeinden weiter an Plastikmüll gespart oder der Fleischkonsum reduziert werden kann. Dabei sollen laut Kirchenkreis auch ethische Fragen berücksichtigt werden. So könne durch den Einsatz digitaler Medien zwar Papier gespart werden. Doch erfolge der Abbau von Rohstoffen für Batteriezellen und Akkus im Kongo unter extrem schlechten und menschenunwürdigen Bedingungen, hieß es.



Kreissynode Obere Nahe verabschiedet Konzeption

Die Synode des evangelischen Kirchenkreises Obere Nahe hat eine Konzeption für den Kirchenkreis verabschiedet. Wesentliches Merkmal der Konzeption sei, dass sie "den Auftrag der Kirche, Gottes Wort auszurichten an alles Volk, reflektiert und interpretiert", sagte Superintendentin Jutta Walber. Dazu gehöre auch, dass Menschen unterschiedliche Bedürfnisse, Lebensweisen und Lebensfragen hätten. Kirchenkreis und Gemeinden wollen den Angaben zufolge unter dem Motto "Kirche mit dir" unterwegs sein. Die Konzeption werde noch redaktionell bearbeitet und solle am 6. Juni 2020 auf der Frühjahrssynode im Wortlaut beschlossen werden.

Walber betonte, dass Heimat im Wandel sei und es zur Herausforderung gehöre, diesem zu begegnen. Kirche solle zwar weiter im Dorf bleiben, jedoch müsse sie dies beispielsweise über vernetztes Arbeiten untereinander oder Kooperationen über die Grenzen des Kirchenkreises, der Evangelischen Kirche oder der Institution Kirche hinweg. "Jede Gemeinde sollte ihr ganz spezifisches Profil herausbilden können, mit dem sie sich unterscheidet und die anderen bereichern kann", sagte die Superintendentin. Es sei zudem wichtig, dass Kirche auch für diejenigen präsent sei, die nicht mehr selbstverständlich mit Kirche verbunden seien.

Die Geschäftsführerin des Diakonischen Werks, Ilona Schlegel, stellte bei der Kreissynode ein Haushaltskonsolidierungskonzept vor. Aus den drei Standorten der Diakonie in Idar-Oberstein soll den Angaben zufolge einer werden. Zudem werde der Betreuungsverein aufgelöst und die dortige Mitarbeiterin wechsele in den Kirchlichen Sozialdienst. In Kooperation mit dem Kirchenkreis werde sie ein Projekt starten, welches verbindliche Strukturen und Rahmenbedingungen für Ehrenamtliche schaffe, hieß es.



Kirchenkreis Düsseldorf startet Bürgergutachten

Mit einem Bürgergutachten will der Evangelische Kirchenkreis Düsseldorf Erkenntnisse für den eigenen Erneuerungsprozess gewinnen. "Die Zeit ist vorbei, in der etwas Innovationspuderzucker oder aufgeregte Neuformatierung kirchlicher Veranstaltungsformate ausreichend scheinen", sagte Superintendent Heinrich Fucks bei der Kreissynode am 16. November. "Es gilt grundsätzlich zu werden!"

Für das Gutachten mit dem Titel "Religion und Glaube in der Stadt" sollen 200 Bürgerinnen und Bürger befragt werden. Der Kirchenkreis möchte herausfinden, wie Menschen dazu bewegt werden können, sich nicht von der Kirche zu entfernen und wie es gelingen kann, sie als Mitglieder zu gewinnen.

Heike Schneidereit-Mauth zur neuen Skriba gewählt

Zur neuen Skriba des Kirchenkreises wurde Pfarrerin Heike Schneidereit-Mauth gewählt. Seit Oktober war die Theologin bereits kommissarisch in dem Amt tätig. Schneidereit-Mauth leitete ab 2018 die Abteilung Verkündigung und war zuvor 20 Jahre als Klinikpfarrerin an der Uniklinik Düsseldorf im Dienst. Zur ersten Stellvertreterin der Skriba wurde Elisabeth Schwab, Pfarrerin der Emmaus-Kirchengemeinde, gewählt. Der zweite Stellvertreter ist nun Pfarrer Ralf Breitkreuzt von der Luther-Kirchengemeinde.

Zudem steht eine Neustrukturierung des Kirchenkreises an. Die einzelnen Abteilungen und die dazugehörigen Fachausschüsse sollen, bis auf den Fachausschuss Finanzen, zukünftig wegfallen. Mit einer Änderungssatzung wurde nun das Regelwerk für den Finanz-Ausschuss angepasst. In einer zweiten Änderungssatzung will die Synode im Juni 2020 die verschiedenen synodalen Beteiligungsformen, die an die Stelle der Fachausschüsse treten werden, in die Satzung des Kirchenkreises aufnehmen.

Für die Sanierung von Dach und Turm der Johanneskirche in der Innenstadt will der Kirchenkreis zudem eine Kapital-Kampagne starten, um die Voraussetzung für erfolgreiche Fundraising-Maßnahmen zu schaffen. Ziel ist es, einen Großteil der Kosten in Höhe von zehn Millionen Euro durch Spenden zu finanzieren.

epd-West nf



Kirchenkreis Essen: Gemeinden haben 2020 weniger Geld zur Verfügung

Fast alle evangelischen Kirchengemeinden im Kirchenkreis Essen müssen 2020 mit weniger Geld auskommen. Da die Zahl der Gemeindemitglieder kontinuierlich zurückgehe, müssen die meisten Gemeinden einen teilweise deutlich geringeren Gesamtzuweisungsbetrag aufstellen, wie der Kirchenkreis nach der Kreissynode am 16. November in Essen mitteilte. 2018 zählte der Kirchenkreis nach eigenen Angaben rund 136.400 Mitglieder, 2017 waren es noch 139.300 Mitglieder. Der Zuweisungsbetrag pro Gemeindemitglied liege 2020 bei 91,41 Euro (2019: 90,53 Euro). Um ein strukturelles Defizit zu vermeiden, seien neue Strategien zur Senkung der Kosten nötig.

Zwar sei bei den frei verfügbaren Mitteln des Kirchenkreises für 2020 eine leichte Steigerung auf 24,52 Millionen Euro zu erwarten (2019: 24,32 Millionen). Das reiche allerdings nicht aus, um die Personalkostensteigerung und die gestiegenen Umlagekosten aufzufangen. Den 27 Kirchengemeinden stehe ein Anteilssatz von knapp 77 Prozent zu. Für 2020 sind das den Angaben zufolge rund 18,58 Millionen Euro (2019: 18,51 Millionen).

Kooperationen erwünscht

Superintendentin Marion Greve betonte in ihrem Jahresbericht die Bedeutung der gemeinsamen Suche nach innovativen Wegen, die neue Formen kirchlicher Gemeinschaft ermöglichen könnten. Kooperationen über alle kirchlichen Ebenen und zwischen den Gemeinden müssten gefördert und auch neue, außerkirchliche Partner gewonnen werden. Als Positivbeispiele nannte sie etwa die Gründung des offenen Zentrums "60plus" gemeinsam mit der Stadt Essen in der Gemeinde Altenessen-Karnap und den Start des "Forums für inklusive Kultur" im Gemeindezentrum auf der Billebrinkhöhe in Bergerhausen.

Der Synodalvorstand im Kirchenkreis Essen hat zudem Mittel aus dem Innovationsfonds für zwei weitere Projekte bereitgestellt. Mit dem Geld soll unter anderem eine Mehrgenerationen-Mitmachkirche und eine Initiative zur Auseinandersetzung mit Kirche, Kunst und Glauben entwickelt und umgesetzt werden.

Das Jahresthema der Kirchenkreises für 2020 soll laut Greve eine aktuelle Kampagne der Diakonie in Deutschland aufgreifen. Es lautet "Die Kunst des Zuhörens in 'unerhörten' Zeiten."

Der Leiter der Alten Synagoge in Essen appellierte bei der Synode zudem an die Kirchengemeinden und Dienste des Kirchenkreises, Rechtsstaat und Demokratie entschieden gegen einen wachsenden Antisemitismus zu verteidigen.



Kirchenkreis Saar-West stimmt Gründung von Kitaverband zu

Die Synode des evangelischen Kirchenkreises Saar-West hat wie zuvor der Kirchenkreis Saar-Ost für die Gründung eines gemeinsamen Verbands für die Kindertagesstätten gestimmt. Bereits 2012 hatten sich die meisten der evangelischen Kitas zu einem Verbund Evangelischer Kindertagesstätten im Saarland zusammengeschlossen, wie der Kirchenkreis mitteilte. Dieser habe 400 Mitarbeitende und betreue knapp 2.000 Kinder in 31 Kitas. Der Verbund werde nun in einen Verband umgewandelt, der von den Kirchenkreisen getragen werde. Er soll den Angaben zufolge am 1. Januar 2021 seine Arbeit aufnehmen. Alle Kirchengemeinden beteiligten sich über eine Umlage an der Finanzierung.

In seinem Synodenbericht forderte Superintendent Christian Weyer die Synodalen auf, trotz "beunruhigender Zeiten" ruhig zu bleiben und weiter zu machen, bei dem, was Christen seit Jahrhunderten praktizierten: "Nämlich für die Menschen da sein und ihnen Halt, Orientierung und Gemeinschaft bieten."

Weyer sprach sich zudem für die Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen bei der Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer aus. "Solange die Regierungen Europas und die Europäische Gemeinschaft kollektiv unfähig sind, den Flüchtenden und Migrierenden eine sinnvolle Perspektive und möglicherweise auch eine Alternative zu bieten, müssen sich andere um diese Menschen kümmern", sagte er.

Die 111 Delegierten aus den 26 Kirchengemeinden beschlossen den Angaben zufolge auch, die übergemeindliche Jugendarbeit neu zu strukturieren. Künftig erhalte jede Kirchengemeinde einen der fünf Jugendreferentinnen und Jugendreferenten als Ansprechpartner. Der Haushalt für das Jahr 2020 sieht insgesamt Ausgaben von rund 868.000 Euro vor.



"Kirche draußen im Advent" ab Ende November in Wetzlar

Der evangelische Kirchenkreis an Lahn und Dill lädt ab 28. November wieder zur Aktion "Kirche draußen im Advent" auf den Schillerplatz in Wetzlar ein. Der Kirchenstand biete neben Geschenkartikeln auch kreiskirchlichen Initiativen und Einrichtungen die Möglichkeit, sich zu präsentieren, teilte der Kirchenkreis mit. So stellten sich beispielsweise am 1. Dezember der Namibia- und der Botswanaausschuss vor, am 12. Dezember die Notfallseelsorge. Zudem treten den Angaben zufolge Chöre aus der Region auf.

Eine vom Kirchenkreis verantwortete Krippenausstellung gebe es in diesem Jahr nicht, hieß es. Stattdessen präsentierten Kirchengemeinde und Förderverein der Unteren Stadtkirche eine Ausstellung zu portugiesischen und spanischen Krippen.



"Stolpersteine" erinnern an zwei Bochumer Pfarrer

In Bochum erinnern weitere "Stolpersteine" des Künstlers Gunter Demnig an Menschen, die im Nationalsozialismus verfolgt, ermordet oder deportiert wurden. Am 11. November verlegte Demnig insgesamt 16 Steine mit Namen und Daten in den Boden vor Gebäuden im Stadtgebiet, wie die Evangelische Stadtakademie Bochum mitteilte. Die Stadtakademie übernahm die Patenschaft für zwei der Steine vor der Pauluskirche zur Erinnerung Pfarrer Albert Schmidt (1893-1945) und Pfarrer Hans Ehrenberg (1883-1958).

Schmidt und Ehrenberg waren den Angaben nach zuletzt als Pfarrer der Altstadtgemeinde tätig. Schmidt wirkte von 1926 bis 1938 an der Christuskirche, Ehrenberg von 1925 bis 1938 an der Pauluskirche. Beide Pfarrer gehörten zu den führenden Persönlichkeiten der Bekennenden Kirche.

Die Stolpersteine sind ein Projekt des Kölner Künstlers Gunter Demnig, der europaweit bisher mehr als 70.000 dieser Denkmale verlegt hat. Die im Bürgersteig eingelassenen Gedenktafeln aus Beton tragen auf der Oberseite eine zehn mal zehn Zentimeter große Messingplatte, die mit dem Namen und den Lebensdaten des Opfers beschriftet ist. Sie werden vor dessen letzten Wohnort verlegt. "Paten" der Stolpersteine sind Angehörige und Nachfahren der NS-Opfer, aber auch Vereine, Schulen oder Kirchengemeinden.



Siegener Theologe erhält Schleiermacher-Predigtpreis

Der Siegener Pastor Sebastian Rink erhält am 20. November im sächsischen Herrnhut den Schleiermacher-Predigtpreis der Evangelischen Brüder-Unität. Mit der Auszeichnung geehrt werden zudem die Predigten von der niederländischen Theologin Elske Cazemier und von Meike Waechter aus Berlin, wie die evangelische Freikirche in Herrnhut mitteilte. Die Preise werden im Gottesdienst zum Buß- und Bettag in Herrnhut überreicht. Sie sind mit 250 Euro (1. Platz) und 185 Euro (2. Platz) dotiert. Der dritte Preisträger erhält einen Herrnhuter Stern.

Die Brüder-Unität hatte die Auszeichnung erstmals 2018 zum 250. Geburtstag des evangelischen Theologen Friedrich Schleiermacher (1768-1834) ausgelobt. Geehrt würden Predigten, "die dialogisch, auf der Höhe der Zeit und sprachlich kreativ und anschlussfähig sind", hieß es. In diesem Jahr wurden den Angaben zufolge 40 Predigten aus zehn evangelischen Landes- und Freikirchen in Deutschland, Österreich und den Niederlanden eingereicht.

Schleiermacher wurde als Jugendlicher durch Herrnhuter Frömmigkeit geprägt. Er gilt als einer der wichtigsten evangelischen Theologen des 19. Jahrhunderts. Anlässlich der Preisverleihung findet vom 19. bis 21. November in Herrnhut eine Schleiermacher-Tagung statt.




Gesellschaft

Nach Halle: Jüdische Einrichtungen stärker geschützt


Polizeiwagen vor der Synagoge in Halle, zwei Tage nach dem Anschlag.
epd-bild/Steffen Schellhorn
Rund fünfeinhalb Wochen nach dem Anschlag in Halle ist der Schutz von Synagogen und jüdischen Einrichtungen in fast allen Bundesländern erhöht worden. Der Präsident des Zentralrats der Juden nennt den Schritt "überfällig".

Die Polizei hat nach dem antisemitischen Anschlag in Halle in fast allen Bundesländern den Schutz von Synagogen und anderen jüdischen Einrichtungen verstärkt. Wie eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) unter den Innenministerien der Länder ergab, wurde teilweise die Polizeipräsenz vor Synagogen erhöht. Die Gespräche mit jüdischen Gemeinden vor Ort wurden intensiviert. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, nannte den verstärkten Schutz jüdischer Einrichtungen "überfällig".

Baulich-technische Sicherheitsmaßnahmen für Synagogen und Gemeindehäuser sind laut epd-Umfrage zudem in vielen Bundesländern auf Aktualität und erforderliche Anpassungen überprüft worden. Alle Ministerien verwiesen jedoch darauf, dass sie aus polizeitaktischen Gründen keine konkreten Angaben über Art und Umfang der Schutzmaßnahmen machen könnten, etwa zur Zahl der Polizisten im Einsatz. Nach einer bundesweit einheitlichen Dienstvorschrift unterliegen alle Maßnahmen des Personen- und Objektschutzes der Geheimhaltung.

Regelmäßige Überprüfungen

In Sachsen-Anhalt, wo der Anschlag stattfand und Kritik laut wurde, dass die Synagoge in Halle nicht unter Polizeischutz stand, sind die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt worden. In den vergangenen Wochen hätten außerdem intensive Gespräche mit den jüdischen Gemeinden stattgefunden, hieß es.

Zentralratspräsident Schuster reagierte erfreut auf den verstärkten Schutz jüdischer Einrichtungen, kritisierte den Schritt aber zugleich als verspätet. "In Halle hat sich der fehlende Polizeischutz an der Synagoge bitter gerächt", sagte Schuster dem epd. Für den Zentralrat ist laut Schuster künftig die Nachhaltigkeit der Maßnahmen und deren Finanzierung entscheidend. "Daher werden wir gemeinsam mit unseren Gemeinden in regelmäßigen Abständen überprüfen, wie es um den Schutz bestellt ist", sagte er. "Wo Nachbesserungen notwendig sind, werden wir das anmahnen."

Die Maßnahmen zum Schutz jüdischer Einrichtungen werden laut epd-Umfrage unter anderem in den Bundesländern in Berlin, Thüringen, Saarland, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg regelmäßig überprüft sowie aktualisiert. Ein Sprecher des saarländischen Innenministeriums betonte: "Im Saarland werden alle Anstrengungen unternommen, um jüdisches Leben weiterhin in Frieden und Sicherheit zu gewährleisten."

Die Schutzmaßnahmen reichen beispielsweise in Berlin und NRW bis zu einem sichtbaren Schutz rund um die Uhr mit Polizisten vor Ort. Einem Bericht von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) zufolge schützen Polizisten 29 jüdische Einrichtungen rund um die Uhr. Nach dem Anschlag in Halle hatte sein Ministerium die für die Schutzmaßnahmen zuständigen Kreispolizeibehörden beauftragt, die Gefährdung der jeweiligen Einrichtung neu zu beurteilen. Mindestens halbjährlich überprüfen die Beamten in NRW ihre Einschätzung zur Sicherheitslage und den Maßnahmen, wie es hieß.

Zusätzliches Geld

In Hessen haben die Regierungsfraktionen CDU und Grüne zudem angekündigt, die Mittel für den Schutz jüdischer Einrichtungen im Haushalt für das kommende Jahr um 5,5 Millionen Euro zu erhöhen. Auch in Niedersachsen will sich der Kultusminister für weitere Gelder einsetzen.

Bei dem Anschlag in Halle am 9. Oktober hatte ein schwer bewaffneter Mann zwei Menschen erschossen und auf der Flucht zwei weitere schwer verletzt. Der Täter hatte zuvor erfolglos versucht, in die Synagoge einzudringen. Der 27-Jährige handelte nach eigener Aussage aus antisemitischen und rechtsextremistischen Motiven. Nach Einschätzung der Behörden wollte er in der Synagoge ein Blutbad anrichten.



Antisemitische Vorfälle: Beauftragter Klein fordert Meldesystem


Felix Klein
epd-bild/Christian Ditsch
Vor fünf Wochen wollte ein schwer bewaffneter Täter in Halle eine Synagoge stürmen. Er tötete zwei Menschen. Der Antisemitismusbeauftragte Felix Klein spricht von einer Zäsur und fordert mehr Rechtsmittel gegen Judenfeindlichkeit.

