sozial-Politik

Bundesregierung

Durchbruch bei Reform der Pflegeberufe




Altenpflege-Azubi mit einer Demo-Puppe
epd-bild/Werner Krüper
Nach monatelangem Ringen haben Union und SPD einen Kompromiss im Streit um die Reform der Pflegeberufe erreicht. Mit der neuen Ausbildung sollen die künftigen Pflegekräfte flexibel in verschiedenen Aufgabenfeldern einsetzbar sein.

Nach den neuen Plänen der Koalition soll es zwar wie geplant eine allgemeine Pflegeausbildung für alle Zweige geben, wie die SPD-Bundestagsabgeordneten Carola Reimann und Karl Lauterbach am 6. April in Berlin mitteilten. Nach zwei Jahren soll es aber auch möglich sein, sich separat als Kinderkranken- oder Altenpfleger ausbilden zu lassen. "Damit erreichen wir für die Auszubildenden die größtmögliche Entscheidungsfreiheit", erklärten Reimann und Lauterbach.

Hin zur generalistischen Ausbildung

Den Kompromiss hatten die Fachpolitiker der Koalitionsfraktionen, Georg Nüßlein (CSU) und Karl Lauterbach (SPD), bereits Ende März verhandelt. Erst jetzt gab die SPD aber grünes Licht für die Einigung.

Dem Vorschlag von Nüßlein und Lauterbach zufolge soll die bisherige Ausbildung zum Krankenpfleger in der jetzigen Form abgeschafft und durch die generalistische ersetzt werden. Wer sie drei Jahre lang durchläuft und erfolgreich abschließt, kann dann als Kranken-, Alten- oder Kinderkrankenpfleger arbeiten. Wer sich auf Alten- oder Kinderkrankenpflege festlegen möchte, kann nach zwei Jahren in einen spezialisierten Zweig einschwenken. Zudem kann die Ausbildung nach zwei Jahren auch mit dem Abschluss Pflegeassistent beendet werden.

Ziel ist es, die Pflegeausbildung für möglichst viele Schüler attraktiv zu gestalten. Mit der Reform soll auch das Schulgeld für die Ausbildung abgeschafft werden. Die Finanzierung für alle Ausbildungen soll über einen Fonds erfolgen. Bereits jetzt klagt die Pflegebranche über mangelnden Nachwuchs. Für die nächsten Jahre wird ein noch größerer Bedarf, wegen des demografischen Wandels vor allem in der Altenpflege erwartet.

Evaluation nach sechs Jahren

Die neuen Ausbildungsregeln sollen den Plänen der Koalition zufolge erstmals für die Ausbildungsjahrgänge ab 2019 gelten und nach sechs Jahren evaluiert werden. Haben sich dann mehr Alten- und Kinderkrankenpfleger für die generalistische anstelle der spezialisierten Ausbildung entschieden, soll der getrennte Abschluss abgeschafft werden. Letztlich entscheiden soll dann darüber der Bundestag.

Die Diakonie lobte den Kompromiss als großen Schritt zu einer generalistischen Pflegeausbildung und begrüßte vor allem die Evaluation nach sechs Jahren. Nach der praktischen Erprobung bestehe dann die Chance auf die Einführung einer echten generalistischen Pflegeausbildung, "für die sich die Diakonie Deutschland einsetzt", sagte Präsident Ulrich Lilie. Für die Schulen, die separate Abschlüsse anbieten müssen, bedeute der Kompromiss eine große organisatorische Herausforderung, sagte er.

Corinna Buschow


Pflegeausbildung

Hintergrund

Die Ziele der neuen Pflegeausbildung



Mit der Reform der Pflegeberufe hin zur sogenannten Generalistik sollen die bisher getrennten Ausbildungen in der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege in einer gemeinsame Ausbildung zusammengeführt werden. Künftig wird es nur ein Curriculum für alle Zweige geben. Nach zwei Jahren soll es dann aber möglich sein, sich separat als Kinderkranken- oder Altenpfleger ausbilden zu lassen. Vor allem diese Ziele werden mit der Reform angestrebt:

- Die pflegerischen Kompetenzen sollen erweitert werden: Eine berufsfeldübergreifende Ausbildung ermöglicht professionellere Pflege. Sämtliche pflegerischen Settings und die Versorgung von Menschen in allen Altersstufen werden vermittelt, um im Job später den unterschiedlichsten Anforderungen gewachsen zu sein.

- Die horizontale Durchlässigkeit innerhalb der verschiedenen Pflegeberufe soll einfacher werden: Pflegekräfte können derzeit gar nicht oder nur sehr schwer das Arbeitsfeld wechseln, zum Nachteil sowohl der Arbeitgeber als auch der Pflegekräfte. Künftig wird es für Fachkräfte leichter, zwischen den verschiedenen Arbeitsfeldern zu wechseln.

- Die Attraktivität des Berufes soll steigen: Junge Menschen, so die Hoffnung der Experten, würden wegen der größeren Einsatzmöglichkeiten und der neuen Flexibilität leichter für diesen Beruf zu gewinnen sein. Das Pflegeberufegesetz ist also auch eine Maßnahme gegen den drohenden Fachkräftemangel.

- Die Reform soll die Antwort sein auf die Herausforderungen der Demografie: Die Versorgungsbedarfe ändern sich, weil die Bürger immer älter werden. Mehr gut ausgebildetes Pflegepersonal wird in Zukunft mehr denn je gebraucht.

Das Projekt wird bereits seit über zehn Jahren vorbereitet und ist in der Pflegebranche heftig umstritten. Denn unklar sind nicht nur die Folgen dieser Neukonzeption für die einzelnen Tätigkeitsfelder wie etwa die Altenpflege. Auch müssen das künftige Kompetenzprofil des Pflegeberufes entwickelt und die Inhalte und Strukturen einer modernen Pflegeausbildung festgelegt werden.

Bedenken gegen die Pläne kommen vor allem aus den Verbänden der Altenpflege, die fürchten, künftig nicht mehr genug Pflegepersonal für ihre Heime zu finden, wenn die Altenpflegeausbildung in der heutigen Form abgeschafft wird. Die Träger haben auch deshalb Sorgen, weil die die Stellen in den Krankenhäusern als attraktiver gelten und auch besser bezahlt werden.

Dirk Baas


Pflege

100 Tage Pflegereform: Erleichterung und Enttäuschung




"Flurtanz" für Demenzpatienten
epd-bild/Jörn Neumann
Die zu Beginn des Jahres in Kraft getretene Pflegereform hat vielen Menschen, die zu Hause gepflegt werden, finanziell geholfen. Doch Heimbewohner hatten sich oftmals mehr erhofft.

Jeden Morgen steht Rita Riegel um fünf Uhr auf, um noch vor der Arbeit ihre Großmutter zu versorgen: Waschen, Anziehen und Frühstück machen. Bis vor kurzem ging die Enkelin danach manchmal mit einem mulmigen Gefühl aus dem Haus. Denn manchmal musste sie die demente Seniorin den ganzen Tag alleine lassen. Seit Inkrafttreten der Pflegereform ist das anders. Rita Riegel kann es sich nun leisten, ihre Oma an vier statt bisher drei Tagen pro Woche in einer Tagespflegeeinrichtung unterzubringen.

"Das hat mir sehr geholfen", sagt Rita Riegel, die 30 Stunden pro Woche als Schulsekretärin arbeitet. Als einzige nahestehende Angehörige pflegt sie die Großmutter alleine. Diese profitiert nun von der Einführung der neuen fünf Pflegegrade, die dementielle Erkrankungen besser berücksichtigen als das alte, dreistufige Modell. Die 91-Jährige wurde mit Inkrafttreten der Pflegereform zum Jahresanfang von Pflegestufe 1 auf Pflegegrad 3 hochgestuft und erhält nun statt 244 Euro monatlich 545 Euro Pflegegeld.

"Wir haben jetzt eine Warteliste"

"Die Pflegereform hat sich für viele Angehörige positiv ausgewirkt", beobachtet auch Monika Muhic-Brose, Leiterin der Bonner Tagesbetreuung der Evangelischen Frauenhilfe im Rheinland. Ihre Tagespflegeeinrichtung habe Anfang des Jahres sieben Neuzugänge bekommen, vier Gäste hätten um ein oder zwei Tage aufgestockt. "Jetzt haben wir eine Warteliste."

Nach Erwartungen des Bundesgesundheitsministeriums werden durch die Pflegereform zusätzlich rund 500.000 Menschen finanzielle Unterstützung erhalten. Genau da sieht Hans-Jürgen Freter von der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft die Schwierigkeit. Die Reform sei gut. "Aber das Problem ist der Pflegenotstand." Mit der Pflegereform sei eine verstärkte Nachfrage nach Pflegeleistungen zu erwarten. Doch es werde möglicherweise nicht gelingen, diese auch zu befriedigen, weil schon jetzt Pflegekräfte fehlten.

Herbert Mauel, Geschäftsführer des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (bpa), erwartet, dass sich die Qualität der Pflege und Betreuung, vor allem für Heimbewohner, durch die Reform nicht unbedingt verbessern wird. "Die Heime sind das Stiefkind der Reform", kritisiert er. Der Grund: "Den Heimbewohnern steht zwar etwas mehr Geld zur Verfügung, nicht aber den Heimen." Für die Einrichtungen habe es keine spürbaren strukturellen Verbesserungen gegeben.

Verunsicherung in den Heimen

"Bei vielen Pflegeheimbewohnern hat die Umstellung auf die neuen Regelungen für Verunsicherung gesorgt", beobachtet Catharina Hansen von der Verbraucherzentrale NRW. Verwirrung sei vor allem durch die Einführung des sogenannten einrichtungseinheitlichen Eigenanteils entstanden. Diese Änderung bedeutet, dass nun innerhalb einer Einrichtung jeder Heimbewohner denselben Eigenanteil für pflegerische Leistungen zahlt. Bis Ende vergangenen Jahres war das anders. Da wurde Bewohnern mit niedriger Pflegestufe deutlich weniger Eigenanteil für die Pflege berechnet als stark pflegebedürftigen Menschen.

Dieser finanzielle Vorteil für Heimbewohner mit wenig Pflegebedarf fällt nun durch die Vereinheitlichung weg. Der Eigenanteil für Heimbewohner, die mit wenig Hilfe auskommen, ist also gestiegen. Die Mehrkosten übernimmt zwar die Pflegekasse. Denn Menschen, die schon seit vergangenem Jahr im Heim wohnen, haben einen Bestandsschutz. Aber viele Heime haben die Preise für Unterkunft und Verpflegung erhöht. Und diese Steigerungen müssen die Heimbewohner selbst tragen. Das sorge für Verwirrung, sagt Hansen.

Zumal es Fälle gebe, in denen die Heime die Entgelte und damit den Eigenanteil für Leistungen sogar drastisch erhöht hätten, sagt Ulrike Kempchen von der Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen (BIVA) in Bonn. "Wir haben in Einzelfällen Gesamterhöhungen bis zu 20 Prozent gesehen."

Für pflegende Angehörige wie Rita Riegel gibt es indes deutliche Verbesserungen. Sie konnte nicht nur die Tagespflege für die Großmutter aufstocken. Außerdem hat die 54-Jährige nun auch Anspruch auf zusätzliche Beiträge zur Rentenversicherung. Und sie ist froh, dass sich auch die Leistungen für Kurzzeit- und Verhinderungspflege verbessert haben, so dass sie im Sommer sorgenfrei Urlaub machen kann. "Das ist endlich mal eine Anerkennung für das, was ich leiste."

Claudia Rometsch


Bundesregierung

Untergrenze für Pflegepersonal in Krankenhäusern beschlossen



In besonders sensiblen Krankenhausbereichen soll von 2019 an eine Untergrenze für das Pflegepersonal gelten. Das Bundeskabinett beschloss am 5. April in Berlin eine entsprechende Vorlage von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU). Demnach sollen sich der Spitzenverband der Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft bis zum 30. Juni 2018 auf eine Mindestzahl von notwendigen Pflegekräften verständigen. Gelingt dies nicht, legt das Gesundheitsministerium die Personaluntergrenze mit Wirkung zum 1. Januar 2019 fest.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) erklärte, "sich konstruktiv in den Prozess einzubringen". Sie forderte aber Ausnahmeregelungen für Untergrenzen, damit die Krankenhäuser flexibel auf Sondersituationen wie etwa Personalausfälle durch Krankheiten reagieren und auch vorübergehende Vakanzen in einzelnen Abteilungen berücksichtigen könnten. Die DKG räumte ein, dass viele Stellen in den Kliniken nicht besetzt seien.

Eine gute Pflege könne nur mit einer angemessenen Personalausstattung gelingen, erklärte Gröhe. Die Regelung soll für Bereiche gelten, in denen genug Personal besonders wichtig für die Sicherheit der Patienten ist, beispielsweise auf Intensivstationen oder in Nachtschichten. Die Verhandlungen von Kassen und Krankenhäusern sollen von Vertretern des Bundesgesundheitsministeriums begleitet werden.

Die zuständigen Behörden sollen über die Einhaltung der Personaluntergrenzen informiert werden. Gröhe stellt den Trägern im Gesundheitswesen zudem mehr Geld für das Pflegepersonal in Aussicht. Ab 2019 soll der bislang bereits gezahlte Pflegezuschlag in Höhe von 500 Millionen Euro pro Jahr auf 830 Millionen Euro jährlich anwachsen. Die Regelung zur Personaluntergrenze soll den Angaben zufolge im Gesetz zur Modernisierung der epidemiologischen Überwachung übertragbarer Krankheiten ergänzt werden, über das der Bundestag bereits berät.

