Kirchen

Streit um Hedwigs-Kathedrale vor Gericht


Berliner Hedwigs-Kathedrale
epd-bild / Christian Ditsch
Der Streit um den geplanten Umbau der Berliner St. Hedwigs-Kathedrale wird am Mittwoch vor Gericht verhandelt. Ziel zweier Klagen sei die Aufhebung der denkmalrechtlichen Genehmigung des Umbaus, teilte das Verwaltungsgericht Berlin mit.

Der Streit um den geplanten Umbau der Berliner St. Hedwigs-Kathedrale wird am Mittwoch vor Gericht verhandelt. Ziel zweier Klagen sei die Aufhebung der denkmalrechtlichen Genehmigung des Umbaus, teilte das Verwaltungsgericht Berlin am 3. Januar mit. Kläger sind den Angaben zufolge Personen, die an der Errichtung der Hedwigs-Kathedrale beteiligt waren sowie deren Erben. Sie wollen mit ihrer Klage die Schließung und Umgestaltung der Kathedrale verhindern. Beklagter ist die Senatskulturverwaltung vertreten durch die Untere Denkmalschutzbehörde des Bezirks Mitte (VG 19 K 334.18, VG 19 K 319.18).

Kernpunkt der Umbauarbeiten ist die Schließung der von dem Architekten Hans Schwippert Anfang der 1960er Jahre entworfenen breiten Mitteltreppe hin zur Unterkirche. Künftig soll der Altar im Mittelpunkt stehen.

Berlins wohl bekannteste katholische Kirche ist seit dem vergangenen September für voraussichtlich fünf Jahre geschlossen. Der 1773 geweihte Rundbau war im Zweiten Weltkrieg bis auf die Grundmauern zerstört und ab 1952 wieder aufgebaut worden.

Gegen den Umbau hatten in der Vergangenheit auch Gemeindemitglieder protestiert. Der Umbau soll rund 60 Millionen Euro kosten und zu je einem Drittel vom Erzbistum, den anderen deutschen Bistümern und von Bund und Land finanziert werden.

Die Kläger stützen sich den Angaben zufolge auf denkmalrechtliche Erwägungen. Ihre Kritik richte sich vor allem dagegen, dass die zentrale Bodenöffnung des Innenraums mit der Treppe zur Unterkirche geschlossen und der Altar ins Zentrum der Rundkirche gerückt werden sollen.

Neben der Schließung der Öffnung ins Untergeschoss sollen im Zuge des Umbaus auch Fenster ersetzt und Dekorationselemente entfernt werden. Das Erzbistum Berlin hat in der Vergangenheit wiederholt darauf verwiesen, dass die Kathedrale als Ganzes als Denkmal erhalten werde.



Schäuble Festredner bei Garnisonkirchenempfang


Nagelkreuz von Coventry an der Baustelle für den neuen Turm
epd-bild / Rolf Zöllner
Beim Neujahrsempfang der Potsdamer Garnisonkirchenstiftung am 15. Januar wird Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) die Festrede halten. Dabei soll auch ein Ausblick auf die Planungen der Stiftung für 2019 gegeben werden.

Beim Neujahrsempfang der Potsdamer Garnisonkirchenstiftung am 15. Januar wird Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) die Festrede halten. Das bestätigte das Bundestagsbüro des Politikers am 3. Januar in Berlin dem Evangelischen Pressedienst (epd). Bei dem Neujahrsempfang im Gebäude der Potsdamer Industrie- und Handelskammer gegenüber der Baustelle des neuen Garnisonkirchturms soll auch ein Ausblick auf die Planungen der Stiftung für 2019 gegeben werden.

Die Bauarbeiten für den neuen Kirchturm haben Ende Oktober 2017 begonnen, das Fundament ist inzwischen fertiggestellt. Zunächst soll aus Geldmangel eine rund 27 Millionen Euro teure Grundvariante des Turms ohne Schmuckelemente und Turmhaube gebaut werden. Für den kompletten rund 40 Millionen Euro teuren Turm fehlen rund zehn Millionen Euro.

Die 1735 fertiggestellte evangelische Garnisonkirche wurde 1945 bei einem Luftangriff auf den Potsdamer Hauptbahnhof weitgehend zerstört. Ein Raum im Kirchturm wurde bis in die 60er Jahre weiter als Kapelle für Andachten und Gottesdienste genutzt. 1968 wurde die Ruine in der DDR abgerissen.

Zusätzliche Baugenehmigung beantragt

Der Wiederaufbau ist umstritten. Kritiker sehen die Garnisonkirche wegen ihrer Geschichte als Symbol des preußischen Militärs und des NS-Regimes. Befürworter argumentieren unter anderem mit der Bedeutung des Bauwerks für das Stadtbild und einer Wiedergutmachung für den Abriss in der DDR. Die evangelische Kirche will den neuen Turm für Friedens- und Versöhnungsarbeit nutzen.

Der Bund fördert den Turmbau mit zwölf Millionen Euro, von der evangelischen Kirche kommen fünf Millionen Euro Kredite. Weitere Mittel kommen von Spendern und Sponsoren. Die bereits 2013 erteilte Baugenehmigung für den Turm läuft Mitte 2019 ab, die Bauarbeiten müssten damit nach brandenburgischem Baurecht bis Mitte 2020 abgeschlossen werden. Weil dies unrealistisch ist, wurde inzwischen eine zusätzliche Baugenehmigung bei der Stadt Potsdam beantragt. Der bereits vor einigen Monaten eingereichte neue Bauantrag werde weiter geprüft, hieß es dazu am 3. Januar bei der Stadtverwaltung.



10.000 Euro für Dorfkirche in Eisleben-Hedersleben

Die Dorfkirche in Eisleben-Hedersleben wird von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD) unterstützt. Aus dem Dorfkirchenfonds werden 10.000 Euro für Sanierungsarbeiten am Dach der Dorfkirche St. Simon und Juda zur Verfügung gestellt, wie die Deutsche Stiftung Denkmalschutz am 4. Januar in Bonn mitteilte.

Die Dorfkirche steht nordöstlich von Eisleben am Nordrand von Hedersleben. Den barocken Überformungen des im Kern spätgotischen Gotteshauses aus dem frühen 16. Jahrhundert folgten 1892/1893 weitere bauliche Veränderungen. Es handele sich um "ein qualitätvolles, reich ausgestattetes Baudenkmal von überregionaler Bedeutung", so die Stiftung.

Seit 2008 bemüht sich die evangelische Kirchengemeinde um den Erhalt ihres Gotteshauses. Bisher konnte ein Großteil der Schiffdachkonstruktion saniert und mit einer provisorischen Deckung versehen werden, wie die Stiftung weiter mitteilte. Nun soll der restliche Bereich des Schiffdachstuhls instandgesetzt und dauerhaft gedeckt werden.

Die Dorfkirche gehört zu den über 570 Objekten, die die private Denkmalschutz-Stiftung allein in Sachsen-Anhalt fördert. Die Gelder der Stiftung kommen über Spenden und aus Mittel der GlücksSpirale und der Rentenlotterie von Lotto zusammen.

epd ost ror mg



EKM verleiht Werner-Sylten-Preis für christlich-jüdischen Dialog

Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) vergibt am Mittwoch in Halle zum zweiten Mal den Werner-Sylten-Preis für christlich-jüdischen Dialog. Preisträger, sind Superintendentin i.R. Waltraut Zachhuber, Pfarrer i.R. Klaus Pacholik sowie das Evangelische Schulzentrum Mühlhausen, wie ein EKM-Sprecher am 4. Januar in Magdeburg mitteilte. Schirmherrin ist Landesbischöfin Ilse Junkermann.

Waltraut Zachhuber setzte sich als Dompredigerin unter anderem intensiv mit dem antijüdischen Bildprogramm am Magdeburger Dom auseinander und sensibilisierte Kirchengemeinde, Kirchenführer und Schulklassen, wie die EKM mitteilte. Von 2000 bis 2003 wirkte sie in einer Arbeitsgruppe der damaligen Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen mit, die die Verkündigung der Kirche kritisch auf antijudaistische Bilder, Vorstellungen und Vorurteile beleuchtete. Zachhuber pflege zudem den Kontakte zu ehemaligen jüdischen Bürgern von Magdeburg und Angehörigen und engagiere sich für die Verlegung von Stolpersteinen. Sie ist Vorstandsvorsitzende des 1999 gegründeten Fördervereins "Neue Synagoge Magdeburg".

Klaus Pacholik engagierte sich den Angaben zufolge als Pfarrer in Klötze für die Erforschung jüdischen Lebens in der Altmark. Besonders verdient machte er sich um die Würdigung des Lebens des jüdischen Professors Adolph Frank, der aus Klötze stammte. Zudem initiierte er Gedenkveranstaltungen zum 9. November auf dem jüdischen Friedhof in Klötze unter Einbeziehung von Rabbinern und der politischen Gemeinde.

Das Evangelische Schulzentrum Mühlhausen setzt sich laut EKM für die Bewahrung jüdischen Lebens in seiner Stadt und gegen Antisemitismus und Rassismus im Schulalltag ein. Seit 2015 veranstalten Schüler unter anderem regelmäßig Führungen in der Synagoge Mühlhausen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene.

Werner Sylten (1893-1942) war ein evangelischer Theologe, der 1936 wegen seiner jüdischen Abstammung aus dem Pfarrdienst entlassen wurde. Er half mit, das Leben von mehr als tausend "nichtarischen" Christen zu retten, ehe er von den Nazis ermordet wurde. 1979 wurde ihm von der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem der Ehrentitel "Gerechter unter den Völkern" verliehen.



Junkermann: Kirche ist wichtige Stimme gegen Rechtspopulisten

Die Bischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Ilse Junkermann, sieht die Kirche als wichtige Stimme in der Auseinandersetzung mit Rechtspopulisten. So sei es auch eine aufklärerische Aufgabe, über die Inhalte der AfD aufzuklären, sagte Junkermann am 6. Januar in Magdeburg MDR Aktuell.

Es sei "nach wie vor markant für die AfD, dass sie sich profiliert über Abgrenzung und Verunglimpfung anderer politischer Meinungen, bis hin zur Hetze und Hassreden, selbst aber politisch relativ wenig inhaltlich liefert", sagte die Bischöfin. Sie plädierte dafür, das Gespräch mit AfD-Wählern zu suchen. Gerade im Osten gebe es ein Bedürfnis nach verlässlicher und stabiler Orientierung. Dabei sei es Aufgabe der Kirche, eine Grundzuversicht zu vermitteln.

Junkermann verteidigte zugleich, die AfD nicht auf Kirchentage einzuladen. Öffentliche Plattformen werteten die Partei auf. Es sei aber richtig, Vertreter der Partei zu internen Diskussionen einzuladen oder beispielsweise zu Veranstaltungen über Wahlprüfsteine, sagte die Bischöfin.



Berliner Erzbischof warnt vor Europa-Verdrossenheit

Der Berliner Erzbischof Heiner Koch warnt vor einer Europa-Verdrossenheit. Die Brexit-Kapriolen in Großbritannien, die unverhohlenen Drohungen und populistisch-nationalistischen Tendenzen in mehreren EU-Mitgliedsländern gefährdeten die europäische Idee, die Einheit und Identität Europas, erklärte Koch am 5. Januar im RBB-Hörfunk.

"Wenn jetzt geklagt wird, was uns Europa kostet, erinnere ich ausdrücklich daran, was uns Europa geschenkt und gebracht hat", sagte Koch. So feierten die Deutschen in diesem Jahr den 30. Jahrestag des Mauerfalls. "Die deutsche Einheit war nur möglich, weil uns unsere europäischen Nachbarn auf diesem Weg unterstützt haben. Die deutsche Einheit war nur möglich, weil die, die die Einigung verhandelt haben, überzeugte Europäer waren", betonte der Erzbischof. Und fügte hinzu: "Lassen Sie uns die europäischen Sterne wieder zum Strahlen bringen."

Die Sterne Europas stünden für die Werte Einheit, Solidarität und Harmonie zwischen den Völkern Europas, sagte der Erzbischof. Die Flagge der Europäischen Union zeige einen Kreis aus zwölf goldenen Sternen auf blauem Hintergrund und erinnere an ein Bild der Bibel, die in ihrem letzten Buch von einem großen Zeichen am Himmel berichte, von Maria mit dem Kranz von zwölf Sternen um ihr Haupt.

Am 26. Mai sind Europawahlen. In Deutschland werden 96 Abgeordnete für das Europäische Parlament gewählt.



Sternsinger bei Bundespräsident Steinmeier


Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat zusammen mit seiner Ehefrau Elke Büdenbender Sternsinger aus dem Bistum Trier empfangen.
epd-bild / Christian Ditsch
39 Kinder und Jugendliche aus dem Bistum Trier haben den traditionellen Sternsinger-Segen an das große Eingangsportal von Schloss Bellevue geschrieben.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am 6. Januar in Berlin im Schloss Bellevue eine Abordnung der katholischen Sternsinger empfangen. Die 39 Kinder und Jugendlichen aus dem Bistum Trier schrieben den traditionellen Segen an das große Eingangsportal des Berliner Amtsitzes von Steinmeier und schenkten ihm eine Weinrebe. Anschließend luden der Bundespräsident und seine Frau Elke Büdenbender die Sternsinger ins Schloss ein.

Die Sternsinger sammeln bundesweit um den Jahreswechsel Spenden für notleidende Kinder in der Welt. Als Heilige Drei Könige verkleidet ziehen sie dafür von Tür zu Tür und schreiben den Schriftzug "C+M+B" auf Haustüren. Die Buchstaben stehen für den lateinischen Satz "Christus mansionem benedicat" (Christus segne dieses Haus) oder auch für die Anfangsbuchstaben der drei Könige, Caspar, Melchior und Balthasar.

Steinmeier dankte den Sternsingern für ihr Engagement. Es sei nicht selbstverständlich, sich für andere Menschen einzusetzen. "Ihr schaut nicht nur darauf, dass es euch gut geht", sagte Steinmeier. Sternsinger und die Menschen, die ihnen die Tür aufmachen, verbinde etwas: "Ihr seid offen für Neues", sagte der Bundespräsident.

Die Mädchen und Jungen, die Schloss Bellevue besuchten, kamen den Angaben zufolge aus den Pfarreien St. Antonius in Saarhölzbach, St. Hildegard in Emelshausen, St. Johannes in Sirzenich und dem Pestalozzi-Haus in Neunkirchen. Das Motto der diesjährigen Aktion heißt: "Segen bringen, Segen sein. Wir gehören zusammen - in Peru und weltweit!". Dabei soll besonders auf Kinder mit Behinderung aufmerksam gemacht werden. Beispielland ist Peru. Bundesweit eröffnet wurde die Aktion mit dem Dreikönigssingen am 28. Dezember im bayerischen Altötting.

Die seit 1959 stattfindende Sternsingeraktion wird vom Hilfswerk der Sternsinger und dem Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) veranstaltet. Insgesamt haben die Sternsinger bisher mehr als eine Milliarde Euro gesammelt. Weltweit konnten dadurch mehr als 73.000 Projekte und Hilfsprogramme für Kinder in Afrika, Lateinamerika, Asien, Ozeanien und Osteuropa gefördert werden.



Rheinische Kirchenjugend will mehr Mitsprache


Die erste Jugendsynode der rheinischen Kirche beriet in Bad Neuenahr.
epd-bild / Hans Jürgen Vollrath
Einsatz für junge Flüchtlinge, Quoten für Gremienarbeit und mehr Unterstützung der Jugendarbeit: Die erste rheinische Jugendsynode endet mit Hausaufgaben für die Landessynode. Die Beteiligten sind zufrieden mit der Premiere.

Mit Forderungen nach mehr Beteiligung junger Menschen in der Kirche und Unterstützung für minderjährige Flüchtlinge ist am 6. Januar die erste rheinische Jugendsynode zu Ende gegangen. "Wir haben dieser Generation bisher zu wenig Raum gegeben und zu wenig Gestaltungsmöglichkeiten", sagte Präses Manfred Rekowski am Ende der dreitägigen Beratungen im rheinland-pfälzischen Bad Neuenahr. "Das wollen wir jetzt ändern." Die rheinische Jugendsynode gilt als Vorreiter in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Die Bedürfnisse junger Leute sollten künftig bei allen Entscheidungen berücksichtigt werden, sagte auch Fiona Paulus, Vize-Vorsitzende der Evangelischen Jugend im Rheinland: "Fast alle Beschlüsse haben Auswirkungen auf Jugendliche und junge Erwachsene."

Landessynode nimmt Beschlüsse auf

Konkret fordert die Jugendsynode eine Beteiligungsquote von 50 Prozent junger Menschen in zu gründenden Jugendausschüssen der 37 rheinischen Kirchenkreise sowie im synodalen Fachausschuss Jugend. Der Austausch zwischen Landeskirche und jungen Mitgliedern müsse intensiviert werden. Auch sollten die Kirchenkreise mehr junge Leute zur Landessynode entsenden, fordern die Jugendsynodalen.

Die Landessynode, das oberste Organ der mehr als 2,5 Millionen Mitglieder zählenden rheinischen Kirche, berät nun im Anschluss an die Jugendsynode bis zum Freitag auch über die Beschlüsse des Jugendgremiums. "Das, was hier beschlossen wurde, muss jetzt von der Synode behandelt werden", sagte Rekowski. Zur rheinischen Kirche gehören rund 650.000 getaufte Kinder und Jugendliche. An der Jugendsynode nahmen je 50 Delegierte der Landessynode und der evangelischen Jugend sowie zehn weitere Kirchenvertreter teil.

Mit Blick auf die Flüchtlingssituation an den EU-Außengrenzen plädiert die Jugendsynode für mehr Unterstützung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge. "Sie bedürfen des besonderen Schutzes vor Missbrauch, Menschenhandel und Ausbeutung", heißt es in einem Beschluss. Konkrete Projekte wie die kirchliche Anlaufstelle für junge Migranten in der marokkanischen Stadt Ouja sollten dauerhaft gefördert werden.

Beim Thema Kinder- und Jugendarbeit ging es auch um eine finanzielle Förderung der Arbeit in strukturschwachen Regionen. Die Landessynode wurde aufgefordert zu prüfen, ob befristete Anschubfinanzierungen, eine dauerhafte Förderung oder zusätzliche Ko-Finanzierungen sowie Fundraising am besten seien.

Zur Verringerung der Jugend- und Familienarmut fordert die Jugendsynode niedrigschwellige lokale Servicestellen zur umfassenden Beratung von Kindern, Jugendlichen, Eltern und Familien. Die Gruppe der 18- bis 24-Jährigen sei besonders stark von Armut gefährdet, hieß es. Fiona Paulus mahnte zudem eine Kultur des Helfens an, die die Jugendlichen nicht zu Bittstellern macht. Es brauche eine gleichwertige Begegnung.

Gemeindepädagoge: Kirche hat Relevanzproblem

Der Gemeindepädagoge Wolfgang Ilg sagte am 5. Januar, junge Menschen bewerteten die Kirche positiv. Ihnen fehle aber der Bezug zum eigenen Leben. "Kirche hat nicht in erster Linie ein Imageproblem, sondern ein Relevanzproblem", erklärte der Professor für Jugendarbeit und Gemeindepädagogik an der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg.

Ilg präsentierte in Bad Neuenahr eine für die Jugendsynode erstellte Sonderauswertung eines Forschungsprojekts an der Universität Freiburg, das für jede evangelische Landeskirche und katholische Diözese langfristige Projektionen von Kirchenmitgliedschaft und Kirchensteueraufkommen bis 2060 vornimmt. Der Untersuchung zufolge nehme die Kirchenmitgliedschaft eines Konfirmationsjahrgangs in den 25 Jahren nach der Konfirmation um etwa ein Viertel ab, sagte Ilg. Die Kirche müsse fragen, welche positiven Erfahrungen in den Jahren zwischen 14 und 28 fehlten, um der Kirche treu zu bleiben.

Jugenddelegierte und Landessynodale hätten auf Augenhöhe beraten, bilanzierte die Jugenddelegierte Paulus zum Schluss. Nun gehe es darum, die Ergebnisse auszuwerten. Ob es weitere Jugendsynoden geben soll oder die Interessen junger Leute auf andere Weise vertreten werden, blieb am Ende der Beratungen offen. Generell spreche nichts gegen eine weitere Jugendsynode, sagte Rekowski.



Weil und Meister rufen zum Kampf für die Demokratie auf

Beim Epiphanias-Empfang der hannoverschen Landeskirche mahnen die Hauptredner Engagement für die Werte der westlichen Gesellschaft an. Gleichzeitig raten sie zu mehr Augenmaß: Manche Sorge werde medial überhöht. Die Mehrheit stehe für Demokratie.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und der hannoversche Landesbsichof Ralf Meister haben zu mehr Engagement für die Demokratie, für Europa und gegen Rechtspopulismus aufgerufen. Die überragende Mehrheit der Bevölkerung stehe für einen starken demokratischen Staat und für eine starke Zivilgesellschaft, sagte Weil beim 69. Epiphanias-Empfang der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers am 6. Januar im Kloster Loccum bei Nienburg.

Der Ministerpräsident verwies dabei auf den Hashtag #wirsindmehr, der sich im vergangenen Sommer nach den rechtsmotivierten Ausschreitungen von Chemnitz in den sozialen Netzwerken gebildet hatte. Dennoch drohe ein unverkennbarer Rechtsruck in Europa viele Errungenschaften in Frage zu stellen, warnte Weil vor rund 130 Gästen aus Landespolitik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft. Er rief die Bürger dazu auf, "mit aller Kraft" für die Demokratie und für Europa einzutreten und zu kämpfen.

Landesbischof Meister: Von der Sorge zum Handeln kommen

Landesbischof Meister warnte angesichts der Vorfälle in Amberg und Bottrop davor, dass rechte Parteien die Sorgen der Bürger für ihre Zwecke ausnutzen könnten. Die sozialen Netzwerke und die Medien verstärkten die Ängste durch ihre Berichterstattung um ein Vielfaches, kritisierte Meister. Er bezog sich auf den Angriff jugendlicher Asylsuchender auf Passanten im oberpfälzischen Amberg und die Tat eines 50-jährigen Deutschen in Bottrop, der mit seinem Auto gezielt in Gruppen mit Ausländern fuhr.

"Die Aufmerksamkeit, die auf Attentäter, Kriminelle, Irregeleitete und auf ihre Taten gelenkt wird, ist unerträglich. Jede blutige Sekunde ist rund um den Erdball verfolgbar", sagte der evangelische Theologe und ergänzte: "In der Erregungskultur der sozialen Medien wird eine Messerstecherei schnell zum Terroranschlag, ein Amoklauf zum Vorboten eines Weltuntergangs, ein Attentäter weckt Schläfer."

Umso wichtiger sei es, von der Sorge zum Hoffen und Handeln zu kommen. "Es liegt an uns, unserer Hoffnung eine sichtbare Gestalt zu geben, indem wir jeden Tag handeln", sagte Meister. Dabei komme es auch darauf an, "die Weiterentwicklung Europas konstruktiv und kritisch zu begleiten".

Die Landeskirche lädt seit 69 Jahren Repräsentanten des öffentlichen Lebens zum Jahreswechsel zu dem Empfang in das mehr als 850 Jahre alte Zisterzienserkloster ein. Der frühere Landesbischof Hanns Lilje (1899-1977) hatte 1950 nach seiner Wahl zum Abt zu Loccum erstmals zum "Empfang zwischen den Jahren" gebeten.



Hannoversche Landeskirche startet Themenjahr "Zeit für Freiräume"

Unter dem Motto "...um des Menschen willen - Zeit für Freiräume 2019" will die hannoversche Landeskirche in diesem Jahr Routinen hinterfragen und Raum geben, sich auf Wesentliches zu besinnen. Das Themenjahr wurde am 6. Januar mit Gottesdiensten in den sechs Kirchensprengeln der größten evangelischen Landeskirche in Deutschland eröffnet. "Dabei geht es darum, mit welchen Mustern und Traditionen man auch einmal brechen kann", sagte Landesbischof Ralf Meister am 4. Januar in Hannover. "Wir brauchen viel mehr mutige Musterbrecher."

Angesichts von sinkenden Mitgliederzahlen werde sich die Kirche verändern, erläuterte der Bischof. Die Zahl der Pastorinnen und Pastoren gehe zurück, und nicht mehr alle Gebäude könnten gehalten werden. Das Jahr solle die mehr als 1.200 Kirchengemeinden und die Einrichtungen der Landeskirche anregen, darüber nachzudenken, was sie anders machen könnten und was Ursprung und Kern ihrer Arbeit sei. Haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter könnten Ideen dazu entwickeln, wie sie trotz Belastungen Ruhe und Kraft fänden. Dazu sollen Angebote in Klöstern und "Oasentage" ebenso beitragen wie Coaching, Seelsorge-Angebote und Beratungen, erläuterte Pastorin Karoline Läger-Reinbold als Projektleiterin.

Meister erhofft sich auch Wirkungen über die Kirche hinaus, etwa wenn es um die Diskussion um die Sonntagsruhe als gemeinsame gesellschaftliche Auszeit gehe. Der Bischof hat die Idee gemeinsam mit den sechs Regionalbischöfinnen und Regionalbischöfen der Landeskirche entwickelt.



