Kenner vergleichen die Klasse seiner Instrumente gerne mit der Qualität der Stradivari-Geigen. Was der barocke Orgelbaumeister Arp Schnitger (1648-1719) geschaffen hat, fasziniert Musiker und Publikum bis heute. Etwa 170 Orgeln soll er neu gebaut oder wesentlich umgestaltet haben, etwa 30 sind noch erhalten. Sein 300. Todesjahr - das genaue Sterbe-Datum ist nicht bekannt - wird 2019 an der Küste zwischen Groningen und Hamburg mit Musikfestivals, Symposien und Exkursionen gefeiert. "Arp Schnitger war schon zu Lebzeiten eine Legende", sagt der Bremer Orgelprofessor Harald Vogel.

Die Musik galt zu Schnitgers Zeit als Vorstufe zum himmlischen Paradies, die Orgel selbst als Instrument zur Ehre Gottes. Deshalb wurde vielerorts auch nicht an Baumaterial und Ausstattung gespart, wenn es darum ging, die Kirche mit einer Orgel auszustatten. Das wirkt sich bis in die Gegenwart aus: Feines Zinn, gutes Leder und abgelagertes Holz ließen die Mechanik oft Jahrhunderte überdauern.

Pfeifen aus edelstem Material

In der Stader Cosmae-Kirche lieferte Schnitger sein Gesellenstück ab. Und in Lüdingworth bei Cuxhaven steht eine besonders prachtvolle Orgel aus seiner Werkstatt: Die reichen Marschenhöfe ließen sich hier in ihrem "Bauerndom" ein Instrument mit riesigen Pedaltürmen und 2.200 Pfeifen aus edelstem Material bauen. Die Tasten des Spieltisches sind teils mit Buchsbaum belegt, teils aus Ebenholz.

"Die Bauern an der Küste von Amsterdam im Südwesten bis Hamburg und dann weiter in den Raum nördlich von Ribe in Dänemark haben die allererste geschlossene Orgellandschaft der Welt geschaffen", schwärmt der Freiburger Musikwissenschaftlicher Konrad Küster. Dabei ging es nicht nur um Frömmigkeit, denn die Orgel war auch ein Statussymbol. Mit einem Instrument von Arp Schnitger sicherten sich die Bauern da am zuverlässigsten die neidvolle Anerkennung aus den Nachbarorten. Denn Schnitger, Tischlersohn aus der Wesermarsch, zählte europaweit zu den besten Orgelbauern.

Estaunliche Klangfülle

Das reiche Alte Land zwischen Stade und Hamburg sticht noch hervor, weil hier besonders viele Orgeln von Schnitger stehen. 1678 übernahm er nach dem Tod seines Lehrmeisters Berendt Hus dessen Werkstatt in Stade. Bereits vier Jahre später zog er nach Hamburg, um in der Hauptkirche St. Jacobi sein größtes Werk mit knapp 4.000 Pfeifen zu bauen. Von Hamburg aus exportierte er später seine Instrumente zunächst in den norddeutschen Raum und in die Niederlande, dann nach Russland, England, Spanien und Portugal. In Neuenfelde, heute ein Teil von Hamburg, wurde der Meister schließlich am 28. Juli 1719 begraben.

Nach Schnitgers Tod machten sich viele seiner Schüler selbstständig und konstruierten Orgeln im Stile ihres Meisters. Bis heute werden Instrumente von Schnitger weltweit bei großen Orgelneubauten als Vorbild genutzt. Und noch immer sind Musiker fasziniert vom Klang der Schnitger-Orgeln. Sie loben das harmonische Verhältnis von Grund- und Obertönen, die unterschiedlichsten Charaktere der Flöten, die zu einer erstaunlichen Klangfülle verschmelzen.

"Ich habe nie viel verlangt"

Das soll hörbar werden, wenn beispielsweise Groningen im Schnitgerjahr einlädt. Die Region dort wird gerne als "Orgeltuin van Nederland", als Orgelgarten der Niederlande bezeichnet, zehn Schnitger-Meisterwerke inklusive. Besondere Konzerte sind auch weiter östlich in Ostfriesland, im Elbe-Weser-Raum und in Hamburg geplant, das unter dem Motto "Hamburg zieht alle Register" feiert. Wer will, kann im Alten Land auf Exkursionen per Rad Orgeln entdecken oder im Rahmen von "Wandelkonzerten" von einer Kirche zur anderen und damit von einem Instrument zum anderen spazieren.

Ein zentraler niedersächsischer Festakt ist für den 2. Juni in der Georgskirche im ostfriesischen Weener geplant. Natürlich soll es ein Konzert an der dortigen Schnitger-Orgel geben. Aber auch ein eigens für das Jubiläum geschriebenes niederdeutsches Theaterstück wird aufgeführt. Unter dem Titel "Gliek un doch heel anners" (Gleich und doch ganz anders) beschäftigt sich das historische Spiel mit Schnitger und seinen Konkurrenten in Ostfriesland.

Ein "Schnitgerfest rund um die Kirche" lockt im Sommer nach Steinkirchen ins Alte Land. Die Arp-Schnitger-Gesellschaft in der Wesermarsch plant rund um die Taufkirche des Baumeisters in Golzwarden unter anderem ein internationales Orgelbauer-Symposium und eine Wanderausstellung zu Leben und Werk des Orgelbauers, der oft uneigennützig gehandelt hat. Schnitger schrieb über sich selbst: "Ich habe nie viel verlangt, sondern den Kirchen, wenn sie keine ausreichenden Mittel besaßen, zur Ehre Gottes die Orgel für den halben Preis gebaut."