Die Grünen kritisierten den Kabinettsbeschluss als "dürftigen Versuch der Koalition, kurz vor den Wahlen noch ein paar Wohltaten zu verteilen". Damit würden jedoch die "massiven Personalprobleme" in den Kliniken nicht gelöst.



Senioren

Interview

Ministerin: "Projekt Gemeindeschwester plus soll ausgebaut werden"




Sabine Bätzing-Lichtenthäler
epd-bild/Andreas Schölzel
Seit 2015 testet Rheinland-Pfalz in sechs Landkreisen und drei kreisfreien Städten den Einsatz einer modernen Version der Gemeindeschwester. Landessozialministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) zog erste Zwischenbilanz.

Die Gemeindeschwestern besuchen hochbetagte Menschen, die noch keine Pflegehilfen in Anspruch nehmen, und beraten sie, wie sie möglichst lange ein selbstständiges Leben führen können. Im Interview über die "Gemeindeschwester plus" zeigte sich Ministerin Bätzing-Lichtenthäler mit dem Zwischenergebnis nach 1,5 Jahren hochzufrieden. Mit ihr sprach Karsten Packeiser.

epd sozial: Bei Ihrem Modellprojekt Gemeindeschwester plus ist gerade so etwas wie die erste Halbzeit vorüber. Wie bewährt sich die Idee im Alltag?

Sabine Bätzing-Lichtenthäler: Die vorliegenden Daten, Auswertungen, Erkenntnisse und Erfahrungen zeigen bereits eindrucksvoll, dass ohne Ausnahme in allen neun Modellkommunen das Projekt Gemeindeschwester plus in vollem Umfang und weitgehend wie geplant etabliert werden konnte. Die Gemeindeschwester plus soll nicht pflegen, keine Aufgaben übernehmen, die normalerweise von den ambulanten Diensten oder von den Pflegestützpunkten übernommen werden.

epd: Sondern?

Bätzing-Lichtenthäler: Sie soll sich wirklich kümmern und für die alten Menschen als Ansprechpartnerin da sein, einen Beitrag zum Kampf gegen Einsamkeit leisten. Sie soll eine Lotsenfunktion übernehmen und auf vorhandene Angebote hinweisen, aber auch den Kommunen eine Rückmeldung geben, ob diese Angebote ausreichen.

epd: Kommt das Angebot tatsächlich an?

Bätzing-Lichtenthäler: Ja, nach anderthalb Jahren kann man sagen, dass all das auch genau so erfüllt wird. Von den Gemeindeschwestern wurden vor Ort auch Seniorentreffs organisiert, ein rollender Mittagstisch oder Bewegungsangebote.

epd: Selbst in den teilnehmenden Kommunen ist längst nicht überall bekannt, dass es jemanden gibt, der hochbetagte Menschen zu Hause berät. Wie sorgen die Gemeindeschwestern plus dafür, dass wirklich alle von ihnen wissen?

Bätzing-Lichtenthäler: Das ist vor Ort ganz unterschiedlich: Einige Gemeindeschwestern haben alle Hochbetagten im Alter über 80 Jahren angeschrieben. Andere sind vor allem zu den Hausärzten gegangen und haben sich dort vorgestellt, damit die Ärzte sie ihren Patienten weiterempfehlen. Manche Gemeindeschwestern sind auch gezielt zu Seniorennachmittagen gegangen. Da waren dann zwar nicht die Seniorinnen und Senioren, die sie erreichen wollten, aber deren Nachbarn. Das Vertrauen zu gewinnen, ist in der Tat die schwierigste Schwelle. Eine Anzeige im Mitteilungsblättchen reicht da nicht.

epd: Was passiert, wenn das Modellprojekt 2018 ausläuft?

Bätzing-Lichtenthäler: Unser Ziel ist es, die Arbeit nach Möglichkeit nahtlos weiterzuführen und Schritt für Schritt auszubauen. Dazu müssen wir ins Gespräch mit den Kostenträgern kommen. Der Evaluationsbericht wird nach meiner Überzeugung Belege dafür liefern, dass die Gemeindeschwester plus präventive Pflegearbeit leistet und damit auch dem Solidarsystem der Pflegeversicherung zugutekommt.

epd: Das müssen Sie erläutern.

Bätzing-Lichtenthäler: Die Gemeindeschwestern können helfen, Pflege zu verhindern oder Pflegebedürftigkeit hinauszuzögern. Im Moment übernimmt das Land die Kosten zu 100 Prozent, und das werden wir nicht leisten können, wenn wir das Projekt auf alle Kommunen ausweiten wollen. Wenn uns es gelingt, eine Vereinbarung zu finden, wird Rheinland-Pfalz viele Nachahmer bekommen.



Leiharbeit

Zwischen Gerechtigkeit und moderner Sklaverei




In der Fleischindustrie ist Leiharbeit besonders verbreitet.
epd-bild/Gustavo Alàbiso
Bundesweit gibt es rund eine Million Leiharbeiter. Für die meisten bedeutet dies dauernde Unsicherheit und geringer Lohn. Zum 1. April trat ein Gesetz in Kraft, das ihre Situation verbessern soll. Doch Kritiker sprechen weiter von moderner Sklaverei.

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) verspricht den rund eine Million Leiharbeitern in Deutschland höheren Lohn und bessere Arbeitsbedingungen. Sie sieht mit dem neuen Arbeitnehmerüberlassungsgesetz die Rechte der bisher nur schlecht geschützten Leiharbeiter gestärkt. Es sei nicht länger hinnehmbar, "dass Arbeit durch Missbrauch bei Leiharbeit und Werkverträgen entwertet wird", sagte sie im Bundestag. Mit dem neuen Gesetz, das am 1. April in Kraft trat, "schieben wir dem einen Riegel vor". Das sehen nicht alle so, von Gewerkschaften gibt es Kritik.

An Bedürfnisse der Wirtschaft angepasst

Worum geht es? Um Produktionsspitzen und spezialisierte Aufgaben zu bewältigen, sind Leiharbeiter aus dem heutigen Wirtschaftsleben nicht mehr wegzudenken. Sie arbeiten in der Metallindustrie, auf Werften oder in der Fleischindustrie, etwa als Zerleger von geschlachteten Schweinen. In der Regel verdienen sie deutlich schlechter als die Stammbelegschaft und können von heute auf morgen in einem anderen Unternehmen eingesetzt werden.

Das war nicht immer so. Bis 1967 war es sogar verboten, Menschen an Firmen auszuleihen und dafür einen Teil des Lohnes einzubehalten. Erst 1972 wurde vom Bundestag das erste Gesetz zur Überlassung von Arbeitskräften verabschiedet. In den Folgejahren wurde es stetig reformiert und an die Bedürfnisse der Wirtschaft angepasst. Nach Schätzungen von Experten gibt es bundesweit heute mehr als 10.000 Zeitarbeitsfirmen.

Ein zentraler Punkt im neuen Gesetz ist der Grundsatz "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit". Spätestens nach neun Monaten soll ein Leiharbeiter genauso viel verdienen wie sein Kollege aus der Stammbelegschaft, es sei denn, die Entleiher und Verleiher haben sich an einen Tarifvertrag gebunden. Dann können sie unter bestimmten Umständen vom Gesetz abweichen.

Warnung vor Schlupflöchern

Geschickte Firmen können die angestrebte Lohngleichheit jedoch umgehen. In einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages warnen die Experten vor Schlupflöchern: "Tatsächlich bleibt nach dem Gesetzentwurf eine Rotationslösung denkbar, wenn ein Verleiher beispielsweise zwei Leiharbeitnehmer halbjährlich wechselnd in zwei Entleih-Betrieben einsetzt", zitierte die "Süddeutsche Zeitung" bereits im Oktober aus dem Gutachten.

Für Matthias Brümmer von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) in Oldenburg wird sich für viele Leiharbeiter mit dem Gesetz das Problem nur verschieben. "Zwar wird die Leiharbeit massiv zurückgehen - aber dafür wird die Zahl der Werkverträge im gleichen Ausmaß zunehmen." Während bei der Leiharbeit Menschen auf Zeit an einen Betrieb überlassen werden, werden bei Werkverträgen für bestimmte Leistungen feste Summen vereinbart.

Brümmer geht davon aus, dass gerade in der in Niedersachsen starken Fleischverarbeitungsbranche Subunternehmen mit den Zerlegebetrieben mehr Werkverträge aushandeln werden. Dann bliebe dem Arbeitnehmer wieder nur der Mindestlohn, von dem er größte Teile für Transport, Arbeitsgeräte und Unterkunft an seinen Chef abführen muss, sagt Brümmer. Der frühere katholische Prälat Peter Kossen aus Cloppenburg geißelte dieses Gebaren der Subunternehmen in der Fleischindustrie immer wieder als "moderne Sklaverei".

80 Prozent haben einen Werkvertrag

Gerade in der Fleischindustrie wird der mögliche Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen besonders deutlich. In vielen Betrieben liegt der Anteil der Werkvertragsbeschäftigten bei 80 Prozent. Kenner der Branche gehen davon aus, dass es allein in Niedersachsen rund 20.000 Leiharbeiter und 40.000 Werkvertragsarbeiter gibt.

"Das Gesetz geht in die richtige Richtung, führt die Leiharbeit auf ihre Kernfunktion zurück und stellt wichtige Weichen in der Bekämpfung des Missbrauchs von Werkverträgen", sagte Niedersachsens Wirtschafts- und Arbeitsminister Olaf Lies (SPD) dem Evangelischen Pressedienst (epd). Doch auch er rechnet damit, dass es einige Zeit braucht, bis die Änderungen greifen: "Unser Ziel muss es sein, den Anteil der Werkvertragsbeschäftigten zurückzufahren und den Anteil der Stammbelegschaft zu erhöhen."

Jörg Nielsen


Bundesregierung

Nahles kündigt Joboffensive für Langzeitarbeitslose an



Mit einer neuen Joboffensive will Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) 100.000 Langzeitarbeitslose in Beschäftigung vermitteln. Für das Programm ist eine Anschubfinanzierung im ersten Jahr von zwei Milliarden Euro vorgesehen, kündigte Nahles am 31. März in Dortmund an. In den weiteren Jahren koste die Förderung den Staat jeweils rund 1,3 Milliarden Euro. Zielgruppe der Initiative sind Menschen, die seit acht Jahren oder länger keinen Arbeitsplatz mehr haben.

Im ersten Jahr werden die Stellen vollständig von der öffentlichen Hand gefördert. In den Folgejahren soll der Zuschuss um jeweils zehn Prozent sinken. Die höchste mögliche Förderdauer liegt bei fünf Jahren.

Nahles knüpft damit an das bisherige Programm "Soziale Teilhabe" an, bei dem die finanzielle Unterstützung auf drei Jahre und die Anzahl der Teilnehmer auf 20.000 begrenzt ist. Darüber hinaus ist bei der neuen Joboffensive ein Coaching für die Langzeitarbeitslosen verpflichtend, die wieder eine Stelle vermittelt bekommen haben. Die Begleitung muss mindestens ein Jahr dauern, kann aber verlängert werden und wird vom Bund übernommen. Die Flankierung sei wichtig, um die Wiederaufnahme in den Arbeitsmarkt zu unterstützen und Abbrüche zu verhindern, sagte Nahles.

Eine Voraussetzung für die Förderung ist, dass die Stellen sozialversicherungspflichtig sind. Die Jobs können sowohl in sozialen Einrichtungen als auch in Unternehmen oder bei Kommunen gefördert werden, erläuterte Nahles.

Ziel sei es, den betroffenen Menschen wieder eine berufliche Perspektive zu geben, damit sie Würde und Anerkennung finden, sagte die Arbeitsministerin. Auch wenn der Arbeitsmarkt derzeit gut da stehe, gebe es doch gerade bei der großen Gruppe der Langzeitarbeitslosen Handlungsbedarf. Es sei zwar gelungen, die Zahl der Menschen, die länger als ein Jahr ohne feste Stelle sind, von 1,7 Millionen im Jahr auf inzwischen unter eine Million zu senken. Jeder Langzeitarbeitslose sei jedoch einer zu viel. Im Juni 2016 war ein Viertel aller erwerbsfähigen Leistungsberechtigten im Bereich der Arbeitslosenhilfe II acht Jahr und länger ohne Arbeit.



Ausbildung

Institut: Akademiker sind die Gewinner am Arbeitsmarkt



Akademiker sind nach Einschätzung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung "ganz klar die Gewinner am Arbeitsmarkt". Nach Angaben der Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit ist das Risiko, arbeitslos zu werden, für Hochschulabsolventen deutlich geringer als für die übrigen Beschäftigten. Im Jahr 2015 betrug die Arbeitslosenquote von Akademikern 2,4 Prozent, wie das Nürnberger Institut am 5. April in Berlin mitteilte. Die Arbeitslosenquote für alle Beschäftigten habe dagegen bei 6,6 Prozent gelegen, für Ungelernte sogar bei 20,3 Prozent.

Dasselbe Bild liefert ein Vergleich der Brutto-Verdienste von Beschäftigten. Während Akademiker über ihr Erwerbsleben hinweg den Angaben zufolge durchschnittlich fast 2,4 Millionen Euro verdienen, erreichten Absolventen einer beruflichen Ausbildung im Mittel etwa 1,5 Millionen Euro. Ohne abgeschlossene Berufsausbildung erzielten Beschäftigte im Durchschnitt ein Brutto-Lebensentgelt von 1,2 Millionen Euro.

