Frankfurt a.M., La Paz (epd). Evo Morales hat Bolivien von Grund auf verändert. Als erster indigener Präsident hat er den bolivianischen Urvölkern zu Selbstbewusstsein verholfen. Nicht nur, weil er als Aymara einer von ihnen ist. Der ehemalige Koka-Bauer hat seit seinem Amtsantritt 2006 die Armut in dem Andenland fast halbiert. Davon haben ganz besonders die Ureinwohner profitiert, die mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausmachen.
Der heute 60-jährige Morales wuchs in bitterarmen Verhältnissen im Hochland auf. Vier seiner Geschwister starben noch im Kindesalter. Schon früh schloss er sich der Gewerkschaft der Koka-Bauern an und gründete später die "Bewegung zum Sozialismus" (MAS), als deren Abgeordneter er 1997 ins Parlament einzog. 2005 wurde Morales dann zum Präsidenten gewählt. 2009 und 2014 wurde er jeweils mit absoluter Mehrheit wiedergewählt.
Der Kampf gegen die Armut und die Anerkennung der indigenen Kultur auf Staatsebene blieben seine wichtigsten Ziele. 2009 gab sich Bolivien eine neue Verfassung. Die Republik wurde zu einem "plurinationalen" Staat, indigene Rechtssysteme wurden als verfassungsgleich anerkannt. Zur Wahrung des traditionellen Koka-Anbaus trat Bolivien aus der UN-Drogenkonvention aus. Gleichzeitig förderte die Regierung die indigenen Sprachen, deren Kenntnisse seitdem als Voraussetzung für die Besetzung öffentlicher Ämter gelten.
Bergbau verstaatlicht
Boliviens wichtigste Exportprodukte sind Erdöl und Erdgas. Morales setzte die Verstaatlichung des Bergbausektors durch und investierte die Exporterlöse unter anderem in Sozialprogramme.
Auch politisch hat Morales Bolivien eine ungewöhnliche lange Zeit der Stabilität beschwert. Mit mehr als 13 Dienstjahren ist er der am längsten amtierende Staatschef in der Geschichte des Andenlandes. Der Versuch, entgegen dem Votum der Bevölkerung eine vierte Amtszeit durchzusetzen, wurde ihm schließlich zum Verhängnis.
2016 sprach sich in einem Referendum eine knappe Mehrheit der Bolivianer gegen eine vierte Kandidatur des Präsidenten aus. Morales stellte sich dennoch zur Wahl - gegen die Verfassung und mit Hilfe regierungstreuer Verfassungsrichter, die ihm grünes Licht gaben.
In den vergangenen Jahren nahm dann auch die Kritik an Morales zu. Ihm wurde vorgeworfen, nicht entschieden gegen Korruption und Vetternwirtschaft in seinem Umfeld vorzugehen. Zudem wurde sein Regierungsstil autoritärer, sein Umgang mit Kritikern härter.
Zuletzt hat er die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Um sein "sozialistisches Projekt" zu beenden, hat er weitrechende Manipulation beim Wahlergebnis in Kauf genommen. Nach wochenlangen Protesten und drei Toten zieht sich Morales jetzt zurück, wohl auch, um venezolanische Verhältnisse und noch mehr Tote zu verhindern. Das Selbstbewusstsein der bolivianischen Ureinwohner bleibt als sein Verdienst.