Ein dezentrales bundesweites Meldesystem soll nach Willen des Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, künftig mehr Erkenntnisse für den Kampf gegen Judenfeindlichkeit liefern. "Wir haben es heute mit einem neuen, neu erstarkten Antisemitismus zu tun", sagte er am 13. November in Berlin. Daher müssten überall in Deutschland Strukturen geschaffen werden, um solche Vorfälle zu dokumentieren und Betroffenen zu helfen. Als Vorbild nannte Klein die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS Berlin). Hass auf Juden könne besser bekämpft werden, wenn er durch zusätzliche Daten erst mal sichtbarer gemacht werde.

Es bedürfe in Deutschland einer Kultur der staatlichen und gesellschaftlichen Sanktionierung von Antisemitismus, fügte der Beauftragte für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus hinzu, der seit Mai 2018 im Amt ist. Er verwies auf den Anschlag Anfang Oktober in Halle. Diese Tat sei ein "Einschnitt", nach dem die antisemitische Bedrohung von niemandem mehr ignoriert werden könne. Zwei Menschen seien getötet worden und die jüdische Gemeinschaft nur haarscharf einem Massaker entgangen. Bei dem antisemitisch motivierten Anschlag hatte der schwer bewaffnete Täter am 9. Oktober vergeblich versucht, während eines Gottesdienstes in die Synagoge zu gelangen.

Kritik an EuGH-Urteil

Klein beklagte, dass Juden heute wieder auf offener Straße beschimpft, bespuckt und bedroht würden, in sozialen Medien werde völlig enthemmt gegen sie agitiert. Er setzt sich daher dafür ein, dass im Strafgesetzbuch der Paragraf 46 um antisemitische Motivationen erweitert wird. Der Paragraf gebe Richtern die Möglichkeit, Straftaten besonders scharf zu ahnden, wenn diese aus politischem Hass begangen würden. Bisher werden in den "Grundsätzen der Strafzumessung" lediglich "rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende" Beweggründe explizit genannt.

Kritik übte der Antisemitismusbeauftragte an dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Kennzeichnungspflicht für Produkte aus israelischen Siedlungen in den besetzten Gebieten. "Das Urteil ist ein klassischer Fall für doppelten Standard. Israel wird anders behandelt als andere Nationen", sagte er der "Bild"-Zeitung. Ihm jedenfalls seien keine Bemühungen der EU bekannt zur Kennzeichnung von Produkten aus anderen umstrittenen Gebieten, etwa von der Krim oder aus der Westsahara. Das höchste europäische Gericht hatte am Dienstag geurteilt, dass es gegen EU-Recht verstoße, wenn die Lebensmittel lediglich die Herkunftsangabe "Israel" aufweisen, da die 1967 besetzten Gebiete völkerrechtlich nicht zum Staat Israel gehörten.

Jüdisch-muslimisches Dialogprojekt

Am 12. November hatte sich Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) indes mit Vertretern jüdischer Gemeinden getroffen, um sich über Sicherheitsfragen auszutauschen. Bei dem Treffen sei vereinbart worden, künftig regelmäßig an einem Runden Tisch über den Schutz jüdischer Einrichtungen zu beraten, teilte das Innenministerium im Anschluss mit. "Für ein lebendiges und unbeschwertes jüdisches Leben in Deutschland müssen Staat und Gesellschaft noch enger zusammenwirken", stellte der Minister demnach fest.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland zog derweil eine positive Zwischenbilanz eines jüdisch-muslimischen Dialogprojekts. Unter dem Titel "Schalom Aleikum" würden seit gut sechs Monaten Gesprächsrunden zwischen jüdischen und muslimischen Vertretern der Zivilgesellschaft veranstaltet, die gemeinsam über konkret bestehende Vorurteile diskutieren, sagte Zentralratspräsident Josef Schuster in Berlin. Es handle sich um das erste bundesweite Projekt dieser Art. Bislang gab es im Rahmen von "Schalom Aleikum" Veranstaltungen mit insgesamt fast 150 Teilnehmern in Berlin, Würzburg, Leipzig und Osnabrück.



Düsseldorfer Juden diskutieren über das Ausreisen

Nach Halle und den jüngsten Wahlen wächst die Verunsicherung in den jüdischen Gemeinden. Die Düsseldorfer Gemeindemitglieder diskutieren, wann sie ausreisen. Die NRW-Antisemitismusbeauftragte fordert, die Verfolgung von Hassrede im Netz zu stärken.

Die Mitglieder der drittgrößten jüdischen Gemeinde Deutschlands, der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf, konkretisieren offenbar Ausreisepläne. Es sei nicht mehr die Frage, ob man bleibe, sagte ihr Direktor, Michael Szentei-Heise, der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (12. November). Vielmehr diskutiere man die Frage, wann man gehen solle. Die nordrhein-westfälische Antisemitismusbeauftragte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger forderte konkretes Handeln. "Dazu gehört es, Antisemitismus mit allen Mitteln des materiellen Rechtsstaats zu verfolgen - im Internet wie in der realen Welt", teilte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd) am 12. November mit.

Auch der Gemeindevorsitzende Oded Horowitz hatte dem Bericht zufolge beim Gedenken an die Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 Verantwortliche in jüdischen Gemeinden dazu aufgerufen, ihren Mitgliedern dringend ans Herz zu legen, "Deutschland zu verlassen, so lange es noch geht". Mit weiterem Erstarken rechtsextremer Bewegungen bleibe Juden nur die Flucht aus dem Land, zitierte ihn die Zeitung. Sonntagsreden reichten nicht mehr aus. Die 130.000 Juden in Deutschland könne man binnen zwei Wochen ausfliegen, sagte der Vorsitzende.

Antisemitismusbeauftragte: Hetze im Netz stärker verfolgen

Leutheusser-Schnarrenberger erläuterte, laut Umfragen denke schon länger etwa die Hälfte der jüdischen Bevölkerung in Deutschland über Migration nach. Der Anschlag von Halle und die Wahlergebnisse in Sachsen, Brandenburg und Thüringen hätten für weitere Verunsicherung gesorgt. "Nicht nur Jüdinnen und Juden sollten davon alarmiert sein, sondern wir alle", betonte sie.

Sie sei mit Vertretern der jüdischen Gemeinden im Gespräch und stimme völlig zu, dass Sonntagsreden, Signale und schöne Worte durch konkretes Handeln abgelöst werden müssten. "Ich plädiere dafür, Stellen zu stärken, die sich aktiv für eine Verfolgung strafrechtlich relevanter Äußerungen im Netz einsetzen." Das Dezernat "Hasskriminalität im Internet" der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime (ZAC) in Köln müsse nicht nur personell, sondern auch rechtlich gestärkt werden, forderte die Landesbeauftragte. Dafür sei eine gesetzlich verankerte Auskunftspflicht nach dem Marktortprinzip nötig: Konzerne mit Hauptsitz im Ausland könnten sich dann bei strafrechtlichen Ermittlungen nicht mehr einfach herausreden und Informationen verweigern.

"Das ist mehr als reine Symbolpolitik, weil dadurch bei bekennenden Antisemiten, aber auch in der gesamten Zivilgesellschaft deutlich wird, dass der Staat Antisemitismus nicht bagatellisiert, sondern verfolgt", sagte Leutheusser-Schnarrenberger. Jüdinnen und Juden gehörten in unsere Gesellschaft. "Das muss klar von uns allen so gelebt werden."



Bundestag: AfD-Politiker als Ausschussvorsitzender abgewählt

Der Rechtsausschuss des Bundestags hat seinen Vorsitzenden, den AfD-Politiker Stephan Brandner, abgewählt. Die Ausschussmitglieder aller Fraktionen außer der AfD stimmten am 13. November zu Beginn ihrer Sitzung einem Abberufungsantrag zu, wie der Bundestag in Berlin mitteilte.

Die Obleute von Union, SPD, FDP, Linken und Grünen im Rechtsausschuss hatten Ende vergangener Woche die Abwahl Brandners beschlossen. Vorausgegangen war eine Entscheidung des Geschäftsordnungsausschusses des Bundestags, wonach die Geschäftsordnung des Parlaments die Abberufung eines Ausschussvorsitzenden zulässt. Brandner ist in der 70-jährigen Geschichte des Bundestages der erste Ausschussvorsitzende, der abgewählt wird. Die AfD-Fraktion hatte sich zuvor geweigert, Brandner von dem Posten zurückzuziehen.

Tweets zu Halle und Lindenberg

Der AfD-Abgeordnete hatte nach dem rechtsextremistischen Anschlag mit zwei Toten in Halle einen Tweet geteilt, in dem zwischen "deutschen" Opfern und denen in Moscheen und Synagogen unterschieden wurde. Zuletzt hatte er behauptet, der Rocksänger Udo Lindenberg habe das Bundesverdienstkreuz zum Lohn für seine Kritik an der AfD bekommen und hatte dies bei Twitter mit dem Hashtag "Judaslohn" versehen.

Die übrigen Fraktionen im Ausschuss erklärten, die Zusammenarbeit mit Brandner sei durch dessen Äußerungen und seine fehlende Bereitschaft zur Mäßigung belastet. Er lasse keine Einsicht erkennen und sei für das Amt des Vorsitzenden des Rechtsausschusses ungeeignet.



Kennzeichnungspflicht: Israels Botschafter kritisiert EuGH-Urteil

Der israelische Botschafter in Deutschland, Jeremy Issacharoff, hat das Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Kennzeichnungspflicht für Produkte aus israelischen Siedlungen in den besetzten Gebieten scharf kritisiert. Die Entscheidung hebe Israel aus anderen umstrittenen territorialen Konflikten hervor und trage nicht zu einer ausgehandelten politischen Lösung bei, sagte Issacharoff der Zeitung "Die Welt" (13. November). Das Urteile diene "lediglich als Instrument in der politischen Kampagne gegen Israel". "Wir fordern Deutschland auf, diese fehlerhafte Entscheidung nicht umzusetzen", sagte Issacharoff.

Das höchste europäische Gericht hatte geurteilt, dass Produkte aus den besetzten Gebieten in allen EU-Ländern als solche gekennzeichnet werden müssen. Es verstoße gegen EU-Recht, wenn die Lebensmittel lediglich die Herkunftsangabe "Israel" aufweisen, erklärten die Richter in Luxemburg. Da die 1967 besetzten Gebiete völkerrechtlich nicht zum Staat Israel gehörten, müsse als Herkunftsangabe daher die jeweilige Region und, wenn die Waren dort aus einer israelischen Siedlung kommen, auch der Herkunftsort genannt werden.



Volkstrauertag: Mutiges Eintreten gegen Rechtspopulismus gefordert


Kriegsgräber auf dem Südfriedhof in Köln
epd-bild / Jörn Neumann
Zum Volkstrauertag spricht der Präsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge Wolfgang Schneiderhan über aufkeimenden Rechtspopulismus in Deutschland - und warnt vor einer Revision der Geschichte.

Der Präsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Wolfgang Schneiderhan, hat die deutsche Bevölkerung dazu aufgerufen, sich Rechtspopulisten mutig entgegenzustellen. "Wir erleben in unserem Land gerade wieder, dass aus Hasspropaganda Hass und aus Hass Mord wird", sagte der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr am 17. November bei der zentralen Gedenkveranstaltung zum Volkstrauertag im Bundestag. Es müssten nicht nur die Straftäter verurteilt, sondern auch den geistigen Brandstiftern entgegengetreten werden. Im Mittelpunkt der Gedenkfeier stand die Erinnerung an den Beginn des Zweiten Weltkrieges vor 80 Jahren.

Die Toten, derer am diesjährigen Volkstrauertag gedacht werde, müssten die letzten Kriegstoten in Europa bleiben, forderte Schneiderhan. "Um das sicherzustellen, müssen wir in unseren Gesellschaften denen deutlich entgegentreten, die die Lehren und Erfahrungen der Geschichte revidieren wollen, die diesen ungeheuren Zivilisationsbruch des Zweiten Weltkriegs als kleinen Betriebsunfall einer tausendjährigen deutschen Heldengeschichte darstellen wollen", sagte er.

"Nicht abwenden"

Die Methode der Populisten sei die Provokation, "immer eingeleitet mit einem: Man wird doch wohl noch sagen dürfen", sagte Schneiderhan. Natürlich dürfe viel gesagt werden, auch Unsinniges, "aber die Anständigen in unserem Land, und das ist die große Mehrheit, sollten sich nicht abwenden und damit zulassen, dass die Grenzen des Sagbaren immer weiter ins Unmenschliche verschoben werden".

Der ehemalige Stadtpräsident von Breslau, Rafal Franciszek Dutkiewicz, der bei der Veranstaltung die Gedenkrede hielt, rief ebenfalls dazu auf, "die Welle des Populismus und des Nationalismus zu brechen, die auch durch Europa rollt." Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erinnerte im Totengedenken an alle Opfer von Krieg und Gewalt.

An der Gedenkfeier nahmen auch der Vizebundestagspräsident Wolfgang Kubicki (FDP), der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth, sowie verschiedene Botschafter, Abgeordnete und Vertreter der Religionsgemeinschaften teil. Der Landesjugendchor Brandenburg begleitete die Gedenkstunde in Kooperation mit dem Kammerchor Adoramus aus der polnischen Grenzstadt Slubice musikalisch. Davor legte der Bundespräsident zusammen mit Vertretern von Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat und Bundesverfassungsgericht an der zentralen Gedenkstätte, der Neuen Wache in Berlin, Kränze für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft nieder.

Gedenken an Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft

Bei einer weiteren Gedenkfeier zum Volkstrauertag auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee warnte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, vor einer schleichenden Gewöhnung an Rechtspopulismus, Rechtsextremismus und Antisemitismus. Es sei eine Verpflichtung gegenüber den Toten zweier Weltkriege und gegenüber den ermordeten Juden in der NS-Zeit, sich nie an solche Zustände zu gewöhnen.

Am Volkstrauertag gedenkt Deutschland der Toten von Krieg und Gewaltherrschaft. Der Volkstrauertag war auf Anregung des Volksbundes 1952 wieder eingeführt worden. Seine Ursprünge gehen bis in das Jahr 1922 zurück. Der Gedenktag wird jedes Jahr zwei Wochen vor dem ersten Advent begangen. Der Volksbund kümmert sich im Auftrag der Bundesregierung um die Gräber von etwa 2,7 Millionen Kriegstoten auf 832 Soldatenfriedhöfen in 45 Staaten.



Bundesregierung genehmigt wieder mehr Rüstungsexporte

Nach dem Rückgang im vergangenen Jahr gibt es bei den Rüstungsexportgenehmigungen wieder einen deutlichen Anstieg. Bis zum 31. Oktober wurden nach vorläufigen Zahlen Genehmigungen mit einem Wert in Höhe von rund 7,4 Milliarden Euro erteilt, wie aus der Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums auf eine schriftliche Frage der abrüstungspolitischen Sprecherin der Linksfraktion, Sevim Dagdelen, hervorgeht. Im gesamten Jahr 2018 lag dieser Wert noch bei 4,8 Milliarden Euro, ein Jahr zuvor bei 6,2 Milliarden Euro.

Genehmigt wurden laut der Antwort, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt, "Kriegswaffen" im Wert von etwa 2,3 Milliarden Euro und "sonstige Rüstungsgüter" im Wert von knapp 5,1 Milliarden Euro. In 56 Einzelfällen mit einem Gesamtwert von knapp 16 Millionen Euro wurde die Erteilung der Genehmigungen abgelehnt.

Dagdelen warf der Bundesregierung eine "Durchwinke-Praxis" vor. "Fast jeder Antrag ist ein Treffer", sagte sie. "Wer einen Waffenexport beantragt, bekommt ihn genehmigt." Sie forderte ein "gesetzliches Verbot" von Rüstungsausfuhren.

Restriktionen für Exporte nach Saudi-Arabien

Bei Menschenrechtlern und Kirchen stoßen vor allem Rüstungsexporte an Staaten auf Kritik, die am Jemen-Krieg beteiligt sind. Derzeit gibt es Restriktionen für Rüstungsausfuhren nach Saudi-Arabien. Noch bis zum 31. März 2020 dürfen genehmigte Rüstungsexporte nicht nach Saudi-Arabien ausgeliefert und grundsätzlich auch keine Neuanträge für Lieferungen in das Königreich genehmigt werden.

Deutschland hatte erstmals im Oktober 2018 nach der Ermordung des kritischen Journalisten Jamal Khashoggi beschlossen, keine Genehmigungen mehr für Rüstungsexporte in das Land zu erteilen. Die Bundesregierung verlangt eine umfassende Klärung des gewaltsamen Todes Khashoggis in der saudi-arabischen Botschaft in der Türkei. Davor gehörte das streng islamische Königreich noch zu den Hauptabnehmern deutscher Rüstungsgüter.

Dennoch könnte Deutschland in diesem Jahr bei den Rüstungsexporten den jüngsten Rekordwert aus dem Jahr 2015 erreichen. Damals wurden Einzelausfuhrgenehmigungen in Höhe von mehr als 7,8 Milliarden Euro erteilt.



Unternehmer Friedhelm Loh mit LutherRose geehrt

Der Unternehmer Friedhelm Loh ist mit der diesjährigen LutherRose der Internationalen Martin Luther Stiftung ausgezeichnet worden. Der undotierte Preis für gesellschaftliche Verantwortung und Unternehmer-Courage wurde ihm am 16. November im Rahmen der zwölften LutherKonferenz in Berlin überreicht. Die Festrede zum Thema "Familienunternehmen - (ein) Modell für die Zukunft" hielt der frühere Bundeswirtschaftsminister und SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel. Loh ist Inhaber und Vorstandsvorsitzender der gleichnamigen Unternehmensgruppe mit etwa 12.000 Mitarbeitern und Hauptsitz im hessischen Haiger.

Loh habe in beispielgebender Weise mit seinem Leben und beruflichen Wirken die reformatorische Tradition von Freiheit und Verantwortung für das Gemeinwohl eingesetzt, hieß es. Sein Engagement als Spender und Stifter - etwa im Vorstand des Bibellesebundes, als Stiftungsratsmitglied der Stiftung Volkenroda sowie als Kuratoriumsmitglied von ProChrist und Christival - stehe wie seine Unterstützung sozialer und karitativer Einrichtungen für sein gesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein als Christ und Unternehmer.

Zum zwölften Mal verliehen

Die Luther-Rose wurde in diesem Jahr zum zwölften Mal verliehen. In den vergangenen Jahren wurden unter anderem der Unternehmer und Kaufmann Horst Deichmann, der Verleger Dirk Ippen und die Verlegerin Ulla Unseld-Berkéwicz mit dem Preis ausgezeichnet.