Bischof Adomeit: Krieg darf keine politische Option sein


Kirche solle den Finger heben, sagt Thomas Adomeit.
epd-bild / Jens Schulze
Die Kirchen stünden vor der Aufgabe, den "unglaublichen Wert von Frieden" für die Menschen wieder hervorzuheben, sagt der oldenburgische Bischof Adomeit.

Der oldenburgische Bischof Thomas Adomeit hat mehr Engagement in Politik und Gesellschaft für den Frieden gefordert. "Es ist entsetzlich, dass Krieg als Ultima Ratio - also als letztes Mittel - wieder eine politische Option geworden ist", sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd) mit Blick auf die biblische Jahreslosung für 2019 "Suche Frieden und jage ihm nach".

In der Politik sei ein Wechsel weg von der Verteidigungshaltung und hin zu einer politischen Einflussnahme mit Gewalt zu beobachten, sagte Adomeit. "Ich glaube, dass manches Tun nicht unter dem Label, den Frieden zu sichern, gedacht wird, sondern als Interessensvertretung. Da müssen wir als Kirche den Finger heben und fragen: Wer verfolgt hier welches Interesse?"

"Erlebnisgeneration" stirbt aus

Es sei ein Problem, dass die Generation derjenigen weniger werde, die Krieg erlebt hätten, sagte der Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg. Die absolute Wertschätzung des Friedens drohe in Vergessenheit zu geraten. "Die Erlebnisgeneration kann uns nicht mehr berichten, wie es ist zu hungern oder zu hören, wenn Fliegerbomben fallen", sagte Adomeit. Die Kirchen stünden vor der Aufgabe, den "unglaublichen Wert von Frieden" für die Menschen wieder hervorzuheben.

epd-Gespräch: Jörg Nielsen


Hannoverscher Bischof will nur noch elektrisch fahren

Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister will umweltfreundlich ins neue Jahr starten. Künftig ist der evangelische Theologe mit einem Elektroauto unterwegs, das eigentlich schon im Herbst geliefert werden sollte. Er sei damit der erste deutsche Bischof mit einem E-Auto, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). Beim jährlichen bundesweiten Dienstwagencheck der Deutschen Umwelthilfe unter mehr als 40 leitenden Theologen war er vor wenigen Wochen mit seinem derzeitigen Audi Q7 Diesel/Elektro mit 225 Gramm CO2 pro Kilometer auf dem letzten Platz gelandet.

Dieser Schritt solle aber nicht überbewertet werden, unterstrich der Landesbischof: "Der beste Schutz für die Umwelt in Sachen Mobilität ist ein vollständiger Verzicht auf Verbrennungsmotoren und insgesamt auf Fahrzeuge, die allein genutzt werden." Die Zukunft werde sicherlich nicht nur in den Millionenmetropolen, sondern auch in den mittleren Städten im Carsharing liegen. "Der wichtigste Maßstab ist für mich, möglichst auf das Autofahren zu verzichten." Er nehme so oft wie möglich die Bahn und innerhalb Hannovers das Fahrrad.



Trauer um Domherr Arno Sames in Naumburg

Die Vereinigten Domstifter in Naumburg trauern um ihren langjährigen Domherren, Arno Sames. "Wir erinnern uns in großer Dankbarkeit seines siebzehnjährigen Wirkens als Mitglied des Domkapitels der Vereinigten Domstifter", teilte eine Sprecherin am 3. Januar in Naumburg mit. Arno Sames sei am Neujahrstag nach kurzer und schwerer Krankheit verstorben.

Sames war 2001 in das Domkapitel berufen worden und unterstützte seitdem die Aktivitäten der Stiftung. Vor allem in theologischen Fragen sei er ein wichtiger Berater gewesen, hieß es. Von März bis November 2013 hatte er zusätzlich die Aufgabe des Seniors, also Stellvertreter des Dechanten, wahrgenommen. Er engagierte sich auch besonders für den Standort Merseburg und war gefragter Berater bei großen Ausstellungsvorhaben der Domstifter in Merseburg, Naumburg und Zeitz. Die Verbindung zum Merseburger Dom und auch zum Glauben zu schaffen, sei ihm ein wichtiges Anliegen gewesen, so die Domstifter.

Arno Sames wurde 1937 in Zechin (Oderbruch) geboren. Er war verheiratet und hat vier Kinder. Seit 1945 lebte die Familie in Schönebeck, wo er auch 1955 das Abitur ablegte. Nach dem Theologiestudium in Rostock und Halle arbeitete er bis zur Promotion 1968 an der Theologischen Fakultät, legte 1970 das 2. theologische Examen vor der Kirchenleitung in Magdeburg ab und wurde ordiniert. Von 1970 bis 1977 war er Pfarrer an der Laurentiuskirche in Halle. Danach kehrte er an die Universität zurück, habilitierte sich 1983 für das Fach Kirchen- und Dogmengeschichte und arbeitete von 1984 bis zu seiner Emeritierung 2002 als Dozent und ab 1990 als Professor für Kirchengeschichte an der Theologischen Fakultät der Martin-Luther-Universität in Halle.

Sames war von 1980 bis 2009 Mitglied der Historischen Kommission zur Erforschung des Pietismus, war Gründungsmitglied des Vereins für Kirchengeschichte der Kirchenprovinz Sachsen und von 2003 bis 2009 ihr Vorsitzender. Ab 1990 gehörte er der Historischen Kommission für Sachsen-Anhalt an. Auch für den Verein der Freunde und Förderer der Vereinigten Domstifter e.V. engagierte er sich.

Das Vereinigte Domkapitel, Aufsichtsgremium der Vereinigten Domstifter, besteht aus bis zu neun Mitgliedern, die jeweils als Domherrin oder Domherr bezeichnet werden. An der Spitze der Gemeinschaft steht der Dechant als oberster Domherr. Seit Ende Juni 2018 ist Karin von Welck als Dechantin tätig.



Jahr des Wechsels

In diesem Jahr werden zahlreiche Spitzenposten im Protestantismus neu besetzt. In den 20 evangelischen Landeskirchen in Deutschland müssen Bischöfe neu gewählt werden oder bereits gewählte Kandidaten treten ihr Amt an.

In diesem Jahr Jahr stehen zahlreiche Wahlen und Wechsel in den evangelischen Kirchenleitungen in Deutschland an: in der Nordkirche, in Bremen, in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz sowie den Kirchen von Kurhessen-Waldeck, Mitteldeutschland und Westfalen. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ist der Zusammenschluss der 20 weithin selbstständigen lutherischen, reformierten und unierten Landeskirchen mit insgesamt rund 21 Millionen Mitgliedern. Aufgrund der historisch gewachsenen Strukturen weichen die Grenzen von Landeskirchen und Bundesländern zum Teil erheblich voneinander ab.

An der Spitze der evangelischen Nordkirche steht künftig eine Frau. Die Thüringer Regionalbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt wurde bereits gewählt und tritt ihr neues Amt als Landesbischöfin am 1. April an. Sie ist Nachfolgerin von Landesbischof Gerhard Ulrich. Der 67-Jährige geht Ende März in den Ruhestand. Die Nordkirche ist die jüngste evangelische Landeskirche in Deutschland. Sie wurde 2012 gegründet als Zusammenschluss der Nordelbischen Kirche in Hamburg und Schleswig-Holstein mit der Landeskirche Mecklenburgs und der Pommerschen Kirche.

Bei der Greifswalder Bischofswahl für Mecklenburg-Vorpommern treten zwei evangelische Theologen aus Dresden und Rostock an: Christian Behr (57) ist Pfarrer an der Kreuzkirche Dresden und Superintendent des Kirchenbezirkes Dresden Mitte, Tilman Jeremias (52) ist Ökumene-Pastor des Kirchenkreises Mecklenburg in Rostock. Gesucht wird ein Nachfolger der beiden Bischöfe Hans-Jürgen Abromeit (Greifswald) und Andreas von Maltzahn (Schwerin). Gewählt wird am 1. März im Greifswalder Dom St. Nikolai. Laut Verfassung der Nordkirche ist Greifswald Sitz einer Bischöfin oder eines Bischofs im Sprengel Mecklenburg und Pommern.

Zur Wahl für die Nachfolge von Markus Dröge im Bischofsamt der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz Anfang April kandidieren drei Theologen: Die evangelische Senderbeauftragte beim Hessischen Rundfunk, Heidrun Dörken (56), der Direktor des Michaelisklosters Hildesheim, Jochen Arnold (50), und der Propst und bisherige Stellvertreter von Bischof Dröge, Christian Stäblein (51). Das neue geistliche Oberhaupt der knapp eine Million Protestanten in Berlin, Brandenburg und Ostsachsen wird vom Kirchenparlament ohne Aussprache in geheimer Wahl mit Zwei-Drittel-Mehrheit der anwesenden Kirchenparlamentarier gewählt.

Die Synode der Bremischen Evangelischen Kirche wählt im März 2019 einen neuen Schriftführer oder eine neue Schriftführerin. So heißt in Bremen das höchste theologische Kirchenamt. Die Amtszeit beträgt sechs Jahre. Der aktuelle Amtsinhaber Renke Brahms befindet sich in seiner letzten Amtsperiode. Brahms wird neuer theologischer Direktor der Evangelischen Wittenbergstiftung, zunächst nebenamtlich, ab August hauptamtlich. Der 62-jährige Theologe ist auch Friedensbeauftragter der EKD. Dieses Amt wird er weiterhin ausüben.

Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland plant für die Zeit nach Landesbischöfin Ilse Junkermann. Deren Amtszeit endet zum 31. August. Auf der Landessynode im Mai soll eine Entscheidung über die Personalie fallen. Im Idealfall sollen zwei Bewerber vorgeschlagen werden. Wenn alles nach Plan läuft, erfolgt die Bekanntgabe der Namen im April mit der Einladung zur Frühjahrstagung des mitteldeutschen Kirchenparlaments, das nach eingehender Prüfung der Bewerber dann die endgültige Entscheidung trifft.

Der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Martin Hein, tritt Ende September in den Ruhestand. In der Evangelischen Kirche von Westfalen ist Präses Annette Kurschus (55) - zugleich stellvertretende EKD-Ratsvorsitzende - seit März 2012 im Amt. Plus acht Jahre Amtszeit macht genau 2020. In diesem Jahr stehen also Wahlen an.

Von Stephan Cezanne (epd)


Gebetswoche an ungewöhnlichen Orten

Der Einladung der Deutsche Evangelischen Allianz zur internationalen Gebetswoche wollen auch Christen in Mitteldeutschland folgen. Vom 13. bis 20. Januar seien an zahlreichen Orten in Thüringen und Sachsen-Anhalt gemeinsame Gebetsveranstaltungen verschiedener Gemeinden und Konfessionen geplant, berichtet die in Weimar erscheinende Kirchenzeitung "Glaube+Heimat" (Ausgabe 6. Januar). Damit spiegele sich auch im Bereich der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland ein Trend wider, neben klassischen Versammlungen in Gemeinderäumen alternative Formen der Gebetstreffen anzubieten.

Zu diesen Beispielen zähle unter anderem eine Veranstaltung auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Buchenwald sowie ein Abschlussgottesdienst mit einem Gedenkkonzert für verfolgte Christen im Kongresszentrum Neue Weimarhalle. Im südthüringischen Suhl wollen Christen mit einem gemieteten Bus mehrere Orte der Stadt ansteuern, um dort für jeweils konkrete Anliegen und Probleme zu beten, hieß es weiter. Zu den Zielen gehörten unter anderem die Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge, die Justizvollzugsanstalt und das Plattenbaugebiet Suhl-Nord. In der Hansestadt Stendal im Norden Sachsen-Anhalts werde zu einem Gebetskonzert mit dem Sänger und Liedermacher Martin Pepper eingeladen, so die Zeitung.

Die Idee zur Gebetswoche geht den Angaben zufolge auf die Gründung der weltweiten Allianz 1846 in London zurück. Sie versteht sich als interkonfessionelles Einigungswerk. Die diesjährige Gebetswoche steht unter dem Motto "Einheit leben lernen" und wurde von den Evangelischen Allianzen in Spanien und Portugal vorbereitet. An ihr beteiligen sich deshalb neben Christen aus den evangelischen Landes- und Freikirchen zunehmend auch römisch-katholische Christen oder nach den Angaben von "Glaube+Heimat" in Weimar auch Mitglieder der russisch-orthodoxen Gemeinde.

Die Deutsche Evangelische Allianz fungiert inzwischen als Dachverband für rund 1,3 Millionen evangelikal, pietistisch und charismatisch ausgerichtete Christen aus Landes- und Freikirchen. Ihr Sitz befindet sich im thüringischen Bad Blankenburg, wo die Bewegung das Tagungszentrum Evangelisches Allianzhaus unterhält. An der vergangenen Gebetswoche unter dem Motto "Pilger und Fremde" sollen nach Schätzungen der DEA 2018 rund 300.000 Christen an etwa 1.000 Orten in Deutschland teilgenommen haben.



Meister Eckhart für Kinder und Jugendliche

Erfurter Christen wollen Leben und Wirken des mittelalterlichen Theologen Meister Eckhart (1260-1328) für Kinder und Jugendliche besser zugänglich machen. Dazu ist für den 8. Februar ein Fachtag geplant, der sich vor allem an Lehrer und Gemeindepädagogen aber auch an Ehrenamtliche und an Geschichte Interessierte richte, sagte Maximilian Gutberlet von der Predigergemeinde der Thüringer Landeshauptstadt am 3. Januar dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das dortige Predigerkloster gilt als einzige erhaltene Wirkungsstätte des Mystikers.

Die Vermittlung der Gedankenwelt Meister Eckharts falle selbst an Erwachsene nicht leicht, machte Gutberlet auf die besondere Herausforderung für die Arbeit mit den jungen Leuten aufmerksam. "Wir wollen Methoden diskutieren, mit denen man seine theologischen, philosophischen und spirituellen Gedanken Kindern näher bringen kann", erläuterte er das Anliegen des Fachtages. Dabei setze man neben Workshops und Kirchenführungen auch auf gemeinsame Meditationserfahrungen.

Neben der Projektgruppe der Gemeinde brächten sich auch das Pädagogisch-Theologische Institut der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) und der Landeskirche Anhalts sowie die Evangelische Akademie Thüringen ein. Die Veranstaltung werde zudem durch das Thüringer Institut für Lehrerfortbildung anerkannt.

Der Fachtag bettet sich in zahlreiche Bemühungen ein, die historische Figur Eckhart und das Denken seiner Zeit einem breiteren Publikum zu eröffnen. Dazu zählen auch die Meister-Eckhart-Tage Erfurt vom 26. bis 29. Juni im Predigerkloster, Schulprojektwochen und eine multimediale Schnitzeljagd mit Hilfe des Smartphones durch die Erfurter Altstadt. Zudem befindet sich ein Eckhart-Radpilgerweg durch Thüringen in Vorbereitung.

Der Weg soll das Kloster, dem der Dominikaner auch als Prior vorstand, mit den wichtigsten Lebensstationen seiner Herkunftsregion um Gotha verbinden: Hochheim, Tambach-Dietharz und Wangenheim. Nicht völlig geklärt sind die Umstände des Todes des mittelalterlichen Denkers. Eckhart starb 1328 während eines gegen ihn angestrengten Inquisitionsprozesses im südfranzösischen Avignon.

Die Anklage wegen Ketzerei zeigt aus Gutberlets Sicht eindrucksvoll, wie neuartig und kontrovers die Perspektiven waren, die der Meister mit seinen Schriften und Predigten eröffnete. "Sie haben eine ganz besondere spirituelle Tiefe und Originalität, mit ihrem Blickrichtungswechsel: Eckhart schaut nicht nach oben, um Gott zu finden, sondern nach innen, auf den ‚Seelengrund‘", so Gutberlet.




Soziales

Berliner Diakonie fordert Bauprogramm für Wohnungslose


Obdachloser am Berliner Bahnhof Lichtenberg
epd-bild / Rolf Zöllner
Die Berliner Diakoniechefin Eschen fürchtet, dass die Zahl der Wohnungslosen in der Hauptstadt nicht bei rund 50.000 verharrt, sondern weiter steigt. Sie verlangt ein Sonderbauprogramm.

Die Berliner Diakoniechefin Barbara Eschen hat sich für ein Sonderbauprogramm für Wohnungslose ausgesprochen. Die rund 50.000 Menschen, die in der Hauptstadt wegen fehlenden Wohnraums in Unterkünften von den Behörden untergebracht seien, seien "ein Problem, das angegangen werden muss", sagte Eschen in Berlin dem Evangelischen Pressedienst (epd).

"Wir müssen uns um diese Menschen spezielle Gedanken machen", betonte die Berliner Diakoniechefin weiter. Unabhängig von der Debatte um kostengünstigen Wohnraum sei ein eigenes Wohnungsbauprogramm für diese Gruppe nötig, damit sich die Situation entspannt. "Es ist zu befürchten, dass die Zahl der Wohnungslosen noch zunimmt", sagte Eschen. Deshalb sollten gegebenenfalls auch "Übergangsbauten" wie etwa Modularbauten genutzt werden.

Als wohnungslos werden Menschen bezeichnet, die - aus welchen Gründen auch immer - keine eigene Wohnung mehr haben und anderweitig untergebracht worden sind. Dazu gehören auch Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünften.

Lob für Kältehilfe

Weiter lobte Eschen die diesjährige Kältehilfe, die als Notversorgung Obdachlosen in der Winterzeit einen Schlafplatz zur Verfügung stellt. Anders als in den Vorjahren habe die Versorgung rechtzeitig begonnen. Aktuell stünden rund 950 Schlafplätze zur Verfügung. Die Auslastung liege bei 76,7 Prozent, hieß es weiter. Außerdem gebe es so 129 Schlafplätze für Frauen, so viele wie noch nie: "Das ist richtig gut, die werden aber nicht so nachgefragt." Die Auslastung lag bis kurz vor Weihnachten bei 43 Prozent. Der Grund dafür sei noch unklar, sagte Eschen.

epd-Gespräch: Lukas Philippi


Obdachlosenhelfer Dieter Puhl ist "Berliner des Jahres"


Dieter Puhl
epd-bild / Rolf Zöllner
Der Leiter der Berliner Bahnhofsmission am Bahnhof Zoo, Dieter Puhl, ist zum "Berliner des Jahres" gekürt worden. Der 61-Jährige sei mit seinem Engagement für Obdachlose ein Lobbyist der Schwachen "im besten Sinne", begründete die "Berliner Morgenpost" die Entscheidung ihrer Jury.

Der Leiter der Berliner Bahnhofsmission am Bahnhof Zoo, Dieter Puhl, ist zum "Berliner des Jahres" gekürt worden. Der 61-Jährige, der seit langem als Sozialarbeiter und evangelischer Diakon in der Stadt arbeitet, sei mit seinem Engagement für Obdachlose ein Lobbyist der Schwachen "im besten Sinne", begründete die Tageszeitung "Berliner Morgenpost" am 2. Januar die Entscheidung ihrer Jury.

Dieter Puhl sei ein "Vordenker, wenn es darum geht, wie man obdachlosen Menschen über eine bloße Spende von Geld oder Kleidung hinaus helfen kann", und ein hervorragender Netzwerker, hieß es weiter in der Begründung der Jury. Zu seinen regelmäßigen Gästen zählten nicht nur 600 Bedürftige pro Tag, sondern auch prominente Politiker, Wirtschaftsgrößen, Künstler und Journalisten.

Puhls unermüdlicher Aufforderung, über das Tabu Obdachlosigkeit auch öffentlich zu sprechen, und seinem Aufruf, den Schwächsten auf der Straße zu helfen, statt sie zu vertreiben, sei es "wesentlich mit zu verdanken", dass die Stadt heute ein breit angelegtes Hilfeprogramm für Obdachlose habe, hieß es weiter. Puhl selbst bleibe dabei bescheiden, meide die große Bühne und lade lieber an seinen Arbeitsplatz ein, um seinem Herzensthema Nachdruck zu verleihen.

Für sein Engagement wurde ihm 2017 auch das Bundesverdienstkreuz verliehen. Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und die Diakonie gratulierten Dieter Puhl am Mittwoch per Twitter zur Wahl als "Berliner des Jahres".

In die engere Auswahl der Jury kamen nach Angaben der "Morgenpost" insgesamt zehn Berliner. Darunter waren Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD), der Vorstandschef der Charité-Universitätsmedizin, Karl Max Einhäupl, der Hertha-BSC-Fußballer Vedad Ibisevic, der Entertainer Frank Zander und die Initiatorin des Holocaust-Mahnmals und Publizistin Lea Rosh.



Diakonie setzt niedrigschwellige Angebote für Wohnungslose fort

Unter dem Motto "Menschenwürde - leben und wohnen" setzt die Diakonie Sachsen 2019 ihre niedrigschwelligen Beratungsangebote für Menschen in Wohnungsnot fort. Das Projekt wolle mehr soziale Teilhabe für Benachteiligte ermöglichen, teilte die Diakonie Sachsen am 3. Januar in Radebeul bei Dresden mit. Es wird zu 85 Prozent aus dem "Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen" finanziert. Zehn Prozent fließen zudem aus Bundesmitteln und fünf Prozent aus Eigenmitteln.

Bei dem Projekt suchen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Diakonie hilfebedürftige Menschen auch aktiv an öffentlichen Plätzen oder in prekären Wohnverhältnissen auf. Für diese persönliche Beratung und individuelle Hilfe gebe es einen "immer größer werdenden Bedarf", hieß es. Da diese nicht an formale Hürden gebunden seien, könne der Kontakt und das Gespräch im Mittelpunkt stehen.

Es werde dabei angestrebt, sozial Benachteiligte an bestehende Beratungsstellen und Hilfen weiterzuvermitteln oder sie direkt dorthin zu begleiten. "Ist erst einmal Vertrauen aufgebaut, können die Angebote der Wohnungsnotfallhilfe greifen", hieß es weiter.

Die diakonischen Träger arbeiten in Kooperation mit Kommunen und anderen Hilfsangeboten. Unter anderem seien Streetworker in die Arbeit eingebunden, hieß es.

Gestartet wurde das Projekt am 1. Januar. Es soll zunächst bis 31. Dezember 2020 laufen. Zentral verwaltet und koordiniert wird es von der Diakonie Sachsen. Neben der Beratung von wohnungslosen Menschen sind den Angaben zufolge auch Angebote für Frauen und benachteiligte Zuwanderer vorgesehen. In den Regionen sind die Diakonie Annaberg-Stollberg sowie die Stadtmissionen in Chemnitz, Dresden, Plauen und Zwickau an dem Projekt beteiligt.



Rückkehrprojekt für polnische Obdachlose soll fortgesetzt werden

Das Rückkehrprojekt für polnische Obdachlose in Berlin soll in diesem Jahr fortgesetzt werden. Das berichtet die "Berliner Morgenpost" (5. Januar) unter Berufung auf die Geschäftsführerin der Hilfsorganisation Barka, Ewa Sadowska. Allerdings sei die Finanzierung noch offen. Dazu sei eine Entscheidung des polnischen Senates, die zweite Parlamentskammer in Warschau, nötig.

Im Rahmen des im vergangenen September in der Hauptstadt gestarteten Projektes hat den Angaben zufolge ein Sozialarbeiter gemeinsam mit einem Ex-Obdachlosen im Auftrag von Barka Landsleute, die in Berlin auf der Straße leben, zu einer Rückkehr in ihr Heimatland bewegt. Laut Angaben der Hilfsorganisation sei dies in 20 Fällen gelungen, berichtet die Zeitung. Die Obdachlosen seien entweder in ihren Heimatort zurückgebracht worden oder in Hilfseinrichtungen von Barka untergekommen. Die polnische Botschaft gehe von rund 2.000 polnischen Obdachlosen in Berlin aus, hieß es weiter.

Polens Regierung habe mit der Finanzierung des Heimkehrer-Projekts in Höhe von 37.500 Euro auf die öffentliche Debatte über die zunehmende Zahl Obdachloser aus Osteuropa in Berlin reagiert, hieß es weiter. Ursprünglich seien sechs von Polen finanzierte Sozialarbeiter vorgesehen gewesen, schreibt die Zeitung.



Studie: Kita-Gebühren gleichen einem "Flickenteppich"

Bei den Gebühren für die Betreuung von Vorschulkindern in Kindertagesstätten gibt es in Deutschland laut einer Studie große Unterschiede. Wie eine am 2. Januar vorgelegte Untersuchung des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln ergab, gleicht die Höhe der Elternbeiträge im bundesweiten Vergleich einem "Flickenteppich". Wie viel Geld Eltern für einen Kita-Platz ausgeben müssten, hängt demnach stark vom Wohnort ab. Bund und Länder ließen den Kommunen viel Spielraum bei der Gestaltung der Gebührenordnungen, zudem unterschieden sich die gesetzlichen Vorgaben der Bundesländer stark, hieß es.

