Berlin (epd). Der Vorsitzende der Bundespressekonferenz, Gregor Mayntz, sieht die PR-Strategien von Parteien und Ministerien mit Sorge. Parteien berichteten mit gestellten Interviews über sich selbst, Ministerien kopierten journalistische Formate für ihre PR, sagte der bundespolitische Korrespondent der "Rheinischen Post" am 15. November bei der Konferenz "Formate des Politischen" in Berlin. Damit werteten sie das Original ab, sagte Mayntz. Journalisten, Politiker und Kommunikationsexperten diskutierten bei der Konferenz über das Verhältnis von PR und Journalismus - und das angespannte Verhältnis zur AfD.
Als Beispiele für neue PR-Strategien nannte Mayntz das jüngst im Internet abrufbare Gespräch zwischen Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus und Bundeskanzlerin Angela Merkel (beide CDU) zum 30. Jahrestag des Mauerfalls und die Rubrik "Grill den Scheuer" der Pressearbeit von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Das "Grillen" - aus dem journalistischen Jargon ein Begriff für besonders hartnäckiges und kritisches Fragen - sei dabei eher "lauwarm als heiß", sagte Mayntz.
AfD-Sprecher verteidigt Verhalten von Weidel
Die Bundespressekonferenz veranstaltet Pressekonferenzen und ist dabei der Herr über die Regeln, zu denen unter anderem gehört, dass Pressekonferenzen erst enden, wenn alle Fragen beantwortet sind. Gemeinsam mit dem Deutschlandfunk veranstaltete der Verein die Tagung "Formate des Politischen". Schwerpunkt war in diesem Jahr unter dem Titel "News ohne Journalisten - Wird der Journalismus in der digitalen Öffentlichkeitsarbeit verdrängt?" die Öffentlichkeitsarbeit der Politik.
Auch die Korrespondentin des Evangelischen Pressedienst (epd), Mey Dudin, sagte, die Tendenz zu Newsrooms und Kommunikation an Journalisten vorbei müsse Sorge bereiten. Die Leistung von Journalisten, Quellen zu prüfen, Fakten zu checken und einzuordnen, sei angesichts der Informationsflut wichtiger denn je.
Der CDU-Politiker Mario Voigt, selbst beteiligt an der innerparteilichen Diskussion über Kommunikation, sagte, Parteien müssten sich verändern, wenn sie für alle Gruppen ansprechbar sein wollen. Sie müssten noch die Antwort finden, auf welchem Kanal sie künftig kommunizieren.
Der Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Christian Lüth, sagte, ihm sei es lieber, wenn Neuigkeiten der Partei zuerst über den Newsroom der Fraktion verbreitet würden. Er verteidigte zudem das Verhalten von Fraktionschefin Alice Weidel (AfD), die Fragen von Journalisten als "dumm" bezeichnetet hatte. Er sei dafür, dass alle Fragen gestellt werden könnten, "wenn sie der Wahrheitsfindung dienen", sagte Lüth. "Was nicht geht", sei, wenn eine Suggestion "oder sogar eine eigene Meinung" hinter der Frage stehe.
Einfluss von Influencern
Weidel war gemeinsam mit dem AfD-Co-Fraktionsvorsitzenden Alexander Gauland und dem Abgeordneten Stephan Brandner (AfD) nach dessen Abwahl vom Vorsitz des Rechtsausschusses des Bundestags am Mittwoch vor die Presse getreten, um Fragen von Journalisten zu beantworten. Statt zu antworten kommentierte Weidel die Fragen als "dumm", "dümmlich" und "dämlich". Ein Journalist, der gefragt hatte, ob für den Posten eine integre Person in der Fraktion gefunden werde, wurde von Lüth bei Twitter namentlich kritisiert - versehen mit dem Hashtag "Lügenpresse".
Debattiert wurde ferner, inwieweit sogenannte Influencer politischen Journalismus betreiben. Der YouTuber Rezo, der kränkelte und deshalb nur per Video-Schalte teilnahm, verteidigte sein Video "Die Zerstörung der CDU", in dem er im Frühjahr die Politik der CDU angeprangert hatte. Er würde es "nicht als Journalismus" bezeichnen, aber auch nicht als "Nicht-Journalismus". Es sei aber nicht einseitig gewesen.
Die stellvertretende Leiterin der Parlamentsredaktion der "Rheinischen Post", Kristina Dunz, sagte, das Video sei "hervorragende Unterhaltung" gewesen, könne aber nicht in den Journalismus eingruppiert werden. Journalisten müssten immer auch die Gegenseite hören - "das geht nicht anders". Dadurch komme dann ein anderes Bild zustande.