Das Preis-Symbol bilde eine wertvolle Reproduktion eines Details des mittelalterlichen Glasfensters (um 1310) aus der Erfurter Augustinerkirche. Dieses Fenster mit einer Rose zwischen zwei Löwen soll Martin Luther während seiner Zeit als Augustinermönch (1505-1511) buchstäblich täglich vor Augen gestanden und ihn zu seinem Familienwappen und Siegel inspiriert haben. Die Lutherrose ist zu einem wichtigen Symbol des weltweiten evangelisch-lutherischen Christentums geworden.

Familienunternehmen waren auch Thema der Podiumsdiskussion, mit der die LutherKonferenz 2019 eröffnet wurde. Der Geschäftsführer der Stiftung, Stefan Heidbreder, sagte mehr als 90 Prozent der deutschen Unternehmen befänden sich im Familienbesitz. Sie stellten fast 60 Prozent aller Arbeitsplätze und erwiesen sich auch in konjunkturell schwierigen Zeiten als stabilisierender Faktor auf dem Arbeitsmarkt. "Sie sind sie damit der prägende Unternehmenstypus in Deutschland."

Gabriel lobt Familienunternehmen

In seiner Festrede betonte der frühere Bundeswirtschaftsminister Gabriel, Familienunternehmen würden der Verpflichtung durch Eigentum in besonderer Weise gerecht. Er fügte hinzu: "Dafür sind wir Friedhelm Loh und den deutschen Familienunternehmen zu Dank verpflichtet."

Die am 10. November 2007 in Wittenberg errichtete Internationale Martin Luther Stiftung hat ihren Sitz in Eisenach und ihre Geschäftsstelle im Erfurter Augustinerkloster. Sie will nach ihrem Selbstverständnis die Impulse der Reformation in einen Dialog zwischen Kirche, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik einbringen.



Wuppertal Institut will Winzern im Rheingau helfen


Weinlese im Oktober
epd-bild / Gustavo Alabiso
Vertrocknete Ernten, Borkenkäfer, Totholz - Probleme von Landwirten und Waldbauern durch den Klimawandel sind in der öffentlichen Debatte angekommen. Doch auch den sonnenabhängigen Winzern setzt der Klimawandel zu. Experten aus Wuppertal helfen.

Auch wenn Weinreben grundsätzlich auf Sonne angewiesen sind, so setzen die Folgen des Klimawandels auch zunehmend den Winzern zu. Starkregen und Hagel, zu viel Sonne und trockene Böden können zu Einbußen bei der Qualität und der Lese führen. Damit die Weinbauern sich rechtzeitig auf die Auswirkungen des Klimawandels einstellen beziehungsweise Strategien dagegen umsetzen können, wurde in diesem Frühjahr ein Modellprojekt im hessischen Rheingau gestartet, an dem sich auch das renommierte Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie beteiligt.

Das Projekt zur Klimaanpassung in Weinbau-Landschaften am Beispiel des Rheingaus wird vom Bundesumweltministerium finanziell unterstützt. Fördermittel in Höhe von 300.000 Euro stellt der Bund zur Verfügung, einschließlich des Eigenanteils der Projektpartner beläuft sich die Gesamtsumme auf 590.000 Euro. Träger des Projekts sind neben dem Wuppertal Institut die Stadt Eltville (Rheingau-Taunus-Kreis) und die Hochschule Geisenheim University, die ihren Lehrbetrieb im Oktober 1872 als "Königlich Preußische Lehranstalt für Obst- und Weinbau" aufgenommen hat.

Der Rheingau hat ein Weinbaufläche von knapp 3.200 Hektar. Unter den 13 Weinbauregionen in Deutschland liegt er damit an achter Stelle. Das größte Weinbaugebiet befindet sich in Rheinhessen und hat eine Größe von 26.500 Hektar.

Klimawandel setzt Weinbau zu

Der Weinanbau sei ein empfindliches System, in dem sich die Einflüsse des Klimawandels deutlich widerspiegelten, erklärt Carolin Baedeker, stellvertretende Leiterin der Abteilung Nachhaltiges Produzieren und Konsumieren beim Wuppertal Institut. So setzen nach Angaben von Eckhard Jedicke, Leiter des Instituts für Landschaftsplanung und Naturschutz sowie des Kompetenzzentrums Kulturlandschaft der Hochschule, Trockenheit, Starkregen und Bodenerosion den Weinhängen zu. Zwar seien die Winzer bislang bis auf einzelne Erosionsereignisse noch vergleichsweise gut mit den Auswirkungen des Klimawandels zurechtgekommen, doch wenn man in die Zukunft vorausschaue, könne man schon mit größeren Problemen rechnen, betont der Professor.

Hier will das bis April 2022 laufende Projekt ansetzen. "Die Weintrauben dürfen nicht zu hohen Temperaturen ausgesetzt sein, sonst hat man Rosinen", sagt die wissenschaftliche Mitarbeiterin Barbara Bernard der Hochschule Geisenheim. Zudem haben die steigende Temperaturen bereits dafür gesorgt, dass die Lese der Weintrauben deutlich früher erfolgt: Zwischen 1955 und 2017 sei die Weinlese um 24 Tage nach vorn gerückt, erklärt Jedicke.

Das Projekt verfolgt mehrere Zielrichtungen. So soll gemeinsam mit den Akteuren der Region ein Netzwerk "KLiA-Net Weinbau" gegründet werden, das sich künftig einmal im halben Jahr treffen soll. Eine Auftaktveranstaltung für das Netzwerk ist am Mittwoch auf der Kurfürstlichen Burg Eltville geplant.

Empfehlungskatalog

Überdies sollen den Weinbauern Maßnahmen vermittelt werden, mit denen der Weinbau sich besser auf die verändernden Klimaverhältnisse einstellen kann. Das könnte dann zum Beispiel eine andere Form der Terrassierung der Weinhänge oder auch die Einrichtung von mehr Grünstreifen zwischen den Hängen sein, betont Jedicke. Auch eine naturnahe Entwässerung könnte eine Maßnahme sein, mit denen sich die Winzer auf Ereignisse wie Starkregen einstellen könnten.

"Über 40 Maßnahmen" zur Klimaanpassung im Weinbau habe man bislang zusammengestellt, sagt Jedicke. Die Empfehlungen sollen das Ökosystem verbessern und die Biodiversität fördern. Das Wuppertal Institut setzt dabei auf das Konzept der sogenannten Reallabore: "Die aktive und am Bedarf orientierten Einbindung der Akteure des Netzwerkes bei der Entwicklung der Maßnahmen ist entscheidend für die Passgenauigkeit", betont Carolin Baedeker.

Neue Züchtung könnte hitzeresistente Trauben hervorbringen

Eine Maßnahme zur Klimaanpassung könnte auch die Züchtung neuer Trauben sein, die mit starker Hitze besser auskommen. Wobei der Rheingau bislang vor allem als Anbaugebiet des Rieslings bekannt ist - einer Traubenart, die hohe Temperaturen nicht so gut verkraftet wie etwa Rotweine der Traubenarten Syrah oder Merlot. Die Verlegung der Weinberge an Orte, die besser vor der Sonne geschützt sind, ist dagegen nach Angaben von Jedicke keine Alternative. Bei der Anlage eines Weinberges gehe man von einem Investitionszeitraum von 40 bis 50 Jahren aus, kurzfristige Ortsveränderungen seien deshalb kaum möglich.

Die Unterstützung der Weinbauern ist dabei auch eine Form der regionalen Wirtschaftsförderung, lebt die heimische Hotellerie und Gastronomie doch vom Weinbau und dem darum entstandenen Tourismus. Die Stadt sei deshalb an dem Projekt beteiligt, sagt der Bürgermeister von Eltville, Patrick Kunkel (CDU). Die Region lebe vom Weinbau und sei davon geprägt. Kunkel erwartet, dass durch das Vorhaben ein "Öko-Dienstleistungskatalog" erstellt wird, der aufzeigt, wie die Winzer mit den Folgen des Klimawandels zurechtkommen und zugleich nachhaltig wirtschaften können.

Die im Rahmen des Projekts aufgelisteten Maßnahmen sollen dabei über die Region hinausweisen und in anderen Weinbauregionen eingesetzt werden können, sagt Jedicke. Überdies sollen die Methoden auch auf Agrarsysteme in den Bereichen Obst-, Gemüse- und Ackerbau übertragbar sein.

Michael Bosse (epd)


Was tun mit Opas Grabmal?


Wiederverwertung alter Grabsteine
epd-bild/Timm Schamberger
Wenn ein Grab aufgelöst wird, müssen Angehörige auch entscheiden, was mit dem Grabstein werden soll. Möglichkeiten gibt es viele - nicht nur als "Secondhand-Grabstein" mit neuer Inschrift. Allerdings ist manchmal Vorsicht geboten.

Johannes bietet einen "naturbelassenen grünlichen Grabstein" zur Selbstabholung an. Nicole verkauft ein Grabmal aus braunem Granit: "Müsste nur gereinigt und die Schrift abgemacht werden." Und Bonny will einen "alten antiken Grabstein" aus grauem Granit loswerden - "ein ganz schweres Teil". Zu Dutzenden werden ausgemusterte Grabsteine im Internet angeboten. Juristisch spricht nach Ablauf der jeweiligen Ruhefrist im Prinzip nichts gegen eine Zweitverwertung - und auch theologisch nicht.

Der Vertrag für das Familiengrab läuft aus, wird nicht verlängert, also wird es aufgelöst - sprich: Die Friedhofsverwaltung vergibt die Grabstätte in der Regel neu. Bleibt die Frage: Wohin mit dem Grabstein? Angehörige haben verschiedene Möglichkeiten. Menschen, für die er einen hohen ideellen und emotionalen Wert hat, können ihn als Erinnerung sogar in ihren Garten stellen. Manchmal kann man ihn auch von einem Steinmetz aufarbeiten lassen, um ihn später als eigenen Grabstein zu verwenden. Wieder andere beauftragen Fachleute, daraus Kerzenständer oder andere Steinobjekte zu fertigen. Oder man lässt den Stein einfach entsorgen.

Nur hochwertiger Naturstein mehrfach nutzbar

Alexander Hanel leitet einen mittelständischen Steinmetzbetrieb im fränkischen Leutershausen bei Ansbach, ein Familienunternehmen. Für ihn ist die Wiederverwendung gebrauchter Grabsteine nichts Neues. "Man muss da zwischen zwei Gruppen unterscheiden", sagt er. Zum einen gebe es Steine, die sich für eine zweite Verwendung als Grabmal nicht eigneten. "Es gibt viele Grabmale, die nur aus einer dünnen Natursteinplatte bestehen, die auf einen Hintergrund aus Beton aufgebracht ist", erklärt Hanel.

Und dann gibt es welche aus hochwertigen Natursteinen. "Solche Steine arbeiten wir immer mal wieder zu neuen Grabmalen um", sagt Hanel. In der Regel müssten die Vorder- und Rückseite dazu abgeschliffen werden.

Zahlen oder Statistiken zur Wiederverwendung von Grabsteinen gibt es nicht - allerdings dürften die wenigsten nach der Auflösung eines Grabes erneut auf einem Friedhof landen, vermutet Hanel. Unter anderem auch, weil heute strengere Regeln gelten als früher: Viele Friedhofsverwaltungen verlangten inzwischen ein Zertifikat, das bestätige, dass der Stein nicht aus Kinderarbeit stamme. Das sei bei älteren Steinen oft schlicht unmöglich nachzuweisen.

Nach Hanels Einschätzung geben die meisten Angehörigen heutzutage die Steine auch deshalb zur Entsorgung frei. Die Grabmale werden dann meist zerkleinert und enden als Bauschutt. Der dient beispielsweise als Untergrund im Straßenbau oder auch bei der Befestigung von Flussufern.

In den seltenen Fällen, in denen kein Nachfahre ermittelt werden kann, verfährt die Stadt Würzburg so: Das Grab wird aufgelöst, die Steine werden zerkleinert und in einer Recyclinganlage entsorgt, um Missbrauch zu vermeiden. Die Stadt München geht ähnlich vor, außer es handelt sich um kunsthistorisch bedeutende Grabmale. Dann wird die Schrift entfernt, die Steine bleiben stehen.

Deko-Objekte für den Garten

Im Internet werden ausrangierte Grabsteine auch als Deko-Objekte für den Garten angepriesen. Das freilich ist nicht jedermanns Sache - zumal, wenn womöglich noch eine Inschrift darauf prangt.

Das ist auch rechtlich heikel, wie ein Fall in der Nähe von Würzburg gezeigt hat: In einem Freizeitpark entdeckte eine junge Frau beim Besuch des dortigen "Horror-Hauses" den Grabstein ihres Opas. Ein Steinmetz hatte von den Nachfahren bei der Auflösung des Grabes den Auftrag zur Entsorgung des Grabsteins erhalten - und ihn an den Freizeitpark verkauft. Der Inhaber musste sich wegen "Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener" vor Gericht verantworten. Ein Mitarbeiter des Parks hatte versäumt, die Anweisung des Steinmetzes umzusetzen und die Inschriften der Grabmale vor dem Aufstellen zu entfernen.

Theologisch spricht nichts gegen eine Zweitverwertung von Grabsteinen. Ein Sprecher der bayerischen evangelischen Landeskirche erklärt, bei der Bestattung werde der Verstorbene unter Nennung seines Namens als "individueller Mensch" in die Hand Gottes zurückgegeben, die ihn erschaffen habe. Die Grabsteine nähmen dieses Motiv mit der Nennung des Namens der Verstorbenen auf. Sobald ein Grab aufgelöst und der Grabstein entfernt werde, verlören die Grabmale ihre Funktion wieder und könnten "als Steine weiterverwendet werden".

Daniel Staffen-Quandt (epd)


Wolfgang Bosbach: Der Glaube gibt mir Kraft


Wolfgang Bosbach (Archivbild)
epd-bild / Jens Schulze

Der frühere Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach (CDU) hat nach seiner Krebsdiagnose mit Gott gehadert. Inzwischen gebe ihm der Glaube Kraft, sagte der 67-Jährige am 16. November in Münster. Als gläubiger Katholik beruhige es ihn, dass man nicht tiefer fallen könne als in Gottes Hand. Der ehemalige Vorsitzende des Innenausschusses des Deutschen Bundestages hatte sich 2017 wegen Prostatakrebs aus der aktiven Politik zurückgezogen. Er gilt als unheilbar krank.

Ihm gehe es den Umständen entsprechend gut, sagte der Jurist aus Bergisch Gladbach bei der Veranstaltung des Fördervereins Palliativmedizin Raphaelsklinik in Münster. Die Tage seien für ihn inzwischen alle zu lange. Wegen des chronischen Fatigue-Syndroms werde er sehr schnell müde, könne aber sonst in Beruf und Freizeit sein Leben selbst gestalten. Er werfe sich nur vor, nie an einer Vorsorgeuntersuchung teilgenommen zu haben, sagte Bosbach. Sonst habe er recht gesund gelebt.



Zwölf Prozent der neuen Lehrer in NRW sind Seiteneinsteiger

Viele Lehrkräfte fehlen in NRW, vor allem an Grundschulen. Abhilfe schaffen motivierte Seiteneinsteiger. Fast 1.500 von ihnen qualifizieren sich laut Ministerium derzeit berufsbegleitend. Kritiker pochen darauf, die Lehrkräfte vorher auszubilden.

Immer mehr neue Lehrkräfte in Deutschland kommen eigentlich aus anderen Branchen: Der Anteil der Seiten- und Quereinsteiger unter den neu eingestellten Lehrern lag zum Start des Schuljahres 2019/20 bundesweit im Durchschnitt bei 16 Prozent, wie die Düsseldorfer "Rheinische Post" (12. November) unter Berufung auf eine Abfrage der Zeitung bei allen 16 Kultusministerien berichtete. Über alle Länder hinweg steige diese Zahl kontinuierlich.

Die höchste Quote wies laut der Umfrage der Zeitung Berlin mit 61 Prozent auf. Auf Werte um die 30 Prozent seien die meisten ostdeutschen Bundesländern gekommen. Die Anteile in westdeutschen Flächenländern habe zwischen zehn und zwölf Prozent gelegen. Rheinland-Pfalz kam mit knapp vier Prozent den Angaben zufolge auf eine niedrige Quote.

In Nordrhein-Westfalen lag der Anteil der Seiteneinsteiger an allen neuen Lehrern bei 11,9 Prozent, wie aus einer Übersicht des nordrhein-westfälischen Schulministeriums hervorgeht. Damit sank er zuletzt leicht: 2018 lag er den Daten nach bei 13,9 Prozent. 2010 war er mit 16,9 Prozent am höchsten, 2014 mit 2,3 Prozent am niedrigsten.

Seiteneinsteiger können in NRW etwa Oberstufenlehrer sein, die nun an Grundschulen arbeiten. Fast 400 Oberstufenlehrer seien bislang an Grundschulen eingestellt worden, teilte das Düsseldorfer Schulministerium dem Evangelischen Pressedienst (epd) am 12. November mit. Es könnten jedoch noch keine Aussagen darüber getroffen werden, wie viele nach ihrer zweijährigen Qualifizierungszeit dort bleiben wollten. Derzeit würden landesweit 1.463 Seiteneinsteiger berufsbegleitend qualifiziert.

Verband dringt auf verbindliche Vorqualifizierung

Der Verband Bildung und Erziehung NRW warnte vor negativen Folgen für die Bildungsqualität. "Der Einsatz von unvorbereitetem Personal ist eine Notwehrreaktion der Landesregierung auf den Personalmangel", erklärte der Landesvorsitzende Stefan Behlau dem epd. Aktuell gehe es nicht ohne Seiteneinstieg, weil Lehrkräfte fehlten. Aber es müsse eine verbindliche pädagogische Vorqualifizierung erfolgen. "Diese Vorbereitung schuldet die Landesregierung den motivierten Menschen, die sich für den Seiteneinstieg entscheiden und genauso schuldet sie diese den Kolleginnen und Kollegen in den Schulen, die die Ausbildung zu gewährleisten haben", betonte Behlau.

Die Bundesländer weisen der Umfrage zufolge unterschiedliche Definitionen für Seiten- und Quereinsteiger auf, die häufig eingestellt werden, um den Mangel an Lehrern auszugleichen. Deshalb seien die Zahlen nur bedingt vergleichbar. In Bayern etwa müssen auch Seiteneinsteiger Lehramt studiert haben. In anderen Ländern können sich Menschen auch ohne Lehramtsstudium qualifizieren, indem sie einen sogenannten Vorbereitungsdienst absolvieren oder sich berufsbegleitend weiterbilden.