"Wir sehen auch im Zeitverlauf keine Entwertung von höheren Bildungsabschlüssen", sagte Forschungsdirektor Joachim Möller in Berlin. Der seit Jahrzehnten anhaltende Trend zur Höherqualifizierung sei ungebrochen, Entwicklungen wie die Digitalisierung verstärkten das eher. Es gebe daher keinen Grund, vor der Aufnahme eines Studiums zu warnen, sagte Möller.



Parteien

Schwesig fordert 300 Euro im Monat für "Familienarbeitszeit"



Bundesfamilienministerin Schwesig (SPD) fordert für Familien mit Kindern eine zusätzliche finanzielle Unterstützung vom Staat. Wenn beide Elternteile Arbeitszeit reduzieren, sollen sie jeweils 150 Euro Familiengeld erhalten.

Die stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Manuela Schwesig sieht Eltern kleiner Kinder einer hohen Belastung ausgesetzt. So seien sie durch ihre Kinder sowie ihren Beruf stark gefordert und teilweise kümmerten sie sich auch noch um ihre betreuungsbedürftigen Eltern, sagte sie am 3. April in Berlin. Um ihnen den "Spagat zwischen Arbeit und Familie" zu erleichtern, schlug Schwesig ein Familiengeld vor, mit dem die "Familienarbeitszeit" vergütet werden soll. Die Arbeitgeberverbände lehnten den Reformplan umgehend ab.

"Familiengeld" auch für Alleinerziehende

Nach dem Vorschlag, mit dem Schwesig in der Regierungskoalition mit der CDU bereits vor Jahren gescheitert ist, sollen Eltern jüngerer Kinder, wenn sie beide zwischen 26 und 36 Wochenstunden arbeiten, ein Familiengeld in Höhe von 300 Euro monatlich erhalten. Jeweils 150 Euro für die Mutter und für den Vater.

Das Familiengeld sollen sie maximal 24 Monate lang bekommen – für Kinder, die jünger als acht Jahre sind. Auch Allein- oder getrennt Erziehende sollen das Familiengeld erhalten. Die Familienzeit kann auch in zwei Abschnitte geteilt werden und ein Teil des Familiengeldes später in Anspruch genommen werden.

Wer sich von der Erwerbsarbeit für die Pflege von Angehörigen freistellen lässt, soll für drei Monate Auszeit einen Lohnersatz erhalten, das in der Höhe des Elterngeldes entspricht. Das Elterngeld beträgt zwischen 65 und 100 Prozent des in den letzten zwölf Monaten vor dem Entbindungstermin erzielten Nettoeinkommens und ist auf höchstens 1.800 Euro monatlich begrenzt.

BDA gegen "neue Ansprüche"

Auch für die Pflege soll es nach Schwesigs Vorstellung ein Familiengeld geben: Wer Arbeitszeit reduziert und zwischen 26 und 36 Stunden arbeitet, erhält 150 Euro monatlich für bis zu 24 Monate. Zwei Angehörige können dies in Anspruch nehmen. Außerdem gilt auch hier: Wer Arbeitszeit reduziert und zwischen 26 und 36 Stunden arbeitet, erhält 150 Euro monatlich für bis zu 24 Monate. Zwei Angehörige wie etwa Geschwister können dies in Anspruch nehmen.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) erklärte einen weiteren "starren gesetzlichen Anspruch auf Freistellung von Arbeit" für überflüssig. "Wir brauchen mehr Ganztagskitas und Ganztagsschulen, statt neuer Ansprüche", sagte BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter zu dem Vorschlag aus der SPD. Das ermögliche Eltern viel besser, Familie und Beruf zu vereinbaren.

Die Arbeiterwohlfahrt begrüßte die Pläne, kritisierte aber, dass verheiratete Paare nur dann Familiengeld erhalten sollen, wenn beide Partner für die Kinderbetreuung Arbeitszeit reduzieren. Aufgabe von Familienpolitik sei es nicht, nur ein Lebens- oder Familienmodell, erklärte der AWO-Bundesvorsitzende Wolfgang Stadler. "Wenngleich davon auszugehen ist, dass eine partnerschaftliche Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf das Leitbild oder Ziel vieler Familien ist, so muss es doch auch andere Varianten geben können, familiale Fürsorge zu erbringen - und auch diese bedürfen der Unterstützung des Staates", sagte er.

Markus Jantzer


Familie

Gut verdienende Frauen bevorzugen getrennte Kassen in der Ehe



Gut verdienende Frauen bevorzugen in der Ehe laut einer Studie getrennte Kassen. Zwar verwalteten die meisten Paare ihr Einkommen zusammen, teilte die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung am 5. April in Düsseldorf mit. Bei Paaren mit getrennten Kassen sei aber das Einkommen der Frau in der Regel deutlich höher als bei gemeinsam wirtschaftenden Paaren. Nach Ansicht der Sozialwissenschaftlerin Yvonne Lott deutet das darauf hin, dass Frauen finanzielle Unabhängigkeit anstreben, wenn sie die Möglichkeit dazu haben.

Lott hat den Angaben zufolge Daten von rund 2.900 heterosexuellen Paaren aus den Jahren 2004, 2005 und 2008 ausgewertet. Danach verwalten etwa drei Viertel der befragten Paare ihr Geld gemeinsam, 15 Prozent unabhängig voneinander und neun Prozent zum Teil getrennt. Deutliche Unterschiede gebe es dabei zwischen verheirateten und nicht verheirateten Paaren, hieß es. Von den nichtehelichen Lebensgemeinschaften wirtschafte weniger als ein Drittel gemeinsam, bei den Ehepaaren sind es hingegen 83 Prozent. Die Geburt eines Kindes habe dagegen keinen messbaren Einfluss.

Von großer Bedeutung ist der Analyse zufolge außerdem das Einkommen der Frau: Bei Paaren mit getrennter Kasse sei es im Schnitt fast doppelt so hoch wie bei denen, die ihre Finanzen gemeinsam verwalten. Lott schließt daraus, dass Frauen in einer Beziehung stark an finanzieller Unabhängigkeit interessiert sind und diesen Wunsch realisieren, sobald sie es sich leisten können. Die Wissenschaftlerin vermutet als Grund, dass in traditionellen Partnerschaften bei einem gemeinsamen Konto oft der Mann einseitig die Kontrolle über die Finanzen ausübe.



Bundesregierung

Ehe nur noch ab 18




Eheringe
epd-bild/Andrea Enderlein
Ehen von Minderjährigen soll es in Deutschland nicht mehr geben. Das Bundeskabinett hat ein entsprechendes Gesetz auf den Weg gebracht. Es argumentiert mit dem Kindeswohl. Verbände sehen das mit der Neuregelung in Einzelfällen aber auch gefährdet.

In Deutschland sollen Ehen von Minderjährigen künftig in aller Regel verboten sein. Das Bundeskabinett beschloss am 5. April einen Gesetzentwurf, der vor allem auf im Ausland geschlossene Ehen mit jungen Mädchen zielt. Auch unter 16-Jährige seien betroffen, erklärte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), aus dessen Haus die Regelung stammt. Ehen so junger Minderjähriger sollen künftig pauschal für nichtig erklärt werden. Bei 16- und 17-Jährigen sollen Familiengerichte die Ehen nach einer Anhörung aufheben, wobei in besonderen Fällen Ausnahmen zugelassen werden. Menschenrechtler und Kinderrechtsorganisationen begrüßten zwar den Entwurf im Grundsatz. Gegen den Plan, Ehen von Kindern ohne Prüfung für nichtig zu erklären, erheben sie aber Einwände.

Eine pauschale Nichtigkeitserklärung habe große Rechtsunsicherheiten zur Folge, erklärte das Deutsche Institut für Menschenrechte. Die Aufhebung auch bei unter 16-Jährigen nach einem Verfahren vor einem Familiengericht hätte den Vorteil, dass Rechte, die sich für Eheleute und die in der Ehe gezeugten Kinder ergeben, bestehen blieben. Das Deutsche Kinderhilfswerk äußerte sich ähnlich und verwies auf Unterhalts- und Erbschaftsansprüche. "Ob die Aufhebung der Ehe dem Kindeswohl dient, kann nur in einem gerichtlichen Verfahren festgestellt werden", erklärte auch die Rechtspolitikerin der Grünen, Katja Keul.

Auch die Caritas ist skeptisch. Eheschließungen könnten im Ausland vielfältige Ursachen haben. Ein Grund sei beispielsweise Krieg im Herkunftsland, so dass die Ehe verbunden sei mit der Hoffnung auf Schutz und materielle Versorgung der Frauen. Eine Nichtigkeitserklärung könne den Verlust von Sicherheit und Ausgrenzung der betroffenen Frauen bedeuten. Der Unabhängige Missbrauchsbeauftragte Johannes-Wilhelm Rörig sieht dagegen in den Plänen vor allem einen Schutz für Minderjährige: "Ehe darf kein Freibrief sein, um Sex mit Minderjährigen zu rechtfertigen", sagte er.

Justizminister Maas erklärte, das Wohl der betroffenen Minderjährigen solle im Mittelpunkt stehen. Gleichzeitig betonte er: "Kinder gehören nicht vor das Standesamt und auch nicht an den Traualtar."

Mit dem Gesetzentwurf wird auch im deutschen Recht das Ehemündigkeitsalter auf 18 Jahre heraufgesetzt. Bislang mögliche Ausnahmen für Jugendliche ab 16 sind dann nicht mehr erlaubt. Die Aufhebung von im jüngeren Alter geschlossenen Ehen soll auch für im Ausland eingegangene Ehen gelten. Zudem sieht Maas ein Verbot für Fälle vor, in denen trotz des Verbots der staatlichen Ehe eine Heirat etwa im Rahmen einer religiösen Zeremonie vollzogen wird. Solche Trauungen sollen mit einem Bußgeld geahndet werden können. Das Gesetz soll nach den Plänen der Koalition noch vor der Sommerpause im Bundestag verabschiedet werden.

Corinna Buschow


Kosovo

Abschiebung

Aus dem Paradies in den Albtraum




Roma-Familien im Lager Gesim Luk im Kosovo.
Fast jeder abgeschobene Kosovare will wieder zurück, wenn er nur könnte. Deutschland sei das "Paradies". Ein Land, in dem es Arbeit gibt und Gesetze eingehalten werden. In ihrer Heimat stehen die meisten Rückkehrer vor dem Nichts.

Was die Zukunft bringt? "Nur Gott weiß es", sagt Baki Mutishi und hebt ratlos die Hände zum Himmel. Läuft es schlecht, verliert der 60-Jährige bald wieder sein zu Hause. Dann landet die achtköpfige Familie auf der Straße und muss sehen, wie sie ein neues Dach über den Kopf bekommt.

Ihr Vermieter will das unverputzte Haus in der Roma Marhalla, dem Romaviertel in der nordkosovarischen Stadt Mitrovica, verkaufen. "8.000 Euro will er dafür haben, völlig illusorisch für uns", sagt Mutishis Tochter Jaldez in fließendem Deutsch. Die 26-Jährige ist die einzige in der Familie mit einem regelmäßigen Einkommen. Als Mitausbilderin von Roma-Frauen zu Friseurinnen bei der Diakonie Kosova erhält sie monatlich 100 Euro.

Steigende Preise, kaum Einkommen

Der Vater ist arbeitslos, die Mutter schwer herzkrank und die beiden Brüder sammeln nach Kilopreis Plastikflaschen. An guten Tagen bringen sie drei Euro mit nach Hause, an schlechten weniger oder gar nichts. Ein Busticket kostet 50 Cent und die Lebensmittelpreise im Kosovo sind deutlich höher als in Deutschland.

Auch die Strompreise in dem Westbalkanland sind seit der Privatisierung des Energiesektors für arme Menschen kaum noch bezahlbar. Medizinische Versorgung gibt es nur gegen Bares. Eine Krankenversicherung hat das Land nicht.

Dabei hat die Familie Mutishi schon bessere Zeiten gehabt. Viele Jahre lebten sie als Asylbewerber in Böblingen. Die Eltern hatten Ein-Euro-Jobs, die Kinder gingen in die Schule, sie waren gut untergebracht. "Ich wollte nur arbeiten und Geld verdienen", sagte der Vater. Dann kam vor drei Jahren die Abschiebung und sie strandeten in Mitrovica. Und standen vor dem Nichts.

Für Strom und Miete ist kein Geld da

Daran hat sich nichts geändert. Brauchen die Mutishis heute was zu essen, müssen sie im Laden anschreiben lassen. "Strom und Miete haben wir schon lange nicht bezahlt", sagt Jaldez. Dafür reiche das Geld einfach nicht. Die Fenster des einstöckigen Hauses, in dem die Familie lebt, sind mit Folie abgeklebt. Glas ist zu teuer. Aus den Wänden ragen nackte Stromkabel. Vor dem Haus wühlen Hunde im Müll. In den Büschen hängen verschlissene Plastiktüten.

Es ist diese totale Perspektivlosigkeit, die Jaldez die Tränen in die Augen treiben, die Sorge um ihre Eltern, ihren achtjähriges Sohn Kevin, ihre Brüder, ihren anderthalbjährigen Neffen. "Wo sollen wir denn bloß hin", fragt sie verzweifelt.