In der Studie hat das IW die Gebührenordnungen der 26 größten deutschen Städte mit mehr als 250.000 Einwohnern sowie aller Landeshauptstädte untersucht. Berlin hat den Angaben zufolge die Kita-Gebühren komplett abgeschafft, in Rheinland-Pfalz müssen Eltern nur für Kinder unter zwei Jahren zahlen. In Baden-Württemberg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein ist dagegen auch das letzte Kindergartenjahr kostenpflichtig.

Auch zwischen Nachbarstädten gibt es mitunter deutliche Unterschiede bei den Gebühren. Ein Paar, das in Köln 50.000 Euro brutto pro Jahr verdient und ein anderthalbjähriges Kind 35 Stunden in der Woche betreuen lässt, zahlt dafür im Schnitt 298 Euro monatlich. In Düsseldorf würde dasselbe Paar laut Studie nur 125 Euro bezahlen. Die Gebühren seien zudem in vielen Städten nach dem Einkommen der Eltern gestaffelt. Aber auch bei der Staffelung gebe es deutliche Differenzen: So verlangt etwa Duisburg den maximalen Elternbeitrag schon ab einem Bruttoeinkommen von 75.000 Euro, Münster dagegen erst ab 150.000 Euro.

Um die Gebühren in Deutschland zu vereinheitlichen, spricht sich der Studienautor und IW-Ökonom Wido Geis-Thöne für ihre komplette Abschaffung aus. Nur so würde niemand mehr benachteiligt, erklärte er. Allerdings müssten dann im Gegenzug die Zuschüsse der Länder und die Bundes erhöht werden. Städte und Gemeinden seien auf diese finanzielle Unterstützung angewiesen, da sie ansonsten nicht in der Lage seien, die Betreuung weiter zu verbessern und neue Plätze zu schaffen.



Über eine Milliarde Euro für Kinder- und Jugendhilfe in Thüringen

Thüringen hat im Jahr 2017 erstmals mehr als eine Milliarde Euro (1.040.600.000) für die Kinder- und Jugendhilfe ausgegeben. Nach Angaben des Thüringer Landesamtes für Statistik vom 3. Januar ist das ein Plus von 65,4 Millionen Euro (6,7 Prozent) gegenüber dem Vorjahr. Knapp drei Viertel der Auszahlungen aus den Kassen von Land und Kommunen (736,8 Millionen Euro beziehungsweise 70,8 Prozent) seien für Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe und weitere 303,8 Millionen Euro (29,2 Prozent) für Einzel- und Gruppenhilfen ausgegeben worden.

Das Gros der Auszahlungen der öffentlichen Hand im Bereich der Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sei mit 665,7 Millionen Euro beziehungsweise rund 90 Prozent auf Tageseinrichtungen für Kinder entfallen. Im Jahr 2016 lagen diese Ausgaben noch bei 628,8 Millionen Euro. Weitere 19,7 Millionen Euro seien an Einrichtungen der Jugendarbeit geflossen. Das sei ein Anstieg um eine Million Euro und 5,3 Prozentpunkte.

Ausgabenschwerpunkt im Bereich der Einzel- und Gruppenhilfen war den Angaben zufolge wie bereits in den vergangenen Jahren die Hilfe zur Erziehung. Mit 165,7 Millionen Euro habe dieser Anteil knapp 55 Prozent ausgemacht (2016: 151,2 Millionen Euro). Bezogen auf die Bevölkerung Thüringens seien 2017 je Einwohner durchschnittlich 442 Euro für die Kinder- und Jugendhilfe ausgegeben worden (2016: 410 Euro).



Die Entdeckung der Hypersensibilität


Hirnforscher Henry Markram mit Sohn
epd-bild / Markram
Lange wurden Autisten als empathielos angesehen. Bis ein renommierter Hirnforscher einen autistischen Sohn bekam und sich auf den Weg machte, die Ursachen der Behinderung zu entschlüsseln.

Der Straßenverkehr dröhnt in den Ohren wie kreischender Fluglärm. Lichter blenden wie Hochleistungsscheinwerfer. Die Gespräche der Menschen ringsum ergeben eine verworrene Kakophonie aus Wortfetzen. Eindrücke, die den meisten Menschen kaum auffallen, werden von vielen Autisten sehr intensiv wahrgenommen.

Zu der Erkenntnis der Hypersensibilität von Autisten war es allerdings ein langer Weg. "Seit 60 Jahren wird behauptet, Autisten haben keine Gefühle, keine Empathie", sagte der israelische Hirnforscher Henry Markram dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Aber wenn du aus einer anderen Perspektive draufschaust, kommst du zu einem anderen Schluss." Der heute 56-Jährige hatte sich bereits einen Namen als Neurologe gemacht, als seine Frau Anat und er einen autistischen Sohn bekamen. "Ein besonderer Zufall", sagt Markram heute. Denn er sollte das Verständnis von Autismus grundlegend infrage stellen.

In Rituale geflüchtet

Auf den ersten Blick wirke es oft so, als könnten viele Menschen mit Autismus-Spektrums-Störungen sich nicht in andere hineinversetzen, räumt Markram ein. Viele Autisten sprächen etwa am Telefon so, als sei der Gesprächspartner im selben Raum. Oder sie bekämen scheinbar unvorhersehbare Wutausbrüche. Auch bei seinem Sohn Kai sei das vorgekommen. Er habe sich nicht so entwickelt wie andere Kinder, sich abgekapselt und in Rituale geflüchtet: Ohne die richtigen Socken ging er morgens nicht aus dem Haus, ohne ein Brot mit Hüttenkäse und das richtige Kissen abends nicht ins Bett.

Andererseits habe Kai aber auch die Gabe, sich in Menschen hineinzuversetzen und ihre Gefühle vorherzusagen. In Urlauben eroberte er die Herzen der Hotelmitarbeiter und liebte es, Menschen zu umarmen. Solche Situationen beschreibt der Journalist und Autor Lorenz Wagner. Er hat die Familie einige Monate begleitet und ihre Geschichte nun in dem Buch "Der Junge, der zu viel fühlte" veröffentlicht. Das passte nicht richtig mit den wissenschaftlichen Annahmen zusammen. Um seinen Sohn verstehen zu können, spezialisierte sich Markram auf neurologische Autismusforschung.

Gehirnzellen sind hyperreaktiv

Nach jahrelangen Tests gelang Markram und seiner jetzigen Frau Kamila schließlich ein Durchbruch: Die Gehirnzellen von Autisten sind demnach hyperreaktiv. Für die Wahrnehmung heißt das, die Sinneseindrücke werden verstärkt wahrgenommen. So kamen die Markrams zu der These: Autisten haben gar nicht zu wenig Gefühle, sondern zu viel. Von Autisten wird die Welt also viel schneller, lauter, bunter wahrgenommen. "Intense World Syndrom" nennen die Markrams das.

Der Rückzug autistischer Menschen in ihre eigene Welt sei also eher ein Schutzmechanismus vor diesem Sinnesfeuerwerk, folgerten die Markrams. Die Ursachen für soziale und sprachliche Probleme autistischer Kinder lägen demnach darin, dass wichtige Impulse im Chaos der Reize untergingen. Frühes Gegensteuern, ein Reduzieren intensiver Reize in der Umgebung der Kinder könne die Behinderung mildern oder gar ganz vermeiden, folgern die Markrams. Autistische Kinder sollten nicht dazu gedrillt und gedrängt werden, mit anderen zu interagieren, sondern erst einmal in ihrer eigenen Welt gelassen werden.

Mehr Verständnis entwickeln

Die Theorie ruft aber auch Kritik hervor: Auch zu wenige Reize, zu wenig Input in frühen Entwicklungsphasen könnten die Entwicklung sozialer, kognitiver und emotionaler Fähigkeiten von Kindern gefährden, schreiben Anna Remington und Uta Frith in dem wissenschaftlichen Autismus-Magazin "Spectrum". Die Ausprägungen von Autismus seien zudem so unterschiedlich, dass eine übergreifende Theorie zu weit gegriffen sei.

Trotz der Kritikpunkte mache Markrams Forschung eines deutlich, sagt Wolfgang Ludwig von den Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel: "Das Thema Hypersensitivität wurde in der Arbeit mit Autisten zu lange vernachlässigt." Der Pädagoge und Gesundheitsmanager ist in Bethel für die Arbeit mit Autisten zuständig. Autisten würden oft in die Nerd-Ecke gestellt, aber im Autismus-Spektrum gebe es natürlich sehr unterschiedliche Persönlichkeiten.

Um mehr Verständnis zu entwickeln, brauche es in Deutschland noch deutlich mehr Aufklärung, sagt Ludwig: "Dafür muss vor allem auch Menschen mit Autismus selbst eine Bühne gegeben werden." Denn Mythen über Autismus hielten sich hartnäckig. "Nicht Autisten fehlt es an Empathie", sagt Markram. "Sondern uns fehlt sie für sie."

Von Nora Frerichmann (epd)


Allgemeiner Tarifvertrag für die Altenpflege rückt näher


Altenpflegekräfte sollen bald besser bezahlt werden.
epd-bild / Thomas Lohnes
Anfang dieses Jahres sollen Verhandlungen über einen allgemeinverbindlichen Tarif in der Altenpflege aufgenommen werden. Die privaten Anbieter sind dagegen. Die Tarifpartner können aber mit der Unterstützung der Koalition in Berlin rechnen.

Es geht um mehr als eine Million Beschäftigte und ein politisches Versprechen: Altenpflegekräfte in Deutschland sollen besser bezahlt werden. An seinem ersten Tag als Bundesgesundheitsminister sagte Jens Spahn (CDU) auf dem Deutschen Pflegetag, sein Ziel sei, zu einer Tarifbezahlung in der Altenpflege zu kommen. In dreieinhalb Jahren, am Ende der Legislaturperiode, wolle er sagen können, es sei besser geworden.

Um eine Ausweitung der tariflichen Bezahlung in der Altenpflege wird schon lange gerungen. Rund 80 Prozent der Heime und Pflegedienste sind nicht tarifgebunden und nur zehn Prozent der Pflegekräfte gewerkschaftlich organisiert. Das liegt auch daran, dass zwei der großen Pflegeanbieter, die evangelischen und katholischen Träger, keine Tarifverträge sondern Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) haben.

Kirchlicher Extra-Weg

Sie erreichen damit bei den eigenen Einrichtungen eine hohe überbetriebliche Verbindlichkeit der Lohnabschlüsse - bei den diakonischen Unternehmen sind es laut dem Arbeitgeberverband VdDD 93 Prozent - aber eben nach kirchlichem Arbeitsrecht, das beispielsweise Streiks ausschließt. Mit der Bezahlung liegen Diakonie und Caritas am oberen Ende der Lohnskala.

Nicht nur der kirchliche Extra-Weg unterscheidet die Verhältnisse in der Altenpflege von anderen Branchen. Es existieren unterschiedliche Tarifwerke nebeneinander. Gemeinnützige Anbieter konkurrieren mit privaten Unternehmen und zunehmend auch mit Konzernen.

Politischer Wille ist da

Nun soll ein wichtiger Schritt zur Erhöhung der Tarifbindung getan werden. Der AWO-Bundesvorsitzende Wolfgang Stadler sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), er gehe davon aus, "dass im Januar der Durchbruch gelingt und alle Voraussetzungen erfüllt sind, um einen allgemeinverbindlichen Tarif in der Pflege umzusetzen". Ein gemeinsamer Arbeitgeberverband der nichtkirchlichen, gemeinnützigen Organisationen werde den notwendigen Rahmen geben, um das Projekt Anfang 2019 auf den Weg zu bringen, erklärte Stadler - gemeint ist die Aufnahme von Verhandlungen mit der Tarifkommission der Gewerkschaft ver.di.

Kommt es zu einem Abschluss, kann das Bundesarbeitsministerium diesen für allgemeinverbindlich erklären. Der politische Wille dazu ist da. Dann dürfte kein Pflegeunternehmen mehr geringere Löhne zahlen, als dieser Tarif vorgibt. Mit den Lohnforderungen will sich ver.di an den Tarifen im öffentlichen Dienst orientieren.

Niedriges Branchenniveau

Jörg Kruttschnitt vom Vorstand des Evangelischen Werks für Diakonie und Entwicklung ist zuversichtlich, dass es zu einem allgemeinverbindlichen Tarif kommen wird. Er glaubt aber, dass dieser niedrigere Löhne vorsehen wird als etwa die AVR der Diakonie. "Man darf nicht übersehen, dass die ganze Branche mitgenommen werden muss", sagte Kruttschnitt. Das Branchenniveau sei niedriger als die Bezahlung bei kirchlichen Trägern oder nach dem - kaum angewendeten - Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst.

Ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler sagte dem epd, der angestrebte Tarifvertrag werde dazu beitragen, dass sich mehr Menschen für den Pflegeberuf entscheiden und Altenpflegerinnen, die aus dem Beruf geflüchtet sind, zurückkommen. "Ein bundesweit geltender Tarifvertrag, der von keinem Anbieter unterschritten werden darf, hilft nicht nur den Beschäftigten, sondern müsste eigentlich auch im Interesse der privaten Pflegekonzerne sein", sagte Bühler weiter: "Wenn sie keine Fachkräfte mehr bekommen, ist schließlich ihr 'Geschäftsmodell' gefährdet."

"Schwerwiegender Eingriff in die Tarifautonomie"

Das sehen die privaten Anbieter anders, so etwa der Präsident des bpa-Arbeitgeberverbandes Rainer Brüderle: "Wir sehen die Versuche, allgemeinverbindliche Tarifverträge in der Pflege zu erleichtern, als schwerwiegenden Eingriff in die Tarifautonomie." Die Arbeitgeber seien gar nicht gegen Tarifverträge. Sie hätten aber kein Gegenüber, sagt Brüderle: "Wir stellen fest, dass ver.di aufgrund fehlender Mitglieder als Verhandlungspartner ausfällt."

Der bpa-Arbeitgeberverband hat eigene Entgelttabellen für alle Bundesländer beschlossen. Er reagiert damit auf den Druck Richtung tariflicher Bezahlung. Eine Pflegekraft verdiene danach knapp 60 Euro mehr im Monat als im Bundesdurchschnitt, erklärt der Verband. Offen bleibt allerdings, wie groß - oder gering - der Anteil der Unternehmen ist, die tatsächlich entsprechend bezahlen. Der Arbeitgeberverband Pflege, in dem die umsatzstärksten Konzerne zusammengeschlossen sind, spricht sich lediglich dafür aus, Pflegekräften ein Mindesteinkommen von 2.500 Euro monatlich zu garantieren.

Von Bettina Markmeyer (epd)


Deutlich weniger Hartz-IV-Haushalte

In die Debatte um das strittige Hartz-IV-Gesetz meldet die Bundesagentur für Arbeit einen deutlichen Rückgang bei der Zahl der Leistungsempfänger. Danach beziehen weniger als drei Millionen Haushalte die Grundsicherung.

Die Zahl der Hartz-IV-Empfänger geht nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit deutlich zurück. Erstmals seit der Einführung der Arbeitsmarktreform lebten im November weniger als drei Millionen Haushalte von der Grundsicherung, wie die Bundesagentur am 4. Januar in Nürnberg mitteilte. Im Dezember sank die Zahl der Hartz-IV-Bezieher weiter. Bundesagentur-Chef Detlef Scheele (SPD) sagte, er sehe keine Notwendigkeit für eine grundlegende Hartz-IV-Reform, wohl aber für Korrekturen. Union und FDP nannten Hartz IV ein "erfolgreiches System".

Die Bundesagentur verzeichnete im Dezember rund 2,995 Millionen sogenannte Bedarfsgemeinschaften. Das sind 5,7 Prozent weniger als ein Jahr zuvor und 17 Prozent weniger als 2008. In den Hartz-IV-Haushalten lebten im Dezember 2018 zusammen gut 5,9 Millionen Menschen, wie die BA weiter mitteilte. Das waren 281.000 weniger als ein Jahr zuvor.

Der Chef der Bundesagentur wertet den Rückgang der von Hartz IV abhängigen Haushalte als Beleg für eine funktionierende Grundsicherung. Viele ehemalige Hartz-IV-Bezieher hätten Arbeit gefunden oder seien in Rente gegangen, sagte Scheele in Nürnberg.

Für den sozialpolitischen Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Peter Weiß (CDU), zeigen die Zahlen, dass "es keinen Grund für eine größere Reform oder gar die Abschaffung von Hartz IV gibt". Umfassende Änderungen, etwa bei Sanktionen, gefährdeten die Erfolge: "Wir haben mit diesem System über 1,1 Millionen Empfänger aus der Arbeitslosigkeit geholt", sagte Weiß.

Der sozialpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Pascal Kober, nannte es vollkommen unverständlich, dass Politiker von SPD und Grünen Hartz IV abschaffen wollen. "Stattdessen muss Hartz IV weiter verbessert werden, beispielsweise durch eine maßvolle Ausweitung des Schonvermögens", forderte Kober.

Bundesagentur-Chef Scheele für Reformen

Bundesagentur-Chef Scheele sprach sich ebenfalls für Reformen am Hartz-IV-Gesetz aus. Er plädierte für eine Vereinfachung des Leistungsrechts und für ein Ende härterer Sanktionen von Hartz-IV-Beziehern unter 25 Jahren. Die Sanktionen für Jüngere sollten an diejenigen für ältere Hartz-IV-Bezieher angeglichen werden, sagte Scheele. Die Abschaffung des umstrittenen Gesetzes lehnte er ab.

Scheele wehrte sich gegen Vorwürfe, die Jobcenter drangsalierten Langzeitarbeitslose. Auch zwängen die Jobcenter die Langzeitarbeitslosen nicht, jede Stelle anzunehmen. Vielmehr würden oftmals zweijährige Umschulungsmaßnahmen einer Arbeitsstelle vorgezogen, um auf diese Weise eine "nachhaltige Integration am Arbeitsmarkt zu erzielen", sagte Scheele.

Trotz der positiven Entwicklung bei der Grundsicherung seien "nach wie vor über eine Million erwerbstätige Menschen im Leistungsbezug, die trotz Arbeit mit Hartz IV aufstocken müssen", erklärte der Paritätische Wohlfahrtsverband. Der Sozialverband forderte eine Anhebung der Regelsätze für Erwachsene von derzeit 424 Euro auf 571 Euro und die Einführung einer existenzsichernden Kindergrundsicherung.



Kommunalverband: Ländliche Regionen brauchen mehr Unterstützung

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund fordert rasche Investitionen in Bildung und Infrastruktur und von allen Bundesländern die Einrichtung zentraler Aufnahme-, Entscheidungs- und Rückführungseinrichtungen für Flüchtlinge. Der Präsident des kommunalen Spitzenverbandes, Uwe Brandl (CSU), und Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg warnten vor einer Benachteiligung ländlicher Regionen in Deutschland. Sie sagten bei der Vorstellung der Bilanz 2018 und des Ausblicks 2019 am 3. Januar in Berlin, um eine Spaltung der Gesellschaft zu verhindern, müsse für gleichwertige Lebensverhältnisse beherzt eingetreten werden.

Bilanz bei Integration "ernüchternd"

Mit Blick auf die Integration von Flüchtlingen sprach Verbandspräsident Brandl, der auch Bürgermeister im niederbayerischen Abensberg ist, von einer "ernüchternden" Bilanz. Nur zehn Prozent dieser Menschen seien in Lohn und Brot. Noch immer hake es bei der Anerkennung von Abschlüssen. Die große Mehrheit sei nach wie vor auf Transferleistungen angewiesen.

Bund und Länder müssten die Kosten für geduldete und für rechtskräftig abgelehnte Asylbewerber übernehmen, die weder ausreisen noch abgeschoben werden können, fordert der Städte- und Gemeindebund. Die finanziellen und personellen Mehrbelastungen für deren Versorgung hinderten die Kommunen daran, sich auf Menschen mit einer guten Bleibeperspektive zu konzentrieren.

Der Städte- und Gemeindebund erwartet von allen Bundesländern, dass sie sogenannte Anker-Zentren einrichten. Abgelehnte Asylbewerber und solche mit unklarer Bleibeperspektive dürften gar nicht erst auf die Kommunen verteilt werden, sondern müssten in solchen Zentren bleiben, bis ihre Verfahren abgeschlossen seien. Bisher gebe es aber nur sieben solcher Zentren in Bayern, Sachsen und im Saarland, bemängelt der Kommunalverband.

Der kommunale Investitionsrückstand habe im vergangenen Jahr einen traurigen Rekord von 159 Milliarden Euro erreicht. "Obwohl die Steuerquellen sprudeln und vieles unternommen wird, fühlen sich die Menschen in Deutschland in manchen Gegenden abgehängt", erklärten Landsberg und Brandl. Sie betonten: "Wo der Bus nur einmal am Tag fährt, die Ärzte sich zurückziehen, die Schulen in schlechtem Zustand und die Arbeitsplätze sehr weit entfernt sind, ist dies nachvollziehbar."

Kritik an Fülle von Bauvorschriften

Als eines der Investitionshemmnisse nannte Hauptgeschäftsführer Landsberg die Bürokratie. Allein die Zahl der Bauvorschriften habe sich in den vergangenen Jahren vervierfacht. Bundesweit seien im vergangenen Jahr nur 284.000 neue Wohnungen gebaut worden; es würden aber pro Jahr 400.000 zusätzliche Wohnungen benötigt.

Den Kindertagesstätten fehle es an Platz, Personal und Geld. Beim Ausbau von Bahnstrecken dauere ein Kilometer gar bis zu acht Jahren. Bei der Digitalisierung wolle jeder 5G, doch niemand Masten vor der Haustür haben, monierte er. Brandl warnte davor, ländliche Regionen durch unterschiedliche Geschwindigkeiten beim Breitbandausbau weiter zu benachteiligen.

Der "Scheinwerfer" dürfe nicht nur auf die Großstädte gerichtet werden, mahnte Landsberg und betonte, dass laut Umfrage nur 16 Prozent der Bevölkerung in einer Großstadt leben wollten, die Übrigen bevorzugten Dörfer oder Kleinstädte.



Zeugen nannten Ex-Krankenpfleger Högel "Rettungs-Rambo"

Im Mordprozess gegen den früheren Krankenpfleger Niels Högel vor dem Landgericht Oldenburg haben am 4. Januar weitere Polizeibeamte über ihre Ermittlungsarbeit berichtet. Auffällig sei, dass frühere Kollegen Högels aus dem Klinikum Oldenburg stets mit einem vom Klinikum bezahlten Rechtsanwalt zu den Vernehmungen erschienen seien, sagten die Ermittler übereinstimmend. Oft sei der Eindruck entstanden, die befragten Zeugen hielten sich mit ihren Erinnerungen zurück. Die Zeugen aus dem früheren Krankenhaus Delmenhorst hätten dagegen sehr viel freier ihre Eindrücke geschildert (Az: 5Ks 1/18).

Laut Anklageschrift soll der ehemalige Krankenpfleger in den Jahren 2000 bis 2005 in den Kliniken Oldenburg und Delmenhorst 100 Patienten mit Medikamenten vergiftet haben, die zum Herzstillstand oder Kammerflimmern führten. Anschließend versuchte er, sie wiederzubeleben, um als rettender Held dazustehen.

Högel bei fast allen Notfällen zugegen

Eine Ermittlerin berichtete von Gerüchten und Spitznamen wie "Rettungs-Rambo", die laut Zeugenaussagen im Krankenhaus Delmenhorst kursierten. Eine frühere Kollegin habe es als auffällig empfunden, dass Högel bei fast allen Notfällen zugegen gewesen sei. Doch auch sie habe keinen konkreten Verdachtsfall benennen können.

Eine andere Pflegerin habe ausgesagt, dass Högel oft 20 Minuten früher zur Arbeit gekommen sei, um sich in den Patientenzimmern einen Überblick zu verschaffen, berichtete ein weiterer Polizist. Die Zeugin habe sich einmal einer Kollegin anvertraut. Diese habe ihr geraten, den Mund zu halten, solange sie keine Beweise habe. Als dann die ersten Pflegekräfte von der Polizei vernommen worden seien, habe ein Vorgesetzter zusätzlichen Druck ausgeübt. Also habe sie weiter geschwiegen.

Prozess wird am 22. Januar fortgesetzt

Der pensionierte Kriminalbeamte Manfred B. erzählte, wie er mit dem Fall Högel in Kontakt kam. Das Krankenhaus Delmenhorst habe Högel am 1. Juli 2005 wegen eines Todesfalles angezeigt. Bei seinen Ermittlungen sei er auf den sprunghaften Anstieg von Todesfällen und den enormen Mehrverbrauch des Medikaments Gilurytmal gestoßen. "Und bei 75 Prozent der Sterbefälle hatte Högel Dienst", sagte der Kripo-Beamte. Er habe nach Abschluss seiner Ermittlungen die Akten an die Staatsanwaltschaft weitergegeben mit dem Hinweis, dass er Högel für weitere Taten verantwortlich halte.

Im Dezember 2006 wurde Högel für diesen Fall zu fünf Jahren Haft wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und zu fünf Jahren Berufsverbot verurteilt. Allerdings musste er bis 2009 nicht ins Gefängnis, weil Revision eingelegt wurde. Weitere Ermittlungen wurden zu dem Zeitpunkt vonseiten der Staatsanwaltschaft trotz des Hinweises damals nicht betrieben.