NRW stockt Zahl der Studienplätze für Lehrer und Sonderpädagogen auf

Mit Blick auf den Lehrermangel richtet die nordrhein-westfälische Landesregierung in Kooperation mit den Hochschulen im Land 1.000 zusätzliche Studienplätze für Grundschullehrer, Sonder-, Pflege- und Sozialpädagogen ein. Zum Wintersemester 2020/21 soll es 500 neue Studienplätze im Lehramt für sonderpädagogische Förderung geben, wie Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos) am 13. November mitteilte. Im Grundschullehramt werden dauerhaft 300 zusätzliche Bachelor-Studienplätze geschaffen.

In der Sozialpädagogik sind 80 weitere Studienplätze für künftige Lehrer an Berufskollegs zur Erzieherinnen-Ausbildung geplant. Im Bereich Pflegepädagogik wird bereits im laufenden Wintersemester mit der Aufstockung um 110 Studienplätze für Lehrkräfte an Pflegeschulen begonnen.

Investition von rund 115 Millionen Euro bis 2025

Die notwendigen Finanzmittel in Höhe von rund 115 Millionen Euro bis 2025 würden je zur Hälfte vom Wissenschaftsministerium und den beteiligten Hochschulen aufgebracht, sagte die Ministerin. Das Land habe zudem den Universitäten und den Hochschulen für Angewandte Wissenschaften zugesagt, auch die Gelder für die notwendige Aufstockung von Professoren und Mitarbeitern bereit zu stellen, erklärte der Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften, Marcus Baumann.

Der Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz der Universitäten, Lambert T. Koch, nannte die Schaffung der zusätzlichen Studienplätze ein "soziales Investment", das auf langfristige Wirkung angelegt sei. Nach seinen Worten dauert es fünf bis sieben Jahre, bis die Lehramtsstudierenden auch als Lehrer eingesetzt werden können. Aktuell studieren an Rhein und Ruhr laut Koch 10.300 Studierende für das Lehramt an Grundschulen, 6.300 im Bereich Sonder- und 271 im Bereich Sozialpädagogik.

Die zusätzlichen Studienplätze für Sozialpädagogik sollten an der TU Dortmund und wahrscheinlich an der Universität Wuppertal entstehen. Neue Studienplätze für Lehramt an Grundschulen sind in Bielefeld, Duisburg, Essen, Dortmund, Köln, Münster, Siegen und Wuppertal geplant. Weitere Sonderpädagogik-Studienplätze soll es in Bielefeld, Dortmund, Köln, Paderborn, Siegen, Wuppertal und eventuell an einem weiteren Standort geben.




Sozial

Mehr Wohnungslose in Deutschland


Mitarbeiter des Kältebusses der Berliner Stadtmission kümmern sich um Obdachlose (Archivbild).
epd-bild/Rolf Zöllner
Auch mit einer neuen Zählmethode kommt die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe zu einem eindeutigen Ergebnis: Die bundesweite Zahl der Menschen ohne Wohnungen steigt weiter.

Die Zahl der Wohnungslosen in Deutschland ist Schätzungen zufolge im vergangenen Jahr um mehr als 27.000 oder 4,2 Prozent auf 678.000 angestiegen. Während 2018 der Anteil der wohnungslosen anerkannten Geflüchteten um knapp sechs Prozent auf 441.000 Personen stieg, nahm die Zahl der Wohnungslosen im kommunalen Hilfesystem um 1,2 Prozent auf mehr als 237.000 zu. Die neue Schätzung veröffentlichte die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAGW) am 11. November in Berlin.

Hauptgründe für die steigende Zahl der Betroffenen seien das unzureichende Angebot an bezahlbaren Wohnungen, die Schrumpfung des Sozialwohnungsbestandes und die Verfestigung von Armut, sagte die BAGW-Geschäftsführerin Werena Rosenke. Es fehle insbesondere an bezahlbarem Wohnraum für Menschen im Niedriglohnsektor, für Bezieher von Transferleistungen und für anerkannte Geflüchtete.

Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) sprach von einem "Alarmruf an die Wohnungsbaupolitik". Die Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland, Verena Bentele, zeigte sich in Berlin bestürzt: "Gerade die Zahl der betroffenen Kinder und Jugendlichen macht uns große Sorgen." Auch für Alleinerziehende, Ältere oder Menschen mit Behinderung werde es immer schwerer, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Bentele forderte "mehr bezahlbare Wohnungen, mehr sozialen Wohnungsbau, aber auch Löhne und Renten, von denen man seine Miete bezahlen kann".

Neues Schätzmodell

Die bundesweiten Schätzungen der BAGW erfolgten auf der Grundlage einer nahezu lückenlosen Wohnungslosenberichterstattung der Kommunen in Nordrhein-Westfalen. Die dort erhobenen Zahlen von Wohnungslosen seien auf Kommunen mit entsprechenden Einwohnerzahlen in anderen deutschen Städten und Gemeinden übertragen worden, hieß es. Seit dem Jahr 2016 schließt die BAGW in ihre Schätzung die Zahl der wohnungslosen anerkannten Geflüchteten ein.

Aufgrund des neuen Schätzmodells hat die BAGW ihre Zahlen 2017 gegenüber 2016 nach unten korrigiert. 2016 waren noch 422.000 Wohnungslose im Hilfesystem plus 436.000 wohnungslose anerkannte Flüchtlinge, insgesamt also 858.000 wohnungslose Menschen geschätzt worden. Im Gegensatz zu der Jahresgesamtzahl von 678.000 Betroffenen für 2018 wies die Ende Juni im gleichen Jahr erhobene Stichtagzahl weniger Wohnungslose aus (542.000). Das sei ein Zeichen für die hohe Fluktuation, hieß es.

Laut Schätzung leben rund 41.000 Menschen im Laufe eines Jahres ohne jede Unterkunft auf der Straße. Viele finden hingegen zumindest vorübergehend Aufnahme bei Freunden oder Verwandten. Etwa 70 Prozent der wohnungslosen Menschen sind alleinstehend, drei Prozent leben mit Partnern und/oder Kindern zusammen. Die BAGW schätzt die Zahl der betroffenen Kinder und minderjährigen Jugendlichen auf acht Prozent. Der Frauenanteil liege bei 27 Prozent.

Rund 17 Prozent oder 40.000 Wohnungslose seien EU-Bürger, hieß es weiter. Viele dieser Menschen lebten ohne jede Unterkunft auf der Straße. Vor allem in den Metropolen betrage ihr Anteil bis zu 50 Prozent der Obdachlosen.

Rosenke hofft auf eine erste amtliche bundesweite Schätzung im Jahr 2022. Voraussetzung dafür ist, dass das von der Bundesregierung geplante Wohnungslosenberichterstattungsgesetz bis dahin in Kraft getreten ist.



Fast zwei Millionen Nordrhein-Westfalen sind überschuldet

Trotz Aufschwung haben viele Nordrhein-Westfalen zu viele Schulden: Fast zwei Millionen von ihnen sind laut Schuldneratlas 2019 verschuldet, darunter immer mehr Rentner. Die Diakonie RWL dringt auf mehr kostenfreie Beratung.

1,75 Millionen Menschen in Nordrhein-Westfalen können nicht mehr regelmäßig ihre Rechnungen bezahlen. Das sind 6.000 Erwachsene oder 11,72 Prozent mehr als noch im Vorjahr, wie aus dem am 14. November in Düsseldorf vorgestellten Schuldneratlas 2019 der Wirtschaftsauskunftei Creditreform hervorgeht. Die Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe beklagte, damit liege NRW deutlich über dem Bundesdurchschnitt von zehn Prozent. Diakonie-Vorstand Christian Heine-Göttelmann forderte mehr kostenfreie Schuldnerberatung. Der Sozialverband VdK Nordrhein-Westfalen warnte vor einer Zunahme der Altersarmut.

Deutschlandweit waren laut Schuldneratlas zum Stichtag 1. Oktober 6,92 Millionen Menschen über 18 Jahre überschuldet. Creditreform-Vorstandsmitglied Helmut Rödl sagte: "Trotz einer langjährigen guten Konjunktur hat sich die Lage nicht verbessert." Vor dem Hintergrund einer sich nun eintrübenden Wirtschaftslage in Deutschland sei deshalb mittelfristig nicht mit einer nachhaltigen Entspannung bei der privaten Überschuldung und Armutsgefährdung zu rechnen. "Die Überschuldungsampel bleibt weiterhin auf Rot", hieß es im Schuldneratlas.

Verbände warnen vor Altersarmut

Besorgniserregend ist laut Creditreform die überdurchschnittliche Zunahme von Überschuldung im Alter. So hat sich nach den Angaben die Zahl der überschuldeten Rentner über 70 Jahre in nur einem Jahr um 45 Prozent oder 118.000 Fälle auf 381.000 Menschen nahezu verdoppelt. In den vergangen sechs Jahren belief sich der Anstieg sogar auf 243 Prozent. "Besonders prekär ist, dass Senioren höhere Schulden bei geringem Einkommen haben und damit weniger Chancen, der Überschuldungsspirale zu entkommen", warnte der Bericht.

Als Hauptgründe für die Überschuldung im Alter sieht der Bericht neben niedrigen Renten als Folge geringer Einkommen die in den letzten Jahren deutlich gestiegenen Mieten und Nebenkosten. Offen bleibe, ob die jüngst von der Bundesregierung beschlossene Grundrente die Überschuldungsgefahr im Alter werde eindämmen können, merkte Rödl an. Auch bei den 60- bis 69-Jährigen nahm die Zahl der Überschuldungsfälle zu, und zwar um 15 Prozent auf 641.000.

Die Verschuldungsquote Älterer - 2,95 Prozent in der Gruppe der über 70-Jährigen - bleibt aber trotz der deutlichen Zuwächse weiterhin unter den Vergleichswerten der jüngeren Altersgruppen. Die höchste Überschuldungsquote weisen die 30- bis 39-Jährigen mit 17,72 Prozent sowie die unter 30-Jährigen mit 12,13 Prozent auf. Hier spielen hohe Ausgaben dieser wirtschaftlich besonders aktiven Altersgruppen etwa durch Konsum, Hausbau oder Familiengründung eine Rolle.

Diakonie fordert kostenlose Beratung

Diakonie-Chef Heine-Göttelmann sprach sich für kostenfreie Beratung für alle Menschen aus. Derzeit profitierten nur 15 Prozent von einer kostenfreien Beratung. Daher müssten die Angebote dringend ausgebaut werden und ein Rechtsanspruch eingeführt werden. "Pro 50.000 Einwohner sollte es zwei vollzeitbeschäftigte Schuldnerberater geben", schlug er vor. Derzeit seien es deutschlandweit nur etwa 1,03 Berater.

Der nordrhein-westfälische VdK-Landesvorsitzende Horst Vöge zeigte sich mit Blick auf die Zunahme der Überschuldung bei Älteren besorgt. Rentner kämen nicht mehr mit ihren Einkünften über die Runden, warnte er. "Das liegt vor allem an Lebenssituationen und Schicksalsschlägen, für die es keine ausreichende soziale Absicherung gibt." Im Kampf gegen Altersarmut fordere sein Verband daher unter anderem, das Rentenniveau auf 50 Prozent festzuschreiben und eine Eindämmung von Minijobs, Befristungen, Zeit- und Leiharbeit. Sonst seien jene, die in jungen Jahren prekär beschäftigt seien, im Alter zwangsläufig auf staatliche Leistungen angewiesen, kritisierte Vöge.



NRW-Landtag richtet Kinderschutzkommission ein

Als Konsequenz aus dem hundertfachen sexuellen Missbrauchs im lippischen Lügde bekommt der nordrhein-westfälische Landtag eine Kinderschutzkommission. Der NRW-Landtag beschloss am 15. November einstimmig die Einrichtung eines solchen Gremiums, das sich um die Belange von Kindern und Jugendlichen kümmern soll. Die Kommission soll als Unterausschuss des Ausschusses für Familie, Kinder und Jugend ihre Arbeit aufnehmen.

Mit der Gründung der Kinderschutzkommission reagierte das Landesparlament auf den Missbrauch auf einem Campingplatz im lippischen Lügde sowie die jüngsten Missbrauchsfälle, bei denen unter anderem gegen Beschuldigte in Bergisch Gladbach und Wesel ermittelt wird. In dem von den Fraktionen der CDU, FDP, SPD und Grünen eingebrachten Antrag zur Einrichtung der Kinderschutzkommission wird zudem darauf verwiesen, dass laut dem Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung bundesweit bis zu eine Million Kinder und Jugendliche von sexuellem Missbrauch betroffen sind.

Kinder- und Familienminister Joachim Stamp (FDP) betonte, dass die neue Kommission einen breiten Blick auf das Thema Kinderschutz und Kinderrechte werfe und ein wichtiger Schritt für einen besseren Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt darstelle. Zudem verwies der Minister auf eine interministerielle Arbeitsgruppe, die im kommenden Jahr ein Handlungs- und Maßnahmenkonzept zum besseren Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt und eine Betreuung der Opfer vorlegen soll.

Die Kinderschutzkommission hat 13 Mitglieder und soll Perspektiven für die Weiterentwicklung des Kinderschutzes sowie die Durchsetzung der Kinderrechte in NRW aufzeigen und konkrete Vorschläge zum Schutz von Kindern und Jugendlichen erarbeiten. Dabei sollen staatliche und kommunale Strukturen betrachtet und Verbesserungsvorschläge unterbreitet werden. Zudem soll sich die Kommission mit Verbänden, Organisationen und Einrichtungen austauschen, die sich mit dem Thema befassen.



Masern-Impfung wird Pflicht


Impfung
epd-bild / Gustavo Alàbiso
Die Masern sind eine gefährliche Krankheit und nach wie vor nicht ausgerottet. Gegen die Impfskepsis geht jetzt der Gesetzgeber vor: Der Bundestag verabschiedete eine Impfpflicht für Kinder und Personal in Gemeinschaftseinrichtungen.

Kinder und Personal in Kindertagesstätten und Schulen müssen künftig gegen Masern geimpft sein. Der Bundestag verabschiedete am 14. November nach namentlicher Abstimmung ein Gesetz, das bei fehlender Impfung den Ausschluss aus Kindertagesstätten und Bußgelder vorsieht. Die Impfpflicht soll auch für Tagesmütter sowie für Bewohner und Mitarbeiter von Flüchtlingsunterkünften und Gesundheitseinrichtungen gelten. Masernschutz sei Kinderschutz, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) im Bundestag. Er verteidigte die Impfpflicht gegen die Kritik großer Teile der Opposition.

Union, SPD und FDP hatten angekündigt, für das Gesetz zu stimmen. Die AfD war dagegen, Grüne und Linke wollten sich enthalten. Verabschiedet wurde das Gesetz mit 459 Ja-Stimmen. Es sieht vor, dass Eltern, die ihre in einer Einrichtung betreuten Kinder nicht impfen lassen, mit einem Bußgeld von bis zu 2.500 Euro belegt werden können. Von der Kita können die Kinder ausgeschlossen werden, von der Schule wegen der allgemeinen Schulpflicht nicht. Auch Kindertagesstätten, die nicht geimpfte Kinder betreuen, können mit einem Bußgeld bestraft werden.

Grüne fordern Impfstrategie

Mitarbeiter in Gemeinschafts- oder Gesundheitseinrichtungen können dort nicht mehr arbeiten, wenn sie die Impfung verweigern. Ausnahmen gelten für unter Einjährige, weil sie noch nicht geimpft werden sollen, Menschen, die Impfungen nicht vertragen, und alle vor 1971 Geborenen, weil sie die Masern wahrscheinlich durchgemacht haben und deswegen immun sind. Das Gesetz soll am 1. März 2020 in Kraft treten. Mitarbeiter und bereits untergebrachte Kinder müssen den Impfnachweis bis Ende Juli 2021 erbringen.

Der CDU-Abgeordnete und Arzt Rudolf Henke (CDU) betonte, es gehe nicht um eine Zwangsimpfung, sondern eine Nachweispflicht für die Gemeinschaftseinrichtungen. Der AfD-Abgeordnete Detlev Spangenberg entgegnete, Impfungen müssten freiwillig bleiben. Die Abgeordnete Kordula Schulz-Asche (Grüne) argumentierte, eine umfassende Impfstrategie sei sinnvoller als eine Impfpflicht. Die Linkenpolitikerin Gesine Lötzsch sprach sich für mehr Impfwerbung in Schulen aus.

Keine Behandlung

Masern sind eine hochansteckende und gefährliche Krankheit. Medikamente zur Behandlung gibt es nicht, so dass die Impfung die einzige Schutzmöglichkeit ist. Für die Immunisierung sind zwei Impfungen vonnöten. Empfohlen werden sie zwischen dem ersten und zweiten Lebensjahr. In Deutschland sind nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation 92 Prozent der Menschen vollständig geimpft, 97 Prozent erhielten nur eine Impfdosis. Ein Gesamtschutz der Bevölkerung wird bei einer Quote von 95 Prozent angenommen.

Die Bundesvereinigung Evangelischer Tageseinrichtungen äußerte Bedenken hinsichtlich der Umsetzung der Impfpflicht. "Wir kritisieren insbesondere, dass die Hauptverantwortung der Umsetzung in die Hände der Einrichtungen und der Kita-Leitungen gelegt wird", sagte der Vorsitzende der Vereinigung, Carsten Schlepper, dem epd. Das gefährde die Vertrauensbasis zwischen Kita und Eltern, warnte der Experte. Er forderte, die Prüfpflicht dem öffentlichen Gesundheitsdienst zu übertragen. Dem Gesetz zufolge sollen die Kitas die Eltern nichtgeimpfter Kinder an das Gesundheitsamt melden, erläuterte ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums. Das Amt werde dann Kontakt zu den Eltern aufnehmen und weitere Maßnahmen einleiten.



Leichter Rückgang bei HIV-Infektionen in Deutschland

Rund 2.400 Menschen haben sich im vergangenen Jahr in Deutschland mit HIV infiziert. Die Zahl der Neuinfektionen sei damit gegenüber 2017 leicht gesunken, teilte das Robert Koch-Institut (RKI) anlässlich des Welt-Aids-Tages am 1. Dezember am 14. November in Berlin mit. 2017 wurden etwa 2.500 Neuinfektionen mit HIV registriert. Der Ausbau von zielgruppenspezifischen Testangeboten und ein früherer Behandlungsbeginn zeigten offenbar Erfolge, hieß es.