Etwa 1.000 Rückkehrerfamilien hat die Diakonie Kosova in ihrer Kartei, die aus Deutschland abgeschoben wurden und Unterstützung benötigen. Allen zu helfen, sei aber völlig unmöglich, sagt Driton Topxhiu, Koordinator des diakonischen Rückkehrerprojekts.

Seit der Balkanstaat als sicheres Herkunftsland gilt, gelten seine Bewohner als Wirtschaftsflüchtlinge ohne Chance auf Asyl. Etwa 5.000 wurden laut der deutschen Botschafterin Angelika Viets 2016 aus der Bundesrepublik "zurückgeführt". Um ihnen vor Ort eine Perspektive zu bieten, werden Mittel aus dem mit der EU geschlossenen Stabilitäts- und Assoziierungsabkommen bereitgestellt. Etwa 20.000 Arbeitsplätze seien so bereits entstanden, sagt Viets.

Die Realität sieht aber oft anders aus. Das Zuhause der fünfköpfigen Familie Kameri misst heute 16 Quadratmeter und ist eine feuchte Hütte in einem Dorf oberhalb von Mitrovica. Durch die drei Finger breiten Risse in den Wänden pfeift der kalte Wind. Das Wasser müssen sie vom Nachbarn holen, die Toilette ist ein 50 Meter entfernter Verschlag mit einem LKW-Reifen als Kloschüssel.

Aus dem Elend ins "Paradies Deutschland"

Um diesen Elend zu entkommen, machte sich die kosovarisch-albanische Familie vor zwei Jahren auf ins "Paradies Deutschland", wie Vater Besim Kameri sagt. Zwei Jahre lebten sie in der Nähe von Koblenz, erst in einem Flüchtlingsheim, dann in einer eigenen Wohnung. Die Kinder gingen zu Schule, die Eltern machten sich in der Kommune nützlich. Dann kam die Abschiebung.

Und der Albtraum begann von vorn. Der 49-jährige Besim Kameri ist ungelernt und verdingt sich als Tagelöhner. Häufig wartet er vergeblich auf einen Job. Die 16-jährige deutschsprechende Tochter geht zwar noch zur Schule wie auch ihre Brüder, aber allein das Busgeld von zehn Euro monatlich überfordert das familiäre Budget.

Von Deutschland bekamen sie als Starthilfe einen eisernen Herd- und Holzofen geschenkt. Was die Familie eigentlich brauche, sei ein festes Haus, sagt der dortige Diakonie-Chef Bernd Baumgarten. Aber das kostet etwa 8.000 Euro.

Auch für Ramadan und Emine Hazim war die erzwungene Rückkehr 2016 nach einem Jahr Asylverfahren in Erlangen ein Schock. "Ich habe geweint. Wir standen vor dem Nichts", berichtet die 47-Jährige. Ihren Besitz hatte die vierköpfige Familie für die Bustickets nach Deutschland verkauft. Heute hat die Familie wieder eine Mietwohnung in einem Vorort der Hauptstadt Pristina und Emine mit Hilfe der Diakonie eine kleine Schneiderei aufgemacht. Ramadan geht ihr zu Hand.

Die ganze Hoffnung der Familie liegt auf Leonore. Die schlanke 23-jährige Tochter hat einen Deutschen geheiratet, den sie in Erlangen kennenlernte und wartet jetzt auf ihre Papiere. In Deutschland will sie studieren und ihre Eltern in der Heimat unterstützen. Und sie hat einen großen Traum: Teilnehmerin bei "Germanys Next Topmodel".

Markus Geiler


Flüchtlinge

Özoguz: Einwanderungsgesetz kann Integration fördern




Auch Kursangebote für Ausländer würde ein Einwanderungsgesetz regeln.
epd-bild/Gustavo Alàbiso
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), hat ihre Forderung nach einem Einwanderungsgesetz bekräftigt. Bei einem Treffen mit ihren Länderkollegen ging es auch um fortbestehende Hindernisse bei der Integration von Migranten.

"Integration ist ein großes Projekt, das man allen in der Gesellschaft verständlich machen muss", sagte Özoguz am 3. April auf der Bundeskonferenz der Integrationsbeauftragten in Dortmund. Nach der akuten Krise in der Flüchtlingspolitik gehe es nun darum, die richtigen Weichen zu stellen, damit "Menschen hier nicht Jahrzehnte brauchen, um anzukommen". Der Konfliktforscher Andreas Zick wies darauf hin, dass Vorurteile gegen Flüchtlinge und Migranten das größte Integrationshindernis seien.

Özoguz beklagte, dass viele Ehrenamtliche in der Flüchtlingshilfe rechtsextremen Anfeindungen ausgesetzt seien. "Diese Menschen haben unsere Unterstützung verdient", betonte die Integrationsbeauftragte. Sie wolle Ehrenamtlichen zur Seite stehen. Deshalb wolle sie ein Training zum Umgang mit Anfeindungen zu einem Schwerpunkt der Konferenz der rund 300 Integrationsbeauftragten machen, die sich noch bis Dienstag in Dortmund unter dem Motto "Teilhabe voranbringen - Gemeinschaft stärken" über ihre Arbeit austauschen.

Schmeltzer sieht Licht und Schatten

Auch NRW-Integrationsminister Rainer Schmeltzer (SPD) erklärte, für ihn stehe mit Blick auf die Integration die Bekämpfung von Rechtsextremismus ganz oben auf der Agenda. "Wir müssen klare Haltung zeigen und den Menschen die Angst vor dem Fremden nehmen." Schmeltzer sagte, er sei stolz auf die überwältigende Willkommenskultur in NRW, die in eine anhaltende Integrationskultur übergegangen sei.

Trotzdem bleibe auch hier noch einiges zu tun, räumte der SPD-Politiker ein. "Menschen mit Migrationshintergrund haben weiter Zugangshemmnisse zu Arbeit und Wohnraum." Das müsse unter dem Gesichtspunkt der Teilhabe schnell geändert werden, sagte Schmeltzer.

Vorurteile gegen Flüchtlinge und Migranten sind für den Sozialpsychologen und Konfliktforscher Andreas Zick das größte Integrationshindernis. "Sie sind der wichtigste Faktor, warum Teilhabe scheitert", sagte der Professor der Universität Bielefeld auf der Bundeskonferenz der Integrationsbeauftragten. Demnach seien Stereotype und Vorurteile gegenüber Einwanderern in den letzten Jahren angestiegen.

"Heterogene Netzwerke schaffen"

Aus Sicht des Forschers müssten deswegen Diversität gefördert und Zugänge für Menschen mit Migrationsgeschichte geschaffen werden. "Wir müssen anfangen, Netzwerke heterogen zu gestalten", forderte Zick. Migranten müssten als Akteure in die Netzwerke aufgenommen werden. Denn nur wer Vielfalt für eine Perspektive für die Gesellschaft halte, habe weniger Vorteile. Momentan fühlten sich 46 Prozent der Bürger von Vielfalt bedroht, sagte der Sozialpsychologe. "Wer angesichts der Flüchtlinge Sorgen hat und meint, dass die Politik die Kontrolle verloren hat, der wertet andere Menschen ab und engagiert sich nicht."

In keinem anderen europäischen Land habe es so viele Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte wie in Deutschland gegeben, sagte Zick. Er halte es für bedenklich, "dass sich rechtspopulistisch orientierte Gruppen über die Ablehnung von anderen definieren." Damit Integration gelingen könne, brauche es aber eine Willkommenskultur und weniger Vorurteile.

Soziale Integrationspolitik gefordert

"Deutschland braucht kein Einwanderungsgesetz, sondern eine soziale Integrationspolitik durch die Wiederherstellung des Sozialstaates. In einer Gesellschaft, die sozial zerfällt und in der die Ungleichheit immer weiter wächst, kann auch keine Integration gelingen", sagte Sevim Dagdelen, Beauftragte der Linksfraktion für Migration und Integration. Eine modernisierte Gastarbeiterpolitik per Einwanderungsgesetz ist auch integrationspolitisch Gift.

Notwendig seien massive Investitionen in Bildung, Gesundheit und den Bau von bezahlbarem Wohnraum: "Hier müssen die Reichen und Superreichen ran. Eine Vermögensteuer ist überfällig", sagte Dagdelen.

Jasmin Maxwell


Flüchtlinge

Konfliktforscher erachtet Vorurteile als größtes Integrationshemmnis



Vorurteile gegen Flüchtlinge und Migranten sind für den Sozialpsychologen und Konfliktforscher Andreas Zick das größte Integrationshindernis. "Sie sind der wichtigste Faktor, warum Teilhabe scheitert", sagte der Professor der Universität Bielefeld auf der Bundeskonferenz der Integrationsbeauftragten von Bund, Ländern und Kommunen am 3. April in Dortmund. Demnach seien Stereotype und Vorurteile gegenüber Einwanderern in den letzten Jahren angestiegen.

Aus Sicht des Forschers müssten deswegen Diversität gefördert und Zugänge für Menschen mit Migrationsgeschichte geschaffen werden. "Wir müssen anfangen, Netzwerke heterogen zu gestalten", forderte Zick. Migranten müssten als Akteure in die Netzwerke aufgenommen werden. Denn nur wer Vielfalt für eine Perspektive für die Gesellschaft halte, habe weniger Vorteile.

Momentan fühlten sich 46 Prozent der Bürger von Vielfalt bedroht, sagte der Sozialpsychologe. "Wer angesichts der Flüchtlinge Sorgen hat und meint, dass die Politik die Kontrolle verloren hat, der wertet andere Menschen ab und engagiert sich nicht."



Nordrhein-Westfalen

Gesundheitskarte für Flüchtlinge in über 20 Kommunen



Ein Jahr nach Einführung der elektronischen Gesundheitskarte für Flüchtlinge in den Großstädten Köln und Düsseldorf hat NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) eine positive Bilanz gezogen. Die Karte verbessere die gesundheitliche Versorgung der Flüchtlinge, sagte Steffens am 3. April in Köln, wie das Ministerium mitteilte. Ebenso entlaste sie die Kommunen von Bürokratie und Kosten. Auch Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) und der Düsseldorfer Stadtdirektor Burkhard Hintzsche (SPD) werteten die Einführung als erfolgreich.

Für die elektronische Gesundheitskarte für Flüchtlinge gibt es bislang keine Regelung auf Bundesebene, sie kann nur freiwillig in den Ländern eingeführt werden - neben NRW ist dies unter anderem in Hamburg, Bremen, Brandenburg und Schleswig-Holstein erfolgt.

Nordrhein-Westfalen hatte Ende 2015 als erstes Flächenland den Kommunen die Nutzung einer solchen Karte für Asylbewerber und Flüchtlinge ermöglicht. Ministerin Steffens hatte dazu eine Rahmenvereinbarung mit Krankenkassen geschlossen, der Kommunen beitreten können. Über 20 Städte und Gemeinden machen davon Gebrauch. Neben Großstädten wie Köln, Düsseldorf, Bonn oder Münster sind darunter auch kleinere Kommunen wie Bocholt, Gevelsberg, Monheim oder Hennef, wie es hieß.

Kölns Oberbürgermeisterin Reker erklärte demnach, mit der Gesundheitskarte seien die Voraussetzungen "für eine professionelle, effiziente und effektive Gesundheitsversorgung" der Flüchtlinge geschaffen worden. Der Düsseldorfer Stadtdirektor Hintzsche betonte, ein Ausufern von Gesundheitsleistungen habe man nicht feststellen können. Beide Großstädte hatten die elektronische Gesundheitskarte am 1. April 2016 eingeführt.



Nordrhein-Westfalen

Schutzkonzept für Flüchtlingsunterkünfte vorgelegt



Nordrhein-Westfalen will Flüchtlinge und Mitarbeiter besser gegen Gewalt in Asylunterkünften schützen. Innenminister Ralf Jäger (SPD) stellte dazu am 30. März ein Gewaltschutzkonzept im Innenausschuss des Düsseldorfer Landtags vor. "Viele Geflohene sind traumatisiert", sagte Jäger. "Das Leben in den Einrichtungen kann zu Konflikten führen." Das Konzept enthält sowohl Präventionsmaßnahmen als auch Handlungsempfehlungen für den Fall, dass es zu gewalttätigen Vorfällen kommt.

Die Standards sind verbindlich für alle zentralen Unterbringungseinrichtungen und sollen auch in Erstaufnahmestellen des Landes umgesetzt werden. Sie gelten den Angaben zufolge auch für die jeweiligen Sicherheitsdienste. Das Land werde den Kommunen das Konzept als Modell empfehlen, kündigte das Ministerium an. Die Anforderungen könnten flexibel auf die jeweiligen Gegebenheiten vor Ort angepasst werden.

Konkret enthält das Konzept unter anderem Vorgaben zu Planung, Ausbau und Belegung von Flüchtlingsunterkünften sowie zur Betreuung und Beratung von Flüchtlingen. Daneben geht es um den Opferschutz und den Zugang zu Hilfsangeboten für Gewaltopfer.

Künftig soll etwa bei der Planung einer Unterkunft darauf geachtet werden, dass die Privatsphäre der Bewohner gewahrt wird. Besondere Schutzbereiche sind für alleinreisende Frauen und Kinder vorgesehen. Bei der Belegung soll auf Heterogenität geachtet werden. Dennoch werden Betreiber angehalten, ethnische und religiöse Besonderheiten zu berücksichtigen. Die Bewohner sollen zudem über Themen wie Gleichberechtigung, Frauen- und Kinderrechte sowie Rechte von Menschen mit unterschiedlichen sexuellen Orientierungen aufgeklärt werden.