Der Prozess wird am 22. Januar fortgesetzt. Dann sollen frühere Kollegen und Ärzte befragt werden. Högel hat im Verlauf des Prozesses, der Ende Oktober begonnen hatte, 43 Mordfälle eingeräumt. Fünfmal wies er die Anschuldigung zurück. An die weiteren Patienten könne er sich nicht erinnern, sagte er. Wegen weiterer Taten verbüßt Högel bereits eine lebenslange Haftstrafe.



Zahl der Gewebespender 2018 deutlich gestiegen

In Deutschland haben im vergangenen Jahr 16 Prozent mehr Menschen Gewebe gespendet als 2017. Durch die uneigennützige Entscheidung von 2.711 Betroffenen hätten 5.544 Patienten zeitnah und sicher mit Transplantaten versorgt werden könnten, teilte die Deutsche Gesellschaft für Gewebetransplantation mit Sitz in Hannover am 1. Januar mit. Die Spenden in Baden-Württemberg, im Saarland, in Thüringen und Berlin hätten sich gegenüber dem Vorjahr verdoppelt. Der Bedarf an humanen Gewebetransplantaten sei nach wie vor hoch.

Neben der Zustimmung zur Spende spiele auch das Engagement der Krankenhäuser eine entscheidende Rolle, erklärte die Gesellschaft. Nicht jede Klinik verfüge über eine eigene Gewebebank und sei in der Lage, Gewebespenden zu realisieren. Inzwischen gebe es 27 Standorte, die bundesweit mehr als 90 Kliniken versorgten. In dem offenen Netzwerk der Gesellschaft kooperierten zahlreiche Universitätskliniken sowie kommunale und konfessionelle Krankenhäuser und große Klinikverbünde, hieß es.

Insgesamt gingen bei den Spendekrankenhäusern den Angaben zufolge 35.992 Meldungen potenzieller Spender ein. Die durchschnittliche Zustimmungsquote habe bei 38 Prozent gelegen. Es gebe viel Zustimmung in der Bevölkerung. Gewebe, die nach dem Tod gespendet werden können, seien neben Augenhornhäuten, Herzklappen und Blutgefäßen auch Knochen, Sehnen, Bänder und Haut.

Die Deutsche Gesellschaft für Gewebetransplantation ist nach eigenen Angaben eine unabhängige, gemeinnützige Gesellschaft, die ausschließlich von öffentlichen Einrichtungen des Gesundheitswesens getragen wird. Gesellschafter sind die Medizinische Hochschule Hannover, das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, das Universitätsklinikum Leipzig, die Universitätsmedizin Rostock sowie das Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum Neubrandenburg.



Studie: Viel helfen macht glücklicher als viel verdienen

Wer gerne hilft, sich für die Familie engagiert und religiös lebt, ist laut einer Studie zufriedener als andere Menschen. Das Streben nach Geld und Karriere macht hingegen eher unglücklich, wie aus einer am 3. Januar vorgelegten Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin hervorgeht. Besonders groß ist die Zufriedenheit demnach, wenn sich in einer Beziehung beide Partner für andere und die Familie engagieren.

In ihrer Analyse haben Gert G. Wagner, Senior Research Fellow am DIW Berlin, und der australische Sozialwissenschaftler Bruce Headey von der Universität Melbourne die Bedeutung von vier möglichen "Glücksrezepten" überprüft: die Bereitschaft, anderen zu helfen (Altruismus), Familienorientierung, religiöser Glaube sowie Geld und Karriere.

Das Ergebnis der Analysen zeigt: Je altruistischer Menschen sind, desto zufriedener sind sie mit ihrem Leben. Auch familienorientierte Menschen, also Menschen, denen ihre Kinder und Haus- und Gartenarbeit besonders wichtig sind, sind im Durchschnitt zufriedener als ihre Mitmenschen. "Das ist vor allem dann der Fall, wenn beide Partner die gleichen Werte leben", sagte Studienautor Wagner.

Auch der religiöse Glaube kann der Studie zufolge die Lebenszufriedenheit steigern. Das könne auch dadurch erklärt werden, dass religiöse Menschen häufiger als andere altruistisch und familienorientiert leben, schreiben die Autoren.

Wer hingegen vor allem nach materiellen Werten strebt, also mehr verdienen will als andere, sei im Durchschnitt unzufriedener, als er sein könnte. "Solche Menschen sind dem stetigen Stress ausgesetzt, dass andere noch erfolgreicher sind. Denn nicht jeder kann an der Spitze stehen", erklärte Wagner. Allerdings ist nach Angaben der Wissenschaftler auch eine andere Interpretation der Studienergebnisse möglich: Nicht Geld und Karriere machen unglücklich, sondern unglückliche Menschen versuchen, mit Hilfe von Geld und Karriere zufriedener zu werden.

Für die Studie wurden mehr als 100.000 Angaben von Menschen im Alter von 25 bis 54 Jahren analysiert, die zwischen 2003 und 2016 immer wieder befragt worden waren. Darüber hinaus wurden knapp 30.000 Angaben von Befragten einer australischen Langzeitstudie ausgewertet.




Gesellschaft

UNHCR: In Deutschland sinkt die Zahl neu eintreffender Flüchtlinge


Flüchtlingsunterkunft in Eisenhüttenstadt
epd-bild / Christian Ditsch
Im ersten Halbjahr 2018 wurden in Deutschland 81.800 Anträge auf Asyl registriert. 2017 waren es im gleichen Zeitraum 101.000 Anträge.

Während die Flüchtlingszahlen weltweit im vergangenen Jahr erneut gestiegen sind, nimmt die Zahl der Ankünfte in Deutschland weiter ab. Wie das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) am 6. Januar in Berlin mitteilte, sank in Deutschland die Zahl der Asylanträge in den ersten sechs Monaten des vergangenen Jahres um weitere 20 Prozent. Im ersten Halbjahr 2018 seien 81.800 Anträge auf Asyl registriert worden. 2017 waren es im gleichen Zeitraum 101.000 Anträge, 2016 noch 387.700, wie das Flüchtlingshilfswerk weiter mitteilte.

"Die Flüchtlingskrise findet woanders statt, etwa in Bangladesch oder Libanon", erklärte Dominik Bartsch, UNHCR-Repräsentant in Deutschland. "Sieben von acht Flüchtlingen haben nicht etwa in Deutschland, Österreich oder Italien Zuflucht gefunden, sondern in Entwicklungsländern wie Bangladesch, Uganda oder Pakistan", sagte Bartsch weiter. Jetzt, wo sich die Situation beruhigt habe, müsse Europa Konzepte für den Umgang mit Flüchtlingen finden und seiner Verantwortung gerecht werden.

Weltweit gab es laut UNHCR zur Mitte des vergangenen Jahres 68,8 Millionen Flüchtlinge, Binnenvertriebene und Asylsuchende. Das seien rund 300.000 mehr als ein halbes Jahr zuvor, zum 31. Dezember 2017. Die Zahl der Flüchtlinge stieg dabei um 554.000 auf 20,5 Millionen. Die Zahl der Binnenvertriebenen sank demnach leicht von 40 Millionen auf 39,7 Millionen. Hinzu kamen 3,2 Millionen Menschen, die asylsuchend sind und über deren Fälle noch nicht entschieden ist.

Die meisten Flüchtlinge stammen aus Syrien

Syrien ist den Angaben zufolge nach wie vor das Land, aus dem die meisten Flüchtlinge stammen. Jeder dritte Flüchtling auf der Erde sei Syrer, hieß es weiter. Auch wenn einige Menschen in ihre Heimat zurückkehrten, würden noch mehr vertrieben, so dass die Zahl der syrischen Flüchtlinge um gut 180.000 auf 6,5 Millionen gewachsen sei. Die meisten von ihnen lebten in der Türkei (3,6 Millionen), gefolgt von Libanon (968.100) und Jordanien (667.200).

In Deutschland lebten laut UNHCR Mitte 2018 rund 514.000 Syrer. Die Bundesrepublik habe im ersten Halbjahr 2018 rund 22.200 Syrer neu als Flüchtlinge anerkannt. Im ersten Halbjahr 2017 waren es noch 72.600 Syrer. UNHCR-Experten rechneten nicht damit, dass sich die Zahl der syrischen Flüchtlinge in Deutschland in nächster Zeit signifikant erhöhen wird, hieß es weiter.

Die Zahl der Flüchtlinge aus Afghanistan stieg weltweit um ein Prozent auf 2,7 Millionen. Davon hätten allein 1,4 Millionen in Pakistan, weitere 951.100 im Iran Zuflucht gefunden. In Deutschland seien es 116.700 Menschen aus Afghanistan. Aus dem Südsudan sind 2,5 Millionen Menschen geflohen. 1,1 Millionen von ihnen sind jetzt in Uganda, 768.100 im Sudan und 445.000 in Äthiopien.



Linke, Grüne und SPD dringen auf Lösung für "Sea-Watch"-Flüchtlinge

Bei einem Besuch auf dem Rettungsschiff "Sea-Watch 3" vor der Küste Maltas haben Politiker von Grünen, Linken und der SPD die EU-Staaten zur sofortigen Aufnahme der 32 Flüchtlinge an Bord aufgefordert. Es sei "völlig unmenschlich, dass hier Leute zwei Wochen lang alleine gelassen werden", sagte die Grünen-Europaabgeordnete Ska Keller am 4. Januar telefonisch dem Evangelischen Pressedienst (epd). Wenn die anderen EU-Staaten dazu nicht bereit seien, solle Deutschland allein die Menschen aufnehmen. "32 auf 80 Millionen Einwohner" sei keine unmögliche Aufgabe.

Die "Sea-Watch 3" hatte die Menschen am 22. Dezember im Mittelmeer an Bord genommen. Seitdem sucht das Schiff der Berliner Organisation einen Hafen. Ähnlich ergeht es der "Professor Albrecht Penck", die nach Angaben der Regensburger Organisation "Sea-Eye" mit 17 Migranten an Bord die Erlaubnis zum Anlanden sucht.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe, der sich am Freitag ebenfalls auf der "Sea-Watch" aufhielt, erklärte auf Twitter, die Menschen dort und auf der "Professor Albrecht Penck" seien "unter absurden Bedingungen gefangen". Deutschland, die EU und Malta müssten für eine sofortige humanitäre Lösung sorgen.

Der Linken-Politiker Tobias Pflüger betonte an Bord der "Sea-Watch 3", die Flüchtlinge bräuchten "endlich einen sicheren Hafen, der sie aufnimmt". Verschiedene europäische Städte wollen die Flüchtlinge aufnehmen, darunter auch Berlin, Bremen, Hamburg, Marburg und Heidelberg, erklärte der Bundestagsabgeordnete via Facebook. Die Regierungen stellten sich jedoch gegen die Zivilgesellschaft und gegen das Seerecht und versuchten dies zu verhindern.

Auch eine Vertreterin des Bundes evangelischer Kirchen in Italien hielt sich vorübergehend an Bord auf. Die Flüchtlinge litten unter der Situation, sagte Christiane Groeben, Vizepräsidentin des Kirchenbundes, telefonisch dem epd. "Sie haben inzwischen Lagerkoller." Zudem habe die Crew gewechselt. "Die Flüchtlinge hatten sich an die alte Crew gewöhnt, jetzt gibt es viele neue Gesichter auf dem Schiff", sagte sie.

Der Berliner Senat bekräftigte seine Bereitschaft, aus humanitären Gründen einen Teil der Flüchtlinge aufzunehmen. "Es ist unsere Pflicht, Menschen aus Seenot zu retten", erklärte Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Freitag. "Das ist kein Gnadenakt, sondern humanitäre Verantwortung gegenüber Menschen, die in Lebensgefahr sind."

Unterdessen hat nach Angaben der Nichtregierungsorganisation "Sea Eye" die Bundesregierung den Rettungseinsatz der "Professor Albrecht Penck" als korrekt eingestuft. Wie "Sea Eye" in Regensburg mitteilte, attestierte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes der Crew ein "rechtlich konformes Verhalten". Die Crew hatte sich nach eigenen Angaben vor sieben Tagen geweigert, die 17 geretteten Flüchtlinge an die libysche Küstenwache zu übergeben. Das Schiff der Küstenwache habe keine eindeutige Kennung und keine Nationalflagge gehabt. Die Besatzung habe zivile Kleidung getragen.



EU-Staaten sollen Flüchtlinge von deutschen Schiffen aufnehmen

Die Europäische Kommission hat die EU-Länder aufgefordert, die im Mittelmeer von zwei Rettungsschiffen deutscher Organisationen an Bord genommenen Menschen aufzunehmen. "Es wird mehr Solidarität aller Mitgliedstaaten gebraucht", sagte eine Sprecherin am 3. Januar in Brüssel. Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos sei mit mehreren Mitgliedstaaten im Kontakt gewesen, um eine schnelle Ausschiffung der Menschen auf der "Sea-Watch 3" und "Sea-Eye" zu ermöglichen.

Die "Sea-Watch 3" des Berliner Vereins "Sea-Watch" hatte am 22. Dezember 32 Migranten aufgenommen. Seitdem sucht das Schiff, das unter niederländischer Flagge fährt, einen Hafen. Ähnlich ergeht es der "Professor Albrecht Penck", auch bekannt als "Sea Eye 2". Nach Angaben der Regensburger Organisation "Sea-Eye" vom Montag warten 17 Gerettete zusammen mit 18 Besatzungsmitgliedern des unter deutscher Flagge fahrenden Schiffes auf die Einfahrt in einen Hafen. Malta erklärte sich laut Presseberichten am Mittwoch zwar bereit, beide Schiffe in seine Gewässer zu lassen. Anlegen durften sie in dem EU-Staat demnach aber nicht.

Nach Angaben von "Sea-Watch" haben sich Neapel sowie Palermo und Liverno in Italien und auch Bremen, Hamburg, Berlin und weitere Städte bereiterklärt, die Flüchtlinge der "Sea-Watch 3" aufzunehmen. Allerdings befinde sich das Rettungsschiff derzeit nicht auf dem Weg nach Neapel, weil der sichere Hafen von der Seenotrettungsleitstelle zugewiesen werden müsse, sagte eine Sprecherin des Hilfe-Vereins dem epd. Daher müsse man weiter ausharren. Es seien 32 Flüchtlinge an Bord, die größtenteils seekrank seien aufgrund des schlechten Wetters. "Dadurch dehydrieren sie stark und leiden unnötig", sagte sie. "Es ist jetzt der 13. Tag, den wir vergeblich auf einen sicheren Hafen warten."

Die Bundesregierung setzt sich nach eigenen Angaben für eine rasche Lösung ein. Diese müsse aber "im Rahmen einer gemeinsamen europäischen Verantwortung und Solidarität" eine ausgewogene Verteilung der aus Seenot Geretteten auf verschiedene EU-Staaten vorsehen, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums am Mittwoch in Berlin.

Im vergangenen Jahr hatten immer wieder Schiffe mit zahlreichen Geretteten an Bord im Mittelmeer ausharren müssen, bis sich die EU-Staaten auf eine Verteilung einigten. Auch Deutschland nahm dabei einen Teil der Menschen auf. Die Sprecherin der EU-Kommission erklärte am Donnerstag, die gegenwärtige Situation zeige erneut, dass "vorhersehbare und nachhaltige Lösungen" dringend gebraucht würden.



Kretschmer fordert von Grünen Bewegung in Abschiebedebatte

Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) wirft in der Debatte um die Abschiebung krimineller Asylbewerber den Grünen eine "permanente Verweigerungshaltung" vor. Ohne diese Einstellung wäre man in der Diskussion um schärfere Abschieberegeln und sichere Herkunftsstaaten "schon deutlich weiter", sagte Kretschmer den Zeitungen der Essener Funke-Mediengruppe (5. Januar). Deshalb seien die Grünen nun gefordert, den Weg für eine leichtere Abschiebung von Asylbewerbern frei zu machen. "Der Staat muss seine Handlungsfähigkeit beweisen und - wo notwendig - Gesetze nachschärfen."

Derzeit seien die Grünen an neun von 16 Landesregierungen beteiligt und trügen deshalb auch Verantwortung. "Die Grünen sind in Opposition zur Bundesregierung, aber nicht zu Deutschland", erklärte der sächsische Regierungschef. Gefragt sei jetzt ein "parteiübergreifender Konsens" in der Frage, wie mit kriminellen Asylsuchenden umzugehen sei. Es frustriere viele Bürger, dass es erst extreme Gewaltvorfälle brauche, bevor die Politik handele. "Freiheit braucht Sicherheit und einen wehrhaften Staat", erklärte Kretschmer.



Gewalttat in Cottbus löst Debatte über Rassismus aus

Die Reaktion der Stadt Cottbus auf Gewalttätigkeiten in der Silvesternacht hat für teils heftige Reaktionen im Internet gesorgt. Polizei und Stadtverwaltung wurde in Beiträgen auf dem Kurznachrichtendienst Twitter am 2. Januar unter anderem Rassismus vorgeworfen. Die Polizei hatte am Dienstag mitgeteilt, dass ein "unbekannter Ausländer" in der Silvesternacht einen 28-jährigen Deutschen mit einer Stichwaffe verletzt habe. Das Opfer sei zur stationären Behandlung ins Krankenhaus gebracht worden, die Verletzungen seien nicht lebensbedrohlich.

Die Cottbusser Stadtverwaltung hatte danach auf ihrer Internetseite eine Erklärung zu dem Vorfall veröffentlicht. Dort heißt es wörtlich: "Sollte der oder die Täter hier noch ein Gastrecht genießen und kein unbeschriebenes Blatt sein, werden wir nicht zögern, ihm oder ihnen klarzumachen, dass er oder sie ein Ticket in die Heimat zu lösen haben." In der Stellungnahme heißt es weiter: "Wir hoffen, dass die rechtsstaatlichen Instanzen schnell und kompromisslos entscheiden. Wir lassen unsere Stadt nicht durch Typen beschädigen, die sich nicht benehmen können und denken, Konflikte auf diese Art lösen zu können."

Ein Stadtsprecher sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd) dazu am Mittwoch in Cottbus, es habe sowohl Kritik als auch Zuspruch zu der Erklärung gegeben. Die Stellungnahme sei auch mit einer "gewissen Emotionalität" verfasst worden. Weil durch solche Ereignisse die Arbeit der vielen Menschen, die sich für Integration und Sicherheit engagieren, in Misskredit gebracht werde, sei die Wortwahl etwas drastischer ausgefallen. "Wir nehmen die Kritik zur Kenntnis", sagte der Sprecher.

In einer weiteren Erklärung der Stadt vom Mittwoch heißt es: "Grundsätzlich wollen wir klarstellen, dass wir gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in unserer Stadt sind. Jeder, der in unserer Stadt leben möchte, soll sich hier wohl und aufgenommen fühlen. Aber wir verurteilen auch jede Gewalttat, unabhängig davon, wer als Tatverdächtiger ermittelt wird. Jeder, der Gesetze missachtet und Straftaten begeht - ganz gleich welcher Herkunft - muss entsprechend die rechtlichen Konsequenzen in Kauf nehmen."

Die Polizei entschuldigte sich inzwischen für die eigenen Formulierungen. "Wir stellen uns entschieden gegen Rassismus! Für die unglückliche Formulierung entschuldigen wir uns. Laut Zeugenaussage wurde das Aussehen eines Tatverdächtigen lediglich als "südländisch" beschrieben", erklärte die brandenburgische Polizei am Mittwoch auf Twitter.



Berliner Notfallseelsorge kooperiert ab 2019 mit Muslimen


Notfallseelsorger
epd-bild / Simone Viere
Die Berliner Notfallseelsorge bekommt von 2019 an auch muslimische freiwillige Mitarbeiter. Ein Kooperationsvertrag werde am 10. Januar unterzeichnet, sagte der evangelische Landespfarrer für Notfallseelsorge im Sprengel Berlin, Justus Münster.

Die Berliner Notfallseelsorge bekommt ab 2019 offiziell auch muslimische freiwillige Mitarbeiter. Ein entsprechender Kooperationsvertrag werde am 10. Januar unterzeichnet, sagte der evangelische Landespfarrer für Notfallseelsorge im Sprengel Berlin, Justus Münster, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Neben Evangelischer Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Erzbistum Berlin, Johanniter-Unfall-Hilfe, Malteser Hilfsdienst, Arbeiter-Samariter-Bund, dem Roten Kreuz und der Deutschen Lebensrettungs-Gesellschaft wird die muslimische Notfallseelsorge dann der achte Partner der Berliner Notfallseelsorge sein.

Aktuell sind in Berlin rund 150 Frauen und Männer ehrenamtlich für die Notfallseelsorge und Krisenintervention aktiv. Sie werden etwa 350 Mal pro Jahr gerufen. In Unglücksfällen betreuen Notfallhelfer Angehörige von Opfern, aber auch Ersthelfer an Unglücksorten wie Mitarbeiter von Rettungsdiensten, Feuerwehr und Polizei sowie andere Betroffene. Alle ehrenamtlichen Notfallhelfer werden für ihren Einsatz professionell geschult.

In Berlin werde die Notfallseelsorge auch mit den muslimischen Kollegen inklusiv gestaltet, betonte Münster: "Wir arbeiten alle auf Augenhöhe." Beim Einsatz spiele der weltanschauliche oder religiöse Hintergrund keine Rolle. "Wir finden, es ist an der Zeit, dass Mustafa so selbstverständlich zu Gertrud fährt wie umgekehrt Günther zu Aische", sagte Münster: "Die wichtige Botschaft beim Einsatz ist, ich bin für Dich da!"

Es gebe auch Hilfskooperationen mit muslimischen Notfallseelsorgern im Rheinland, in Mannheim und Frankfurt am Main, sagte Münster. Muslime würden dort jedoch nur an Einsatzorte hinzugerufen, wenn dies ausdrücklich gewünscht werde.

In der Praxis arbeite die Berliner Notfallseelsorge bereits seit 2016 mit rund 20 muslimischen Mitarbeitern zusammen, sagte Münster weiter. Dabei seien gleich zwei "Nagelproben" mit Großereignissen zu bewältigen gewesen. So habe die Berliner Notfallseelsorge nach dem islamistischen Terroranschlag im Juli 2016 im französischen Nizza rund 200 Berliner Schüler betreut, die in Nizza auf Klassenfahrt waren. "Da waren muslimische Helfer selbstverständlich dabei, die Religion der Helfer spielte keine Rolle", betonte Münster: "Die Menschen waren einfach nur froh, dass jemand da war." Bei dem Anschlag starben 86 Menschen, darunter zwei Berliner Schülerinnen.

Die zweite Nagelprobe sei der islamistische Terroranschlag auf dem Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz im Dezember 2016 mit elf Todesopfern gewesen. Damals hätten ebenfalls muslimische Mitarbeiter Hilfe angeboten. Wenn Angehörige oder andere Betroffene ausdrücklich wünschten, etwa von einem evangelischen Pfarrer betreut zu werden, werde versucht, das auch möglich zu machen, sagte Münster. Grundsätzlich zeigten aber die guten Erfahrungen, dass "unser inklusiver Ansatz genau richtig ist".

epd-Gespräch: Christine Xuân Müller


Türkische Gemeinde bietet Online-Beratung gegen Islamismus an

Die Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD) will sich stärker gegen religiösen Extremismus engagieren. Dazu sei jetzt ein europaweit einmaliges Beratungsangebot im Bereich des religiös begründeten Extremismus geschaffen worden, teilte die TGD am 2. Januar in Berlin mit. Dort könnten Angehörige, Lehrer und Sozialarbeiter, die sich Sorgen über eine mögliche Hinwendung von Menschen in ihrem Umfeld zu einer extremistischen Ideologie oder Gruppe machen, auf eine vertrauliche und kostenfreie Online-Beratung zurückgreifen.

Entscheidende Zielgruppen in Migrantenkreisen würden bisher trotz bereits bestehender Beratungsangebote gegen religiös begründeten Extremismus in der Bundesrepublik und im deutschsprachigen Raum nicht erreicht, hieß es. Die Online-Beratung ergänze diese Angebote nun als "besonders niedrigschwellige sowie kultur- und religionssensible Beratung". Die Online-Beratung soll in der kommenden Woche öffentlich vorgestellt werden.



Anstieg antisemitischer Gewaltdelikte in Berlin

Die Zahl antisemitischer Gewalttaten in Berlin hat sich im vergangenen Jahr mehr als verdreifacht. Bis Mitte Dezember seien 24 Gewalttaten registriert worden, 2017 waren es insgesamt sieben Gewalttaten, sagte die Antisemitismusbeauftragte der Berliner Generalstaatsanwaltschaft, Claudia Vanoni, der "Berliner Zeitung" (3. Januar).

Bei der Gesamtzahl antisemitischer Straftaten im vergangenen Jahr rechnet Vanoni mit einem leichten Anstieg gegenüber 2017. So seien bis Mitte Dezember 2018 zwar erst 295 Straftaten gemeldet worden, während im gesamten Jahr 2017 insgesamt 305 Delikte polizeilich erfasst wurden. Allerdings rechnet die Oberstaatsanwältin damit, dass im Januar noch Fälle nachgemeldet werden.

