Im Mordprozess gegen den früheren Krankenpfleger Niels Högel vor dem Landgericht Oldenburg haben am 4. Januar weitere Polizeibeamte über ihre Ermittlungsarbeit berichtet. Auffällig sei, dass frühere Kollegen Högels aus dem Klinikum Oldenburg stets mit einem vom Klinikum bezahlten Rechtsanwalt zu den Vernehmungen erschienen seien, sagten die Ermittler übereinstimmend. Oft sei der Eindruck entstanden, die befragten Zeugen hielten sich mit ihren Erinnerungen zurück. Die Zeugen aus dem früheren Krankenhaus Delmenhorst hätten dagegen sehr viel freier ihre Eindrücke geschildert (Az: 5Ks 1/18).

Laut Anklageschrift soll der ehemalige Krankenpfleger in den Jahren 2000 bis 2005 in den Kliniken Oldenburg und Delmenhorst 100 Patienten mit Medikamenten vergiftet haben, die zum Herzstillstand oder Kammerflimmern führten. Anschließend versuchte er, sie wiederzubeleben, um als rettender Held dazustehen.

Högel bei fast allen Notfällen zugegen

Eine Ermittlerin berichtete von Gerüchten und Spitznamen wie "Rettungs-Rambo", die laut Zeugenaussagen im Krankenhaus Delmenhorst kursierten. Eine frühere Kollegin habe es als auffällig empfunden, dass Högel bei fast allen Notfällen zugegen gewesen sei. Doch auch sie habe keinen konkreten Verdachtsfall benennen können.

Eine andere Pflegerin habe ausgesagt, dass Högel oft 20 Minuten früher zur Arbeit gekommen sei, um sich in den Patientenzimmern einen Überblick zu verschaffen, berichtete ein weiterer Polizist. Die Zeugin habe sich einmal einer Kollegin anvertraut. Diese habe ihr geraten, den Mund zu halten, solange sie keine Beweise habe. Als dann die ersten Pflegekräfte von der Polizei vernommen worden seien, habe ein Vorgesetzter zusätzlichen Druck ausgeübt. Also habe sie weiter geschwiegen.

Prozess wird am 22. Januar fortgesetzt

Der pensionierte Kriminalbeamte Manfred B. erzählte, wie er mit dem Fall Högel in Kontakt kam. Das Krankenhaus Delmenhorst habe Högel am 1. Juli 2005 wegen eines Todesfalles angezeigt. Bei seinen Ermittlungen sei er auf den sprunghaften Anstieg von Todesfällen und den enormen Mehrverbrauch des Medikaments Gilurytmal gestoßen. "Und bei 75 Prozent der Sterbefälle hatte Högel Dienst", sagte der Kripo-Beamte. Er habe nach Abschluss seiner Ermittlungen die Akten an die Staatsanwaltschaft weitergegeben mit dem Hinweis, dass er Högel für weitere Taten verantwortlich halte.

Im Dezember 2006 wurde Högel für diesen Fall zu fünf Jahren Haft wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und zu fünf Jahren Berufsverbot verurteilt. Allerdings musste er bis 2009 nicht ins Gefängnis, weil Revision eingelegt wurde. Weitere Ermittlungen wurden zu dem Zeitpunkt vonseiten der Staatsanwaltschaft trotz des Hinweises damals nicht betrieben.

Der Prozess wird am 22. Januar fortgesetzt. Dann sollen frühere Kollegen und Ärzte befragt werden. Högel hat im Verlauf des Prozesses, der Ende Oktober begonnen hatte, 43 Mordfälle eingeräumt. Fünfmal wies er die Anschuldigung zurück. An die weiteren Patienten könne er sich nicht erinnern, sagte er. Wegen weiterer Taten verbüßt Högel bereits eine lebenslange Haftstrafe.