Niedersachsen

Ministerium startet Wettbewerb zur Integration von Flüchtlingen



Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt (SPD) hat einen neuen Wettbewerb zur Integration von Flüchtlingen in Wohnvierteln vorgestellt. Dafür stellt das Sozialministerium bis 2018 insgesamt drei Millionen Euro zur Verfügung, wie die Behörde mitteilte. Bei der Auftaktveranstaltung in der evangelischen Neustädter Hof- und Stadtkirche in Hannover gab die Ministerin am 3. April den offiziellen Startschuss für die Aktion.

Teilnehmer sind dazu aufgerufen, mit ihren Projekten Möglichkeiten zur Begegnung, Beratung oder Unterstützung für geflüchtete Menschen anzubieten und so Konflikten wegen kultureller Unterschiede vorzubeugen. Bewerben können sich Gemeinden, Landkreise oder auch Wohlfahrtsverbände und kirchliche Organisationen.

Eine Jury aus unabhängigen Fachleuten, Vertretern von Verbänden und Mitgliedern des Sozialministeriums werde die Vorschläge bewerten und Ende Juni die Wettbewerbssieger bekanntgeben, hieß es. Landesweit sollen möglichst viele unterschiedliche Ansätze gefördert werden. Ein ausgewähltes Projekt wird mindestens mit 10.000 Euro unterstützt, die maximale Förderung beträgt 70.000 Euro.



Bayern

Beratungsstelle für misshandelte Heimkinder nimmt Arbeit auf



Am 3. April hat im Freistaat Bayern die Anlauf- und Beratungsstelle der bundesweiten "Stiftung Anerkennung und Hilfe" ihre Arbeit aufgenommen. Ziel der Stiftung ist die Entschädigung von Behinderten für brutale Behandlung in Heimen zur Zeit der alten Bundesrepublik und der DDR. Bayerns Sozialministerin Emilia Müller (CSU) sagte, endlich gebe es nicht nur Unterstützung und Hilfe für ehemalige Heimkinder der Kinder- und Jugendhilfe, sondern auch der Behindertenhilfe und Psychiatrie. Es geht um Betroffene, die von 1949 bis 1974 in der alten Bundesrepublik und von 1949 bis 1990 in der DDR in solchen Einrichtungen lebten.

Die bundesweite Stiftung wurde zum Januar 2017 gegründet. Laut Schätzungen sind mehr als 240.000 Kinder und Jugendliche in Heimen der Behindertenhilfe oder in Psychiatrien untergebracht gewesen, rund 100.000 von ihnen sollen Opfer von Gewalt und Missbrauch geworden sein. Wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, erhalten sie eine einmalige Pauschale von 9.000 Euro. Wer arbeiten musste, ohne sozialversichert zu werden, bekommt bis zu 5.000 Euro als Rentenansprüche.



Gesundheit

Bayern strebt Landarztquote an



Bayern will als erstes Bundesland eine Landarztquote einführen, um die medizinische Versorgung durch Hausärzte auch auf dem Land zu sichern. Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) sagte am 1. April beim bayerischen Hausärztetag in Unterschließheim, bis zu fünf Prozent aller Medizinstudienplätze in Bayern sollten künftig für jene Studierende vorgehalten werden, die sich verpflichten, in Regionen als Hausarzt zu arbeiten, die bereits unterversorgt oder davon bedroht seien.

Der Freistaat habe zudem als eines der ersten Bundesländer ein Programm zur Niederlassungsförderung aufgelegt und bislang bereits 266 Hausärzte bei ihrer Praxisgründung unterstützt. Zudem seien bisher 117 Stipendien an Medizinstudierende vergeben worden, die später im ländlichen Raum tätig sein wollen. Wer sich dazu verpflichtet, auf dem Land seine Facharztausbildung zu erwerben und dann noch mindestens fünf Jahre dort zu arbeiten, erhalte ab Juli noch mehr Geld als bisher. Aktuell bekommen Medizinstudierende über dieses Programm 300 Euro monatlich, künftig seien 500 Euro.



Niedersachsen

Ministerin fordert mehr ambulante Angebote in der Psychiatrie



Für Menschen mit einer chronisch verlaufenden psychischen Erkrankung muss es nach Ansicht der niedersächsischen Sozialministerin Cornelia Rundt (SPD) in Zukunft deutlich mehr ambulante Angebote in der Psychiatrie geben. In Niedersachsen seien etwa 50.000 bis 100.000 Patienten betroffen sagte sie am 3. April bei einer Tagung der Evangelischen Akademie Loccum bei Nienburg. Das seien etwa ein bis zwei Prozent der Erwachsenen zwischen 18 und 65 Jahren, die oftmals in Behindertenheimen oder Altenheimen untergebracht seien. "Es stellt sich die Frage, ob das der richtige Ort ist."

Nötig sei etwa der Aufbau gemeindepsychiatrischer Zentren oder eine verbesserte Krisenhilfe in den Regionen, insbesondere auch abends, nachts und am Wochenende, erläuterte Rundt. "Wir brauchen nicht mehr, sondern eine andere Psychiatrie", unterstrich die Ministerin. Die Angebote für seelisch erkrankte Menschen seien gut ausgebaut, aber oft unzureichend vernetzt und zu wenig koordiniert.




sozial-Branche

Behinderung

Arbeit

Inklusion mit Kaffeearoma




Samocca-Café: Arbeitgeber für Behinderte.
epd-bild/Thomas Tjiang
Das Fürther Samocca-Café mit seinen 17 Standorten gehört zu einer Kette für Einrichtungen der Behindertenhilfe. Die Idee gilt als Paradebeispiel für eine gelungene Beschäftigung behinderter Menschen an Außenarbeitsplätzen.

Felix Schneider hantiert an der großen italienischen Kaffeemaschine routiniert und konzentriert. Die Kaffeemühle portioniert digital, und während der Kaffee in die Tasse läuft, schäumt der 22-Jährige an der zischenden Druckdüse akkurat die Milch für den Cappuccino auf. Das Besondere daran: Schneider arbeitet in einem Samocca-Café, das Menschen mit Behinderung einen attraktiven Arbeitsplatz bietet.

Zu den bundesweit 17 Samocca-Cafés gehört auch der Standort im mittelfränkischen Fürth. Die Dambacher Werkstätten, ein Betrieb der Lebenshilfe Fürth, haben vor zwei Jahren mitten in der Fußgängerzone ihr Samocca eröffnet. Den Beschäftigten in den eigenen Werkstätten wollte man eine weitere Alternative bieten.

Und die Dambacher Werkstätten wollten "bewusst die Leistungsfähigkeit von Menschen mit Behinderung in der Öffentlichkeit zeigen", sagt Geschäftsführer Rolf Bidner. Er sieht darin ein gelungenes Beispiel für gesellschaftliche Inklusion.

Idee entstand 2003 in Aalen

Der Vorteil des Samocca-Franchisekonzepts: Der 2003 in Aalen entwickelte Cafébetrieb mit eigener Rösterei und Chocolaterie hat Einrichtung und Abläufe so konzipiert, dass 16 Menschen mit Behinderung gut arbeiten können. 2006 gingen die ersten beiden Franchisebetriebe an den Start. Werkstätten zahlen für Konzept, Marke und Produkte, um dann im eigenen Betrieb das Café zu führen. Zusätzlich erhalten Franchisenehmer pädagogisch-inhaltliche Hilfen.

Ein einfaches aber hilfreiches Assistenzsystems ist das rot-grüne dreieckige Display aus Karton auf den Tischen. Mit "rot" fordern Gäste Service an, etwa um zu bestellen oder zu bezahlen. Bestellt wird schriftlich auf einem kleinen Zettel, auf dem die Gäste ihre Wünsche ankreuzen, damit es keine Missverständnisse gibt. Zudem sind mit Hilfe der Aufsteller die Tische durchnummeriert. Ist alles serviert, wird der ihre grüne Seite nach oben gedreht. Das signalisiert: Alles in Ordnung.

15 Jobs in Fürth entstanden

Das Fürther Café im ersten Stock bietet 15 Arbeitsplätze für Menschen mit geistiger Behinderung in Service und Küche, an der Bar und dem Verkaufstresen. Damit auch ein Mitarbeiter mit Rollstuhl arbeiten kann, wurde die Bestuhlung im Tagescafé geräumiger aufgestellt. "Es war ein Lernfeld", resümiert Bidner.

Auch das Arbeiten im Schichtbetrieb habe von allen Beteiligten viel Flexibilität gefordert. Denn auf einmal mussten die Mitarbeiter etwa ihr vertrautes Freizeitverhalten verändern. Auch in den Wohnheimen waren manche anderen zeitlichen Abläufe gefragt. Die Einrichtung musste sich an vielen Schnittstellen anpassen, "bis hin zum Fahrdienst".

Nicht allen Behinderten hat der Dienst im Fürther Samocca zugesagt, aktuell sind zwölf Menschen mit Behinderung beschäftigt. Für die Dambacher Werkstätten ein normales Phänomen, man müsse wie überall schauen, ob Arbeitsplatz und Mitarbeiter zusammenpassten. Das Konzept ist aufgegangen, die "Resonanz ist gut", freut sich Bidner auch mit Blick auf die Besucher.

"Viel Zuspruch und Wohlwollen"

Man sei zwar ein "besonderes Café", Gäste zeigten aber viel "Zuspruch und Wohlwollen". Das gilt auch für die Kaffee-Trinker, die per Zufall ins Samocca kämen. "99 Prozent reagieren positiv", sagt Bidner. Andere kämen ganz gezielt wegen der Kaffeespezialitäten, Bio-Tees, Trinkschokoladen oder wegen des Inklusions-Ansatzes. Zu den häufigen Besuchern zählten viele junge Mütter mit ihren kleinen Kindern.

Schon ist regional von einem Paradebeispiel für eine gelungene Beschäftigung behinderter Menschen im öffentlichen Raum die Rede. "Die Entscheidung für das Café war eine gute Entscheidung", lautet das Fazit von Bidner. Alle beteiligten Menschen auf jeder Seite profitierten. Hilfreicher Nebeneffekt: Der Betrieb könnte einmal kostendeckend laufen.

Thomas Tjiang


Gesundheit

Modellprojekt will Gefühle demenzkranker Menschen vermitteln




Grit Schnibbe auf der Suche nach dem "goldenen Dingsbums".
epd-bild/Dieter Sell
Reaktionen demenzkranker Menschen lösen bei Angehörigen und Außenstehenden oft Unverständnis und Abwehr aus. Eine Bremer Initiative will dazu beitragen, dass sich das ändert. Mit verblüffenden Aktionen.

Wo könnte das Teil nur sein? Grit Schnibbe wühlt in einem Koffer und sucht nach dem goldenen Dingsbums. Was das genau ist, weiß sie nicht. Sie schaut in Holzschachteln, Blechkisten und Verpackungen - und wird einfach nicht fündig. Die Leute um sie herum reagieren ungeduldig. "Das wird aber heute noch was..." tönt ein Kommentar aus dem Hintergrund. Das macht Schnibbe, 48 Jahre alt, wütend. "Oh mein Gott, in welche Schachtel hatte ich denn schon reingeguckt?", fragt sie sich mit einem Anflug von Verzweiflung. Abgenervt wirft sie eine kleine Kiste in den Koffer. Auch da: Keine Spur von dem Dingsbums.

Die Schachteln dürfen den Koffer nicht verlassen, das kommt erschwerend hinzu. "Sie gibt sich nicht so richtig Mühe", stichelt Jürgen Weemeyer, der zusammen mit seiner Kollegin Hedwig Wiemker zur Suche im Koffer aufgerufen hat. Und auch Wiemker legt nach: "Sie ist heute einfach nicht gut drauf." Grit Schnibbe reicht es. "Nee, da habe ich jetzt keine Lust mehr. Ich bin total gefrustet", empört sie sich.

Spielerische Annäherung an die Welt der Dementen

Der Koffer ist Teil eines Modellprojektes, in dem es darum geht, den Teilnehmern spielerisch die Welt demenzkranker Menschen näher zu bringen. Der Gerontologe Weemeyer und die Ergotherapeutin Wiemker wollen vermitteln, wie es Betroffenen in typischen Situationen geht. Beispielsweise, wenn sie etwas suchen.

"Da taucht dann oft die Frage auf: Was suchst Du eigentlich? Das macht wütend", sagt Weemeyer und ergänzt: "Die Suchende kann nicht richtig hantieren, sie kommt in Not und verliert die Übersicht. Das ist Alltag für Menschen mit Demenz." So wie in diesem Moment auch für Grit Schnibbe. "Das hat keinen Spaß gemacht. Ich hatte das Gefühl, dass ich nichts richtig mache und wollte am Ende unbedingt raus aus der Situation."

Verwirrung hat System

An diesem Nachmittag sitzen mehr als zehn Gäste am "DemenTisch", einer öffentlich geförderten Initiative, bei der die Verwirrung System hat. Auf Zeit nehmen sie die Perspektive Demenzkranker ein, wollen Wut, Frust und Trauer nachspüren - möglichst so, wie sie auch real Betroffene erleben.

Zum Beispiel bei der Teilnehmerin, die bei der Kaffeerunde ohne ihr Wissen als einzige einen versalzenen Bienenstich serviert bekommt. Ihren Protest kann logischerweise niemand nachvollziehen, denn auf allen anderen Kuchentellern liegen süße Stücke. "Bei dementen Menschen verändern sich die Geschmacksknospen. Wenn sie dann protestieren, stehen sie alleine da und fühlen sich ausgeschlossen", erläutert Weemeyer.