Bei der Mehrzahl der Taten handele es sich um Propaganda- und Äußerungsdelikte wie Beleidigung und Volksverhetzung. Zudem gebe es auch viele Sachbeschädigungen wie etwa Hassschmierereien, sagte die Juristin weiter. Für Aufsehen sorgte unter anderem der Angriff eines jungen Syrers mit einem Gürtel im April vergangenen Jahres auf einen Kippa tragenden Israeli.

In der Hauptstadt werden im bundesweiten Vergleich die meisten antisemitischen Straftaten im Verhältnis zur Einwohnerzahl erfasst, hieß es weiter. "Ich habe den Eindruck, Antisemitismus wird lauter, unverhohlener und aggressiver", sagte Vanoni. Betroffen seien alle Gesellschaftsschichten. Vanoni ist seit Anfang September die bundesweit erste Antisemitismusbeauftragte einer Strafverfolgungsbehörde.

Die hohe Erfassungszahl antisemitischer Delikte könne unter anderem auf das Engagement zivilgesellschaftlicher Akteure zurückgeführt werden, hieß es weiter. Als Beispiel nannte Vanoni die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS).



Tatverdächtige nach Anschlag auf AfD-Büro festgenommen

Zertrümmerte Scheiben, brennendes Werbematerial: Eine Explosion vor dem AfD-Büro im sächsischen Döbeln sorgt für Unruhe. Das Landeskriminalamt ermittelt gegen drei Tatverdächtige. Es ist nicht der erste Angriff auf ein AfD-Büro in Sachsen.

Vor dem AfD-Büro im sächsischen Döbeln ist am 3. Januar ein Sprengsatz explodiert. Nach Polizeiangaben ist dabei erheblicher Sachschaden entstanden. Die Beamten ermitteln nach dem mutmaßlich politisch motivierten Anschlag gegen drei Tatverdächtige. Es handele sich um drei Deutsche im Alter von 29, 32 und 50 Jahren, teilte das Landeskriminalamt (LKA) Sachsen am 4. Januar in Dresden mit. Sie seien vorläufig festgenommen worden. Menschen wurden bei der Explosion dem LKA zufolge nicht verletzt.

Es bestehe der Verdacht auf eine politisch motivierte Straftat, hieß es. Das Polizeiliche Terrorismus- und Extremismus-Abwehrzentrum (PTAZ) im LKA hat die Ermittlungen übernommen. Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) sprach von einem "feigen Sprengstoffanschlag", den er scharf verurteile. Nur durch "großes Glück" seien keine Menschen zu Schaden gekommen.

Die Wucht der Explosion zeige, "dass der oder die Täter schwere Verletzungen oder Schlimmeres von Menschen billigend in Kauf genommen haben", sagte Wöller. Weiter betonte der Innenminister: "Wir haben es hier mit einer ganz neuen Qualität von Gewalt gegen Vertreter der Politik zu tun."

Auch Sachsens stellvertretender Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) verurteilte die Tat. "Für den Anschlag auf das AfD-Büro in Döbeln gibt es keine Legitimation", schrieb Dulig am Freitag auf Twitter. "Gewalt gehört nicht zu den Mitteln der Demokratie", fügte er hinzu. Die AfD müsse politisch bekämpft werden und nicht mit Sprengkörpern.

Auch Wöller betonte, Gewalt sei kein Mittel der politischen Auseinandersetzung, egal gegen wen und welche Partei sie sich richte. Der Staat werde dies nicht hinnehmen und mit aller Härte und rechtsstaatlichen Mitteln dagegen vorgehen. Der Minister lobte den "schnellen Ermittlungserfolg". Auch die weiteren Ermittlungen müssten schnell und konsequent vorangetrieben werden.

Die AfD-Fraktion im Sächsischen Landtag ordnet den nach ihrer Einschätzung "schweren Sprengstoffanschlag" einer "linken Gewalt" zu, die "in Sachsen immer schlimmer" werde. Seit die AfD im sächsischen Landtag vertreten ist, habe es insgesamt etwa 80 Attacken auf AfD-Bürgerbüros und Privathäuser von AfD-Politikern gegeben, hieß es.

Der mutmaßliche Anschlag in Döbeln sei insofern eine Besonderheit, da durch die herbeigeführte Explosion die Schädigung von Menschen bewusst in Kauf genommen worden sei, erklärte das LKA Sachsen. Der Vorfall ereignete sich demnach am Donnerstag gegen 19.20 Uhr auf der Bahnhofstraße in Döbeln. Am Gebäude seien erhebliche Schäden an der Tür, am Rollladen und an der Fensterscheibe entstanden.

Im Büro hätten Werbematerialien gebrannt. Die Feuerwehr habe den Brand gelöscht. Durch die Explosion seien außerdem das Nachbargebäude und zwei vor dem Gebäude geparkte Transporter beschädigt worden.

In den vergangenen Wochen sei eine Zunahme von politisch motivierten Angriffen auf Büros der AfD in Sachsen festzustellen, hieß es weiter. Dabei handele es sich vorwiegend um Sachbeschädigungen an den jeweiligen Gebäuden. Erst im Dezember war ein AfD-Büro in Borna beschädigt worden. Zuvor waren AfD-Büros in Chemnitz und Dresden Ziel von Vandalismus - sie wurden mit Farbe beschmiert.



Justizminister bedauert Freilassung von Neonazi

Brandenburgs Justizminister Stefan Ludwig (Linke) hat die Freilassung des verurteilten Ex-NPD-Politikers Maik Schneider bedauert. Die Gerichtsentscheidung werde viele demotivieren, die sich jeden Tag auf der Straße und in den Ämtern gegen Rechts einsetzen, sagte Ludwig am 4. Januar im RBB-Inforadio.

Schneider werde der Strafverfolgung nicht entgehen, betonte der Justizminister. Allerdings könne es sein, dass ihn nun nicht das volle Strafmaß treffe, das möglich gewesen wäre.

Der NPD-Politiker Schneider ist wegen eines Brandanschlags auf eine geplante Flüchtlings-Unterkunft in Nauen im August 2015 zu neuneinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Das Urteil wurde wegen Befangenheit eines Schöffen aufgehoben, deswegen läuft derzeit ein Revisionsverfahren. Weil es dabei zu Verzögerungen gekommen ist, hob das brandenburgische Oberlandesgericht den Haftbefehl gegen den Neonazi wegen der langen Verfahrensdauer am Donnerstag auf.

Er könne nicht erklären, wieso die Zustellung des Urteils an Schneider ein halbes Jahr gedauert habe, sagte Ludwig. "Ich weiß, dass jeden Tag schwer gearbeitet wird in der brandenburgischen Justiz, und deswegen sind solche Einzelfälle besonders ärgerlich." Eine generelle Überlastung der Brandenburger Justiz könne er aber nicht erkennen. "Wenn es Fehler gab, werden wir das mit den Gerichten besprechen", sagte der Justizminister.



Besucherrekord in Gedenkstätte Berliner Mauer


Reste der Berliner Mauer an der Mauergedenkstätte an der Bernauer Straße
epd-bild / Norbert Neetz
Die Gedenkstätte Berliner Mauer verzeichnete 2018 mit mehr als 1,1 Millionen Besuchern einen neuen Besucherrekord. Nach Angaben der Stiftung Berliner Mauer besichtigten im vergangenen Jahr 164.000 Menschen mehr das Gelände an der Bernauer Straße als im Vorjahr (956.000).

Die Gedenkstätte Berliner Mauer verzeichnete 2018 mit mehr als 1,1 Millionen Besuchern einen neuen Besucherrekord. Nach Angaben der Stiftung Berliner Mauer vom 3. Januar besichtigten im vergangenen Jahr 164.000 Menschen mehr das Gelände an der Bernauer Straße als im Vorjahr (956.000). In der Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde blieben die Besucherzahlen mit 10.100 Besuchern konstant.

Die Gedenkstätte Günter Litfin am Spandauer Schifffahrtskanal unweit des Invalidenfriedhofs besuchten 2018 mehr als 7.000 Menschen. Sie erinnert an den ersten Mauertoten. Günter Litfin war wenige Tage nach dem Mauerbau am 24. August 1961 bei einem Fluchtversuch an der innerstädtischen Berliner Grenze erschossen worden.

Seit ihrer Gründung vor zehn Jahren verzeichnet die Mauerstiftung mit ihren historischen Gedenk-, Erinnerungs- und Lernorten nach eigenen Angaben mehr als acht Millionen Interessenten. Die Stiftung wird seit 2009 mit Mitteln des Landes Berlin und des Bundes in Höhe von derzeit insgesamt rund 3,6 Millionen Euro jährlich gefördert.

Neben der Gedenkstätte Berliner Mauer und der Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde gehören seit August 2017 die Gedenkstätte Günter Litfin und seit November 2018 auch die East Side Gallery zur Stiftung.

Bürgermeister Müller spricht von einer Erfolgsgeschichte

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) nannte die Stiftung eine Erfolgsgeschichte. Ihre Arbeit strahle weit über die Berliner Museums- und Gedenkstättenlandschaft hinaus. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) sprach von einem äußerst wichtigen Partner bei der Aufarbeitung der SED-Diktatur. Die konstant hohen Besucherzahlen belegten das ungebrochene Interesse an den Themen Diktatur und Widerstand, Demokratie, Unfreiheit und Freiheit - auch im 30. Jahr des Mauerfalls.

Stiftungsdirektor Axel Klausmeier betonte, alle historischen Orte, die heute zur Stiftung Berliner Mauer gehören, seien aus bürgerschaftlichem Engagement entstanden. "Dafür bin ich allen damaligen Akteurinnen und Akteuren dankbar. Unsere Aufgabe ist es, dieser Vielfalt der Perspektiven auch in Zukunft Ausdruck zu verleihen", sagte Klausmeier.



Ex-DDR-Bürgerrechtler warnt vor Verwässerung des Erinnerns an 1989

Der Leiter der Leipziger Stasi-Gedenkstätte Museum in der "Runden Ecke", Tobias Hollitzer, warnt vor einer thematischen Beliebigkeit des Leipziger Lichtfestes. Mit Blick auf das 30. Jubiläum der friedlichen Revolution in diesem Jahr sagte der frühere DDR-Bürgerrechtler dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Ich kann nicht alles, was irgendwie mit Demokratie oder demokratischem Zusammenleben zu tun hat, in das Lichtfest und in die Erinnerung an die friedliche Revolution packen." In Leipzig wird seit einigen Jahren um die thematische Ausrichtung der zentralen Gedenkveranstaltung am 9. Oktober gestritten.

Das Lichtfest erinnert seit 2009 im Verbund mit einem Friedensgebet und einer Rede zur Demokratie alljährlich an die entscheidende Montagsdemonstration vom 9. Oktober 1989. Damals zogen von der Leipziger Nikolaikirche aus mehr als 70.000 Menschen über den Innenstadtring und protestierten friedlich gegen das SED-Regime. Das Datum gilt als wichtige Wegmarke der friedlichen Revolution. Wenige Wochen später fiel die Mauer.

Kritiker haben zuletzt wiederholt eine thematische Überfrachtung des Festes und eine Verwässerung durch Bezüge zu aktuellen politischen Themen kritisiert. Dazu sagte Hollitzer dem epd: "Wir müssen nicht die Weltwirtschaft auf den Augustusplatz holen und auch nicht die Verantwortung für die ehemaligen Kolonialgebiete." Das seien "alles wichtige Dinge, über die wir nachdenken sollten, keine Frage. Aber nicht an diesem Tag und an diesem Ort", erklärte Hollitzer.

"Es geht um die Einmaligkeit des Ereignisses"

Auch dürfe man den 9. Oktober nicht zum Anlass nehmen, "um aktuelle politische Botschaften unters Volk zu bringen oder die Ereignisse von vor 30 Jahren ins Heute zu ziehen", sagte Hollitzer weiter. Wenn zum Beispiel "Legida"-Gegendemonstranten bei Sitzblockaden argumentierten, sie machten doch heute dasselbe wie die Demonstranten von 1989 und gingen auf die Straße, obwohl der Staat dies verboten habe, "dann ist bei der Vermittlung der Ereignisse von damals irgendetwas ganz grundsätzlich schiefgelaufen", sagte Hollitzer.

Es sei ein "riesengroßer Unterschied", ob sich jemand teilweise unter Inkaufnahme von Gefahren für die eigene Gesundheit und Biografie gegen eine Diktatur und für Demokratie einsetze, oder ob er heute "die damals erstrittene Freiheit und die demokratischen Grundrechte" nutze, fügte Hollitzer hinzu. Beim Erinnern müsse daher das Geschehen aus dem Herbst 1989 weiter klar im Fokus stehen: "Es geht um die Einmaligkeit des Ereignisses der friedlichen Revolution. Es geht darum, sich immer wieder deutlich zu machen, was damals, friedlich, möglich gewesen ist."

epd-Gespräch: Johannes Süßmann


Interesse an Stasiakten geht zurück

Das Interesse an den Stasiakten ist im vergangenen Jahr leicht zurückgegangen. Nach Angaben der Stasi-Unterlagenbehörde (BStU) wurden bis Ende November 42.761 Anträge auf persönliche Akteneinsicht gestellt. Das waren knapp 3.600 Anträge weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres (46.354). Endgültige Zahlen für 2018 lägen aber erst im Januar vor, sagte Behördensprecherin Dagmar Hovestädt dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Die meisten Anträge wurden bis Ende November in Berlin (13.437) und Sachsen (10.187) gestellt. Die wenigsten Ersuche gab es in Brandenburg mit 2.056 Anträgen. In Thüringen gingen 6.535, in Sachsen-Anhalt 5.414 und in Mecklenburg-Vorpommern 5.132 Anträge auf Akteneinsicht bei den Außenstellen der Stasi-Unterlagenbehörde ein. Seit der Möglichkeit auf persönliche Akteneinsicht Anfang 1992 wurden bislang rund 3,2 Millionen sogenannte Bürgeranträge gestellt.

Neben Privatleuten können auch Wissenschaftler und Journalisten Einsicht in die Akten beantragen. Diese Zahlen werden gesondert aufgeführt.

Das Stasi-Unterlagen-Archiv ist derzeit noch auf 13 Standorte verteilt. In der Summe finden sich dort den Angaben zufolge mehr als 111 Kilometer Stasi-Akten. Davon sind etwa 43 Kilometer Material aus dem Ministeriumsstandort Berlin und etwa 68 Kilometer Material aus den früheren Bezirksverwaltungen der Staatssicherheit.

In den kommenden Jahren sollen die Aktenbestände in das Bundesarchiv überführt werden, aber weiterhin für alle zugänglich bleiben. Geplant ist, in jedem ostdeutschen Land ein Archivstandort zu erhalten.



Ministerpräsident Kretschmer für Abschaffung des Soli

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) verlangt vom Bund eine stärkere Förderung Ostdeutschlands. "Bei der Ansiedlung von Bundesbehörden oder von Bundeswehrstandorten sollte der Osten bis auf weiteres klar bevorzugt werden", sagte Kretschmer den Zeitungen der Funke Mediengruppe (5. Januar). Der Osten brauche auch mehr Forschungseinrichtungen.

"Wenn man die Landkarte anschaut und wirtschaftliche Daten vergleicht, sieht man immer noch die ehemalige Grenze", betonte der CDU-Politiker. "Unser Ziel muss sein, dass sich diese Unterschiede auflösen und Deutschland noch mehr zusammenwächst", fügte er hinzu.

Kretschmer pocht zudem auf rasche Entscheidungen zur Gestaltung des Strukturwandels in den ostdeutschen Braunkohlegebieten. "Ich erwarte, dass wir noch im Januar gemeinsam mit der Bundesregierung ein Programm beschließen, wie im Osten neue, gut bezahlte Arbeitsplätze entstehen können - und zwar, bevor der Ausstieg aus der Braunkohle kommt", forderte er.

Zugleich stellte sich der sächsische Regierungschef hinter Forderungen, den Solidaritätszuschlag für den Aufbau Ost rasch abzuschaffen. "Was die neuen Bundesländer an Geld bekommen, hängt nicht vom Solidaritätszuschlag ab", sagte er. Er sei dafür, den Soli bis zum Ende der Wahlperiode komplett abzuschaffen und er erwarte, "dass sich die SPD an dieser Stelle bewegt".

Mit Blick auf die bevorstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg rief der Ministerpräsident die Ostdeutschen zu Optimismus auf. "Wir müssen nach vorn gehen statt Probleme zu wälzen", sagte Kretschmer. Er wolle "den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken - und neue wirtschaftliche Perspektiven schaffen". Es gehe darum, "die Chancen der Digitalisierung beherzt zu ergreifen".

30 Jahre friedliche Revolution und deutsche Einheit, die 2019 und 2020 gefeiert würden, sollten Anlass zur Freude über die Erfolge sein. "Lebenserwartung und Wohlstandsniveau sind im Osten enorm gestiegen", sagte Kretschmer. Zugleich forderte er in diesem Zusammenhang: "Um die Erinnerung wachzuhalten, sollten die authentischen Orte der Wende - etwa die Normannenstrasse in Berlin oder die Runde Ecke in Leipzig - mit Bundesmitteln modernisiert werden", so Kretschmer.



Politiker und Parteien werten Daten-Leak als Einschüchterungsversuch

Alle Parteien haben die Veröffentlichung privater Daten von Politikern, Künstlern und Journalisten verurteilt. Kritik gibt es an den Sicherheitsbehörden, die das Datenleck nicht bemerkt hatten. Die Regierung spricht von einem ernsten Vorgang.

Politiker und Parteien haben die Veröffentlichung persönlicher Daten und Dokumente im Internet als Angriff auf demokratische Grundwerte verurteilt. Zugleich wird die Frage gestellt, warum die Sicherheitsbehörden nicht früher auf das Datenleck aufmerksam geworden sind. Die Bundesregierung erklärte am 4. Januar in Berlin, an der Aufklärung werde mit Hochdruck gearbeitet. Die stellvertretende Regierungssprecherin Martina Fietz sagte: "Die Bundesregierung nimmt diesen Vorfall sehr ernst."

Es seien Politiker und Mandatsträger auf allen Ebenen betroffen, von der Kommunalpolitik bis zum Europaparlament, sagte Fietz. Das Bundeskanzleramt habe am späten Donnerstagabend Kenntnis von dem Vorgang erhalten. Nach ersten Erkenntnissen seien aus Regierungssicht keine sensiblen Informationen unter den veröffentlichten Daten, auch nicht in Hinblick auf die Bundeskanzlerin, sagte Fietz. Ob dies auch für den Bundespräsidenten und alle Kabinettsmitglieder gilt, lies die Sprecherin offen. Fietz warnte, die Daten seien mit größter Vorsicht zu behandeln. Es könnten über einen solchen Vorgang auch gefälschte Daten eingeschleust werden.

Neben Hunderten Politikern sind weitere Personen des öffentlichen Lebens betroffen, darunter Journalisten, Künstler und Musiker. Über die Verbreitung der persönlichen Daten und Dokumente über Twitter hatte zuerst das RBB-Inforadio berichtet. Die Veröffentlichungen waren dem Sender zufolge am Donnerstagabend bemerkt worden und beschäftigen seitdem die Partei- und Fraktionsführungen. Betroffen sind dem Sender zufolge alle im Bundestag vertretenen Parteien mit Ausnahme der AfD.

Veröffentlicht wurden vor allem Handynummern und Adressen, aber auch amtliche Dokumente wie Personalausweise und persönliche Angelegenheiten wie Briefe, Chatverläufe, Fotos, Kontoauszüge oder Mietverträge. Auch Daten von Familienmitgliedern wurden öffentlich gemacht. Die Daten sind zum Teil schon länger im Netz. Sie waren über einen Twitter-Account in der Form eines "Adventskalenders" veröffentlicht worden. Der Account wurde am Freitagmittag gesperrt.

FDP-Generalsekretärin Nicola Beer forderte Aufklärung darüber, "weshalb die Sicherheitsbehörden nicht auf das Datenleck aufmerksam geworden sind, obwohl personenbezogene Daten bereits tagelang im Internet kursierten". Der Parlamentarische Geschäftsführer der Linken-Fraktion im Bundestag, Jan Korte, warnte, wer private Angaben von Menschen veröffentliche, nehme deren Gefährdung in Kauf. Seine Fraktionskollegin Ulla Jelpke sagte, der zunächst weitgehend unbemerkte Leak sei "in rechten Kreisen abgefeiert" worden.

Mehrere Politiker appellierten an die Öffentlichkeit, die privaten Daten nicht zu verwenden und weiterzuverbreiten. Die Grünen empfahlen allen Betroffenen, Strafanzeige zu stellen. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion, Britta Haßelmann, und Bundesgeschäftsführer Michael Kellner werteten den Angriff als "einen massiven Eingriff in demokratische Grundrechte, Persönlichkeitsrechte und Meinungsfreiheit". Man werde sich aber in der politischen Arbeit nicht einschüchtern lassen.

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil forderte, eine mögliche politische Motivation des Angriffs müsse geklärt werden. Anscheinend seien alle Parteien außer der AfD betroffen, sagte er. Die Unionsfraktion drängte auf schnelle Aufklärung. Der Vorsitzende der CDU/CSU-Abgeordneten im Europaparlament, Daniel Caspary (CDU), warnte vor voreiligen Schlüssen. Mit dem Angriff werde aber vermutlich eine politische Absicht verfolgt. Der Justitiar der AfD-Bundestagsfraktion, Stephan Brandner, erklärte, der Schutz privater Daten gelte für alle, auch für Politiker. Er gab zugleich Behörden und Medien eine Mitschuld an der "Datenklaumentalität" und verwies unter anderem auf den Kauf von Steuer-CDs.

Das Bundesamt für Sicherheit und Informationstechnik (BSI) teilte über Twitter mit, es prüfe den Fall in enger Abstimmung mit den Bundesbehörden. Nach derzeitigem Erkenntnisstand seien die Regierungsnetze von der Veröffentlichung der Daten und Dokumente nicht betroffen, hieß es weiter.

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte, die zentrale Koordination habe das beim BSI angesiedelte Nationale Cyber-Abwehrzentrum übernommen. Das Bundeskriminalamt und der Verfassungsschutz seien eingeschaltet worden. Man bemühe sich auch darum, die weitere Verbreitung der Daten zu stoppen.

Wie die Unbekannten an die Daten gekommen sind, lasse sich derzeit noch nicht feststellen, sagte der Sprecher. Zum Zeitpunkt seiner Erklärung, am Freitagmittag, ging man im Innenministerium aber davon aus, dass es keinen Datenabfluss aus Regierungsnetzen gegeben habe. Ob die Server des Bundestags betroffen seien, sei nicht bekannt, sagte der Sprecher. Der Bundestag war seit 2015 mehrfach Ziel von Hacker-Attacken gewesen.



Nach Amokfahrt: Weißer Ring fordert schnellere Hilfe für Opfer

Die Opferhilfe-Organisation Weißer Ring hat nach der Amokfahrt von Bottrop und Essen eine schnelle psychotherapeutische Betreuung für die betroffenen Menschen angemahnt. Bislang scheitere die Behandlung solcher Trauma-Opfer daran, dass es nicht genügend Psychotherapeuten mit Kassenzulassung gebe, sagte der Sprecher der Hilfsorganisation, Dominic Schreiner, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Folge seien "unzumutbare Wartezeiten für Menschen, die eigentlich schnelle Hilfe benötigen".

Der Weiße Ring fordere seit Jahren von den Krankenkassen, dass sie erheblich mehr Psychotherapeuten zuließen. "Die Bedarfsplanungen der Kassen, die Grundlage für die Zulassungen sind, müssen dringend angepasst werden", betonte Schreiner.

Schlafstörungen und Konzentrationsprobleme

Menschen, die traumatische Situationen wie die Amokfahrt an Silvester erlebt haben, befänden sich oft für einige Stunden in einer Art Schockzustand. Dem könne sich für ein bis vier Wochen eine "akute Belastungsphase" anschließen, die von Gefühlen wie Hoffnungslosigkeit und Ohnmacht begleitet wird. "Dem folgt dann die Verarbeitung, das heißt: Das Erlebte wird nach und nach in Form von Erinnerungsfragmenten in die eigene Lebensgeschichte eingebaut", sagte Schreiner. Im Optimalfall könne das den Betroffenen wieder mehr Sicherheit im Alltag vermitteln. Aus Angst vor Rückschlägen würden zudem Situationen, die dem traumatischen Erlebnis gleichen, vermieden.

Überdies sei bei den traumatisierten Personen oft der Schlaf gestört, auch Konzentrationsprobleme könnten auftreten. Gelinge den Betroffenen die Verarbeitung des Erlebten nicht, kann sich eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) entwickeln. Laut dem Weißen Ring tritt bei etwa jeder vierten Person, die ein traumatisches Erlebnis hat, eine solche Störung auf, die auch nach sechs Monaten noch akut ist.