Dieser Weg sollte "konsequent weiter umgesetzt werden", vor allem durch eine weitere Verbesserung der Testangebote und die Gewährleistung des Zugangs zur Therapie für alle Menschen, die in Deutschland mit HIV leben, betonte RKI-Präsident Lothar Wieler. Der positive Trend kommt den Angaben zufolge aus der wichtigsten Betroffenengruppe. So sei bei Männern, die Sex mit Männern haben, die Zahl der geschätzten Neuinfektionen deutlich zurückgegangen, von 2.200 im Jahr 2013 auf 1.600 im Jahr 2018.

88.000 Infizierte

Das Robert Koch-Institut schätzt die Zahl der Menschen in Deutschland, die nicht wissen, dass sie HIV-infiziert sind, auf 10.600. Insgesamt lebten der Schätzung zufolge Ende 2018 rund 87.900 Menschen mit HIV in Deutschland. Geschätzt 440 Menschen seien im vergangenem Jahr in Deutschland an HIV gestorben, hieß es.

Die Deutsche Aids-Hilfe führt den Rückgang der HIV-Neuinfektionen auf eine konsequente Prävention und die HIV-Therapie zurück, die auch Übertragung verhindere. Mit mehr speziellen Testangeboten und Zugang zu medizinischer Behandlung für alle Menschen in Deutschland könnten Präventionslücken geschlossen werden, hieß es.



WHO: Zahl der Diabetes-Erkrankten hat sich vervierfacht

Immer mehr Menschen erkranken laut der Weltgesundheitsorganisation an Diabetes. Seit 1980 habe sich die Zahl der Diabetiker um das Vierfache auf heute 420 Millionen erhöht, teilte die WHO in Genf anlässlich des Weltdiabetestages am 14. November mit.

In vielen Fällen seien eine falsche Ernährung und ein Mangel an körperlicher Bewegung die Ursachen, erklärte WHO-Direktorin Emer Cooke. Gleichzeitig betonte sie, dass eine medizinische Behandlung für Millionen Menschen mit Diabetes nicht erschwinglich sei. Die Erkrankten müssten besser mit dem überlebenswichtigen Insulin versorgt werden.

Teures Insulin

Die Menge an Insulin sei zu niedrig und die Preise für die Medizin seien zu hoch, erklärte Cooke. Die WHO sei in Kontakt mit Pharmafirmen, um das zu ändern. Ziel sei es, mehr Insulin zu günstigeren Preisen zu produzieren. Die WHO will dazu Firmen ermutigen, sogenannte generische Medikamente herzustellen. Generische Medikamente sind identische Kopien bereits lizenzierter Medikamente. Noch kontrollierten laut WHO nur drei Firmen fast den gesamten Markt für Insulin.

Diabetes ist eine chronische Stoffwechselerkrankung, die Patienten haben einen zu hohen Blutzuckerspiegel. Diabetes kann schwere Schäden am Herz, den Blutbahnen, den Augen, den Nieren und den Nerven verursachen.



Krankenkassenbeiträge für Betriebsrentner sinken ab 2020

Vom kommenden Jahr an werden die Krankenkassenbeiträge für Betriebsrentnerinnen und -rentner gesenkt. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) legte dazu einen Entwurf vor und erklärte am 12. November in Berlin, die Beitragssenkung werde zügig umgesetzt. Diese ist Teil des Grundrenten-Kompromisses von Union und SPD und wird damit ein Jahr eher umgesetzt als die Grundrente eingeführt wird. "Wir wollen das Vertrauen in die betriebliche Altersvorsorge stärken", sagte Spahn.

Die Gesetzesänderungen führen nach Angaben von Spahn dazu, dass künftig ein Drittel der Betriebsrentner nur noch den halben Krankenkassenbeitrag zahlen muss und auch das Drittel mit den höchsten Betriebsrenten noch entlastet wird. Betriebsrentner mit geringen Bezügen zahlen keine Beiträge. Heute liegt diese Freigrenze bei 155,75 Euro im Monat.

159,25 Euro Freibetrag

Wer eine höhere Betriebrente bekommt, muss auf die gesamte Rente den vollen Krankenkassenbeitrag inklusive des Zusatzbeitrags seiner Kasse zahlen. Im Bundesdurchschnitt sind das 15,5 Prozent. Das sorgt schon seit Jahren für Ärger, weil die Betriebsrenten damit schlechter gestellt sind als die gesetzlichen Renten.

Künftig wird ein Freibetrag von zunächst 159,25 Euro pro Monat eingeführt, auf den keine Krankenkassenbeiträge zu entrichten sind. Der Beitrag wird erst fällig auf die darüber hinausgehende Summe. Betriebsrentner, die bis zu 320 Euro bekommen, zahlen damit künftig nur halb so viel Beitrag wie heute.

Für die Krankenkassen bedeutet die Neuregelung, dass sie im kommenden Jahr 1,2 Milliarden Euro weniger einnehmen werden.



Diakonie veröffentlicht Gleichstellungsatlas

Die Diakonie hat erstmals Zahlen darüber veröffentlicht, wie es um die Gleichstellung von Frauen und Männern in ihren Diensten und Einrichtungen bestellt ist. Der am 12. November vorgestellte "Gleichstellungsatlas" liefere "verlässliche Zahlen darüber, wie Frauen und Männer in Führungspositionen, Aufsichts- und Entscheidungsgremien vertreten sind", hieß es in einer Mitteilung des Sozialverbandes der evangelischen Kirche. Demnach gibt es mit 77 Prozent einen sehr hohen Frauenanteil bei den Beschäftigten, doch nur weniger als ein Drittel Frauen in der Leitungsebene der Einrichtungen.

"Geschlechtergerechtigkeit darf in unseren Einrichtungen und Diensten kein Lippenbekenntnis bleiben", sagte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie. Zwar seien von den rund 600.000 fest angestellten Mitarbeitenden mehr als drei Viertel weiblich. Doch der durchschnittliche Frauenanteil in der obersten Leitungsebene von Einrichtungen lag den Angaben nach 2018 bei 31 Prozent, unter den Vorsitzenden dieser obersten Leitungsebene beträgt er 25 Prozent. Der durchschnittliche Frauenanteil in Aufsichtsräten von Einrichtungen lag 2018 bei durchschnittlich 29 Prozent.

"Auf Führungsebene Nachholbedarf"

"Auf der Führungsebene und in Gremien haben wir deutlichen Nachholbedarf", räumte Lilie ein. Der Atlas zeige auch, wo die Bemühungen zur Gleichstellung gezielt verstärkt werden müssten.

Auch Voll- und Teilzeitbeschäftigung sowie Einkommen seien geschlechtsspezifisch ungleich verteilt, hieß es. 55 Prozent aller Mitarbeitenden der Diakonie sind Frauen, die in Teilzeit arbeiten. Insgesamt 75 Prozent der Mitarbeiterinnen üben Tätigkeiten mit den zwei niedrigsten Anforderungsniveaus aus - also Hilfs- und Anlerntätigkeiten sowie fachlich ausgerichtete Tätigkeiten. Bei den männlichen Mitarbeitenden sind es 63 Prozent.

Mit der Publikation will die Diakonie nach eigenen Angaben Geschlechtergerechtigkeit und Vielfalt in ihren Einrichtungen und Diensten stärken. Grundlage ist eine repräsentative Erhebung unter den diakonischen Einrichtungen und Angeboten sowie bei Landes- und Fachverbänden.



Eben-Ezer arbeitet Geschichte der NS-Zeit auf

Die diakonische Stiftung Eben-Ezer in Lemgo veröffentlicht weitere Forschungsergebnisse zur NS-Zeit. Eine neue Biografie beleuchtet die Rolle des damaligen Leiters Herbert Müller.

Eine neue Biografie offenbart die Beteiligung der diakonischen Stiftung Eben-Ezer an Zwangssterilisationen während des Nationalsozialismus. "Wir setzen damit die Aufarbeitung unserer eigenen Geschichte fort", erklärte der Theologische Vorstand der Stiftung Eben-Ezer, Pastor Bartolt Haase, am 11. November in Lemgo. Im Auftrag der Stiftung hat der Bielefelder Historiker Frank Konersmann mit der Buchveröffentlichung "Der Heilpädagoge Herbert Müller in Eben-Ezer - Biographie eines Schul- und Anstaltsleiters (1906-1968)" das Wirken des langjährigen Leiters beleuchtet.

Enge Zusammenarbeit mit Nationalsozialisten

Eben-Ezer habe damals eng mit dem NS-Regime zusammengearbeitet, schreibt Konersmann. Wie auch andere Einrichtungen der Inneren Mission habe die Lemgoer Anstalt "die von ihr erwarteten Aufgaben insbesondere der Selektion nach damaligen Maßstäben professionell" erfüllt. Laut dem Wissenschaftler trug der Pädagoge Müller maßgeblich zur sonderpädagogischen Profilbildung der Einrichtung bei. Zugleich trat Müller dem Nationalsozialistischen Lehrerbund und 1937 der NSDAP bei und war förderndes Mitglied der sogenannten Schutzstaffel (SS).

Auf der Grundlage des im Jahr 1933 verabschiedeten "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" wurden in Eben-Ezer 94 Bewohner, die meisten von ihnen unter 20 Jahren, unfruchtbar gemacht, wie Konersmann erklärte. Die Einrichtung habe sich auch als allgemeine Sichtungsstelle für die erforderlichen Intelligenztests empfohlen, um "jugendliche Geistesschwache" zu klassifizieren.

In den Folgejahren wurden dem Wissenschaftler zufolge 87 Frauen und Männer verlegt. Das war ein Drittel der Bewohner von Eben-Ezer. Viele von ihnen wurden in Vernichtungslagern umgebracht. „Als Vormund zahlreicher Klienten wäre Anstaltsleiter Müller eigentlich verpflichtet, für ihr Wohlergehen zu sorgen“, sagte Konersmann. Inwieweit Müller von dem systematischen Mordprogramm, im NS-Jargon „T4-Aktion“ genannt, gewusst habe, sei bislang nicht zu ermitteln. Es gebe auch keinen Beleg für die Legende, in Lemgo seien Kinder vor der Euthanasie gerettet worden.

Gedenkgottesdienst

Für die Stiftung Eben-Ezer gehen von der Biografie zahlreiche Impulse aus, die auch die Mitarbeitenden betreffen, sagte Pastor Haase. So fand am 15. November eine öffentliche Fachtagung zu dem Thema statt. Am 20. November wird mit einem Gedenkgottesdienst an die Opfer der NS-Zeit erinnert. Die Predigt in der Kapelle Alt Eben-Ezer in Lemgo hält der Theologische Kirchenrat der lippischen Landeskirche, Tobias Treseler.

Die Stiftung Eben-Ezer hatte bereits 2017 Forschungen über ihre Einrichtungen in der NS-Zeit veröffentlicht. Eine Gedenkstele auf dem Stiftungsgelände erinnert seitdem an die Opfer der systematischen Ermordung von Menschen mit geistigen, körperlichen und seelischen Behinderungen.

Die 1862 gegründete diakonische Stiftung betreut heute in der Region Lippe rund 3.500 hilfsbedürftige Menschen. Der Schwerpunkt liegt in der Begleitung und Unterstützung von Menschen mit Behinderungen und psycho-sozialen Problemen. Eben-Ezer bietet verschiedene Wohnangebote, Beratung, schulische und berufliche Bildung, Werkstätten, einen Integrationsbetrieb und Förderstätten an.



Rentenversicherung: Umsetzung der Grundrente wird schwierig


Senioren auf dem Weg zu einem Gottesdienst
epd-bild/Jürgen Blume
Die Grundrente und ihre Umsetzung beschäftigt die Praktiker bei der Rentenversicherung. Zu viele Fragen sind noch offen, vielleicht werden Übergangslösungen benötigt, meint die Präsidentin der Rentenversicherung, Gundula Roßbach.

Die Umsetzung der Grundrente könnte die Praktiker noch vor große Schwierigkeiten stellen. Davor warnten am 13. November in Würzburg die Spitzen der Deutschen Rentenversicherung. Finanziell steht die Rentenversicherung weiter gut da. Doch schon bald werden die Einnahmen sinken und die Ausgaben steigen.

Die Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung, Gundula Roßbach, schloss nicht aus, dass man Übergangslösungen benötigen könnte oder zunächst pauschalierte Zahlungen in Betracht ziehen müsse, damit die Grundrente Anfang 2021 wie geplant eingeführt werden könne. Insbesondere der relativ kurze Zeitraum für die Entwicklung automatisierter Verfahren zum Datenabgleich sei "aus Sicht der Rentenversicherung problematisch", erklärte Roßbach.

Union und SPD haben sich auf einen Kompromiss zur Einführung einer Grundrente für langjährige Geringverdiener mit 35 Betragsjahren verständigt, der auch eine Einkommensprüfung vorsieht. Dafür soll die Rentenversicherung über einen automatisierten Datenabgleich mit den Finanzämtern zusammenarbeiten. Roßbach sagte, die Finanzbehörden hätten bereits vor dem Koalitionsbeschluss erklärt, sie bräuchten für die Entwicklung solcher Verfahren normalerweise zwei Jahre.

Skeptisch zu Finanzierung

Roßbach erklärte, die Rentenversicherung müsse von den 21 Millionen Rentnern diejenigen mit niedrigen Renten herausfiltern, die die Voraussetzungen für eine Grundrente erfüllen. Hinzu kämen die Neurentner. Schon wegen der hohen Zahl müsse die Überprüfung weitgehend automatisiert erfolgen. Gelinge dies nicht, würde die Rentenversicherung deutlich mehr Personal benötigen, sagte Roßbach.

Der gegenwärtige Vorsitzende der Arbeitgeberseite im Vorstand der Rentenversicherung, Alexander Gunkel, äußerte sich skeptisch zu den Finanzierungsplänen der Koalition. Er sagte, die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, aus der nach dem Willen der Koalition der größere Teil der Ausgaben von rund 1,5 Milliarden Euro pro Jahr für die Grundrente finanziert werden soll, sei nicht sicher. Auf europäischer Ebene gebe es dazu keinen Konsens. Es sei auch nicht klar, ob durch die Steuer, wenn sie denn rechtzeitig komme, die Mehrausgaben tatsächlich gedeckt würden, sagte Gunkel weiter. Die Grundrente müsse aber "von Anfang an in vollem Umfang" aus Steuermitteln finanziert werden. Dies habe die Koalition zugesichert.

Finanziell steht die Rentenversicherung weiter gut da. Gunkel zufolge können die Rentner auch im kommenden Jahr wieder mit Beitragserhöhungen von rund drei Prozent, im Osten Deutschlands voraussichtlich knapp vier Prozent, rechnen. Das Rentenniveau - also das Verhältnis einer Standardrente zum Durchschnittseinkommen - liegt gegenwärtig bei 48,2 Prozent und wird bis 2025 den Prognosen zufolge nicht unter 48,1 Prozent sinken.

321 Milliarden Euro Einnahmen

Die Einnahmen der Rentenversicherung werden nach Angaben Gunkels in diesem Jahr um knapp fünf Prozent auf voraussichtlich 321 Milliarden Euro steigen. Ihnen stehen Ausgaben von voraussichtlich 319 Milliarden Euro gegenüber. Von 2021 werden die Einnahmen dann zurückgehen, vor allem weil die Zahl der Beitragzahler sinkt. Zugleich steigen die Ausgaben, weil die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen. Den Prognosen zufolge sinken die Rücklagen bis 2024 so stark ab, dass 2025 der Rentenbeitrag deutlich von heute 18,6 Prozent auf dann 19,8 Prozent erhöht werden müsste.

Gunkel sagte, um diesen Sprung zu vermeiden, hoffe er auf Vorschläge der Rentenkommission. Die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission soll im März kommenden Jahres Vorschläge zur Weiterentwicklung der Rentenversicherung ab 2025 vorlegen.

Der Renten-Experte und frühere Regierungsberater Bert Rürup, sagte der Wochenzeitung "Die Zeit", die eigentliche Herausforderung beginne, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gingen. Er nannte den Grundrenten-Beschluss der Koalition einen "überraschend vernünftigen Kompromiss", prognostizierte angesichts der Herausforderungen aber zugleich, dass sie nach 2025 wieder abgeschafft werden könnte.

Bettina Markmeyer (epd)


15. "Sternenregen"-Aktion im Saarland gestartet

Die Aktion "Sternenregen" hat bis Ende Oktober bereits 87.000 Euro für arme Kinder und Familien im Saarland gesammelt. Diejenigen, die Unterstützung bräuchten, seien oft in sehr unterschiedlichen Lebenssituationen, sagte die Geschäftsführerin der Diakonie Saar, Anne Fennel, am 15. November in Saarbrücken zum Start der 15. Spendenaktion. Sie sei sehr beeindruckt, welche kreativen Unterstützungsmöglichkeiten die Förderer der Aktion entwickelt hätten. Schirmherr der Spendaktion ist der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU).

Bei der Aktion der Kirchen im Saarland und von Radio Salü kamen 2018 insgesamt 380.968 Euro für Kinder in Not zusammen. Seit 2004 wurden den Angaben zufolge über 3,4 Millionen Euro gesammelt. Auch in diesem Jahr strahlt der Sender bis Ende Dezember Radiospots und Berichte aus, die für die Hilfsaktion werben und Betroffene selbst zu Wort kommen lassen. Zu den Aktionen gehören beispielsweise ein spezielles Brot in den Bäckereien oder Versteigerungen.

Das Herzstück sei es, Menschen in Kontakt zu bringen, betonte Fennel. Dadurch, dass Menschen die Beiträge im Radio hörten, könnten auch neue Effekte entstehen. Als Beispiel nannte sie eine Familie, deren Kind in einer Stuttgarter Klinik sei und die verzweifelt nach Hilfe gesucht hätte, um es besuchen zu können. Ein Hörer, der beruflich regelmäßig nach Stuttgart fahre, hätte angeboten, sie mitzunehmen.

Der saarländische Sozialstaatsekretär Stephan Kolling dankte dem Verein "Radio Salü - Wir helfen" für die nunmehr 15-jährige Arbeit. "Es macht uns stolz solch engagierte Botschafter für ein soziales Saarland zu haben", sagte er. Politik könne vieles gestalten, aber nicht jedem einzelnen Fall gerecht werden. Der Landtag werde sich am Mittwoch mit dem Thema Armut befassen. Zudem kündigte Kolling an, dass der ursprünglich für September angekündigte Aktionsplan Armut in wenigen Tagen veröffentlicht werde.

Kooperationspartner des Vereins "Radio Salü - Wir helfen" sind das Evangelische Rundfunkreferat Saar und die Privatfunkredaktion des Bistums Trier. Die Spendengelder werden den Angaben zufolge in voller Höhe durch die Beratungsstellen der Caritas und Diakonie an bedürftige Familien und Kinder verteilt. Dabei wird der jeweilige Bedarfsfall geprüft, die Familien sollen nach Möglichkeit langfristig begleitet werden.