Auch bei der Unterschrift und beim Ausmalen eines Mandalas mit der linken Hand erfahren die Gäste am eigenen Leib, wie Demenz wirkt und dass die Krankheit viel mit dem Verlust von Alltagskompetenzen zu tun hat. Auch die Motorik lässt nach - die Striche kommen bestenfalls krakelig auf das Papier. "Handlungen, die immer liefen, gehen nicht mehr", verdeutlicht Wiemker. Bemerkungen wie "Das hast Du doch schon 1.000 Mal gemacht, Du weiß doch wie es geht" seien dann unangebracht.

Gegen Gedächtnistraining

Völlig falsch ist nach Auffassung der Expertin auch das in vielen Altenheimen beliebte Gedächtnistraining, das nicht hilft, sondern zusätzlich frustriert. Weemeyer erklärt, warum das so ist: "Da wird doch ständig vorgeführt, was alles nicht funktioniert. Einige werden dann wütend, andere erdulden das." Besser sei "Erinnerungspflege", wie es Wiemker nennt: "Bekanntes anbieten, beispielsweise Musik. Nichts Kompliziertes." Alles, was noch funktioniere, könne geübt werde. "Aber es bringt nichts, an Dingen festzuhalten, die nicht mehr laufen."

Weemeyer und Wiemker, die bei einem ambulanten Pflegedienst und in einem Altenpflegeheim arbeiten, haben den "DemenTisch" auch gestartet, weil sie zur Hilfe ermutigen wollen. Oft werde aus Unwissenheit oder Sorge, etwas falsch zu machen, gar nicht reagiert. Zwar gebe es keine allgemeingültigen Rezepte. Aber für die Suche nach dem Dingsbums haben sie doch einen Tipp. Wiemker: "Mithelfen. Und wenn die Sache droht, in einer Sackgasse zu enden, vielleicht anbieten: Wollen wir eine Pause machen und einen Kaffee trinken? Dann ist die frustige Suche möglicherweise bald vergessen."

Dieter Sell


Demenz

Experte: Pflegende Angehörige müssen Entlastung lernen



Pflegende Angehörige eines demenzkranken Menschen müssen nach Auffassung von Experten unbedingt lernen, gut für sich selbst zu sorgen. "Helfen Sie sich selbst, damit Sie ihrem Angehörigen helfen können", sagte Chefarzt Synan Al-Hashimy vom Alzheimer-Therapiezentrum Ratzeburg am 3. April bei einem Demenzkongress in Bremen. 35 Prozent der pflegenden Angehörigen wiesen klinisch bedeutsame depressive Symptome auf, weil sie überlastet seien, warnte der Mediziner.

Und der Redner fügte hinzu: "Bei pflegenden Ehepartnern mit hohem emotionalem und mentalem Stress ist das Sterberisiko um 63 Prozent höher." Nach den Erfahrungen des Mediziners vergessen pflegende Angehörige häufig sich selbst und gehen innerlich unter. So könnten aus fröhlichen Menschen Patienten werden. Die Zahl der potenziell Gefährdeten sei groß: "70 Prozent der Menschen mit Demenzerkrankungen werden von ihren Angehörigen zu Hause versorgt - meist über Jahre und rund um die Uhr."

Vor allem der Verlust sozialer Kontakte, fehlende Anerkennung durch die Umwelt und Verlusterfahrungen belasteten Angehörige seelisch. Körperlich werde das Immunsystem geschwächt. Symptome wie Magen-, Glieder- und Herzbeschwerden verschärften die Situation. "Außerdem haben pflegende Angehörige oft einen erhöhten Konsum von Schlaf- und Beruhigungsmitteln, Schmerzmedikamenten und Psychopharmaka."

Der Chefarzt leitet im schleswig-holsteinischen Ratzeburg eine Rehaklinik, in der pflegende Angehörige lernen können, wie sie wieder zu Kräften kommen. "Zu uns kommen sie leider oft erst dann, wenn sie am Ende ihrer Kräfte sind", bedauerte Al-Hashimy. "Besser wäre es, sie würden sich vom ersten Tag an Hilfe organisieren."



Pflege

Gefährliche Medikamente für Demenzkranke




Medikamentenausgabe im Altenheim
epd-bild/Werner Krüper
Demenzkranken helfen Therapien, die ihre Sinne und Fähigkeiten ansprechen. Und doch bekommen sie zu häufig und zu lange Medikamente verabreicht, wie aus einer Studie der Universität Witten/Herdecke hervorgeht. Das sei riskant - und sogar tödlich.

Demenzkranke bekommen in Pflegeheimen über zu lange Zeiträume hinweg zu viele und zu starke Medikamente. Einer Studie der Universität Witten/Herdecke zufolge, die die AOK am 5. April mit dem AOK-Pflege-Report 2017 in Berlin vorstellte, bekommen mehr als zwei Drittel der pflegebedürftigen Demenzkranken Medikamente, die ein aggressives Verhalten dimmen oder sie ruhigstellen sollen.

Jeder Fünfte nimmt Antidepressiva

Von den rund 500.000 Pflegebedürftigen, die von der Pflegekasse als anerkannte Demenzkranke in Heimen leben, bekommt jeder Dritte ein sogenanntes Neuroleptikum verordnet, das Wahnvorstellungen, Schizophrenie und aggressives Verhalten reduzieren soll. Jeder Fünfte müsse Antidepressiva nehmen, noch rund zehn Prozent Beruhigungsmittel, die sehr stark müde machen, sagte Petra Thürmann von der Universität Witten/Herdecke. 43 Prozent der Betroffenen in den Pflegeheimen bekommen dauerhaft eines von zwei in Deutschland zugelassenen Neuroleptika verordnet - mit gravierenden Nebenwirkungen.

Denn laut Thürmann treten bei einer dreimonatigen Therapie mit dem Medikament bei 1.000 Patienten 18 zusätzliche Schlaganfälle, 94 Fälle von Gangstörungen und zehn zusätzliche Todesfälle auf. Dauere die Medikamenten-Therapie zwei Jahre, steige die Zahl der zusätzlichen Todesfälle auf 167, erklärte Thürmann.

Dass nicht-medikamentöse Therapien, die die Sinne und Erfahrungen der Betroffenen ansprechen, deren Lebensqualität steigern, wissen einer weiteren Untersuchung zufolge die Pflegebeschäftigten. Laut einer Umfrage des Wissenschaftlichen Instituts der AOK gaben von 2.500 befragten Heimpflegekräften 89 Prozent an, dass Verstehen und Wertschätzung den Demenzkranken helfe. Auch Beschäftigungsangebote und Bewegung bewerteten über 80 Prozent als hilfreich. Aber 56 Prozent führten Zeitdruck als Grund an, herausforderndes Verhalten, zu dem auch häufiges Fragen, Rufen und Weglaufen gehört, mit Medikamenten zu behandeln. 82 Prozent hielten es für angemessen, bei Demenz Psychopharmaka zu verabreichen.

"Pflegekräfte zu unkritisch"

"Die Pflegekräfte kennen die Alternativen, sind aber zu unkritisch beim Einsatz von Medikamenten", sagte Pflege-Report-Mitherausgeberin Antje Schwinger. Deshalb müssten alternative Therapien stärker in den Pflegeheimen verankert und die Mitarbeiter für die Nebenwirkungen sensibilisiert werden. Für AOK-Chef Martin Litsch stehen vor allem die Ärzte in der Verantwortung, die die Nebenwirkungen bei der Verschreibung der Medikamente in Kauf nähmen.

Thürmann riet Angehörigen, bei der Wahl des Pflegeheims nach unterstützenden Angeboten wie Ergotherapien zu fragen und darauf zu achten, dass nicht zu viele Hausärzte in dem Heim tätig seien. Weniger Hausärzte könnten sich viel besser mit dem Pflegepersonal über einzelne Fälle abstimmen als viele Ärzte in einem Haus, argumentierte sie. Nur so ließen sich Nebenwirkungen von Medikamenten rechtzeitig erkennen.

Christina Denz


Kirchen

Diakonie erhöht Gehälter um 2,7 Prozent



Die Gehälter in der Diakonie steigen zum 1. Juli um 2,7 Prozent. Dies hat der Schlichtungsausschuss festgelegt, wie der Verband diakonischer Dienstgeber in Deutschland am 5. April in Berlin mitteilte. Die Gehaltserhöhung wird für rund 150.000 Diakoniebeschäftigte unmittelbar wirksam. Für weitere 350.000 Beschäftigte in Einrichtungen der evangelischen Wohlfahrt, deren Löhne auf regionaler Ebene verhandelt werden, hat er Signalwirkung.

Nach Angaben des Dienstgeberverbandes waren die Löhne und Gehälter bereits zum 1. August 2016 um 2,6 Prozent gestiegen. Diakoniebetriebe, die in wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind, dürfen vom Tarifabschluss nach unten abweichen. Für die Altenhilfe, Rehabilitation und Jugendhilfe sieht die Entscheidung des Schlichtungsausschusses eine Erhöhung erst zum 1. September vor.

Nach dem Beschluss werden in Zukunft nicht mehr allein die Arbeitgeber Beiträge in die kirchliche Zusatzversorgung einzahlen. Die Schlichtung sieht für die Altersvorsorge eine Eigenbeteiligung der Mitarbeiter vor: Anteile, die über 4,5 Prozent des Beitrages liegen, sind nun jeweils zur Hälfte von Dienstgebern und Dienstnehmern zu tragen. Beim aktuellen Beitragsstand von 4,8 Prozent bedeutet dies eine Eigenbeteiligung der Beschäftigten von derzeit 0,15 Prozent.

Die Schlichtung war notwendig geworden, weil sich die Vertreter der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber in der sogenannten Arbeitsrechtlichen Kommission in den monatelangen Verhandlungen nicht einigen konnten. Der entscheidenden Sitzung des Schlichtungsausschusses waren die Arbeitnehmervertreter fern geblieben. Dies ändert aber nichts daran, dass die nun mit den Stimmen der Arbeitgebervertreter und des Schlichtungsvorsitzenden getroffene Entscheidung zur Lohnerhöhung gültig ist.



Behinderung

Expertin: Gesellschaftliche Strukturen stehen Inklusion entgegen



Die Inklusion von Menschen mit Behinderung ist in vielen Bereichen der Gesellschaft noch immer nur eingeschränkt möglich. Der stärkeren Teilhabe stünden "oft gesellschaftliche Strukturen entgegen", sagte Ilona Luttmann, Vorstand des Diakonischen Werks Augsburg, dem Evangelischen Pressedienst (epd). In einer Gesellschaft, die auf Leistungsorientierung setze, sei Inklusion in vielen Fällen "nur in Ansätzen machbar", betonte Luttmann anlässlich des 40-jährigen Bestehens des Sozialpsychiatrischen Dienstes der Augsburger Diakonie.

Inklusive Ansätze würden überdies oft durch Finanzierungsstrukturen im Sozialbereich eingeschränkt, erläuterte die Expertin. Luttmann nannte als Beispiel ein Inklusionsprojekt in Augsburg, bei dem junge Menschen mit psychischen Problemen Tür an Tür mit Senioren wohnen. Es gebe dort verschiedene Projekte, wo die Jungen die Älteren unterstützen. Allerdings müsse die Finanzierung für die Arbeit mit den jungen Menschen strikt getrennt sein von der Finanzierung für die Seniorenarbeit. "An dieser Struktur kann durchaus so manches Projekt scheitern - und damit auch der inklusive Ansatz", erklärte Luttmann.



Familie

Verband sieht Konkurrenz zwischen kostenloser Kita und Qualität



Die Bundesvereinigung Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder sieht die Forderung nach beitragsfreien Kita-Plätzen skeptisch. Kostenlose Plätze könnten eine notwendige Weiterentwicklung der Qualität in den Einrichtungen gefährden, erklärte der stellvertretende Verbandschef Carsten Schlepper am 30. März in Bremen. Ein durchgängiges Bildungsangebot von Anfang an, das Familien nichts kostet, sei zwar ein nächster richtiger Schritt zu mehr Chancen- und Bildungsgerechtigkeit, räumte er ein. "Aber es muss auch bezahlbar sein und in die föderale Bildungslandschaft des Bundes passen."

In den nächsten Jahren bedürfe es "einer großen Kraftanstrengung", um die qualitative Ausstattung der Kindertagesbetreuung in den Ländern schrittweise den steigenden Anforderungen anzupassen und zu vereinheitlichen, führte Schlepper aus. Dies müssten Bund, Länder, Kommunen und Träger gemeinsam leisten. Das Versprechen auf beitragsfreie Kitas etwa von SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz schüre bei den Trägern die Sorge, dass dann das notwendige Geld für mehr Erzieher, mehr Plätze und mehr Sprachförderung auf der Strecke bleibe.



Nordrhein-Westfalen

Jugendhilfe-Verbände: Zugangsbarrieren für Flüchtlingskinder abbauen



Kinder- und Jugendhilfeorganisationen in Nordrhein-Westfalen haben an die Behörden appelliert, Angebote für junge Leute auch allen Flüchtlingskindern unabhängig von ihrem Asylstatus zugänglich zu machen. Die Aktionsgemeinschaft Junge Flüchtlinge in NRW bat in einer am 3. April in Köln veröffentlichten Erklärung alle kommunalen Ausländerbehörden, geltendes Recht großzügig und transparent auszulegen und die Reisefreiheit junger Leute nicht zu behindern.