"Reden hilft"

Zur unmittelbaren Hilfe in Notsituationen sei ein klärendes Gespräch mit den Betroffenen wichtig, führte Schreiner aus: "Reden hilft - mit dem eigenen sozialen Umfeld oder mit professionell ausgebildeten Opferhelfern wie den Beschäftigten in den bundesweit rund 160 Trauma-Ambulanzen."

In Bottrop und Essen war in der Silvesternacht ein 50-jähriger Deutscher mit seinem Wagen gezielt in Gruppen mit ausländisch aussehenden Personen gefahren. Acht Menschen unter anderem aus Syrien und Afghanistan wurden dabei zum Teil schwerst verletzt. Bei der Festnahme erklärte der aus Essen stammende Mann, er habe aus Ausländerhass gehandelt. Der 50-Jährige kam am Mittwoch wegen mehrfachen versuchten Mordes in Untersuchungshaft. Zudem prüfen die Ermittlungsbehörden derzeit auch noch, inwieweit eine psychische Erkrankung bei dem Beschuldigten vorliegt.

epd-Gespräch: Michael Bosse


Sachsen-Anhalt fördert Arbeit der Verbraucherzentrale

Das Land fördert die Arbeit der Verbraucherzentrale in Sachsen-Anhalt (VZSA) in den kommenden zwei Jahren mit insgesamt 3,62 Millionen Euro. Die Landesförderung für 2019 liegt bei 1,79 Millionen Euro, für 2020 bei 1,83 Millionen Euro, wie das Sozialministerium am 2. Januar in Magdeburg mitteilte. Dazu sei ein entsprechender Vertrag unterzeichnet worden. Der VZSA stünden für die kommenden beiden Jahre insgesamt 691.190 Euro mehr zur Verfügung als für den Vertragszeitraum 2017/2018.

Mit der Aufstockung der Mittel leiste das Land seinen Beitrag, um die Arbeit der Verbraucherzentrale und die Beratungsangebote auch in Zukunft abzusichern, sagte Sachsen-Anhalts Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD). Zu den Aufgaben der VZSA gehören die allgemeine Verbraucherberatung, spezielle Beratungen zu Themen wie Lebensmittel, Altersvorsorge, Versicherungen oder Geldanlagen, Recht- und Energieberatung für Bürger sowie die Vertretung der Verbraucherinteressen gegenüber der Wirtschaft und Politik. In 13 Städten in Sachsen-Anhalt wird den Angaben zufolge die unabhängige Verbraucherberatung angeboten. Zudem gibt es 21 Energieberatungs-Stützpunkte, die aus Bundesmitteln finanziert werden.



US-Repräsentantenhaus erlaubt Muslimin Tragen eines Kopftuchs

Das US-amerikanische Repräsentantenhaus hat zu Beginn seiner neuen Legislaturperiode am 3. Januar ein seit Mitte des 19. Jahrhunderts geltendes Verbot von Kopfbedeckungen bei Sitzungen gelockert. Künftig werden laut dem Beschluss aus religiösen Gründen getragene Kopfbedeckungen wie das muslimische Kopftuch, die jüdische Kippa und der Sikh-Turban zugelassen.

Konkret betrifft die Reform die Kopftuch tragende neue Abgeordnete Ilhan Omar aus Minnesota. Zusammen mit Rashida Tlaib aus Michigan gehört die in Somalia geborene Omar zu den ersten muslimischen Frauen im Repräsentantenhaus.

Omar hatte bei der Kongresswahl im November vergangenen Jahres in ihrem Wahlkreis 78 Prozent der Stimmen erhalten. Im Kurzmitteilungsdienst Twitter erklärte die 37-jährige Politikerin der Demokraten, das Tragen eines Kopftuchs sei eine persönliche Entscheidung, geschützt vom Religionsfreiheitgebot in der US-Verfassung.

Nach Angaben des Repräsentantenhauses wurde das Tragen von Hüten bei Sitzungen 1837 verboten. Die Entscheidung war damals umstritten. Eine Kopfbedeckung galt manchen Politikern als unhöflich und manchen als Zeichen persönlicher Freiheit. Die Reform der Vorschrift am Donnerstag war Teil eines umfangreichen Beschlusses zur Geschäftsordnung des Repräsentantenhauses, der mit 234 zu 197 Stimmen angenommen wurde.

Omar war 1995 mit ihren Eltern vor dem Bürgerkrieg in Somalia in die USA geflüchtet. Im Wahlkampf forderte sie eine staatliche Krankenversicherung, besseren Klimaschutz und höhere Mindestlöhne.




Entwicklung & Umwelt

Kinder retten, Frauen stärken


Gerd Müller steht mit einer Mutter und der Gynäkologin Ruth Hildebrandt am Bett eines Säuglings.
epd-bild / BMZ Pool / Ute Grabowsky / photothek.net
Mehr als 40 von 1.000 Babys in Malawi sterben vor ihrem ersten Geburtstag. Auch die Müttersterblichkeit in dem afrikanischen Land ist hoch. Deutschland will helfen, das zu ändern. Für Mädchen wie Loveness.

Winzig und zerbrechlich ist der kleine Junge. Zwölf Wochen zu früh wurde er geboren, mit gerade einmal etwas mehr als 900 Gramm. "Baby Zoan Thomas" wird er genannt, nach dem Vor- und Nachnamen seiner Mutter. Wenn er überlebt, wird die Mama zusammen mit der Verwandtschaft zu Hause im Dorf entscheiden, wie der Kleine heißen soll.

Etwa 25 Prozent Überlebenschancen hätten so früh Geborene in Malawi, sagt die Ärztin Catherine Hodge im Krankenhaus von Nkhoma östlich der Hauptstadt Lilongwe. Bei "Baby Zoan Thomas" sieht es gut aus. In der kirchlichen Klinik setzen die Mediziner und Schwestern alles daran, dass der Junge es schafft. Neben ihm in der Neugeborenenstation liegen noch rund ein Dutzend Babys - wie viele von ihnen überleben, ist offen.

Mehr als 40 von 1.000 Babys in Malawi sterben den jüngsten Daten zufolge vor ihrem ersten Geburtstag. Dabei hat das südostafrikanische Land - auch mit Hilfe der deutschen Entwicklungszusammenarbeit - schon enorme Fortschritte gemacht: Noch 2011 war eine Säuglingssterblichkeit von 66 pro 1.000 Babys zu beklagen. Dennoch ist auch die aktuelle Zahl viel zu hoch. Und auch die Müttersterblichkeit in Malawi ist trotz großer Erfolge nach wie vor erheblich. 2016 gab es 439 Todesfälle auf 100.000 Lebendgeburten, in Deutschland liegt die Zahl klar unter 10.

Für Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) sind die Zahlen Herausforderung und Ansporn. Der Besuch des Krankenhauses von Nkhoma überzeugt ihn von der Sinnhaftigkeit und der Notwendigkeit des deutschen Engagements im Gesundheitswesen Malawis. "Was brauchen Sie besonders dringend?", fragt er den Pflegeleiter der Kinderstation. Sam Kabote wünscht sich Anti-Moskito-Spray, um den Raum von den gefährlichen Malaria-Mücken freizuhalten. Die rund 25 Betten in dem Saal sind viel zu wenig, in jedem Bett liegen zwei Kinder. Die meisten von ihnen sind mit Malaria in die Klinik gekommen.

Malawi zählt zu den ärmsten Länder der Welt

Minister Müller bewegt das Schicksal der Kinder, im Krankenhaus ebenso wie im SOS-Kinderdorf, bei einem Gemeindeprojekt zur Unterstützung von HIV-Infizierten oder einfach im Wissen um die Armut und Mangelernährung vieler Jungen und Mädchen. "Ich komme als erster deutscher Entwicklungsminister seit 2001 nach Malawi und möchte damit bewusst ein Zeichen setzen für den Kampf gegen Armut", betont Müller. "Wir müssen verhindern, dass heute noch Menschen an Hunger oder Aids sterben."

Malawi zählt zu den ärmsten Länder der Welt, drei Viertel der Menschen leben von weniger als einem US-Dollar pro Tag. Darüber hinaus ist Malawi eines der am stärksten vom Klimawandel betroffenen Länder. Ansatzpunkte der deutschen Unterstützung zur Armutsbekämpfung sind besonders Bildung, Gesundheit und landwirtschaftliche Entwicklung. Alle drei Themen überschneiden sich im Bereich Familienplanung. Die Bevölkerung des afrikanischen Landes, das etwa ein Drittel so groß ist wie Deutschland, hat sich seit den 1960er Jahren auf rund 18 Millionen verfünffacht. Inzwischen wurde die Geburtenrate in den vergangenen fünf Jahren von 6 auf 4,4 gesenkt, doch weiterhin können zahlreiche Familien ihre Kinder nicht ernähren, geschweige denn ihnen Schulbildung bieten. Zudem bekommen viele Mädchen schon in jungem Alter Kinder - unaufgeklärt und ungewollt. Die gesundheitlichen Gefahren für die Mädchen sind groß.

Mädchen werden oft früh verheiratet

Kinderehen sind mittlerweile verboten. "Ich glaube, in der Praxis ist es nach wie vor so, dass junge Mädchen in der großen Gefahr sind verheiratet zu werden", sagt die Gynäkologin Ruth Hildebrandt, die für die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) für deren Gesundheitsprogramm in Malawi verantwortlich ist. "Wir sprechen hier von Mädchen ab zehn Jahren."

Loveness Kaomba war immerhin schon 17, als sie schwanger wurde. Aber auch für sie war ein Schulbesuch zunächst hinfällig. Nach der Geburt jedoch regte sich bei Loveness Widerstand dagegen, sich von der Bildung und Chancen auf einen auskömmlichen Job ausschließen zu lassen. Die junge Frau fand den Mut, sich bei einem von Deutschland unterstützten Gesundheitszentrum zu melden, über Familienplanung zu informieren und für Empfängnisverhütung zu entscheiden. Damit schaffte sie den Sprung zurück an die Schule. Inzwischen ist Loveness 24 und bald bereit für weitere Kinder. Zwei Geschwister für ihre kleine Tochter wünscht sie sich.

Von Silvia Vogt (epd)


Vom verrückten Farmer zum Millionen-Bäume-Mann

Bauern im Sahel hielten Tony Rinaudo lange Zeit für verrückt. 2018 wurde der Australier für seinen Kampf gegen Wüstenbildung mit dem Alternativen Nobelpreis geehrt - für ihn ein Ansporn weiterzumachen.

Den Bruch mit Traditionen kann Tony Rinaudo empfehlen. Der Australier jedenfalls hat nur gute Erfahrungen damit gemacht. "Als ich jung war und bei der Aufforstung des Sahel helfen wollte, da habe ich mich an unsere westlichen Traditionen gehalten und in Niger Bäume gepflanzt, viele Bäume", erinnert er sich. Das Problem: Es brachte nichts. "Ich habe versucht, noch härter zu arbeiten, früher zu pflanzen, mehr zu wässern oder neue exotische Spezies auszuprobieren - alles ohne Erfolg." Nur durch Zufall fand Rinaudo heraus, dass gar nicht die Bäume das Problem waren, sondern die Traditionen - seine und die der Bevölkerung vor Ort.

Im Norden Nigers stößt die Wüste an die staubige Ebene, die Generationen von Bauern von aller Vegetation befreit haben. "Dort hält ein ordentlicher Bauer seine Felder traditionell frei von allem, was er nicht gepflanzt hat, nur nachlässige Bauern tun das nicht", erklärt Rinaudo. Eines Tages, es war 1983, fuhr er mit einer Ladung Bäume in Richtung eines Dorfes, obwohl er längst wusste, dass sie eingehen würden wie die anderen auch. "Schließlich habe ich frustriert angehalten, bin umhergelaufen und habe mir erstmals die Büsche in der Umgebung angeschaut - und gemerkt, dass das Bäume waren!" Das änderte alles, sein Leben und das der Bauern.

Bescheiden und glücklich

Seine Geschichte hat Tony Rinaudo in den vergangenen Wochen vielleicht ein paar hundert Mal erzählt, seit die Jury des Alternativen Nobelpreises ihn am 24. September zum Preisträger ernannt hat. Das Erzählen von sich fällt Rinaudo inzwischen leichter, obwohl man immer noch merkt, wie bescheiden er ist. Er fühle sich geehrt, vor allem aber glücklich, sagt er über die Auszeichnung, die sein System der Aufforstung durch die Bauern selber weltberühmt gemacht hat. "Besonders glücklich macht mich aber, dass alle meine Kollegen sich genauso gefreut haben, dass es sich also um einen Preis für uns alle handelt, nicht nur für mich."

Als Rinaudo in Niger die Bäume fand, die er vor lauter Plänen vom neugepflanzten Wald nicht gesehen hatte, begann er, seine Strategie zu ändern. Er überredete befreundete Bauern, mit ihren Traditionen zu brechen und die Triebe der Bäume auf ihren Feldern zu pflegen anstatt sie wie bisher auszureißen. Die meisten wollten davon nichts wissen, schnell war Rinaudo der "verrückte weiße Bauer". Doch die, die mitmachten, wurden nach einer Dürre mit besserer Ernte belohnt, mit Schatten auf den Feldern und kostenlosem Futter für das Vieh. Ohne dass Rinaudo davon wusste, erzählten Bauern Freunden und Verwandten auf Besuch von der Idee, die sich so im ganzen Land ausbreitete.

Methode kopiert

200 Millionen Bäume sind dank Rinaudos Methode inzwischen alleine in Niger gepflanzt worden. In vier Sahelstaaten haben Bauern die Methode kopiert, für die sie nur ein geübtes Auge, ein Messer und Geduld brauchen. Und die Bereitschaft, sich von Traditionen zu lösen. "Wenn Du von falschen Voraussetzungen ausgehst, dann spielt es keine Rolle, wie sehr Du Dich bemühst, wie viel Geld Du ausgibst oder wie klug Du bist - Du wirst nie die beste Lösung für das Problem finden, das Du lösen willst", sagt Rinaudo.

Und trotzdem werden überall in Afrika bis heute Millionen Bäume gepflanzt, vor allem Eukalyptus. "Als Monokultur ist das einfach nur schädlich - und dann kosten diese Pflanzprogramme Millionen, obwohl alle wissen, dass nur wenige Bäume überleben." Vielleicht ist einer der Gründe dafür, dass Rinaudos Idee sich noch nicht flächendeckend durchgesetzt hat, der, dass er niemanden reich zu machen verspricht, keinen Großgrundbesitzer, kein Unternehmen und keinen korrupten Regierungsbeamten. "Dabei profitieren auch die Reichen davon, wenn die Armen mehr Geld haben, weil die Kaufkraft insgesamt steigt."

Afrika grüner machen

Mit dem Rückenwind des Alternativen Nobelpreises führt Rinaudo jetzt mit mehr Regierungen Verhandlungen. So will die äthiopische Regierung jährlich eine Milliarde Bäume aufforsten und bis 2030 rund 50 Millionen Hektar Fläche zu Wald machen. "Wir sind im Gespräch mit dem zuständigen Ministerium, das unsere Methode einsetzen will." Rinaudo sagt wir, weil der "verrückte Bauer" von einst längst bei der Organisation Worldvision im Team für sein Ziel arbeitet, Afrika grüner zu machen und die Wüsten aufzuhalten.

Alleine fühlt sich Rinaudo in seinem Kampf schon lange nicht mehr. Bei der Verleihung des Alternativen Nobelpreises traf er zum zweiten Mal Yacouba Sawadogo, einen Kleinbauern aus Burkina Faso, der die staubigen Böden seiner Heimat mit einer traditionellen, fast vergessenen Anbauweise wieder zum Blühen bringt. "Unsere Methoden ergänzen sich wunderbar", freut sich Rinaudo. Was zeigt, dass Traditionen ihren Platz haben, solange sie nicht unhinterfragt bleiben.

Von Marc Engelhardt (epd)


Naturschützer fordern mehr Grünbrücken über Autobahnen

Der Naturschutzbund (Nabu) hat seine Forderung nach Grünbrücken für die Autobahnen in Ostthüringen erneuert. Der Tod eines Wolfes, der Ende Dezember auf der A 9 in der Nähe von Bad Klosterlausnitz überfahren wurde, mache den Bedarf an geeigneten Querungshilfen über die Autobahnen für Wildtiere deutlich, teilte der Umweltverband am 3. Januar in Jena mit. Bereits 2016 sei eine junge Wölfin auf der A71 bei Sömmerda bei einem Verkehrsunfall getötet worden, hieß es.

Der wiederholte tödliche Verlust eines Wolfes auf einer Thüringer Autobahn mache deutlich, dass die Zerschneidung der Wildtierlebensräume eine Gefahr für die natürliche Zuwanderung von bedrohten und geschützten Arten darstelle, sagte Silvester Tamás, der Sprecher der Landesarbeitsgruppe Wolf und Luchs beim Nabu Thüringen. Auch künftig sei in der Gegend um das Hermsdorfer Kreuz mit Wölfen zu rechnen. Das sei nicht ungewöhnlich, denn der Naturraum Saale-Holzland-Jena liege nahe der Bundesländer Sachsen und Sachsen-Anhalt mit ihren Wolfsbeständen und verfüge darüber hinaus über zahlreiche Naturschutzgebiete, ehemalige Truppenübungsplätze und große zusammenhängende Waldgebiete, so der Experte.

Die Waldgebiete des Holzlandes würden gleichzeitig durch die massiv befahrenen Autobahnen A4 und A9 zerschnitten. Deshalb habe sich der Nabu bereits 2007 in seinem Bundeswildwegeplan dafür ausgesprochen, westlich und nördlich des Hermsdorfer Kreuzes Grünbrücken über den beiden Autobahnen einzurichten. "Passiert ist bislang noch nichts", beklagte Tamás. Diese Bauwerke würden nicht nur Wölfen, Luchsen oder Wildkatzen helfen, gefahrlos zu wandern, sondern förderten auch den notwendigen genetischen und ökologischen Austausch zwischen Wildtierlebensräumen. "Ganz besonders helfen sie uns aber Gefahrstellen für Verkehrsunfälle zu entschärfen und so auch Menschenleben zu retten", fügte der Naturschützer hinzu.



Thüringen zahlt für tierische Rasenmäher

Thüringen setzt zum Erhalt seines historischen Landschaftsbildes weiter auf die Schafhaltung. Um die anhaltende Ausdünnung der Herden zu stoppen, soll den einheimischen Schäfern bis 2021 pro Schaf oder Ziege 25 Euro im Jahr gezahlt werden, kündigte das Umweltministerium am 3. Januar in Erfurt an. Für eine entsprechende Weidetierprämie für Schafe und Ziegen - kurz SchaZi genannt - laufe ab sofort bis Ende März eine Frist für Förderanträge bis zu maximal 5.000 Euro pro Betrieb, so die Landesbehörde.

Der Schafbestand geht den Angaben zufolge seit dem Ende der DDR kontinuierlich zurück. Das Landesamt für Statistik hatte im November 2018 in den Thüringer landwirtschaftlichen Betrieben mit mehr als 20 Tieren noch 119.200 Schafe gezählt. Gegenüber dem Vorjahr mit 122.600 Tieren sei dies ein Minus von 3.400 Schafen (drei Prozent). Als Gründe für den Bestandsabbau hätten die Schäfer die Unwirtschaftlichkeit wegen geringer Erlöse für Fleisch und Wolle sowie den trockenen Sommer angegeben, so die Zahlenbehörde.

Gerade in wirtschaftlich grenzwertigen Regionen wie in den höheren Lagen des Thüringer Waldes drohe ohne Beweidung auch ein langsames Verschwinden des für den Tourismus so wichtigen Offenlandes, warnen regionale Verbände bereits seit längerem vor einem Verschwinden der Bergwiesen.

Den Rückgang von Dauergrünland auf Grund von Verbuschungen schätzt die Landesanstalt für Landwirtschaft seit dem Jahr 2003 auf etwa 13 Prozent ein, wie ein Sprecher des Umweltministeriums betonte. Ohne Schafe drohe zudem der Verlust kostbarer Steppenrasenflächen und orchideenreicher Kalkmagerwiesen, die ohne die tierischen Rasenmäher nicht erhalten werden könnten.

Mit der Rückkehr des Wolfes habe die Betriebsaufgabe vieler Schäfer aber nichts zu tun, erklärte der Naturschutzbund (Nabu). Die Not vieler Betriebe sei in erster Linie das Resultat einer verfehlten EU- und Bundesagrarpolitik, hatte erst kürzlich Silvester Tamás, der Sprecher der Landesarbeitsgruppe Wolf und Luchs, deutlich gemacht. Viele Betriebe hätten aufgegeben, weil sich die wertvolle Arbeit für den Naturschutz finanziell nicht mehr lohne. Zusammen mit der geplanten Ausweitung des Wolfgebietes auf ganz Thüringen sei die SchaZi-Prämie eine wirksame Maßnahme zum Erhalt der Herden. "Schäfer und extensive Weidetierhalter sind unsere wichtigsten Partner im Naturschutz", unterstrich Tamás.



Elektrobusse für Nordhausen

Ein weiteres Modellprojekt für den Einsatz von Elektrobussen im Thüringer Nahverkehr startet in Nordhausen. Es werde mit insgesamt rund 4,9 Millionen Euro vom Land gefördert, teilte das Umweltministerium am 4. Januar in Erfurt mit. Ziel der Nordhäuser Verkehrsbetriebe sei unter anderem der Einsatz von drei E-Bussen auf der Linie vom Ortsteil Salza ins Stadtzentrum. Damit würde der Kohlendioxid-Ausstoß der herkömmlichen Diesel-Busse eingespart, pro Jahr rund 125 Tonnen, so das Ministerium.

Ebenfalls ab 2020 sollen auf drei Linien im Landkreis drei E-Busse zum Einsatz kommen. Hier habe ein Gutachten des Dresdner Fraunhofer Instituts für Verkehrs- und Infrastruktursysteme eine Einsparung von voraussichtlich 117 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr prognostiziert, hieß es weiter.

Nach Jena, Eisenach und Suhl/Zella-Mehlis beginnt den Angaben zufolge in Nordhausen das vierte Thüringer Modellprojekt für den Praxiseinsatz von Elektrobussen. Damit sei die Summe von 14 Millionen Euro für das entsprechende Förderprogramm bereits 15 Monate nach seinem Start nahezu ausgeschöpft, so das Ministerium weiter. Für weitere Interessenten ist aber eine Aufstockung aus Landesmitteln in Aussicht gestellt.




Medien & Kultur

EKD-Kulturbeauftrager sieht "Holo-Kitsch" bei Menasse


"Mir scheint, er ist sich nicht klar in dem, was er tut", sagt Johann Hinrich Claussen über Robert Menasse.
epd-bild / Norbert Neetz
Johann Hinrich Claussen attackiert den Schriftsteller Robert Menasse scharf: "Mir scheint, er ist sich nicht klar in dem, was er tut."

Der evangelische Kulturbeauftragte Johann Hinrich Claussen wirft dem Schriftsteller Robert Menasse "Holo-Kitsch" vor. Dessen in Diskussionen und Essays geäußerte Behauptung, Walter Hallstein (1901-1982) habe seine Antrittsrede als erster europäischer Kommissionschef 1958 am Ort des NS-Konzentrationslagers gehalten, sei eine "geschmacklose Auschwitz-Erfindung", sagte Claussen dem Evangelischen Pressedienst (epd). Sie sei historisch falsch, moralisch anstößig, weil sie den Holocaust instrumentalisiere, und ästhisch nicht überzeugend.

Daher habe Menasse auch wenig Anlass, andere Leute zu kritisieren, sagte Claussen mit Blick auf Menasses Beitrag in der "Welt" (5. Januar), in dem der österreichische Autor sich zwar für die angeblichen Zitate entschuldigt, den Deutschen in Bezug auf die Positionen Hallsteins aber erneut Vergesslichkeit vorwirft und von "künstlicher Aufregung" spricht.

"Mir scheint, er ist sich nicht klar in dem, was er tut", sagte Claussen. Einerseits erzähle Menasse Geschichten, und in der Fiktion sei alles möglich und erlaubt; andrerseits vertrete der Autor eines Brüssel-Romans und Träger des Deutschen Buchpreises von 2017 ein politisches Interesse. "In der Ideenpolitik müsste er sich dem Anspruch von Wahrhaftigkeit unterstellen und dem wird er nicht gerecht", sagte der Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). "Politik gehorcht anderen Regeln als Literatur und man kann nicht einfach Dinge behaupten, die nicht stimmen."

Dass Menasse seinem Europaprojekt geschadet habe, sieht Claussen nicht. Seine europapolitische Idee habe jedoch erkennbare Schwächen. Man müsste Europa vor "überengagierten Apologeten" eher verteidigen, sagte der Theologe. Notwendig seien keine "besinnungslos Begeisterten", sondern vielmehr "nüchterne Sympathie".