Geförderte energiesparende Kühlgeräte für Geringverdiener

Mit einem Zuschuss von bis zu 300 Euro fördern der Bund und Nordrhein-Westfalen den Austausch alter Kühlgeräte für Haushalte mit geringem Einkommen. Insgesamt stehen 750.000 Euro zur Verfügung, mit denen rund 5.000 Kühlgeräte ausgetauscht werden sollen, teilte das Energieministerium am 13. November in Düsseldorf mit. Die Gutscheine werden bei einer Energiespar-Beratung durch das Projekt "Stromspar-Check Aktiv - NRW Spezial" vergeben. Den Angaben zufolge können mit einem Austausch eines alten Kühlschranks gegen ein neues, energieeffizientes Gerät durchschnittlich rund 250 Euro Energiekosten und etwa 530 Kilogramm CO2 pro Jahr eingespart werden. Das Projekt wird von der Caritas getragen.

Der Stromspar-Check des Bundes bezuschusst Geräte der Klasse A+++ mit einem 100-Euro-Gutschein. Vom Land können pro Haushaltsmitglied 50 Euro hinzukommen, die maximale Fördersumme liegt bei 200 Euro. Voraussetzungen für die Gutscheine ist eine kostenfreie Energie-Beratung für einkommensarme Haushalte im Zuge des "Stromspar-Checks". Das alte Kühlgerät muss älter sein als zehn Jahre und entsorgt werden. Das neue Gerät soll eine vergleichbare Größe haben und jährlich mindestens 200 Kilowattstunden Strom sparen. Die Eigenbeteiligung muss bei mindestens 50 Euro liegen.

"Auch Haushalte mit geringem Einkommen sollen die Chance haben, ihren Teil zum Klimaschutz beizutragen", erklärte Energieminister Andreas Pinkwart (FDP). Er wolle an die Erfolge des vorherigen Programms anknüpfen und erneut klimafreundliche Kühlgeräte fördern. Das Bundes- und Landesprojekt läuft bis November 2022.



Flüchtlingsberater warnen vor fehlenden Therapieplätzen

Wartezeiten für Psychotherapien sind lang, Patienten brauchen einen langen Atem. Noch schwieriger ist es für traumatisierte Flüchtlinge. Die auf diese Gruppe spezialisierten psychosozialen Zentren beklagen: Tausende werden abgewiesen.

Die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF) warnt vor fehlenden Therapieplätzen für traumatisierte Flüchtlinge und Asylbewerber in Deutschland. Seit 2013 mussten Beratungsstellen jährlich mehrere Tausend Menschen abweisen, wie es in dem fünften Versorgungsbericht der BAfF heißt, der dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. Über den Bericht, der am 13. November veröffentlicht werden soll, hatten zunächst die Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe berichtet.

Im Jahr 2017 beispielsweise wurden dem Bericht zufolge fast 11.000 Klienten und Klientinnen neu in die bundesweiten Angebotsstrukturen der Psychosozialen Zentren (PSZ) für traumatisierte Flüchtlinge, Opfer von Folter und Menschenrechtsverletzungen aufgenommen. Damit belief sich die Zahl der insgesamt versorgten Klienten in dem Jahr auf 21.418.

Doch wurden im selben Jahr mindestens 7.212 Menschen abgewiesen, die um Hilfe bei den psychosozialen Zentren des Verbands baten, wie der Bericht auflistet. Diese Betroffenen hätten weder auf die Warteliste gesetzt noch direkt versorgt werden können. Damit seien 40 Prozent der Anfragen abgelehnt worden. 2016 habe die Zahl der Abweisungen sogar bei 10.360 Betroffenen gelegen.

Hohe Nachfrage

Obwohl die Zahl der bundesweiten PSZ von 26 im Jahr 2013 auf 37 im Jahr angestiegen sei, gehe damit nicht einher, dass tatsächlich ein größerer Anteil von Flüchtlingen mit therapeutischem Bedarf versorgt werden könne, betont der Dachverband in seinem jüngsten Versorgungsbericht. Denn die Zahl der in Deutschland lebenden Flüchtlinge habe sich in diesem Zeitraum verdreifacht. Die Anzahl der von den Zentren versorgten Klienten aber habe sich lediglich von rund 10.000 auf rund 21.400 verdoppelt. Der Bedarf an Psychotherapie und psychosozialer Unterstützung bei Flüchtlingen und Asylbewerbern könne also bei weitem nicht gedeckt werden.

Erschwerend kämen lange Wartezeiten hinzu, hieß es. Durchschnittlich standen den Angaben nach 2.675 Flüchtlinge während eines Monats bundesweit auf den Wartelisten der PSZ. 7,3 Monate warten Betroffene im Durchschnitt auf einen Psychotherapieplatz, in den Metropolregionen sind es neun Monate. In einigen Zentren liegt die durchschnittliche Wartezeit bei zwei Jahren.

Der Zugang zum Gesundheitssystem insgesamt sei für geflüchtete Menschen zum Teil wieder schwieriger geworden, heißt es in dem Bericht. Auch mit Blick auf die Kostenübernahme bleibe die Vermittlung von Therapien schwierig. Der Anteil der Psychotherapien, der tatsächlich mit den gesetzlich verantwortlichen Kostenträgern abgerechnet werden konnte, sei mit sechs Prozent unverändert gering geblieben. Der Großteil der Psychotherapien werde mit über 90 Prozent nach wie vor durch Projektgelder, Landes- und Bundesmittel sowie aus Spenden finanziert.



Neuer Basiskurs "Kirche und Diakonie" startet im Januar

Die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen bietet im kommenden Jahr wieder einen Basiskurs "Kirche und Diakonie" an. Der aus sechs Modulen bestehende Kurs richtet sich hauptsächlich an haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter aus dem kirchlichen und diakonischen Bereich, wie die Frauenhilfe in Soest mitteilte. Der erste Seminar mit dem Titel "Basismodul Kirche, Diakonie und Gesellschaft" findet vom 30. Januar bis 1. Februar 2020 in der Tagungsstätte Soest statt. Pfarrerin Birgit Reiche und Diakon Thomas Roth informieren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über unterschiedliche diakonische Handlungsansätze, geben Beispiele aus der Diakonie der Gemeinden im 19. und 20. Jahrhundert und verdeutlichen aktuelle Zusammenhänge, wie es hieß.

Die Module des Basiskurses können demnach auch einzeln gebucht werden. Nach Abschluss aller sechs Einheiten erhalten die Teilnehmer ein qualifiziertes Zertifikat. Die Kursgebühren betragen laut der Mitteilung 124 Euro pro Modul. Informationen und Anmeldung: Evangelische Frauenhilfe von Westfalen, Telefon 02921/371-204 oder wieneke@frauenhilfe-westfalen.de; Internet: www.frauenhilfe-bildung.de



Deichmann-Förderpreis für Projekte für benachteiligte Jugendliche

Mit dem diesjährigen Deichmann-Förderpreis sind am 14. November in Düsseldorf Unternehmen, Schulen und Projekte ausgezeichnet worden, die sich für benachteiligte Jugendliche und ihren Bildungsweg engagieren. In drei Kategorien und mit einem Sonderpreis erhielten zehn Preisträger aus dem ganzen Bundesgebiet ein Preisgeld von insgesamt 89.000 Euro, wie das Unternehmen Deichmann mitteilte.

In der Kategorie "Berufliche Förderung durch Unternehmen" belegt das Unternehmen Akgün Kunststoffspritzguß e.K. aus Schorndorf (Baden-Württemberg) den ersten Platz. Das 2009 gegründete Unternehmen biete benachteiligten jungen Erwachsenen in familiärer Atmosphäre die notwendige Unterstützung an, im Berufsleben Fuß zu fassen, sei es beim Spracherwerb oder beim Wiederholen des Schulstoffes, hieß es. Acht von zehn Auszubildenden haben den Angaben nach seitdem einen festen Arbeitsplatz etwa als Verfahrensmechaniker, Fachlagerist und Bürokaufmann erlangt.

In der Kategorie "Unterstützung durch Vereine, öffentliche Initiativen und kirchliche Organisationen" geht der Verein Chancenwerk e.V. aus Castrop-Rauxel als Erstplatzierter hervor. 2004 gegründet unterstützt er benachteiligte Kinder und Jugendliche mit einer Lernförderung an über 90 Kooperationsschulen in elf Bundesländern. Mit einem neu entwickelten Lernsystem können Schüler Unterrichtsstoff aufarbeiten. Der Verein fördert zudem die Integration von Kindern und Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund. Jugendliche erhalten wöchentlich eine 90-minütige Lernförderung in ihrem "Problemfach" durch Studierende. Im Gegenzug verpflichten sie sich, in Begleitung von Studenten jüngeren Mitschülern beim Lernen für Klassenarbeiten zu helfen.

In der Kategorie "Schulische Präventivmaßnahmen" gewinnt die Georg-Kerschensteiner-Grundschule aus Hamburg-Harburg. Mit dem "Family-Literacy (FLY)-Programm" habe es sich die Grundschule zur Aufgabe gemacht, die Bildungschancen aller 360 Schüler zu stärken, indem sie Eltern und Familien in deren Förderung integriert, hieß es. Im Stadtteil weisen über 80 Prozent der Schüler einen Migrationshintergrund auf. Mit dem Programm werde den Schülern auch die Freude an Literatur vermittelt.

Den Sonderpreis erhält das inklusive Kulturcafé Anna Blume aus Hannover. Unter der Leitung von Ute Wrede wird benachteiligten Menschen ein Ausbildungs- und Arbeitsplatz sowie Schülerpraktika oder berufsvorbereitende Praktika für Jugendliche mit einer schweren Behinderung angeboten.

Das Schuh-Unternehmen Deichmann vergibt seit 2005 Preise gegen Jugendarbeitslosigkeit. Im Jahr 2013 wurde der Preis erweitert und in Deichmann Förderpreis umbenannt.




Medien & Kultur

Städel zeigt Zeichnungen von Beckmann bis Richter


Anselm Kiefer: "Wege der Weltweisheit: Die Hermanns-Schlacht" (1978)
epd-bild/Thomas Rohnke
An den von 1910 bis zur Wiedervereinigung 1989/90 entstandenen Arbeiten ließen sich "die Brüche, aber auch die Kontinuitäten des 20. Jahrhunderts sowie die sich verändernde Rolle der Zeichnung eindrucksvoll nachvollziehen", sagt Museumsdirektor Demandt.

Das Frankfurter Städel-Museum hat in seinem Bestand etwa 1.800 Zeichnungen deutscher Künstler aus dem 20. Jahrhundert. Rund 100 Blätter seien bis zum 16. Februar in der Ausstellung "Große Realistik & Große Abstraktion - Zeichnungen von Max Beckmann bis Gerhard Richter" versammelt, sagte der Direktor des Städels, Philipp Demandt, am 12. November. Insgesamt würden Werke von 40 Künstlern gezeigt, darunter Max Beckmann, Ernst Ludwig Kirchner, Emil Nolde, Ernst-Wilhelm Nay, Paul Klee, Karl Otto Götz, Joseph Beuys, Sigmar Polke und Gerhard Richter.

An den von 1910 bis zur Wiedervereinigung 1989/90 entstandenen Arbeiten ließen sich "die Brüche, aber auch die Kontinuitäten des 20. Jahrhunderts sowie die sich verändernde Rolle der Zeichnung eindrucksvoll nachvollziehen", sagte Demandt. Ursprünglich sei die Zeichnung ein Mittel des "Suchens, Erfindens und Experimentierens" gewesen. In der Moderne habe sie eine neue Eigenständigkeit gewonnen und sei vor allem in Zeiten staatlicher Unterdrückung auch zu einem Medium des freien Denkens geworden.

Die "Große Realistik" und die "Große Abstraktion", das Gegenständliche und Ungegenständliche, bildeten den roten Faden, der die 1.800 Werke der Graphischen Sammlung des Städels über Generationen hinweg miteinander verknüpfe, sagte die Kuratorin Jenny Graser. Diesem Pluralismus spürten auch die 100 präsentierten Blätter nach.

Arbeiten von Expressionisten

Zu den Höhepunkten der Ausstellung zählen die Zeichnungen der Expressionisten Max Beckmann (1884-1950), Emil Nolde (1867-1956) und Ernst-Ludwig Kirchner (1880-1938). Zu sehen ist etwa Kirchners Pastellzeichnung "Berliner Straßenszene" aus dem Jahr 1914, die Prostituierte und Freier in der Hektik der Großstadt zeigen. Von Nolde sticht das Aquarell "Vierwaldstätter See" aus dem Jahr 1930 heraus, und von Beckmann überrascht eine Bleistiftstudie zum Gemälde "Das Nizza in Frankfurt am Main" aus dem Jahr 1938.

Die Künstler des Informel wie Karl Otto Götz (1914-2017) und Bernard Schultze (1915-2005) suchten vor dem Hintergrund der Gräueltaten der NS-Zeit und des Zweiten Weltkriegs neue Ausdrucksmöglichkeiten und entwickelten eine abstrakte Bildsprache, ausschließlich aus Farbe und Form. So überzog etwa Götz seine Arbeiten mit dynamischen Farbwirbeln und -bahnen, wie in der Gouache "Ohne Titel" von 1957.

Viele Künstler der Nachkriegsgeneration machten die jüngste deutsche Geschichte zu ihrem Thema und griffen dafür wieder auf eine gegenständliche Bildsprache zurück. Eugen Schönebeck (geboren 1936) und Georg Baselitz (geboren 1938) stellen in ihren Farbstift- und Tuschezeichnungen deformierte, von Narben, Wunden und Geschwüren bedeckte Körper dar, Markus Lüpertz (geboren 1941) zeichnet "Deutsche Motive" und Jörg Immendorff (1945-2007) bereitet in farbenprächtigen Gouachen dem "Café Deutschland" eine Bühne.

Blätter von Hermann Glöckner (1889-1987), Gerhard Altenbourg (1926-1989) und Werner Tübke (1929-2004) stehen exemplarisch für die Zeichenkunst in der DDR. Selbst Gerhard Richter (geboren 1932), der zu den bedeutendsten zeitgenössischen Künstlern weltweit gehört, ist in der Frankfurter Ausstellung mit zwei Grafitzeichnungen vertreten. Sie vermitteln laut Graser "in ihrer dynamischen Sprache noch heute etwas vom Zusammen- und Aufbruch" der Jahre 1989/90.



Evangelische Kirche baut Youtube-Netzwerk auf


GEP-Direktor Jörg Bollmann
epd-bild/Matthias Rietschel

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) verstärkt ihre Präsenz auf Youtube. Das Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP) baut derzeit ein Evangelisches Content Netzwerk auf, um das Einzelangebot "Jana glaubt" im nächsten Jahr zu einem "mehrstimmig evangelischen Auftritt" auszuweiten, wie GEP-Direktor Jörg Bollmann am 12. November bei der EKD-Synodentagung in Dresden sagte.

Die EKD hatte im vergangenen Jahr den Youtube-Kanal "Jana glaubt" für junge Frauen und Männer gestartet. Das Gesicht des Angebots ist die 21-jährige Studentin Jana Highholder, deren Videos derzeit rund 16.900 Menschen abonniert haben. Zu Jahresbeginn war kirchenintern Kritik an Highholder laut geworden, weil sie in Anlehnung an ein Bibelzitat die Rolle des Mannes als Oberhaupt der Familie befürwortete. Der Youtuberin wurde daraufhin vorgeworfen worden, ein einseitiges Frauenbild zu vertreten.

GEP-Direktor Bollmann äußerte sich bei der Synodentagung sehr zufrieden mit der Resonanz auf die Angebote aus seinem Haus, das als zentrale Medieneinrichtung der EKD, ihrer Landeskirchen und Werke sowie der evangelischen Freikirchen fungiert. Zum GEP gehören unter anderem das evangelische Monatsmagazin "chrismon", die evangelische Rundfunkarbeit, das Internetportal "evangelisch.de" und die Zentralredaktion des Evangelischen Pressedienstes (epd). Das Gemeinschaftswerk mit Sitz in Frankfurt am Main gehört zu 94 Prozent der EKD und zu 6 Prozent dem Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung.

"Erreichen mehr Menschen als je zuvor"

"Wir finden offene Augen und offene Ohren, mit unseren Angeboten erreichen wir Menschen, mehr als je zuvor", sagte Bollmann. Laut Allensbacher Werbeanalyse erreiche "chrismon" 1,67 Millionen regelmäßige Leserinnen und Leser. "Beachtlich stabil" seien zudem die Zuschauerzahlen für die ZDF-Fernsehgottesdienste und für "Das Wort zum Sonntag". Im zu Ende gehenden Jahr komme "evangelisch.de" erstmals auf zehn Millionen Visits im Jahr.

Aktuell meldet der epd nach den Worten Bollmanns mit 33 Millionen Leserkontakten zudem erneut eine stabile Reichweite bei einem Marktanteil bei Tageszeitungen nach Auflage in Höhe von 89,4 Prozent. Zudem stiegen die Kontaktzahlen in den Online-Produkten, die durch die Verträge mit den deutschen Medienhäusern inzwischen bei rund 40 Millionen pro Monat liegen.

Bollmann kündigte der Synode an, dass das GEP angesichts sinkender Kirchenmitgliedszahlen und Steuereinnahmen in den nächsten Jahren deutliche Einsparungen vornehmen wird. Bis 2024 sollen die jährlichen Gesamtkosten in Höhe rund 27 Millionen Euro um 1,9 Millionen Euro reduziert werden. Das solle bei "weitgehendem Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen" erfolgen. Zugleich sollen die wesentlichen Produkte und Arbeitsbereiche erhalten und das Evangelische Content Netzwerk aufgebaut werden.



Bundespressekonferenz-Chef kritisiert PR-Strategien der Politik

Inszenierte Interviews, eigene Newsrooms: Die PR der Politik kopiert Formate von Journalisten. Bei einer Konferenz in Berlin diskutierten beide Seiten, was daraus folgt. Der Bundespressekonferenz-Vorsitzende warnt vor einer Abwertung des Originals.

Der Vorsitzende der Bundespressekonferenz, Gregor Mayntz, sieht die PR-Strategien von Parteien und Ministerien mit Sorge. Parteien berichteten mit gestellten Interviews über sich selbst, Ministerien kopierten journalistische Formate für ihre PR, sagte der bundespolitische Korrespondent der "Rheinischen Post" am 15. November bei der Konferenz "Formate des Politischen" in Berlin. Damit werteten sie das Original ab, sagte Mayntz. Journalisten, Politiker und Kommunikationsexperten diskutierten bei der Konferenz über das Verhältnis von PR und Journalismus - und das angespannte Verhältnis zur AfD.