Jugendgruppen, die in den Ferien ins Ausland reisen, müssten je nach Aufenthaltsstatus bei der zuständigen Ausländerbehörde oder beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eine Genehmigung einholen, erläuterte die Aktionsgemeinschaft. Mögliche Bedingungen und Auflagen würden von den Ausländerbehörden in der Praxis unterschiedlich gehandhabt. Für Flüchtlinge in Erstaufnahmeeinrichtungen oder aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten gelten räumliche Aufenthaltsbeschränkungen.

Angebote für geflüchtete Kinder müssten wie für alle jungen Menschen auch außerhalb der Unterkünfte und des zugewiesenen Aufenthaltsbereichs möglich sein, betonte die Aktionsgemeinschaft, in der unter anderem die Arbeitsgemeinschaft der evangelischen Jugend, der Bund der Deutschen Katholischen Jugend, der Deutsche Kinderschutzbund und der Landesjugendring zusammengeschlossen sind.



Baden-Württemberg

Mehr als 30 Organisationen gründen "Bündnis gegen Altersarmut"



31 Organisationen, Verbände und Gewerkschaften aus Baden-Württemberg warnen vor wachsendem sozialen Elend bei älteren Menschen und fordern einen Kurswechsel in der Rentenpolitik. Ab 2030 könnten sonst Millionen Senioren auf das Sozialamt angewiesen sein, sagten die Sprecher am 3. April in Stuttgart.

In einem "Bündnis gegen Altersarmut" wollen die 31 Partner Politiker aufrütteln und Aktionen starten. Bis zu den Sommerferien sind mehr als 50 Veranstaltungen geplant, mit denen sich die Beteiligten unter anderem für ein Rentenniveau von mindestens 50 Prozent starkmachen wollen. "Wenn die Rente nicht für Kontaktpflege oder Miete reicht, belastet das ungemein", machte Oberkirchenrat Dieter Kaufmann, Vorstandsvorsitzender des Diakonischen Werks Württemberg, deutlich.



Auszeichnung

Regine-Hildebrandt-Preis für Projekte in Berlin und Brandenburg



Der diesjährige Regine-Hildebrandt-Preis der Bielefelder Stiftung Solidarität geht an die Bahnhofsmission Berliner Zoo und den Verein "Mit uns gelingt's (MUG) Brandenburg". Die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung wird am 18. Mai im Neuen Bielefelder Rathaus verliehen, wie die Stiftung am 30. März mitteilte. Das Preisgeld kommt gemeinnützigen Einrichtungen nach Wahl der Preisträger zugute. Die Laudatio soll der Bielefelder Konfliktforscher Andreas Zick halten.

Der Verein "MUG Brandenburg" werde für seinen Einsatz für Langzeitarbeitslose ausgezeichnet, erklärte die Stiftung. Der Verein wurde 1994 von Unternehmen und Einzelpersonen gegründet und engagiert sich für arbeitslose und benachteiligte Menschen, im Denkmalschutz sowie im Natur- und Artenschutz.

Die Bahnhofsmission Zoologischer Garten in Berlin erhalte den Preis für ihren Einsatz vor allem für Wohnungslose, hieß es. Ein mit 3.000 Euro dotierter regionaler Förderpreis geht zudem an das Projekt "Streetmed - Aufsuchende Gesundheitsvorsorge" in Bielefeld, das medizinische Hilfe für Wohnungslose anbietet.

Der Regine-Hildebrandt-Preis wird seit 1997 vergeben. Die Stiftung Solidarität zeichnet damit Initiativen oder Persönlichkeiten aus, die sich gegen Arbeitslosigkeit und Armut engagieren nach dem Lebensmotto der SPD-Politikerin Regine Hildebrandt (1941-2001): "Handeln statt nur reden." Zu den bisherigen Preisträgern gehören der frühere Pfarrer der Leipziger Nikolaikirche, Christian Führer, die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU), die ehemalige Bundesfamilienministerin Christine Bergmann (SPD) und der Deutsche Kinderschutzbund.



Auszeichnung

"exzellent-Preis" für Stuttgarter Inklusionsprojekt



Ein Stuttgarter Inklusionsprojekt ist mit dem "exzellent"-Preis der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen ausgezeichnet worden, teilte die Evangelische Gesellschaft am 31. März mit. Die Ehrung ging an das Kooperationsprojekt "Inklusion braucht Raum" des Rudolf-Sophien-Stifts und der Gewerblichen Schule Im Hoppelau.

Die Partner verfolgten beim inklusivem Lernen von Werkstattbeschäftigten einen vorbildlichen Ansatz, In dem Projekt würden Werkstattbeschäftigte gemeinsam mit Schülern der Berufsschulschule unterrichtet. Das Projekt habe den Preis in der Kategorie "Bildung" erhalten, hieß es.

Daneben wurden den Angaben zufolge zwei weitere Projekte geehrt: Der Preis in der Kategorie "Produkt" sei an ein Projekt in Schleswig-Holstein gegangen. Dort produzieren Menschen mit Behinderungen einen Schlafstrandkorb. Die Auszeichnung "Kooperation" habe das Projekt "VIA4all" erhalten, das die Möglichkeiten der modernen Technologie einsetzt, um nachhaltige neue Bildungsansätze zu entwickeln. Das Projekt wird unter anderem von den Hannoverschen Werkstätten umgesetzt.



Geschäftsbericht

Versicherer im Raum der Kirchen steigern Einnahmen



Die Unternehmensgruppe Versicherer im Raum der Kirchen (VRK) haben ihre Beitragseinnahmen im vergangenen Jahr um zwei Prozent auf 490,9 Millionen Euro gesteigert. Das Plus betreffe alle vier Gesellschaften, teilten die VRK am 6. April in Kassel mit. Auch die Ergebnisse aus Kapitalanlagen konnten in drei der Gesellschaften gegenüber dem Vorjahr gesteigert werden, hieß es.

Dass die Gelder seit mehreren Jahren ausschließlich in ethisch-nachhaltigen Kapitalanlagen angelegt würden, habe sich ausgezahlt, teilte die VRK mit. Als erster Versicherer am Markt habe man dafür Ecoreporter-Siegel für nachhaltige Geldanlagen erhalten.

2016 seien die VRK zudem als Partner dem Arbeitskreis Kirchlicher Investoren in der evangelischen Kirche (AKI) beigetreten. Der AKI unterstützt den Angaben nach das Ziel, "dass Geldanlagen im Einklang mit Gottes Geboten und dem kirchlichen Auftrag getätigt werden".

Die VRK-Gesellschaften sind der VRK Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, die Bruderhilfe Sachversicherung AG, die Familienfürsorge Lebensversicherung AG und die Pax-Familienfürsorge Krankenversicherung AG.




sozial-Recht

Bundessozialgericht

Ohne Bewerbungs-Nachweis droht Arbeitslosen Sperrzeit




Die Agentur für Arbeit kann das Alg I sperren.
epd-bild/Gustavo Alàbiso
Arbeitslose müssen ihre Bemühungen um einen neuen Job der Arbeitsagentur nachweisen. Kommen sie dem nicht nach, droht ihnen eine Sperrzeit auf ihr Arbeitslosengeld I.

In einer Eingliederungsvereinbarung ist festzulegen, welche "Eigenbemühungen" Arbeitslose vornehmen müssen und welche Hilfen sie im Gegenzug von der Arbeitsagentur erwarten können. Dies stellte das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel in zwei am 4. April verkündeten Urteilen klar.

Im ersten Fall sollte sich ein arbeitsloser Bäcker aus der Südeifel fünfmal pro Monat aktiv um Stellen bewerben. Laut Eingliederungsvereinbarung war der Mann verpflichtet, seine Bewerbungsbemühungen in einer Liste zu dokumentieren und der Arbeitsagentur vorzulegen. Im Gegenzug gab es Zusagen für ein Bewerbungscoaching und die Übernahme von Bewerbungs- und Fahrtkosten. Als der arbeitslose Bäcker seine Job-Bemühungen nicht wie gefordert nachwies, wurde eine zweiwöchige Sperrzeit auf das Arbeitslosengeld I verhängt.

Auch im zweiten Verfahren verhängte die Behörde bei einer arbeitslosen kaufmännischen Angestellten aus Weil am Rhein eine Sperrzeit. In dem Fall hatte die Frau die Liste ihrer Bewerbungsbemühungen zwei Wochen zu spät eingereicht. Die Übernahme von Bewerbungskosten oder Ähnliches hatte die Arbeitsagentur in diesem Fall nicht zugesagt.

Das BSG hielt die gegen den arbeitslosen Bäcker verhängte Sperrzeit für rechtmäßig, gegen die arbeitslose Angestellte jedoch nicht. Grundsätzlich müssten Arbeitslose ihre Bewerbungsbemühungen aber nachweisen. Werde der Nachweis wie im ersten Fall nicht erbracht, sei eine Sperrzeit verhältnismäßig und erforderlich.

Wie die Eigenbemühungen eines Arbeitslosen aussehen sollen, müsse in der Eingliederungsvereinbarung festgelegt werden. Dabei handele es sich um einen öffentlichen Vertrag zwischen Behörde und Arbeitslosen. Typisch dafür sei, dass vom Arbeitslosen etwas verlangt wird, die Behörde im Gegenzug aber auch etwas leistet, wie die Übernahme der Bewerbungskosten.

Im zweiten Fall sei der Arbeitslosen aber nichts von der Arbeitsagentur zugesagt worden, so dass die Eingliederungsvereinbarung nichtig sei und die Sperrzeit daher zu Unrecht verhängt wurde, entschied der 11. BSG-Senat.

Az.: B 111 AL19/16 R und B 11 AL 5/16 R

Frank Leth


Bundessozialgericht

Geselliges Beisammensein auf eigene Gefahr



Gesellige Zusammenkünfte mit Arbeitskollegen stehen nur ausnahmsweise unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Hat nicht der Chef eine "betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung" initiiert, findet das Beisammensein auf eigene Gefahr statt, stellte das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel am 30. März.

Hintergrund des Rechtsstreits war der Sturz eines Außendienstmitarbeiters der AXA Versicherung im September 2006 auf einer Hoteltreppe. Das Unternehmen hatte zuvor anlässlich des sogenannten "Tag des Vertriebs" unter anderem Innen- und Außendienstmitarbeiter zu einem ADAC-Fahrsicherheitstraining eingeladen. Danach ging es in ein Restaurant, in dem Vorgesetzte und Beschäftigte betriebliche Dinge klärten.

Zum Ausklang traf sich ein Teil der Beschäftigten an der Bar in ihrem Hotel. Dabei floss reichlich Alkohol. Als der Außendienstmitarbeiter mit 2,5 Promille im Blut zur Toilette wollte, stürzte er auf dem Weg dahin von einer steilen Treppe. Er wurde bewusstlos, fiel später ins Wachkoma. Im März dieses Jahres starb der Mann.

Die Witwe meinte, dass der Sturz im Rahmen einer betrieblichen Veranstaltung stattgefunden habe und folglich ein Arbeitsunfall vorliege. In diesem Fall hätte sie Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente.

Doch vor dem BSG hatte die Klägerin keinen Erfolg. Auch wenn das gesellige Beisammensein an der Hotelbar der Pflege des Betriebsklimas diente, sei das Treffen privat veranlasst gewesen. Zwar könne eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung inklusive Umtrunk ausnahmsweise unter dem Schutz der Unfallversicherung stehen. Eine wichtige Voraussetzung sei dann aber, dass eine Führungskraft des Unternehmens die Veranstaltung angeregt haben muss. Das sei beim Ausklang im Hotel nicht mehr der Fall gewesen.

Az: B 2 U 15/15 R



Bundessozialgericht

"Beurlaubung" vom Therapieplan statt Klinikentlassung



Das Bundessozialgericht (BSG) erinnerte in einem neuen Urteil die Krankenhäuser an ihre Pflicht zur Wirtzschaftlichkeit. Will ein stationär aufgenommener schwer kranker Patient eine Zweitmeinung einholen und einige Tage über die Therapie nachdenken, kann die Klinik ihn nicht einfach formal entlassen und einige Tage später wieder neu aufnehmen. Vielmehr muss das Krankenhaus eine für die Krankenkasse günstigere "Beurlaubung" vom Therapieplan in Betracht ziehen, urteilte am 28. März das BSG in Kassel.

Im konkreten Fall wurde bei einem Patienten Nierenkrebs festgestellt. Die Ärzte des Klinikums Worms gGmbH empfahlen dringend eine Operation. Doch der Eingriff barg die Gefahr, dass der Patient lebenslang auf eine Dialyse angewiesen ist.

Er wollte daher eine Zweitmeinung einholen und über den Eingriff in Ruhe nachdenken. Die Klinik entließ ihn daraufhin und nahm ihn zehn Tage später für die OP wieder neu auf.

Das Krankenhaus berechnete für den ersten und für den zweiten Aufenthalt des Patienten jeweils eine Fallpauschale. Der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) meinte, dass die Krankenkasse weniger zahlen müsse. Denn die Behandlung sei nach der ersten Entlassung noch nicht beendet worden.

Das BSG gab dem MDK recht. Dem Krankenhaus stehe kein weiterer Vergütungsanspruch zu. Die Klinik hätte, um wirtschaftlich zu handeln, den Versicherten "für die überschaubare Zeit entsprechend dem Therapieplan beurlauben sollen, statt ihn zu entlassen". Entgegenstehendes Landesvertragsrecht sei nichtig.