Es sei gut, dass es heute ein stärkeres Interesse gebe, Menschen wie Menasse oder den früheren "Spiegel"-Autor Claas Relotius auf die Wahrhaftigkeit ihrer Aussagen zu überprüfen, sagte der EKD-Kulturbeaufragte weiter. Wer im öffentlichen Leben stehe, müsse wissen, was er tue - das gelte für Politiker, Pfarrer, Journalisten, Schriftsteller und andere.

epd-Gespräch: Renate Kortheuer-Schüring


Bach-Archiv Leipzig blickt auf erfolgreiches Jahr zurück


Peter Wollny
epd-bild / Jens Schlüter
Das Bach-Archiv Leipzig hat für 2018 eine positive Bilanz gezogen. Zahlreiche Forschungs- und Editionsprojekte zur Bach-Familie hätten auch im vergangenen Jahr im Fokus gestanden, die Sammlung der Stiftung sei um wichtige Quellen erweitert worden, teilte das Archiv mit.

Das Bach-Archiv Leipzig hat für das Jahr 2018 eine positive Bilanz gezogen. Zahlreiche Forschungs- und Editionsprojekte zur Bach-Familie hätten auch im vergangenen Jahr im Fokus gestanden, die Sammlung der Stiftung sei um wichtige Quellen erweitert worden, teilte das Archiv am 3. Januar in Leipzig mit. Erworben wurden den Angaben zufolge unter anderem ein handschriftliches Spendenbuch der Thomasschule zu Leipzig aus den Jahren 1633 bis 1641 sowie zwei Abschriften von Kompositionen aus dem engen Umfeld der Bach-Familie.

"Das Bach-Archiv ist in allen seinen Bereichen exzellent aufgestellt", erklärte Direktor Peter Wollny. Auch 2018 habe es seinen Ruf als führendes Forschungszentrum zu Leben und Werk Johann Sebastian Bachs und seiner Familie behaupten können. Das Bach-Museum präsentierte zwei Kabinettausstellungen zu Johann Sebastian Bachs Privatschülern und zur mitteldeutschen Musiklandschaft der Barockzeit. Bach unterrichtete im Lauf seines Lebens mehr als 100 Privatschüler.

Auf wichtigen Positionen des Hauses gab es 2018 zwei Wechsel: Der Stiftungsrat ernannte die Kulturmanagerin Franziska Grimm zur Geschäftsführerin des Bach-Archivs. Zum Intendanten des Bachfestes Leipzig wurde der Musikwissenschaftler Michael Maul berufen, nachdem dieser seit 2016 die künstlerische Planung der Leipziger Bachfeste als Dramaturg maßgeblich verantwortet hatte. Maul ist habilitierter Musikwissenschaftler und gehört den Angaben zufolge zu den führenden Bach-Forschern weltweit.

Das Bachfest im Juni hatte mit mehr als 79.000 Besuchern aus 45 Ländern einen Rekord verzeichnet. Zum traditionsreichen Internationalen Bach-Wettbewerb Leipzig waren 2018 Interpreten aus 34 Ländern in die Messestadt gereist. Sie wetteiferten um den begehrten Titel "Bachpreisträger".

Das Leipziger Bach-Archiv Leipzig versteht sich nach eigenen Angaben als musikalisches Kompetenzzentrum am Hauptwirkungsort Johann Sebastian Bachs. Sein Zweck ist es, Leben, Werk und Wirkungsgeschichte des Komponisten und der weit verzweigten Musikerfamilie Bach zu erforschen sowie das Erbe zu bewahren und zu vermitteln.



Fontane-Jubiläumsjahr wird von Steinmeier eröffnet

Das Jubiläumsjahr zum 200. Geburtstag des Schriftstellers Theodor Fontane (1819-1898) wird am 30. März von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im brandenburgischen Neuruppin eröffnet. Die Zusage sei vor wenigen Tagen eingetroffen, sagte der Bürgermeister der märkischen Stadt, Jens-Peter Golde (Pro Ruppin), am 4. Januar in Potsdam.

Fontane wurde als Sohn eines Apothekers in Neuruppin geboren. Bis zum 200. Fontane-Geburtstag am 30. Dezember sei ein "ausgeklügeltes" Programm" geplant, darunter eine große Ausstellung im Stadtmuseum von Neuruppin, sagte Golde. Der Ort am Ruppiner See gehört zu den brandenburgischen Städten mit historischen Stadtkernen.

Die Ausstellung werde Fontane als Wanderer durch die Mark Brandenburg reflektieren und als "Vielschreiber" und "Schreibdenker" vorstellen, sagte Golde. Der Schriftsteller mache es einem dabei "relativ leicht", weil er "mit der Feder in der Hand auf dem Papier gedacht" habe. Auf dem Programm stehen neben den Fontane-Festspielen, Open-Air-Theater und einem "musikalischen Spektakel" unter anderem rund 60 touristische und teils sportliche Aktivitäten rund um Neuruppin, darunter ein Triathlon auf Fontanes Spuren.

Einige spezielle Angebote richten sich an junge Leute, sagte Golde. Darunter seien Workshops für Schüler ab der zehnten Klasse, die auf der Grundlage von Fontane-Werken Computerspiele entwickeln sollen. Die Ergebnisse würden anschließend im Internet präsentiert. Angeboten würden auch Stadtrallyes für Kinder und Jugendliche, die nach der Erkundung der Stadt mit der Lösung eines Rätsels enden sollen.

Ziel des Neuruppiner Jubiläumsprogramms sei, "Fontane den Menschen näher zu bringen", die Kulturstadt Neuruppin auch außerhalb der Region stärker bekanntzumachen und das Kulturland Brandenburg von Hamburg bis München stärker in den Blick zu rücken, betonte Golde. Dafür sei Fontane ein "ganz hervorragender intellektueller Katalysator".



Bund-Länder-Position zum Umgang mit kolonialem Erbe bis März

Bund und Länder wollen bis März eine gemeinsame Position zum Umgang mit dem kolonialen Erbe vorlegen. Das kündigte der Hamburger Kultursenator Carsten Brosda (SPD), Gründungsvorsitzender der neuen Fachkonferenz der für Kultur zuständigen Länderminister, in "Stuttgarter Zeitung" und "Stuttgarter Nachrichten" (4. Januar) an. Die Rückgabe von Museumsstücken aus ehemaligen Kolonien wird damit zum ersten Schwerpunktthema der Kultur-Fachministerkonferenz, die zum Jahreswechsel ihre Arbeit aufgenommen hat.

"Frankreich zeigt uns gerade, wie man da vorgehen kann, und Deutschland darf bei diesem Thema nicht abseits stehen", sagte Brosda mit Blick auf eine Initiative von Staatspräsident Emmanuel Macron zur großzügigen Rückgabe von Kolonialkunst an die Ursprungsländer.

Die Denkmalschutzorganisation World Heritage Watch mahnte unterdessen in der Debatte um die Kulturgüterrückgabe die Beteiligung der Herkunftsgesellschaften an. In vielen Fällen der Rückgabe von Kulturgütern aus der Kolonialzeit sei die Zusammenarbeit mit den heutigen staatlichen Stellen der Herkunftsländer nicht der geeignete Weg, erklärte der Vorsitzende von World Heritage Watch, Stephan Dömpke, in einem offenen Brief an den Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger. "Vielmehr sollten die Empfänger solcher Kulturgüter die Herkunftskulturen sein." In multiethnischen Staaten sei dies ein entscheidender Unterschied, erklärte Dömpke.

In vielen dieser Staaten hätten manche Ethnien keine politische Repräsentation oder keinen gleichen Zugang zu staatlichen Institutionen und Entscheidungsprozessen, heißt es in dem Brief. Regierungen und Verwaltungsapparate seien oft mit Vertretern nur einer oder weniger Ethnien besetzt. "Die in Frage stehenden Objekte wurden aber in der Kolonialzeit nicht von Staaten erworben - die es damals zumeist gar nicht gab -, sondern von den indigenen Kulturen", sagte Dömpke. Daher müssten sie auch an diese zurückgegeben werden: "Nur sie sind als Nachkommen der Geschädigten die legitimen Empfänger von Rückgaben."

Parzinger hatte den Angaben zufolge zuvor gefordert, dass im Zuge der Rückgabe von in der Kolonialzeit erworbenen Kulturgütern und Gebeinen Institutionen der Herkunftsländer bei der Restaurierung und Konservierung etwa durch einen staatlichen Strukturfonds unterstützt werden sollten.



SKD-Chefin: Mehr Sicherheit im Umgang mit Kolonial-Kunst nötig

Museen brauchen nach Ansicht der Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD), Marion Ackermann, mehr Sicherheit im Umgang mit Kulturgütern aus kolonialem Kontext. Sie wünsche sich von der Politik eine klarere Haltung, wie zum Beispiel mit Gebeinen aus Afrika umgegangen werden soll, sagte Ackermann dem Hörfunksender MDR Kultur in Halle. Bisher sei die Initiative stark von den Museen ausgegangen.

Das habe allerdings seine Grenzen. "Die Museen stehen oft vor dem Problem, dass es viele noch nicht gelöste rechtliche Fragen gibt zum Umgang mit Kulturgut aus kolonialen Kontexten", begründete Ackermann. Diese müssten natürlich zunächst auf politischer Ebene und bundeseinheitlich diskutiert und geklärt werden. "Wir kommen da sonst gar nicht weiter", sagte die SKD-Chefin. Es sei wichtig, zu einer gemeinsamen Haltung zu kommen.

Zudem gebe es für jeden Einzelfall unterschiedliche Zuständigkeiten: "In Bezug auf Benin müssten wir vermutlich mit dem Sächsischen Landtag kommunizieren, bezüglich Australien hatten wir Kontakt mit der australischen Botschaft, in Bezug auf einen anderen Fall war das Auswärtige Amt zuständig - und darin wieder Abteilungen, die sich auf bestimmte Länderkontexte beziehen", erklärte Ackermann das bisherige Vorgehen. Das sei sehr komplex. Daher brauche es Vereinfachungen.

Antworten auf diese und offene rechtliche Fragen erhofft sich die Dresdner Direktorin von einer Abstimmung der Kultusministerkonferenz mit Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) und der Staatsministerin für internationale Kultur- und Bildungspolitik im Auswärtigen Amt, Michelle Müntefering (SPD). Die Kultusminister wollen sich im März mit Kulturgütern aus kolonialem Kontext beschäftigen. Dabei sollen mit den Bundesländern gemeinsame politische Positionen entwickelt werden.

Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden wollen 2019 weitere menschliche Gebeine zurückgeben, zum Beispiel nach Australien und Namibia. Im Jahr 2017 hatte Sachsen erstmals eine Rückgabeforderung aus Hawaii erfüllt. Die Gebeine waren zumeist während der Kolonialzeit in die Museen gelangt und dort in anthropologischen Sammlungen aufbewahrt worden.

Zum Verbund der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden gehören insgesamt 15 Museen, darunter auch das Grassi Museum Leipzig und das Völkerkundemuseum in Herrnhut.



Goethe-Institut will Kulturschaffende im Ausland stärker schützen

Das Goethe-Institut will bedrohten Kulturschaffenden im Ausland mehr Schutz bieten. Präsident Klaus-Dieter Lehmann sagte dem Sender MDR Kultur am 2. Januar in Halle, bisher sei Künstlern in Einzelfällen individuell geholfen worden, indem zum Beispiel Gästezimmer zur Verfügung gestellt wurden. Dies münde nun in ein festes Programm, das vom Auswärtigen Amt unterstützt und finanziert werde.

"Wenn Künstler gefährdet sind, wenn sie bedroht werden und von sich aus Schutz suchen, dann können wir künftig entweder in Deutschland oder in Nachbarländern des Ursprungslandes für eine mittelfristige Zeit Arbeitsmöglichkeiten schaffen, Begleitung stellen und auch ein Auskommen sichern", sagte Lehmann dem Sender. So könnten Betroffene zunächst aus Gefahrensituationen herausgenommen werden und dann, "wenn möglicherweise etwas Gras über die Sache gewachsen ist", wieder in ihr Land zurückkehren. So werde eine Möglichkeit geschaffen, schwierige und kritische Situationen zu überbrücken.

Zugleich zeigte sich Lehmann besorgt über die Entwicklungen in der Welt. Es gebe "zunehmend autokratische Regime, Abschottung und Zensur", sagte der Präsident des Goethe-Instituts. Dies sei genau das Gegenteil der programmatischen Ausrichtung der Kultur- und Bildungsinstitution. "Goethe-Institute sind Frei- und Dialogräume und stehen für eine Freiheit von Kunst, Kultur und Wissenschaft", betonte Lehmann.

Darüber hinaus gebe es weitere Projekte, mit denen das Goethe-Institut Verantwortung für einen gemeinsamen europäischen Kulturraum übernehme, sagte Lehmann: "Um ein Auseinanderdriften von Ost-, Mittel- und Westeuropa zu verhindern, veranstalten wir sogenannte Ortsgespräche." Damit gehe das Goethe-Institut nicht nur in die großen Metropolen, sondern in die mittleren Städte von 50.000 Einwohnern und weniger. "Das machen wir zunächst in jeweils fünf Städten in Ungarn und Polen", sagte Lehmann.



Jubeljahr für Arp Schnitger


Arp-Schnitger-Orgel in Hamburg-Neuenfelde
epd-bild / Stephan Wallocha
Die Szene huldigt ihm wie einem Popstar: Der vor 300 Jahre gestorbene Arp Schnitger gilt unter Experten als begnadeter Schöpfer einzigartiger Orgeln.

Kenner vergleichen die Klasse seiner Instrumente gerne mit der Qualität der Stradivari-Geigen. Was der barocke Orgelbaumeister Arp Schnitger (1648-1719) geschaffen hat, fasziniert Musiker und Publikum bis heute. Etwa 170 Orgeln soll er neu gebaut oder wesentlich umgestaltet haben, etwa 30 sind noch erhalten. Sein 300. Todesjahr - das genaue Sterbe-Datum ist nicht bekannt - wird 2019 an der Küste zwischen Groningen und Hamburg mit Musikfestivals, Symposien und Exkursionen gefeiert. "Arp Schnitger war schon zu Lebzeiten eine Legende", sagt der Bremer Orgelprofessor Harald Vogel.

Die Musik galt zu Schnitgers Zeit als Vorstufe zum himmlischen Paradies, die Orgel selbst als Instrument zur Ehre Gottes. Deshalb wurde vielerorts auch nicht an Baumaterial und Ausstattung gespart, wenn es darum ging, die Kirche mit einer Orgel auszustatten. Das wirkt sich bis in die Gegenwart aus: Feines Zinn, gutes Leder und abgelagertes Holz ließen die Mechanik oft Jahrhunderte überdauern.

Pfeifen aus edelstem Material

In der Stader Cosmae-Kirche lieferte Schnitger sein Gesellenstück ab. Und in Lüdingworth bei Cuxhaven steht eine besonders prachtvolle Orgel aus seiner Werkstatt: Die reichen Marschenhöfe ließen sich hier in ihrem "Bauerndom" ein Instrument mit riesigen Pedaltürmen und 2.200 Pfeifen aus edelstem Material bauen. Die Tasten des Spieltisches sind teils mit Buchsbaum belegt, teils aus Ebenholz.

"Die Bauern an der Küste von Amsterdam im Südwesten bis Hamburg und dann weiter in den Raum nördlich von Ribe in Dänemark haben die allererste geschlossene Orgellandschaft der Welt geschaffen", schwärmt der Freiburger Musikwissenschaftlicher Konrad Küster. Dabei ging es nicht nur um Frömmigkeit, denn die Orgel war auch ein Statussymbol. Mit einem Instrument von Arp Schnitger sicherten sich die Bauern da am zuverlässigsten die neidvolle Anerkennung aus den Nachbarorten. Denn Schnitger, Tischlersohn aus der Wesermarsch, zählte europaweit zu den besten Orgelbauern.

Estaunliche Klangfülle

Das reiche Alte Land zwischen Stade und Hamburg sticht noch hervor, weil hier besonders viele Orgeln von Schnitger stehen. 1678 übernahm er nach dem Tod seines Lehrmeisters Berendt Hus dessen Werkstatt in Stade. Bereits vier Jahre später zog er nach Hamburg, um in der Hauptkirche St. Jacobi sein größtes Werk mit knapp 4.000 Pfeifen zu bauen. Von Hamburg aus exportierte er später seine Instrumente zunächst in den norddeutschen Raum und in die Niederlande, dann nach Russland, England, Spanien und Portugal. In Neuenfelde, heute ein Teil von Hamburg, wurde der Meister schließlich am 28. Juli 1719 begraben.

Nach Schnitgers Tod machten sich viele seiner Schüler selbstständig und konstruierten Orgeln im Stile ihres Meisters. Bis heute werden Instrumente von Schnitger weltweit bei großen Orgelneubauten als Vorbild genutzt. Und noch immer sind Musiker fasziniert vom Klang der Schnitger-Orgeln. Sie loben das harmonische Verhältnis von Grund- und Obertönen, die unterschiedlichsten Charaktere der Flöten, die zu einer erstaunlichen Klangfülle verschmelzen.

"Ich habe nie viel verlangt"

Das soll hörbar werden, wenn beispielsweise Groningen im Schnitgerjahr einlädt. Die Region dort wird gerne als "Orgeltuin van Nederland", als Orgelgarten der Niederlande bezeichnet, zehn Schnitger-Meisterwerke inklusive. Besondere Konzerte sind auch weiter östlich in Ostfriesland, im Elbe-Weser-Raum und in Hamburg geplant, das unter dem Motto "Hamburg zieht alle Register" feiert. Wer will, kann im Alten Land auf Exkursionen per Rad Orgeln entdecken oder im Rahmen von "Wandelkonzerten" von einer Kirche zur anderen und damit von einem Instrument zum anderen spazieren.

Ein zentraler niedersächsischer Festakt ist für den 2. Juni in der Georgskirche im ostfriesischen Weener geplant. Natürlich soll es ein Konzert an der dortigen Schnitger-Orgel geben. Aber auch ein eigens für das Jubiläum geschriebenes niederdeutsches Theaterstück wird aufgeführt. Unter dem Titel "Gliek un doch heel anners" (Gleich und doch ganz anders) beschäftigt sich das historische Spiel mit Schnitger und seinen Konkurrenten in Ostfriesland.

Ein "Schnitgerfest rund um die Kirche" lockt im Sommer nach Steinkirchen ins Alte Land. Die Arp-Schnitger-Gesellschaft in der Wesermarsch plant rund um die Taufkirche des Baumeisters in Golzwarden unter anderem ein internationales Orgelbauer-Symposium und eine Wanderausstellung zu Leben und Werk des Orgelbauers, der oft uneigennützig gehandelt hat. Schnitger schrieb über sich selbst: "Ich habe nie viel verlangt, sondern den Kirchen, wenn sie keine ausreichenden Mittel besaßen, zur Ehre Gottes die Orgel für den halben Preis gebaut."

Von Dieter Sell (epd)


Besuchereinbruch bei Eisenacher Bachhaus


Bachhaus in Eisenach
epd-bild / Rainer Oettel
Das Bachhaus in Eisenach hat 2018 einen drastischen Besuchereinbruch verkraften müssen. Nach dem erfolgreichen Reformationsjubiläum 2017 ging die Zahl der Besucher 2018 um fast ein Drittel (minus 32 Prozent) auf 50.251 zurück, teilte das Bachhaus mit.

Das Bachhaus in Eisenach hat im vergangenen Jahr einen drastischen Besuchereinbruch verkraften müssen. Nach dem erfolgreichen Reformationsjubiläum 2017 ging die Zahl der Besucher 2018 um fast ein Drittel (minus 32 Prozent) auf 50.251 zurück, wie das Bachhaus am 6. Januar in Eisenach mitteilte.

"Einen Rückgang hatten wir erwartet, aber nicht, dass es so tief nach unten geht", erklärte Bachhaus-Direktor Jörg Hansen. Für 2019 plant das Museum Ergänzungen der Dauerausstellung und eine Sonderausstellung zu Bach-Bildern. Eisenach ist die Geburtsstadt von Johann Sebastian Bach (1685-1750). Der Komponist verbrachte die ersten zehn Jahre seines Lebens in der Stadt.

Hansen betonte, 2018 sei abgesehen vom Jahr 1973, als das Museum größtenteils wegen Umbaus geschlossen war, "sogar das schlechteste Jahr seit 1954". Damals zählte das Bachhaus 47.078 Besucher. Im Schnitt der neun Jahre vor 2017 seien jährlich 60.197 Besucher gekommen. Mit knapp mehr als 50.000 Gästen zählte das Bachhaus gleichwohl auch 2018 zu den besucherstärksten zehn Prozent der Museen in Deutschland, hieß es.

Besonders Reisegruppen fehlten 2018, sagte Hansen weiter. Das Gruppengeschäft sei um die Hälfte eingebrochen und ging von 20.668 auf nur noch 10.447 Besucher zurück. Bei Einzelbesuchern lag der Rückgang bei 28 Prozent. Deutlich geringer fiel der Rückgang bei Kindern und Jugendlichen aus: Statt 12.802 (2017) kamen 10.257 (minus 20 Prozent).

Bei den Schülerprogrammen im Bachhaus, etwa zu Instrumentenbau oder Barocktanz, habe es sogar eine kleine Steigerung von 92 auf 102 Schulklassen gegeben. Stabil sei auch die Zahl der ausländischen Besucher geblieben: 13.964 kamen 2018, in etwa genau so viel wie durchschnittlich in den Jahren bis 2016.

"Eine einfache Erklärung für den drastischen Rückgang, der offenbar ähnlich auch auf der Wartburg oder auf Schloss Friedenstein in Gotha verzeichnet wurde, haben wir nicht", sagte Hansen weiter. Die Hitzewelle habe sicher eine Rolle gespielt. "Es ist wohl eine Vielzahl von Faktoren zusammengekommen", so Hansen. "Auch die 2018 weiter starke Prägung der Wahrnehmung des 'Ostens' durch die Themen von Pegida und AfD dürfte nicht gerade geholfen haben, denn 80 Prozent unserer Inlandsbesucher kommen aus dem alten Westen", unterstrich Hansen.

Um die finanziellen Einbußen durch den Besucherrückgang zu kompensieren, hat das Bachhaus im vergangenen Jahr die Rücklagen aus dem Lutherjahr vollständig aufgebraucht. Zudem sei auf den eigentlich schon für 2018 vorgesehenen Beginn der Modernisierung einiger Ausstellungsteile verzichtet worden. Außerdem sei zur Mitte des vergangenen Jahres die erst für 2019 geplante Eintrittspreiserhöhung von 9,50 regulär auf zehn Euro vorgezogen worden. "Wir blicken gleichwohl optimistisch in die Zukunft", meinte Hansen.



Lucas-Cranach-Preis für Engagement in Wittenberg verliehen

Für besonderes gesellschaftliches Engagement ist am 4. Januar von der Lutherstadt Wittenberg der Lucas-Cranach-Preis 2019 verliehen worden. Für die diesjährige Auszeichnung wurden vier Preisträger in verschiedenen Kategorien ausgewählt, darunter der Künstler Yadegar Asisi, wie die Stadtverwaltung mitteilte. Die Preise wurden während des Neujahrsempfangs der Lutherstadt vergeben. Asisi soll seinen Preis allerdings zu einem späteren Zeitpunkt entgegennehmen, da er nicht an dem Neujahrsempfang teilnehmen konnte, hieß es.

In der Kategorie "Arbeit im Ehrenamt" wurde die Deutsch-Russländische Gesellschaft geehrt. Sie gründete sich 1992, um Kindern zu helfen, die die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl 1986 überlebt haben. Daraus habe sich ein interkultureller Austausch entwickelt. Die Gesellschaft setze sich zudem für einen Wissenstransfer unter deutschen und osteuropäischen Medizinern ein.

In der Kategorie "Impulse für die Stadt" wurde die Tesvolt GmbH ausgezeichnet, ein Anbieter intelligenter und ökonomischer Stromspeicher. Der Preisträger in der Kategorie "Kunst und Kultur" ist Michael Marinov. Der Musiker leitet ehrenamtlich das Paul-Gerhardt-Orchester der Kreismusikschule Wittenberg.

Yadegar Asisi soll den Sonderpreis erhalten. Er gestaltete anlässlich des 500. Reformationsjubiläum das 360-Grad-Panorama "Luther 1517". Seit Ende Oktober 2016 ist die Lutherstadt damit neben Berlin, Leipzig, Dresden, Pforzheim und der französischen Stadt Rouen ein Ausstellungsort des Künstlers. "Luther 1517" zeigt die mittelalterliche Altstadt in der Zeit des Thesenanschlags durch Martin Luther mit Sound- und Lichteffekten. Mit seinem Panorama sei es Asisi gelungen, die originalen Reformationsschauplätze erlebbar zu machen, so die Stadtverwaltung. Mit inzwischen mehr als 480.000 Besuchern habe sich das Panoramakunstwerk schnell zu einem Touristenmagneten entwickelt, der das kulturelle Angebot in der Region attraktiv und zeitgemäß ergänze.

Der undotierte Lucas-Cranach-Preis ist nach der Ehrenbürgerwürde die höchste Auszeichnung, die die Lutherstadt Wittenberg jährlich vergibt. Der im vergangenen Jahr erstmals verliehene Sonderpreis ging an den Verein Reformationsjubiläum 2017.