Als Beispiele für neue PR-Strategien nannte Mayntz das jüngst im Internet abrufbare Gespräch zwischen Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus und Bundeskanzlerin Angela Merkel (beide CDU) zum 30. Jahrestag des Mauerfalls und die Rubrik "Grill den Scheuer" der Pressearbeit von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Das "Grillen" - aus dem journalistischen Jargon ein Begriff für besonders hartnäckiges und kritisches Fragen - sei dabei eher "lauwarm als heiß", sagte Mayntz.

AfD-Sprecher verteidigt Verhalten von Weidel

Die Bundespressekonferenz veranstaltet Pressekonferenzen und ist dabei der Herr über die Regeln, zu denen unter anderem gehört, dass Pressekonferenzen erst enden, wenn alle Fragen beantwortet sind. Gemeinsam mit dem Deutschlandfunk veranstaltete der Verein die Tagung "Formate des Politischen". Schwerpunkt war in diesem Jahr unter dem Titel "News ohne Journalisten - Wird der Journalismus in der digitalen Öffentlichkeitsarbeit verdrängt?" die Öffentlichkeitsarbeit der Politik.

Auch die Korrespondentin des Evangelischen Pressedienst (epd), Mey Dudin, sagte, die Tendenz zu Newsrooms und Kommunikation an Journalisten vorbei müsse Sorge bereiten. Die Leistung von Journalisten, Quellen zu prüfen, Fakten zu checken und einzuordnen, sei angesichts der Informationsflut wichtiger denn je.

Der CDU-Politiker Mario Voigt, selbst beteiligt an der innerparteilichen Diskussion über Kommunikation, sagte, Parteien müssten sich verändern, wenn sie für alle Gruppen ansprechbar sein wollen. Sie müssten noch die Antwort finden, auf welchem Kanal sie künftig kommunizieren.

Der Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Christian Lüth, sagte, ihm sei es lieber, wenn Neuigkeiten der Partei zuerst über den Newsroom der Fraktion verbreitet würden. Er verteidigte zudem das Verhalten von Fraktionschefin Alice Weidel (AfD), die Fragen von Journalisten als "dumm" bezeichnetet hatte. Er sei dafür, dass alle Fragen gestellt werden könnten, "wenn sie der Wahrheitsfindung dienen", sagte Lüth. "Was nicht geht", sei, wenn eine Suggestion "oder sogar eine eigene Meinung" hinter der Frage stehe.

Einfluss von Influencern

Weidel war gemeinsam mit dem AfD-Co-Fraktionsvorsitzenden Alexander Gauland und dem Abgeordneten Stephan Brandner (AfD) nach dessen Abwahl vom Vorsitz des Rechtsausschusses des Bundestags am Mittwoch vor die Presse getreten, um Fragen von Journalisten zu beantworten. Statt zu antworten kommentierte Weidel die Fragen als "dumm", "dümmlich" und "dämlich". Ein Journalist, der gefragt hatte, ob für den Posten eine integre Person in der Fraktion gefunden werde, wurde von Lüth bei Twitter namentlich kritisiert - versehen mit dem Hashtag "Lügenpresse".

Debattiert wurde ferner, inwieweit sogenannte Influencer politischen Journalismus betreiben. Der YouTuber Rezo, der kränkelte und deshalb nur per Video-Schalte teilnahm, verteidigte sein Video "Die Zerstörung der CDU", in dem er im Frühjahr die Politik der CDU angeprangert hatte. Er würde es "nicht als Journalismus" bezeichnen, aber auch nicht als "Nicht-Journalismus". Es sei aber nicht einseitig gewesen.

Die stellvertretende Leiterin der Parlamentsredaktion der "Rheinischen Post", Kristina Dunz, sagte, das Video sei "hervorragende Unterhaltung" gewesen, könne aber nicht in den Journalismus eingruppiert werden. Journalisten müssten immer auch die Gegenseite hören - "das geht nicht anders". Dadurch komme dann ein anderes Bild zustande.



Eigentümer des Berliner Verlags bestätigt Stasi-Mitarbeit

Seit ihrem Grundsatztext mit dem Lob für Egon Krenz sorgen die Neueigentümer der "Berliner Zeitung" für Diskussionen. Nun wurde Verleger Holger Friedrich als Stasi-IM enttarnt. Er sei vom DDR-Geheimdienst vor die Wahl gestellt worden, erklärt er.

Der Neueigentümer des Berliner Verlags, Holger Friedrich, hat eine Mitarbeit bei der DDR-Staatssicherheit eingeräumt. Er sei unter dem Verdacht der Republikflucht von der Stasi verhaftet und vor die Wahl gestellt worden: Gefängnis oder Bereitschaft zur "Wiedergutmachung", erklärte Friedrich am 15. November auf der Internetseite der "Berliner Zeitung". Er veröffentlichte dort Antworten auf Fragen der "Welt am Sonntag", die Friedrichs Spitzeltätigkeit zuvor aufgedeckt hatte.

"Ich habe die Option b) gewählt, um mich der akuten Zwangssituation zu entziehen", erklärt Friedrich darin. Friedrich, der mit seiner Frau Silke die "Berliner Zeitung" gekauft hatte, räumt in den veröffentlichten Antworten auch ein, eine katholische Kirche besucht zu haben, um die Familie inklusive der Freundin eines kirchlich gebundenen Soldaten auszuforschen. "Diese Szene kann ich bestätigen", erklärte Friedrich. Kurz nach dieser Aktion habe er sich von der Stasi "dekonspiriert" und eine Kooperation wiederholt abgelehnt. Worte der Entschuldigung oder Reue finden sich in der Erklärung Friedrichs nicht.

"Beispiel für Transparenz"

In einer weiteren auf der Internetseite der "Berliner Zeitung" veröffentlichten Erklärung schreibt Herausgeber Michael Maier über den Umgang der Zeitung mit der Vergangenheit. Die Zeitung sei 1996 bestrebt gewesen, einen wirklichen Neuanfang zu ermöglichen. Man habe sich von Mitarbeitern getrennt: "Wir haben die Auffassung vertreten, dass Redaktionsmitglieder mit einer Stasi-Akte nicht in einer freiheitlich-liberalen Zeitung als schreibende Redakteure tätig sein können."

"Die Thematisierung der Akte des Verlegers Holger Friedrich durch die Zeitung 'Die Welt' zeigt, dass der Neuanfang immer noch nicht abgeschlossen ist", schreibt Maier. Für die Zeitung sei die Integrität der Berichterstattung das höchste Gut, zu der Distanz zu nicht-journalistischen Interessen und Transparenz gehöre. "Die Veröffentlichung der verstörenden Geschichte des Holger Friederich ist aus unserer Sicht ein Beitrag zu dieser Transparenz", schreibt Maier.

Die Neueigentümer des Berliner Verlags hatten mit einer am 8. November veröffentlichten Sonderausgabe der "Berliner Zeitung" zum 30. Jahrestag des Mauerfalls für Diskussionen gesorgt. Darin schreibt das Ehepaar unter der Überschrift "Berliner Botschaft", was sie mit dem Kauf der Zeitung bezwecken wollen. In dem Text findet sich auch ein Lob für den letzten DDR-Staatsratsvorsitzenden Egon Krenz, der in den Mauerschützenprozessen schuldig gesprochen wurde. Krenz habe 1989 die Größe gehabt, "doch keinen Befehl zur Anwendung von Gewalt zu geben", schreiben die Friedrichs. In der gleichen Ausgabe gibt es auch ein zweiseitiges Interview mit Krenz, in dem dieser aus seiner Sicht die Geschehnisse während der friedlichen Revolution ausführlich schildert.

IT-Unternehmer

Das Ehepaar Friedrich hatte die "Berliner Zeitung" kürzlich von der Kölner Unternehmensgruppe DuMont gekauft, die sich nach zehn Jahren vom Berliner Verlag getrennt hat. Holger Friedrich gründete 2009 den Technology Think Tank Core und ist Geschäftsführer der Commercial Coordination Germany. Silke Friedrich leitet die Berlin Metropolitan School, die nach eigenen Angaben mit über 1.000 Schülern die größte internationale Schule Berlins ist.



Mediatheken von ARD und ZDF werden vernetzt

Die Mediatheken von ARD und ZDF sind vom kommenden Montag an mit einer vernetzten Suchfunktion ausgestattet. Die Erfahrung habe gezeigt, dass Nutzer in der ARD-Mediathek auch ZDF-Inhalte suchen und umgekehrt, sagten der Leiter von ARD Online, Benjamin Fischer, und der Leiter der Hauptredaktion Neue Medien im ZDF, Eckart Gaddum, dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Mainz. Dafür seien Listen mit meistgesuchten Begriffen wie Formatnamen und Marken ausgetauscht worden, die fortlaufend aktualisiert würden. Ein direkter Datenaustausch finde nicht statt. Die vernetzte Suche ist zunächst ausschließlich auf den Websites der Mediatheken verfügbar und nicht in den Apps.

"Einstieg in vernetzten öffentlich-rechtlichen Kosmos"

Wer künftig in der ZDF-Mediathek zum Beispiel nach einem Film der ARD-Krimireihe "Tatort" sucht, bekommt einen Link zur ARD-Mediathek angeboten. Dieser Link führt dann direkt auf eine entsprechende Ergebnisliste in der ARD-Mediathek. Wer umgekehrt bei der ARD nach der "Heute Show" sucht, erhält einen Link zur ZDF-Mediathek. Außerdem stellen ARD und ZDF von Montag an auch die Livestreams ihrer Hauptprogramme wechselseitig in den Mediatheken verlinkt zur Verfügung.

"Für uns ist das der Einstieg in einen vernetzten öffentlich-rechtlichen Kosmos im nonlinearen Bereich. Da wird noch mehr kommen", sagte Fischer. Konkret in Planung sei bereits eine gemeinsame Login-Funktion, so dass Nutzer künftig mit einem Account beide Mediatheken personalisiert nutzen können. Bislang verfügt nur die ZDF-Mediathek über eine Login-Funktion. Laut Fischer wird die ARD-Mediathek zeitnah diese Möglichkeit ebenfalls anbieten, der gemeinsame Login mit der ZDF-Mediathek sei dann der nächste Schritt.



"Meisterin der Dystopie" blickt optimistisch in die Zukunft


Margaret Atwood
epd-bild/Heike Lyding
Lesungen, Interviews und dazwischen ein Mode-Shooting: Die Bestsellerautorin Margaret Atwood hat auch mit 80 Jahren noch viel vor. Nur eine Autobiografie ist wohl nicht zu erwarten: "Ich interessiere mich nicht so sehr für mich selbst."

Sie schreibt unermüdlich und überall - am Schreitisch und im Wald, auf einem Schiff oder im Café. Die Ideen scheinen Margaret Atwood nie auszugehen, ihre Gedanken hält sie auf dem Laptop, in Notizbüchern und manchmal auch auf Papierservietten fest. Am 18. November ist die kanadische Bestsellerautorin 80 Jahre alt geworden, sie wurde 1939 in Ottawa geboren.

Für ihr neues Buch "Die Zeuginnen" hat sie im Oktober den Booker-Literaturpreis bekommen. Es ist nach fast 35 Jahren die lang erwartete Fortsetzung ihres erfolgreichen dystopischen Romans "Der Report der Magd".

Die weltweite Premiere des Werks in einer Londoner Buchhandlung war live in mehr als 1.000 Kinos weltweit übertragen wurden. Obwohl kurz danach ihr langjähriger Lebensgefährte verstarb, der Schriftsteller Graeme Gibson, ging sie weiter auf Lesetour in Europa und Nordamerika. Fast 50 Jahre waren sie und Gibson ein Paar gewesen. Für die Zukunft plant Atwood weitere Reisen, etwa nach Afrika.

Der 1985 erschienene Bestseller "Der Report der Magd" - im Original: "The Handmaid's Tale" - ist mit mehr als acht Millionen Exemplaren ihr bekanntestes Werk. Er spielt in der nahen Zukunft, in der ein totalitäres, religiöses Regime die Macht übernommen hat. Darin werden Frauen unterdrückt, sie müssen als "Gebärmaschinen" dienen. Atwood schrieb den Roman im Orwell-Jahr 1984 in West-Berlin.

Kandidatin für Nobelpreis

Wer jedoch meint, dass das alles nur ihrer Fantasie entsprungen sei, den korrigiert die zierliche Frau mit dem silberfarbenen Lockenhaar. Sie habe nichts erfunden, all die grausamen Dinge seien so oder so ähnlich schon irgendwo einmal passiert. Nach der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten stieg das Buch 2017 erneut in die Bestsellerlisten. Dazu trug auch die Serienverfilmung "Handmaid's Tale" bei, die bislang mit elf Emmys ausgezeichnet wurde. Mit den in Roman und Film beschriebenen roten Roben und weißen Hauben der "Mägde" protestieren Frauen in den USA immer wieder gegen schärfere Abtreibungsgesetze.

Atwoods rund 50 Romane, Essays, Kurzgeschichten und Gedichte sind in mehr als 30 Sprachen erschienen. International bekannt wurde sie durch ihren 1969 erschienen Roman "Die essbare Frau". Als Vizepräsidentin der weltweiten Schriftstellervereinigung PEN International setzt sie sich gemeinsam mit Salman Rushdie für verfolgte Autoren und Autorinnen ein.

Seit Jahren gilt die "Meisterin der Dystopie" zudem als Kandidatin für den Literaturnobelpreis. Im Jahr 2017 erhielt sie mit den Friedenspreis der deutschen Buchhandels. Atwood zeige politisches Gespür und eine Hellhörigkeit für gefährliche unterschwellige Entwicklungen und Strömungen in der Gesellschaft, hieß es in der Begründung der Jury.

Als Prophetin wird sie oft bezeichnet. So sieht sie sich aber nicht. "Ich schreibe Bücher, weil ich denke, so könnte es kommen", sagte sie einmal. Auch sei "Der Report der Magd" keineswegs anti-religiös. Vielmehr wolle sie zeigen, dass Religion auch missbraucht werden könne, betont Atwood, die sich als strikte Agnostikerin bezeichnet.

Durch ihr ganzes Leben zieht sich die Liebe zur Natur: Ihr Vater war Insektenforscher, mit den Eltern verbrachte sie die Sommermonate in der kanadischen Wildnis. Seit vielen Jahren engagiert sie sich für den Vogelschutz und beschäftigt sich mit der Klimakrise, der Verschmutzung der Weltmeere, mit Bürgerkriegen und Flüchtlingskrisen - etwa in ihren Werken "Oryx und Crake" oder "Das Jahr der Flut".

"Stimme der weiblichen Empfindsamkeit, aber auch Unerbittlichkeit"

Die Schriftstellerin sei "eine Stimme der weiblichen Empfindsamkeit, aber auch Unerbittlichkeit für ein anderes Amerika", würdigte sie einmal der Regisseur Volker Schlöndorff. Auch die Nachrichtenmoderatorin Petra Gerster ist ein Fan: "Wer denkt, Frauenemanzipation und Gleichberechtigung seien in der westlichen Welt fest verankert und unumkehrbar, muss Atwood lesen."

Auf Schriftsteller und alte Leute müsse niemand hören, erklärt Atwood, deren trockener Humor und feine Ironie in ihren Büchern und Interviews immer wieder hervorblitzt. Anders sei das bei Jugendbewegungen wie "Extinction Rebellion", sagt die Autorin, die bei Twitter aktuell mehr als 1,9 Millionen Follower hat.

In einem Podcast bezeichnete sie die 16-jährige schwedische Umweltaktivistin Greta Thunberg als "Jeanne d'Arc der Umweltbewegung". Gemeinsam sollten sie als "Frauen des Jahres" des internationalen Modemagazins "Glamour" ausgezeichnet werden. Dafür ließ Atwood sich in Model-Manier in ihren Lieblingsfarben schwarz und rot fotografieren.

Trotz der Weltuntergangsszenarien in ihren Werken sei sie Optimistin geblieben, betont Atwood. Eine Autobiografie will sie aber nicht schreiben: "Ich interessiere mich nicht so sehr für mich selbst, sondern für Geschichten und für meine Leser." Auch ihren Roman "Scribbler Moon" (deutsch etwa: Schreiberlings Mond) werden ihre Fans nicht zu Gesicht bekommen: Das Manuskript liegt beim norwegischen Verlag Future Library Project und soll erst im Jahr 2114 veröffentlicht werden.

Christine Süß-Demuth (epd)


Gewinner der Einheit


Das Sandmännchen wird 60.
epd-bild/Christian Ditsch
Zipfelmütze, Spitzbart und Flauschhaare: Das DDR-Sandmännchen ist heute gesamtdeutscher Publikumsliebling. Seit 60 Jahren verstreut es abends Traumsand - und ist noch kein bisschen müde.

Es ist eine Kultfigur: Allabendlich kommt das Sandmännchen im Fernsehen zu den Kindern, bringt eine Gute-Nacht-Geschichte und natürlich den berühmten glitzernden Traumsand. Das Ritual begeistert immer neue Kindergenerationen, seit nunmehr 60 Jahren. Am 22. November 1959 war der kleine Mann mit den dunklen Knopfaugen zum ersten Mal im DDR-Fernsehen zu sehen, wenige Tage vor dem West-Sandmännchen.

Heute ist der Sandmann aus dem Osten zu einem gesamtdeutschen Publikumsliebling geworden. Täglich sehen ihn mehr als eine Million kleine und große Zuschauer in Kika, MDR und RBB.

Einzigartig wie der Sandmann selbst ist sein Fuhrpark mit inzwischen mehr als 300 verschiedenen Fortbewegungsmitteln. Rund 200 davon wurden mit viel Liebe zum Detail von Harald Serowski (1929-2005) entworfen. Das Sandmännchen kommt im Unterseeboot oder mit dem fliegenden Teppich, lenkt Straßenbahnen, Fahrräder und Autos jeglicher Art, fährt Ski oder schwebt im Heißluftballon. Es flog sogar mit einem Raumschiff ins All und landete auf dem Mond.

Ost-West-Wettlauf

Seine Beliebtheit bestätigen Zuschauerbriefe an den Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB), der die Sendung federführend und in Kooperation mit MDR und NDR produziert: "Lieber Sandmann, ich hab dir eine Frau gemalt, damit du nicht mehr so alleine bist", schreibt ein Kind. Ein anderes fragt und sorgt sich: "Ob das Sandmännchen wohl ein Unterhemd trägt?"

"Die Kinder mögen vor allem seine beständig freundliche Art", sagt Anja Hagemeier, Leiterin der Abteilung Familie und Kinder beim RBB. Es sei verlässlich und auf seinen Reisen stets bei Kindern zu Gast - das begeistere.

