Frankfurt a.M. (epd). Das Frankfurter Städel-Museum hat in seinem Bestand etwa 1.800 Zeichnungen deutscher Künstler aus dem 20. Jahrhundert. Rund 100 Blätter seien bis zum 16. Februar in der Ausstellung "Große Realistik & Große Abstraktion - Zeichnungen von Max Beckmann bis Gerhard Richter" versammelt, sagte der Direktor des Städels, Philipp Demandt, am 12. November. Insgesamt würden Werke von 40 Künstlern gezeigt, darunter Max Beckmann, Ernst Ludwig Kirchner, Emil Nolde, Ernst-Wilhelm Nay, Paul Klee, Karl Otto Götz, Joseph Beuys, Sigmar Polke und Gerhard Richter.
An den von 1910 bis zur Wiedervereinigung 1989/90 entstandenen Arbeiten ließen sich "die Brüche, aber auch die Kontinuitäten des 20. Jahrhunderts sowie die sich verändernde Rolle der Zeichnung eindrucksvoll nachvollziehen", sagte Demandt. Ursprünglich sei die Zeichnung ein Mittel des "Suchens, Erfindens und Experimentierens" gewesen. In der Moderne habe sie eine neue Eigenständigkeit gewonnen und sei vor allem in Zeiten staatlicher Unterdrückung auch zu einem Medium des freien Denkens geworden.
Die "Große Realistik" und die "Große Abstraktion", das Gegenständliche und Ungegenständliche, bildeten den roten Faden, der die 1.800 Werke der Graphischen Sammlung des Städels über Generationen hinweg miteinander verknüpfe, sagte die Kuratorin Jenny Graser. Diesem Pluralismus spürten auch die 100 präsentierten Blätter nach.
Arbeiten von Expressionisten
Zu den Höhepunkten der Ausstellung zählen die Zeichnungen der Expressionisten Max Beckmann (1884-1950), Emil Nolde (1867-1956) und Ernst-Ludwig Kirchner (1880-1938). Zu sehen ist etwa Kirchners Pastellzeichnung "Berliner Straßenszene" aus dem Jahr 1914, die Prostituierte und Freier in der Hektik der Großstadt zeigen. Von Nolde sticht das Aquarell "Vierwaldstätter See" aus dem Jahr 1930 heraus, und von Beckmann überrascht eine Bleistiftstudie zum Gemälde "Das Nizza in Frankfurt am Main" aus dem Jahr 1938.
Die Künstler des Informel wie Karl Otto Götz (1914-2017) und Bernard Schultze (1915-2005) suchten vor dem Hintergrund der Gräueltaten der NS-Zeit und des Zweiten Weltkriegs neue Ausdrucksmöglichkeiten und entwickelten eine abstrakte Bildsprache, ausschließlich aus Farbe und Form. So überzog etwa Götz seine Arbeiten mit dynamischen Farbwirbeln und -bahnen, wie in der Gouache "Ohne Titel" von 1957.
Viele Künstler der Nachkriegsgeneration machten die jüngste deutsche Geschichte zu ihrem Thema und griffen dafür wieder auf eine gegenständliche Bildsprache zurück. Eugen Schönebeck (geboren 1936) und Georg Baselitz (geboren 1938) stellen in ihren Farbstift- und Tuschezeichnungen deformierte, von Narben, Wunden und Geschwüren bedeckte Körper dar, Markus Lüpertz (geboren 1941) zeichnet "Deutsche Motive" und Jörg Immendorff (1945-2007) bereitet in farbenprächtigen Gouachen dem "Café Deutschland" eine Bühne.
Blätter von Hermann Glöckner (1889-1987), Gerhard Altenbourg (1926-1989) und Werner Tübke (1929-2004) stehen exemplarisch für die Zeichenkunst in der DDR. Selbst Gerhard Richter (geboren 1932), der zu den bedeutendsten zeitgenössischen Künstlern weltweit gehört, ist in der Frankfurter Ausstellung mit zwei Grafitzeichnungen vertreten. Sie vermitteln laut Graser "in ihrer dynamischen Sprache noch heute etwas vom Zusammen- und Aufbruch" der Jahre 1989/90.