Bauhaus und Royals auf Gothaer Schloss Friedensstein

Das 100-jährige Bauhaus-Jubiläum sowie der 200. Geburtstag der britischen Königin Victoria und ihres Prinzgemahls Albert dominieren in diesem Jahr das Angebot der Stiftung Schloss Friedenstein. Beide Ereignisse stünden für Ausstellungen und Veranstaltungen "sowohl mit regionalem Bezug als auch internationaler Strahlkraft", teilte die Stiftung am 4. Januar in Gotha mit. Komplettiert werde das Jahresprogramm vom traditionellen Ekhof-Festival.

Als Höhepunkt soll das 100-jährige Bauhaus-Jubiläum mit der Jahreshauptausstellung vom 28. April bis 28. Juli gefeiert werden, so die Stiftung. Im Mittelpunkt stehe mit dem Bauhausmeister Oskar Schlemmer (1888-1943) einer der vielseitigsten Künstler der Moderne. Die Schau werde in Kooperation mit der Staatsgalerie Stuttgart die erste monografische Ausstellung zu Schlemmer in den neuen Bundesländern sein.

Parallel dazu organisiert die Stiftung ein ästhetisches Bildungsprojekt in Zusammenarbeit mit der Weimarer Mal- und Zeichenschule sowie freien Künstlern. In der "WERKstatt Schlemmer" könnten zum Beispiel Schulklassen und Familien bei Kunstatelier-Tagen ihre Visionen von einem Bauhaus der Zukunft formen, hieß es.

Das Jahr 2019 steht zudem im Zeichen des englischen Königshauses. Königin Victoria von Großbritannien und Irland und ihr Prinzgemahl Albert von Sachsen-Coburg und Gotha wären in diesem Jahr beide 200 Jahre alt geworden. Mit der Schau "Die Ehe als Erfolgsmodell: deutsch-englische Heiraten" vom 5. Mai bis 30. November im Schlossrundgang sowie zwei Kabinettausstellungen im Herzoglichen Museum soll an die fruchtbaren Beziehungen zwischen England und Gotha erinnert werden, so die Stiftung.

Das Eheglück stehe auch beim diesjährigen Ekhof-Festival vom 28. Juni bis zum 24. August im Fokus. Zur Aufführung kommt Molières Komödie "Die Schule der Ehemänner".



Zwickau ehrt Clara Schumann mit mehreren Ausstellungen

Der Pianistin und Komponistin Clara Schumann ist vom 14. Januar an eine Ausstellung in Zwickau gewidmet. Unter dem Motto "Clara Schumann als Komponistin" werden im Robert-Schumann-Haus ihre Werke in Originalhandschriften und -ausgaben präsentiert, teilte das Museum am 3. Januar im sächsischen Zwickau mit. In diesem Jahr am 13. September jährt sich der Geburtstag von Clara Schumann (1819-1896) zum 200. Mal. Die in Leipzig geborene Künstlerin war die Ehefrau von Robert Schumann (1810-1856). Der Komponist wurde in Zwickau geboren.

Gezeigt werden in der Sonderausstellung bis 31. März auch Dokumente zur Entstehungsgeschichte der Werke Clara Schumanns, darunter Tagebucheintragungen und Briefe. Erstmals zu sehen seien Erwerbungen von Originalausgaben einzelner Klavierstücke der Komponistin aus den Jahren 1885 und 1892. Alle Exponate gehören den Angaben zufolge zum Archivbestand des Zwickauer Schumann-Hauses.

Komponierende Frauen im 19. Jahrhundert waren den Angaben zufolge eine Ausnahme. Dass Clara Schumann mehr als 20 ihrer Werke in Druckausgaben bei renommierten Verlagen vorlegen konnte, sei umso ungewöhnlicher, hieß es. Die Originalausgaben der frühen Klavierwerke kamen aus dem Nachlass von Friedrich Wieck, Clara Schumanns Vater, ins Zwickauer Schumann-Museum.

Außerdem wurden beim Ankauf des Schumann-Nachlasses durch die Stadt Zwickau 1925 auch zahlreiche Notenhandschriften Clara Schumanns erworben. 1971 konnte schließlich die Partiturhandschrift von Clara Schumanns wohl bedeutendstem Werk, ihrem Klaviertrio opus 17, aus dem Nachlass einer Schülerin erworben werden. Das Museum plant im Jubiläumsjahr 2019 weitere Ausstellungen zum Leben und Schaffen Clara Schumanns, darunter eine über Clara und ihre Kinder sowie eine zu ihren Konzerten und Reisen.



Als die Geschichte der Familie Weiss die Deutschen bewegte

Die US-Fernsehserie "Holocaust" löste vor 40 Jahren ein ungeahntes Echo in Deutschland aus. Über das Schicksal der Familie Weiss fanden viele Deutsche Zugang zu ihrer eigenen Geschichte.

Die Ausstrahlung der Fernsehserie "Holocaust - Die Geschichte der Familie Weiss" im deutschen Fernsehen ab dem 22. Januar 1979 war ein Medienereignis - und auch ein Wendepunkt in der deutschen Erinnerungskultur. Danach wurden Naziverbrechen und Massenmord an den europäischen Juden anders wahrgenommen. Mit "Holocaust" geriet Auschwitz ins kollektive Gedächtnis und der Begriff "Holocaust" wurde Allgemeingut, bis heute.

Zuvor war die Serie im US-Fernsehen gelaufen, durchaus umstritten. Der jüdische Philosoph und Holocaust-Überlebende Eli Wiesel (1928-2016) fällte das Urteil, es handle sich um eine "Trivialisierung des Holocaust". Produziert wurde sie vom US-Sender NBC. Sie war eine Antwort auf den kommerziellen Erfolg der ABC-Serie "Roots" über die Sklaverei in den USA. Hier wie dort wählte Regisseur Marvin J. Chomsky das Format der Mini-Serie mit überschaubarem Personal und übersichtlicher Dramaturgie nach amerikanischen Erzählmustern.

"Holocaust" erzählt von der Judenverfolgung der Nationalsozialisten am Beispiel zweier fiktiver Familien, der jüdischen Familie Weiss und der Familie des SS-Sturmbannführers Erik Dorf. Die Protagonisten durchleben im Film wesentliche historische Stationen, von der Pogromnacht 1938 bis zum Warschauer Ghetto, vom Massaker in Babi Jar bis Auschwitz.

Nur Sohn Rudi Weiss überlebt, alle anderen kommen ums Leben. Erik Dorf begeht Suizid. Im Film wird er Adjutant von Reinhard Heydrich, berüchtigter Chef des Reichssicherheitshauptamtes und Organisator des Massenmords an den Juden.

Deutsche Schauspieler nur in Nebenrollen

Gedreht wurde in Wien, Berlin-Wedding und im KZ Mauthausen. Die Darsteller der wichtigen Rollen kamen aus den USA, die Nazis wurden von Briten gespielt, deutsche Schauspieler fanden sich nur in Nebenrollen. "Holocaust" wurde insgesamt in mehr als 30 Ländern ausgestrahlt und von weltweit 700 Millionen Zuschauern gesehen.

Die deutsche Ausstrahlung verlief kompliziert: Schon zuvor wurde in der Presse über Trivialisierung und Emotionalisierung des Massenmordes an den europäischen Juden diskutiert. Die ARD konnte sich über eine Platzierung im Ersten nicht einigen, der Bayerische Rundfunk drohte mit Ausstieg. Man verständigte sich auf eine gemeinsame Ausstrahlung in allen Dritten Programmen, ein mediengeschichtliches Novum.

Der Erfolg war überwältigend. Die Zuschauerzahl stieg mit jeder Folge an. Am Ende hatte jeder zweite erwachsene Deutsche wenigstens einen Teil der Serie gesehen. Auch bei den mitternächtlichen Fernseh-Debatten im Anschluss an die Ausstrahlungen blieb die Zuschauerbeteiligung hoch. Die Telefonnetze der Sender brachen unter dem Ansturm der Anrufe zusammen.

Was war geschehen, dass es sich anfühlte, als hörten die Deutschen mehr als 30 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs zum ersten Mal von den Verbrechen der Nazis? Immerhin war das Thema nicht vom Himmel gefallen. Es gab den Frankfurter Auschwitz-Prozess 1963-65 und den Düsseldorfer Majdanek-Prozess 1975-1981.

Im Theater hatten 1963 Rolf Hochhuths "Der Stellvertreter" - über die Haltung des Vatikan zu den Judendeportationen - und 1965 Peter Weiss' "Die Ermittlung" über den Auschwitz-Prozess für Debatten gesorgt. Mitte der 50er Jahre war "Nacht und Nebel" entstanden, ein Dokumentarfilm über das KZ-System von dem Franzosen Alain Resnais. Im Fernsehen waren Eberhard Fechners Film über den Majdanek-Prozess gelaufen und Egon Monks "Ein Tag - Bericht aus einem Konzentrationslager 1939".

Aber die vielen Dokumente, Beweise, Appelle und Analysen erreichten nicht die Wirkung des TV-Vierteilers "Holocaust". Norbert Schneider, damals Fernsehbeauftragter des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, analysierte 1979, es sei den vielen ambitionierten Versuchen kaum mehr gelungen, "als die Aufgeklärten noch einmal aufzuklären": "Für wenige wird relativ viel angeboten, für die vielen dagegen relativ wenig". Fazit: "Die Aufklärung über Ursachen und Geschichte des deutschen Faschismus als eine massenhafte Veranstaltung ist noch zu leisten - jedenfalls in den Medien."

In "Holocaust" wurde nichts beschönigt

Dass die US-Serie "Holocaust" über die Ursachen des Faschismus aufgeklärt habe, kann man nicht sagen. Wohl aber, dass die Serie einen stillgelegten Bewusstseinsbereich bei "den vielen" aufgebrochen hat. Über die Familien Weiss und Dorf fanden viele Deutsche erstmals Zugang zu den Grausamkeiten ihrer eigenen Geschichte, begannen Familien, ihre Biografien zu befragen, wurden biografische Illusionen zerstört.

Wenn man die Filme heute wiedersieht, sieht man natürlich immer noch die zusammengeklöppelte Dramaturgie, die Fehler und Unwahrscheinlichkeiten, die gezielte Emotionalisierung, das klinisch saubere Ghetto. Aber: Es wurde in "Holocaust" nichts beschönigt, die Verbrechen wurden genannt und gezeigt, die Opfer bekamen Gesicht, Namen und eine individuelle Geschichte. Das hat die Menschen damals vor den Bildschirmen bewegt und aufgeregt.

Vom 7. Januar an zeigen NDR und WDR, vom 9. Januar an auch der SWR die vier Teile von «Holocaust» erneut im TV, ergänzt um die Dokumentation «Wie 'Holocaust' ins Fernsehen kam».

Von Fritz Wolf (epd)


Computerspiel "One of the 500": Biblisch Zocken

Im Computerspiel "One of the 500" geht es um die Bibel. Mit seiner hochprofessionellen Grafik soll es weltlichen Spielen in nichts nachstehen. Der Theologie-Doktorand Amin Josua sucht nun nach Investoren für sein Start-up.

Der Fischerjunge muss sich entscheiden: Sammelt er Geld für ein neues Fischernetz oder kürzt er den Spielverlauf ab und stiehlt es? Von seiner Entscheidung hängt ab, wie die Geschichte des Adventure-Games "One of the 500" weitergeht. Einen eindeutig "guten" oder "bösen" Weg gebe es dabei nicht, sagt Entwickler Amin Josua (31). Manchmal komme der Spieler mit moralisch verwerflichen Lösungen durch, manchmal müsse er sich später dafür verantworten.

Der Heidelberger Theologie-Doktorand arbeitet seit anderthalb Jahren an dem Spiel, das erstmals das Evangelium in hochqualitativer 3D erlebbar machen will. Für sein millionenschweres Vorhaben ist Josua in die Startup-Szene eingestiegen und hat Ende September eine Firma gegründet. Im Februar soll der Prototyp erscheinen.

Prototyp soll im Februar erscheinen

Der Startup-Gründer sitzt auf einem roten Sofa in einem Stuttgarter Coworking-Gebäude, wo er und sein vierköpfiges Team jüngst ein Büro bezogen haben. "Viele Menschen interessieren sich dafür, welche Rolle Jesus für Christen und ihre Alltag spielt", ist der langjährige Zocker überzeugt.

"One of the 500" ist zur Zeit Jesu verortet, Schauplatz sind Geschichten aus dem Evangelium. Der Titel geht zurück auf eine Bibelstelle. Aber um welche 500 es sich handelt, müssen die Spieler selbst herausfinden, sagt Josua. Das Spiel solle einen Überblick über die Worte und Ereignisse rund um Jesus geben, dabei aber nicht "teachy-preachy" sein, sondern die Spieler moralisch, ethisch und spirituell herausfordern.

Das Spiel greife biblische Lebensfragen auf, die heute noch gesellschaftlich relevant seien. "Etwa die Frage, wie ich mit meinen Feinden umgehe oder mit der Stigmatisierung gesellschaftlicher Gruppen." Außerdem soll historisches Wissen vermittelt werden, beispielsweise wie es vor 2.000 Jahren am See Genezareth aussah. Dafür setzt Josua auf hochprofessionelle Grafik, die säkularen Spielen in nichts nachstehen soll.

Die Idee, ein Spiel zu entwickeln, kam Josua, als er in einem Schülerprojekt fragte, wie Kirche für Jugendliche wieder relevant werden könne. Ein Schüler antwortete: "Die einzige Chance, dass ich mich mit biblischen Inhalten auseinandersetze, wäre, dass ich sie zocken kann." Da habe es bei ihm "geklingelt", denkt Josua zurück. "Digitale Spiele sind eine Kommunikationsstruktur, die sehr viele Menschen nutzen." Eine Kommunikationsstruktur, die von Kirche und Christen bislang weitestgehend brach liegen gelassen werde.

Games als Kulturgut

Laut "game", dem Verband der deutschen Games-Branche, zocken rund 34 Millionen Deutsche digitale Spiele, ihr Durchschnittsalter liegt bei 36 Jahren. Das gesellschaftliche Image von Games habe sich gewandelt, sagt Verbandsgeschäftsführer Felix Falk. Sie würden heute ganz selbstverständlich als Kulturgut, Wirtschaftsfaktor und Innovationstreiber wahrgenommen.

Zudem seien Computer- und Videospiele ein sehr gutes Lehr- und Lernmedium, erläutert Falk. "Sie sind interaktiv und können auch zusammen gespielt werden, was den Lernerfolg deutlich steigern kann." Ob und wie gut ein Spieler lerne, hänge von verschiedenen Faktoren ab: "Je besser die Spieler motiviert werden, desto besser vermitteln sich auch die Inhalte."

Für Josua ist es außerdem wichtig, dass seine Zielgruppe Interesse am Thema mitbringt, sagt er. Nach dem Schülerprojekt präsentierte er seine Idee dem Digitalisierungsprojekt der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Und was damals als "müsste man mal machen" begann, wurde rasch immer größer: Zweimal flog der Familienvater in die USA zur Christian Game Developer Conference nach Portland.

Dort knüpfte er Kontakte zu einem Produktionsstudio. Die Landeskirche stellte eine Startfinanzierung von 300.000 Euro zur Verfügung. Als jüngsten Coup konnte Josua den Schriftsteller Titus Müller, bekannt für seine historischen Romane, als Writer gewinnen. "Es hat sich herausgestellt, dass Müller auch gerne zockt", freut er sich.

Die Gesamtkosten für Entwicklung, Produktion und Marketing schätzt der Gründer auf rund sieben Millionen Euro. Nun gilt es, Investoren zu finden. Auch weitere Mitarbeiter werden gesucht. "One of the 500" soll einmal den weltweiten Markt erobern, sagt Josua selbstbewusst. Noch ist nicht sicher, wo die Reise hingeht und ob alles so läuft, wie er sich das vorstellt. Aber der gläubige Christ ist zuversichtlich. In den vergangenen anderthalb Jahren habe sich so viel ergeben und gefügt: "Das kann kein Zufall sein."

Von Leonore Kratz (epd)


Literatur-Forschungszentrum wird neues Leibniz-Institut

Das Berliner Zentrum für Literatur- und Kulturforschung ist neues Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Damit gebe es inzwischen 15 Leibniz-Institute in der Bundeshauptstadt, die bundesweit größter Standort der Forschungseinrichtungen von besonderer Bedeutung sei, teilte die Senatskanzlei am 2. Januar in Berlin mit. Das Zentrum für Literatur- und Kulturforschung (ZfL) gehe durch die Aufnahme in die Leibniz-Gemeinschaft in die gemeinschaftliche Bund-Länder-Förderung über und werde seit Jahresbeginn zur Hälfte vom Bund finanziert.

Voraussetzung für die Anerkennung als Leibniz-Institut sind den Angaben zufolge die überregionale Bedeutung einer Einrichtung und ihre herausragende Forschungsqualität. Nach vorausgegangener Empfehlung durch den Wissenschaftsrat wurde die Aufnahme des ZfL durch die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) von Bund und Ländern im April 2018 bestätigt und im darauffolgenden November in der Mitgliederversammlung der Leibniz-Gemeinschaft offiziell beschlossen.

Die Aufnahme in die Leibniz-Gemeinschaft sei eine Bestätigung der hervorragenden Forschungsleistung, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Zentrum für Literatur- und Kulturforschung erbringen, erklärte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD). Damit werde der Wissenschaftsstandort Berlin gestärkt.

Das Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung erforscht den Angaben zufolge Literatur in interdisziplinären Zusammenhängen und unter kulturwissenschaftlichen Voraussetzungen. Die Bereiche Theoriegeschichte, Weltliteratur und Lebenswissen sind Schwerpunkte der Arbeit.

In Berlin gehören unter anderem das Zentrum Moderner Orient (ZMO), das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), das Paul-Drude-Institut für Festkörperelektronik (PDI) und das Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) der Leibniz-Gemeinschaft an. Das ZfL wurde 1996 als Nachfolgeinstitution des Zentralinstituts für Literaturgeschichte (ZIL) der Akademie der Wissenschaften der DDR gegründet.

Die Leibniz-Gemeinschaft hat ihren Sitz in Berlin und unterhält deutschlandweit aktuell insgesamt 93 außeruniversitäre Forschungseinrichtungen.



Fast 588.600 Kinderbriefe an Weihnachtspostfilialen

Die Zahl der Kinderbriefe und Wunschzettel an die sieben Weihnachtspostfilialen der Deutschen Post ist in der vergangenen Adventszeit leicht gestiegen. Wie die Deutsche Post DHL Group am 4. Januar in Bonn mitteilte, gingen zu Weihnachten 2018 fast 588.600 Schreiben an den Weihnachtsmann, das Christkind und den Nikolaus ein. Das waren fast 9.000 mehr als im Vorjahr (knapp 579.900).

Die größte Weihnachtspostfiliale im brandenburgischen Himmelpfort erreichten den Angaben nach rund 277.200 Briefe (Vorjahr: 264.000). Auf den Plätzen zwei und drei folgen die Filialen im nordrhein-westfälischen Engelskirchen mit 126.000 und dem bayerischen Himmelstadt mit 71.000 Briefen. Zudem unterhielt die Post noch weitere Weihnachtspostfilialen in St. Nikolaus im Saarland (24.100 Briefe) sowie drei in Niedersachsen: in Himmelsthür (49.800 Briefe), Himmelpforten (34.000 Briefe) und Nikolausdorf (6.400 Briefe).

Die Wunsch-Post war dabei international. Allein in der Weihnachtspostfiliale Himmelpfort trafen Kinderbriefe aus 64 Ländern ein, wie es hieß. Rund 170 Helferinnen und Helfer sorgten dort dafür, dass jeder Brief, der eine Absenderadresse trägt, eine Antwort erhielt. Beantwortet wurden die Kinderbriefe in verschiedenen Sprachen und teilweise auch in Blindenschrift.

Hoch im Kurs standen bei den Kindern den Angaben zufolge klassisches Spielzeug wie Lego, Playmobil oder Bücher und Gesellschaftsspiele. Die älteren Kinder wünschten sich besonders oft Smartphones und Tablet-Computer. Aber auch Frieden auf der Welt oder Gesundheit für Familienmitglieder gehörten für viele auf den Wunschzettel, hieß es.



Zwölftes "British Shorts"-Kurzfilmfest zeigt mehr als 200 Beiträge

Das zwölfte Berliner Kurzfilmfestival "British Shorts" präsentiert vom 17. bis 23. Januar mehr als 200 Kurzfilme aus Großbritannien und Irland. Auf dem Programm stünden neben "unzähligen Screenings der besten aktuellen Kurzfilme" aus den beiden Ländern auch eine Retrospektive, Konzerte, Party, Talks, ein Filmworkshop und eine Ausstellung, teilte das Festival am 2. Januar in Berlin mit. Bei dem Festival sei jedes Genre vertreten, von Comedy, Drama und Animation über Thriller, Dokumentarfilm und Musikvideo bin hin zum Horror-Kurzfilm.

In der Retrospektive "The Origins of British Working Class Cinema" mit Filmen aus den 1930er bis 60er Jahren würden Themen aufgegriffen, die auch in der aktuellen Brexit-Debatte diskutiert würden, hieß es weiter. Festivalorte sind unter anderem das HAU Hebbel am Ufer und das Sputnik-Kino. Zum Abschluss sollen ein Jurypreis und ein Publikumspreis vergeben werden.



Film der Woche

Ben Is Back

An Weihnachten trifft Ben ganz unerwartet bei seiner Familie ein, die freudig, aber auch misstrauisch auf ihn reagiert. Denn Ben kommt aus dem Drogenentzug nach Hause. Er hat zwar den Drogen abgeschworen, und die Familie tut alles, damit er nicht in alte Verhaltensmuster zurückfällt. Seine Mutter Holly empfängt ihn aber mit offenen Armen. "Ben Is Back" ist eine leise, aber zunehmend dramatischer werdende Studie, in der Julia Roberts als Holly und Lucas Hedges als Ben die Gefühle ihrer Figuren fast ohne Worte vermitteln.

Ben Is Back (USA 2018). Regie und Buch: Peter Hedges. Mit:Julia Roberts, Lucas Heges, Courtney B. Vance, Kathryn Newton, Mia Fowler, Jakari Fraser. Länge: 103 Min. FBW: ohne Angabe.

Adam und Evelyn

Eine schwierige Liebesgeschichte aus dem Jahr 1989. Adam ist Fotograf in der DDR-Provinz. Nach einem Streit verlässt ihn seine Freundin Evelyn mit einer Freundin und einem Westler in Richtung Ungarn. Adam reist in seinem Wartburg 311, Baujahr 1961, dem Mercedes des Ostens, hinterher. Nach dem gleichnamigen Roman von Ingo Schulze hat Regisseur Andreas Goldstein seinen Film um Kabale und Liebe vor dem Hintergrund des sich anbahnenden Untergangs der DDR angesiedelt. Der Film verbindet das Private mit dem Politischen und ist auch als melancholischer Abschied von der DDR in Szene gesetzt, mit komischen und anrührenden Momenten.

Adam und Evelyn (Deutschland 2018). Regie: Andreas Goldstein. Buch: Andreas Goldstein, Jakobine Motz (nach dem Roman von Ingo Schulze). Mit Florian Teichtmeister, Anne Kanis, Lena Lauzemis, Christin Alexandrow. FSK: ohne Altersbeschränkung, ff. FBW: ohne Angabe.

Das Mädchen, das lesen konnte

Im Jahr 1851 werden die Männer eines provenzalischen Bergdorfes von Soldaten verschleppt. Die Frauen müssen trotz der Verzweiflung über die verlorenen Väter, Ehemänner und Söhne weitermachen. Gemeinsam bringen sie die Ernte ein und gewinnen neues Selbstvertrauen. Bis Jean, der sich als Schmied ausgibt, ins Dorf kommt. Mit minimalistischen und doch sinnlichen Mitteln hat Marine Francen ihr Drama inszeniert, das zu einer Studie wird über Begehren und Überlebenswillen von Frauen.

Das Mädchen, das lesen konnte (Frankreich 2017). Regie: Marine Francen. Buch: Jacques Fieschi, Marine Francen, Jacqueline Surchat. Mit Pauline Burlet, Alban Lenoir, Geraldine Paihas, Iliana Zabeth, Francoise Lebrun. Länge: 98 Min. FSK: ohne Angabe. FBW: ohne Angabe.

Polaroid

Als die stille Bird eine Polaroid-Kamera vom Flohmarkt geschenkt bekommt, ist die Freude groß. Doch spätestens, als sich die Hand einer Freundin spontan entflammt, wird Birds Clique klar, dass auf dem Apparat ein Fluch lastet, denn alle Menschen, die damit fotografierten, kamen auf tragische Art und Weise ums Leben. Am Rande des Films geht es auch um Mobbing und Missbrauch, doch der übernatürliche Horrorfilm von Lars Klevberg erschöpft sich in den Standardsituationen des Genres.

Polaroid (USA/Norwegen/Kanada 2018). Regie: Lars Klevberg. Buch: Blair Butler. Mit Kathryn Presott, Tyler Young, Madeleine Petsch, Katie Stevens. Länge: 88 Min. FSK: ohne Angabe. FBW: ohne Angabe.

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