Spektakulär ist seine Entstehung vor 60 Jahren - in nur drei Wochen wurde die Figur des Sandmanns geschaffen. Als die DDR-Funktionäre von einem geplanten West-Sandmännchen erfuhren, musste schnell ein Sandmännchen für den Osten her. So gesehen ist die Figur ein Ergebnis des Kalten Krieges.

Das DDR-Fernsehen DFF beauftragte den Berliner Regisseur, Puppen- und Szenenbildner Gerhard Behrendt (1929-2006). Ein passendes Lied dazu soll Komponist Wolfgang Richter (1928-2004) gar an nur einem Abend geschrieben haben. Den Text habe er sich durchs Telefon diktieren lassen, heißt es. Sein Werk "Sandmann, lieber Sandmann" ist heute Ohrwurm der Sendung. Alles in allem sei es "der große Wurf" gewesen, sagt Experte und Autor mehrerer Sandmann-Bücher, Volker Petzold.

Behrendt war allerdings mit seinem ersten Entwurf nicht zufrieden. Er habe sich für das "hutzelige Männchen", das bei der Premiere noch zu Fuß daher kam, zunächst sogar geschämt, erzählt Petzold, "es sah ein bisschen aus wie ein Gartenzwerg". Der Puppenbildner habe dann noch einige Monate weitergearbeitet, bis die etwa 25 Zentimeter große Figur so aussah wie heute noch - damals alles in Handarbeit. Hinzu kamen Requisiten und Landschaften sowie weitere Kult-Figuren, etwa Fuchs und Elster oder Pittiplatsch.

Puppe, Lied, Fahrzeug

Der erste Ost-Sandmann ging dann tatsächlich acht Tage früher auf Sendung als sein westdeutsches Pendant beim SFB. Das Ostprodukt setzte sich auch nach der deutschen Einheit durch. Als 1990 das Gerücht aufkam, dass die beliebte Sendung vom Bildschirm verschwinden sollte, hätten viele Zuschauer protestiert, sagt Petzold, der 1991 Vizechefredakteur beim DFF war.

Der Schlüssel zum Erfolg liegt Petzold zufolge im Zusammenspiel von Puppe, Lied und wechselnden Fahrzeugen. Behrendt selbst beschrieb den Sandmann einmal so: "Er hat Kindliches als auch das Merkmal der Weisheit und Würde des Alters." In der DDR war der Sandmann einst auch politisch engagiert: Er fuhr zu sozialistischen Freunden in die Sowjetunion, nach Kuba und Vietnam, aber auch ins Pionierlager und zur Nationalen Volksarmee (NVA).

Zum runden Geburtstag sendet der RBB eine Sandmann-Dokumentation und eine lange Sandmann-Nacht. Und es gibt ein Lied: "Lieber Sandmann bleib", komponiert von Ex-Rosenstolz-Sänger Peter Plate, interpretiert von Sängerin Sotiria. Zudem können Fans im Filmmuseum Potsdam mit dem Sandmann auf Zeitreise gehen, in Dresden fokussiert eine Ausstellung die Beziehungen des Sandmanns zu Sachsen.

Katharina Rögner (epd)


Bund beteiligt sich mit Millionensumme an Migrationsmuseum

Der Bund unterstützt das geplante "Haus der Einwanderungsgesellschaft" in Köln finanziell. Der Haushaltsausschuss des deutschen Bundestages bewilligte dazu am Donnerstag in einer Sitzung eine Summe von 22,13 Millionen Euro, wie das Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland (Domid) am 15. November in Köln mitteilte. Das Land NRW hat bereits eine Ko-Finanzierung für das deutschlandweit erste Migrationsmuseum zugesagt und eine Machbarkeitsstudie dazu durchführen lassen. Die Kosten belaufen sich nach derzeitigem Stand auf etwa 45 Millionen Euro.

Die Stadt Köln stellt das Gebäude - eine alte Industriehalle im rechtsrheinischen Stadtteil Kalk - zur Verfügung. Das Haus soll die Geschichte der Bundesrepublik seit 1945 interaktiv erlebbar machen. Bislang hat Domid rund 150.000 Objekte zur Geschichte der Einwanderung gesammelt. Ein kleiner Teil davon wird bereits im Bezirksrathaus in Köln-Ehrenfeld präsentiert. Ende 2023 sollen die Bauarbeiten in dem künftigen Museum abgeschlossen sein.

"Die Unterstützung des Bundes markiert einen wichtigen Meilenstein zur Verwirklichung des 'Hauses der Einwanderungsgesellschaft'", sagte der Domid-Geschäftsführer Robert Fuchs. Damit werde der Weg "für ein zentrales Haus geebnet, in der sich Deutschland als Migrationsgesellschaft erfahren kann".

Auch der stellvertretende NRW-Ministerpräsident und Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) begrüßte die Entscheidung des Bundes. "Mit dem neuen Museum möchten wir ein Zeichen setzen für eine freiheitliche und weltoffene Gesellschaft und ein Forum bieten für offene Diskussionen über Migration und seine Geschichte." Es gebe dafür kaum eine passendere Stadt als Köln, die schon immer Anziehungspunkt für Menschen aus aller Welt gewesen sei, sagte er. Der aus Köln stammende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, bezeichnete Köln aufgrund seiner Zuwanderungsgeschichte als "hervorragenden Standort" für das Migrationsmuseum. Das "Haus der Einwanderungsgesellschaft" könne zu einem "Ort der Erinnerungskultur und des lebendigen Austausches zu Fragen der Migration in Deutschland" werden.



Arbeitskreis beklagt prekäre Situation in der Provenienzforschung

Museumsexperten und Kunsthistoriker im Arbeitskreis Provenienzforschung kritisieren eine oft prekäre wirtschaftliche Situation des Forschungsgebiets. Eine nachhaltige Arbeit könne nicht gewährleistet werden, wenn der Großteil der Forschungsarbeit noch immer über kurzfristige Projekte realisiert wird, sagten Meike Hopp und Carolin Lange aus dem Vorstand des Arbeitskreises Provenienzforschung am 12. November auf ihrer Jahrestagung in Düsseldorf. Das Forschungsgebiet widmet sich der Herkunft von Kunstwerken und Kulturgütern, die im Zuge der NS-Zeit oder der Kolonialisierungsgeschichte ihren ursprünglichen Besitzern oder Standorten entzogen wurden.

Die nordrhein-westfälische Kulturministerin Isabell Pfeiffer-Poensgen (parteilos) sagte, die Provenienzforschung habe in den vergangenen Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen: "Seit Ende der 1990er-Jahre besteht in Deutschland endlich eine wachsende Bereitschaft zur Aufklärung und Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter." Zudem würden Professionalisierung und Akademisierung in dem Bereich vorangetrieben.

Auf der Tagung tauschen sich bis Mittwoch mehr als 290 Forscherinnen und Forscher aus Europa und den USA aus. Dabei sprechen unter anderem Fachleute aus Universitäten, Museen und vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste über Forschung, Lehre und praktische Anwendung der Provenienzforschung. Neben Forschungsergebnissen und Projekten im Bereich der NS-Verfolgung werden auch Erkenntnisse zum kolonialen Erbe präsentiert und diskutiert. Ein Anliegen der Forscher ist auch eine Digitalisierung und Online-Archivierung von Ergebnissen, um Doppelrecherchen zu vermeiden. Die Tagung wird von den Städten Düsseldorf und Köln gefördert und vom NRW-Kulturministerium finanziell unterstützt.



Bestsellerautor Volker Kutscher schreibt Krimi über Dortmund

Für das internationale Krimifestival "Mord am Hellweg" schreibt der Bestsellerautor Volker Kutscher einen Kurzkrimi über die Stadt Dortmund. Der Kölner recherchiert dafür derzeit in der Ruhrgebietsstadt, wie die Stadt Dortmund mitteilte. Aus Kutschers Feder stammt unter anderem der Roman "Der nasse Fisch" um den Ermittler Gereon Rath, der die Vorlage für die Serie "Babylon Berlin" darstellt.

Die 10. Ausgabe des Krimifestivals soll vom 19. September bis zum 14. November 2020 stattfinden. Traditionell wird dazu in jedem Jahr ein Kurzkrimi-Band veröffentlicht. Dafür hat die Festivalleitung Ende August 23 Krimiautorinnen und -autoren beauftragt, unter anderem Christof Weigold ("Der Mann, der nicht mitspielt"), Jens Henrik Jensen ("Oxen"), Ben Aaronovitch ("Die Flüsse von London"), Bernhard Aichner ("Totenfrau"-Trilogie), Doris Gercke ("Bella Block"-Reihe), Elisabeth Herrmann ("Judith-Kepler"-Krimis), Edith Kneifl ("Der Tod ist ein Wiener") und Antti Tuomainen ("Die letzten Meter bis zum Friedhof").




Entwicklung

Evo Morales - Südamerikas erster indigener Präsident tritt ab

Evo Morales hat Geschichte geschrieben. Dass er seine Vorhaben beenden wollte, ließ ihn über die Zeit an der Macht festhalten. Auch das wird in Erinnerung bleiben.

Evo Morales hat Bolivien von Grund auf verändert. Als erster indigener Präsident hat er den bolivianischen Urvölkern zu Selbstbewusstsein verholfen. Nicht nur, weil er als Aymara einer von ihnen ist. Der ehemalige Koka-Bauer hat seit seinem Amtsantritt 2006 die Armut in dem Andenland fast halbiert. Davon haben ganz besonders die Ureinwohner profitiert, die mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausmachen.

Der heute 60-jährige Morales wuchs in bitterarmen Verhältnissen im Hochland auf. Vier seiner Geschwister starben noch im Kindesalter. Schon früh schloss er sich der Gewerkschaft der Koka-Bauern an und gründete später die "Bewegung zum Sozialismus" (MAS), als deren Abgeordneter er 1997 ins Parlament einzog. 2005 wurde Morales dann zum Präsidenten gewählt. 2009 und 2014 wurde er jeweils mit absoluter Mehrheit wiedergewählt.

Der Kampf gegen die Armut und die Anerkennung der indigenen Kultur auf Staatsebene blieben seine wichtigsten Ziele. 2009 gab sich Bolivien eine neue Verfassung. Die Republik wurde zu einem "plurinationalen" Staat, indigene Rechtssysteme wurden als verfassungsgleich anerkannt. Zur Wahrung des traditionellen Koka-Anbaus trat Bolivien aus der UN-Drogenkonvention aus. Gleichzeitig förderte die Regierung die indigenen Sprachen, deren Kenntnisse seitdem als Voraussetzung für die Besetzung öffentlicher Ämter gelten.

Bergbau verstaatlicht

Boliviens wichtigste Exportprodukte sind Erdöl und Erdgas. Morales setzte die Verstaatlichung des Bergbausektors durch und investierte die Exporterlöse unter anderem in Sozialprogramme.

Auch politisch hat Morales Bolivien eine ungewöhnliche lange Zeit der Stabilität beschwert. Mit mehr als 13 Dienstjahren ist er der am längsten amtierende Staatschef in der Geschichte des Andenlandes. Der Versuch, entgegen dem Votum der Bevölkerung eine vierte Amtszeit durchzusetzen, wurde ihm schließlich zum Verhängnis.

2016 sprach sich in einem Referendum eine knappe Mehrheit der Bolivianer gegen eine vierte Kandidatur des Präsidenten aus. Morales stellte sich dennoch zur Wahl - gegen die Verfassung und mit Hilfe regierungstreuer Verfassungsrichter, die ihm grünes Licht gaben.

In den vergangenen Jahren nahm dann auch die Kritik an Morales zu. Ihm wurde vorgeworfen, nicht entschieden gegen Korruption und Vetternwirtschaft in seinem Umfeld vorzugehen. Zudem wurde sein Regierungsstil autoritärer, sein Umgang mit Kritikern härter.

Zuletzt hat er die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Um sein "sozialistisches Projekt" zu beenden, hat er weitrechende Manipulation beim Wahlergebnis in Kauf genommen. Nach wochenlangen Protesten und drei Toten zieht sich Morales jetzt zurück, wohl auch, um venezolanische Verhältnisse und noch mehr Tote zu verhindern. Das Selbstbewusstsein der bolivianischen Ureinwohner bleibt als sein Verdienst.

Susann Kreutzmann (epd)


Ex-Verteidigungsminister siegt bei Wahl in Sri Lanka

Gotabaya Rajapaksa ist der neue Präsident Sri Lankas. Seine Rolle im Bürgerkrieg und seine ersten Ankündigungen machen bereits den künftigen Regierungskurs deutlich.

Der umstrittene frühere Verteidigungsminister Gotabaya Rajapaksa wird Sri Lankas neuer Präsident. Der 70-jährige Bruder von Ex-Präsident Mahinda Rajapaksa erhielt bei der Wahl von 16. November nach offiziellem Ergebnis 52,25 Prozent der Stimmen, wie die Zeitung "Daily Mirror" berichtete. Der Kandidat der Regierungspartei, Sajith Premadasa, kam auf 41,99 Prozent der Stimmen. Rajapaksa sollte am 18. November als neuer Präsident vereidigt werden. Damit zieht die umstrittene Politiker-Dynastie Rajapaksa erneut in den Präsidentenpalast ein. Beiden Brüdern werden im Bürgerkrieg (1983-2009) schwere Menschenrechtsverletzungen zur Last gelegt.

Knapp sieben Monate nach den blutigen Osteranschlägen islamischer Attentäter mit 259 Toten sprach sich die Mehrheit der Wähler für die Rückkehr zu einer autoritären Regierungsform aus. Der frühere Armeeoffizier Rajapaksa war in der Endphase des Bürgerkriegs Verteidigungsminister und gilt als Unterstützer der extremistischen Bodu Bala Sena Organisation. Die buddhistisch-nationalistische Gruppe geht gezielt gegen Muslime vor, die etwa zehn Prozent der Bevölkerung ausmachen.

Begnadigungen angekündigt

Das frisch gewählte Staatsoberhaupt kündigte bereits an, Bruder Mahinda zum Ministerpräsidenten zu ernennen. Zudem will Gotabaya Rajapaksa alle Armeeangehörigen, die sich wegen Kriegsverbrechen verantworten müssen, begnadigen. Mahinda Rajapaksa war von 2005 bis 2015 Präsident Sri Lankas und gewann den Bürgerkrieg gegen die tamilischen Rebellen mit einer blutigen Militärkampagne.

Die Terroranschläge im April haben die ethnischen und religiösen Spannungen auf der Insel noch verstärkt. Am Wahltag wurden zwei Busse mit muslimischen Wählern angegriffen. 35 Kandidaten hatten sich für das höchste Amt beworben, etwa 16 Millionen Menschen waren wahlberechtigt. Die Wählerbeteiligung lag bei etwa 80 Prozent.

Mischung aus Präsidial- und Parlamentssystem

Die beiden Favoriten repräsentierten nicht nur für eine politisch konträre Ausrichtung, sondern sprachen auch unterschiedliche ethnische und religiöse Bevölkerungsgruppen an. Rajapaksa stützen sich auf die Unterstützung der singhalesisch-buddhistischen Mehrheit auf der Insel mit 21 Millionen Einwohnern. Premadasa genoss bei den Muslimen oder Tamilen Rückhalt, die etwa 20 Prozent der Insel-Bevölkerung ausmachen.

Sri Lankas Regierung funktioniert als eine Mischung aus Präsidial- und Parlamentssystem, wobei der Präsidenten zwar weitreichende Machtbefugnisse besitzt, doch in Zusammenspiel mit dem Ministerpräsidenten regieren muss. Obwohl der Präsident den Ministerpräsidenten bestimmt führt diese Konstruktion in der Praxis mitunter zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Staats- und Regierungschef.



Kongo: Hunderttausende Binnenflüchtlinge leiden unter Gewalt

Die Vereinten Nationen sind alarmiert über die anhaltende Gewalt gegen Binnenflüchtlinge im Osten des Kongos. Rund 300.000 Menschen, die meisten davon Frauen und Kinder, seien Opfer brutaler Übergriffe durch verschiedene bewaffnete Gruppen, warnte ein Sprecher des Flüchtlingshilfswerks UNHCR am 12. November in Genf.

Tötungen, Vergewaltigungen und Verschleppungen seien in Gebieten der Provinzen Ituri und Nord-Kivu zu beklagen, erklärte der Sprecher, Babar Baloch. Sexuelle Ausbeutung sei weit verbreitet. Die Menschen seien seit Juni von den Bewaffneten vertrieben worden. Nord-Kivu und Ituri sind auch Brennpunkte einer Ebola-Epidemie.

Ebola-Gefahr

Seit Mitte 2018 infizierten sich laut den Behörden der Demokratischen Republik Kongo knapp 3.300 Menschen mit der hochansteckenden Fieberkrankheit, rund 2.200 von ihnen seien gestorben. Der UNHCR-Sprecher betonte, dass weitere vier Millionen Menschen im gesamten Kongo als Binnenflüchtlinge umherirren. Das seien etwa zehn Prozent aller Binnenflüchtlinge weltweit.

Das UNHCR benötige für die Versorgung von Menschen auf der Flucht im Kongo in diesem Jahr 150 Millionen US-Dollar. Geber hätten bislang nur 57 Prozent der benötigten Summe bereitgestellt.



Alle 39 Sekunden stirbt ein Kind an Lungenentzündung

Mehr Kinder sterben laut den UN an einer Lungenentzündung als an jeder anderen Krankheit. Über 800.000 Mädchen und Jungen unter fünf Jahren seien 2018 an Lungenentzündung gestorben, erklärte die Exekutivdirektorin des Kinderhilfswerks Unicef, Henrietta Fore, am 12. November in New York.

Damit habe im vergangenen Jahr alle 39 Sekunden ein Kind sein Leben verloren, weil es sich eine Infektion der Lunge zugezogen habe. Den Angaben nach starben 2018 rund 440.000 Kinder an Durchfall, rund 270.000 überlebten eine Malaria-Erkrankung nicht.

Hälfte der Todesfälle in fünf Ländern

Unicef-Chefin Fore erklärte, dass eine Lungenentzündung in den meisten Fällen vermeidbar sei, zudem sei sie heilbar. Die Krankheit werde durch Bakterien, Viren oder Pilze verursacht. In fünf Ländern hätten sich 2018 mehr als die Hälfte der Todesfälle ereignet: Nigeria, Indien, Pakistan, Demokratische Republik Kongo und Äthiopien.

Die Unicef-Chefin rief die Länder dazu auf, mehr Gelder für den Kampf gegen die Lungenentzündung zu geben. Unicef veröffentlichte den Appell mit fünf weiteren Kinder- und Gesundheitsorganisationen.

Im Januar 2020 werden die Organisationen gemeinsam ein Globales Forum über Lungenentzündungen bei Kindern veranstalten. Es soll in Spanien stattfinden.