Az.: B 1 KR 29/16 R



Bundessozialgericht

30 Jahre Rauchen schließt Lungenkrebs als Berufskrankheit nicht aus



Auch bei starken Rauchern kann Lungenkrebs als Berufskrankheit anerkannt werden. Entscheidend für die Anerkennung als Berufskrankheit ist, dass berufsbedingte Atemwegbelastungen - und nicht das private Rauchen - mit hoher Wahrscheinlichkeit den Lungenkrebs verursacht haben, urteilte am 30. März das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel.

Im konkreten Fall ging es um einen bei ThyssenKrupp im hessischen Dillenburg angestellten Schweißer, der während seiner Arbeit Chrom, Nickel und Asbest einatmen musste. Der Mann rauchte aber auch 20 Zigaretten täglich - und das 30 Jahre lang. Folge war eine Lungenkrebserkrankung, an der der Mann 2013 starb.

Seine Ehefrau beantragte bei der Berufsgenossenschaft Holz und Metall die Anerkennung als Berufskrankheit. In diesem Fall besteht Anspruch auf eine Hinterbliebenenversorgung.

Doch der Unfallversicherungsträger lehnte ab und verwies auf den jahrzehntelangen Zigarettenkonsum. Als Ursache für den Lungenkrebs müsse man da nicht nach anderen Ursachen suchen. Das Hessische Landessozialgericht (LSG) gab der Berufsgenossenschaft recht, auch wenn die Chrom-Belastung des Mannes eine Mitursache für die Lungenkrebserkrankung darstellte.

Doch das BSG urteilte, dass eine Berufskrankheit vorlag. Das LSG habe nicht festgestellt, inwieweit vor allem das private Rauchen die Lungenkrebserkrankung verursacht haben soll. Stattdessen sei auf die Gefährlichkeit von Chrom verwiesen worden, dem der Verstorbene infolge seines Berufs ausgesetzt war.

Az: B 2 U 6/15 R



Bundesverfassungsgericht

Keine Rentenanrechnung für Kindererziehungszeit im Nicht-EU-Ausland



Außerhalb der Europäischen Union geleistete Kindererziehung wird nicht auf die Rente angerechnet. Nach einem am 31. März veröffentlichten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ist es verfassungsgemäß, dass grundsätzlich nur die Kindererziehung im Inland rentenrechtlich relevant ist. Im konkreten Fall hielten die Karlsruher Richter eine dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde für unzulässig.

Normalerweise erhöhen Kindererziehungszeiten die Rente. Hat ein Elternteil ein Kind erzogen, werden ihm dafür Entgeltpunkte gutgeschrieben, die zur Erhöhung der Rente führen und sich am Durchschnittsverdienst aller Versicherten orientieren. Bei einer Geburt vor 1992 können bis zu 24 Monate der Kindererziehungszeit angerechnet werden, bei einer Geburt ab 1992 sind es bis zu 36 Monate.

Im jetzt entschiedenen Fall bezieht die aus Niedersachsen stammende Beschwerdeführerin eine Rente. Von 1968 bis 1973 lebte sie in Kanada und brachte dort einen Sohn zur Welt. Die Kindererziehungszeit wollte sie auf ihre Rente anrechnen lassen. Die Deutsche Rentenversicherung lehnte dies ab und verwies darauf, dass Kindererziehungszeiten im Nicht-EU-Ausland nicht berücksichtigt werden könnten.

Das Bundesverfassungsgericht hielt dies für verfassungsgemäß und verwies auf seine bisherige Rechtsprechung. Danach sei grundsätzlich nur die Kindererziehung im Inland rentenrechtlich relevant. Ob Kindererziehungszeiten im EU-Ausland für die Rente relevant sind, hatte Karlsruhe nicht zu entscheiden.

Az.: 1 BvR 2740/16



Bundesgerichtshof

Klinik-Bewertungsportal haftet für Änderung eines Patientenurteils



Änderungen an Patientenurteilen können für Betreiber eines Bewertungsportals über Krankenhäuser teuer werden. Ändert ein Betreiber eine falsche Aussage eines Patienten ohne Rücksprache, muss er für die Bewertung geradestehen. Er hat sich dann die Äußerung zu eigen gemacht, so dass die Klinik einen Unterlassungsanspruch geltend machen kann, urteilte am 4. April der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe.

Hintergrund des Rechtsstreits war die Bewertung eines Patienten über seine Behandlung in einer Klinik für HNO- und Laserchirurgie auf einem Bewertungsportal für Krankenhäuser im Internet. Der Patient hatte angegeben, dass er nach einer OP an der Nasenscheidewand - einem Standardeingriff - kurze Zeit später eine Blutvergiftung erlitten hatte. Das Klinikpersonal sei mit der Notsituation überfordert gewesen, so dass er beinahe gestorben wäre.

Die Klinik verlangte die Löschung der Bewertung, da diese unwahre Tatsachenbehauptungen beinhalte. Der Portalbetreiber fügte daraufhin ohne Rücksprache mit dem Patienten einen Zusatz ein und strich einen Satzteil. Er teilte der Klinik die Änderungen mit und meinte, dass "weitere Eingriffe" nicht angezeigt seien.

Doch damit hat sich der Portalbetreiber die Äußerungen des Patienten zu eigen gemacht, urteilte der BGH. Die Klinik habe daher einen direkten Unterlassungsanspruch gegenüber dem Portalbetreiber. Da es sich hier um unwahre Tatsachenbehauptungen handele, müsse die Meinungsfreiheit des Portalbetreibers hinter dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Klinik zurücktreten.

Az.: VI ZR 123/16



Oberverwaltungsgericht

Vorgetäuschter Arbeitsvertrag: Rumänin wird abgeschoben



Eine rumänische Zuwanderin, die ihr Beschäftigungsverhältnis gegenüber den Behörden offenbar vorgetäuscht hat, darf nach einer Gerichtsentscheidung abgeschoben werden. Ein EU-Bürger könne sich nicht auf die garantierte Arbeitnehmerfreizügigkeit berufen, wenn die Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses missbräuchlich erfolgt sei, heißt es in dem am 4. April veröffentlichten rechtskräftigen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster.

Die Klägerin lebt seit drei Jahren in Duisburg und sollte erstmals 2015 abgeschoben werden, nachdem sie gefälschte Arbeitsverträge vorgelegt hatte. Darauf ging sie ein Arbeitsverhältnis ein, das sie nach Aufhebung des Abschiebeverfahrens beendete. Bei einer erneuten Abschiebungsandrohung im Sommer 2016 legte sie einen unbefristeten Arbeitsvertrag als Spendensammlerin vor. Als sie dieser Tätigkeit auch nur für kurze Zeit nachging, wollten die Behörden sie ausweisen. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf bestätigte die Abschiebeandrohung. In ihrer Beschwerde dagegen legte die Frau einen weiteren Arbeitsvertrag vor.

Das Oberverwaltungsgericht wies die Beschwerde ab. Ein Freizügigkeitsrecht könne nicht aus dem erneuten Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber hergeleitet werden, begründeten sie. Die Frau habe EU-Recht missbraucht. Das Verhalten der Antragstellerin könne nur so verstanden werden, dass sie eine Erwerbstätigkeit nur vorübergehend und allein zur Abwendung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausüben wolle.

Az.: 18 B 274/17



Finanzgericht

Kindergeld bei Gendefekt auch nach Erreichen der Altersgrenze



Eltern erhalten laut einem Gerichtsurteil für erwachsene Kinder zeitlich unbegrenzt Kindergeld, wenn das Kind behindert ist und es deshalb seinen Unterhalt nicht selbst bestreiten kann. Das gilt auch dann, wenn der Gendefekt erst nach Erreichen der Kindergeld-Altersgrenze diagnostiziert wird und das Kind davor seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten konnte, wie es in dem am 30. März veröffentlichten Urteil des Finanzgerichts Köln heißt.

Das Gericht gab damit einem Kläger recht, dessen 1968 geborene Tochter an einer erblichen Muskelerkrankung leidet, bei der es zu einer fortschreitenden Abnahme der Muskelkraft kommt. Die Erkrankung wurde erst im Alter von 30 Jahren diagnostiziert, als eine Verwandte ein stark behindertes Kind zur Welt gebracht hatte und sich daraufhin mehrere Familienmitglieder einer genetischen Untersuchung unterzogen. In der Folgezeit verschlechterte sich der Gesundheitszustand der Tochter des Klägers. Mit 40 Jahren wurde bei ihr ein Grad der Behinderung von 100 Prozent festgestellt. Seit dem 43. Lebensjahr bezieht sie eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Den vom Kläger gestellten Kindergeldantrag für die Zeit ab Januar 2010 hatte die Familienkasse mit der Begründung abgelehnt, dass die Behinderung des Kindes nicht, wie gesetzlich gefordert, vor dem Erreichen der "Altersgrenze" eingetreten sei, die für vor 1982 Geborene noch bei 27 Jahren (heute 25 Jahre) lag. Der Gendefekt des Kindes habe erst wesentlich später zu einer Behinderung geführt.

Mit seiner dagegen erhobenen Klage hatte der Vater Erfolg und ihm wird nun Kindergeld gewährt. Sein Urteil vom 12. Januar begründet der Senat damit, dass es für die Frage, ob eine Behinderung vorliege, auf den objektiven Befund und nicht auf dessen Kenntnis ankomme. Damit habe die Behinderung unabhängig von der Diagnose bereits vor Vollendung des 27. Lebensjahrs vorgelegen. Es sei auch nicht erforderlich, dass das Unvermögen, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten, vor Erreichen der Altersgrenze vorgelegen habe.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Verfahrens ließ der Senat die Revision zum Bundesfinanzhof in München zu. (AZ des BFH: XI R 8/17).

Az: 6 K 889/15



Landgericht

Haftstrafen wegen Misshandlung von autistischen Kindern



Wegen Misshandlung und gefährlicher Körperverletzung schutzbefohlener autistischer Kinder und Jugendlicher hat das Landgericht Düsseldorf drei frühere Mitarbeiter einer Jugendhilfeeinrichtung zu Haft- und Bewährungsstrafen verurteilt. Die ehemalige Leiterin, ein Betreuer und eine Erzieherin hätten nicht im Rahmen einer Therapie, sondern strafbar gehandelt, befand das Gericht am 4. April nach 34 Tagen Hauptverhandlung.

Die Vorfälle ereigneten sich in der Zeit von August 2006 bis Mai 2008. Die schwer erziehbaren autistischen Kinder, die der Obhut der evangelischen Jugendhilfeeinrichtung Educon in Hilden anvertraut waren, waren damals zwischen sechs und 16 Jahre alt. Für die Richter steht fest, dass die Angeklagten die Kinder beispielsweise über Stunden festhielten, ihnen Schmerzen zufügten und sie quälten.

Die frühere Leiterin der Einrichtung erhielt wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen in 13 Fällen, davon zwölf in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten. Ein ehemaliger Wohngruppen-Betreuer wurde wegen gefährlicher Körperverletzung und Misshandlung in acht Fällen zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Die dritte Angeklagte, eine Erzieherin in der Wohngruppe, erhielt wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen in sieben Fällen, davon sechs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten. Zugunsten der Angeklagten sei berücksichtigt worden, dass ihr ursprüngliches Motiv gewesen sei, den Kindern zu helfen und sie vor einer Einweisung in die Psychiatrie zu bewahren, hieß es.

Die Geschäftsführung von Educon, die damals eine gemeinnützige Tochter-Gesellschaft der evangelischen Graf-Recke-Stiftung in Düsseldorf war, trennte sich nach Bekanntwerden erster Vorwürfe 2008 von der zuständigen Gruppenleitung und erstattete 2009 Strafanzeige gegen 16 hauptamtliche Mitarbeiter. Die Graf-Recke-Stiftung gliederte 2011 die vormals selbstständige Educon GmbH wieder als Geschäftsbereich in die Stiftung ein.

Az.: 7 KLs 6/13



Landgericht

Altenpflegerin vom Vorwurf des Totschlags freigesprochen



Eine hessische Altenpflegerin ist vom Vorwurf des versuchten Totschlags freigesprochen worden. Das Landgericht Darmstadt verurteilte die 43-Jährige aus dem Odenwaldkreis am 5. April jedoch wegen einfacher Körperverletzung zu einem Jahr Haft, ausgesetzt auf Bewährung für eine Frist von drei Jahren. Die Richter ahndeten damit die eigenmächtige Gabe des Schmerzmittels Morphin an einen im Sterben liegenden Patienten. Die Verabreichung von Betäubungsmitteln und ein Eingriff in den Körper ohne ärztliche Anweisung seien Körperverletzung, hieß es zur Begründung.

Die Staatsanwaltschaft war nach den Aussagen der behandelnden Ärztin in dem Alten- und Pflegeheim in Beerfelden und der wissenschaftlichen Gutachter von dem ursprünglichen Vorwurf des versuchten Totschlags abgerückt. Oberstaatsanwalt Knut Happel plädierte auf eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten, 150 Stunden gemeinnützige Arbeit und ein dreijähriges Berufsverbot. Die Angeklagte habe dem Sterbenden eigenmächtig zehn Milligramm Morphin statt der ärztlich angeordneten fünf Milligramm gespritzt, sagte Happel. Die Ärztin habe die Ermächtigung, dass bei Bedarf die zweite Hälfte der Ampulle auch früher als im angeordneten Abstand von vier Stunden gegeben werden darf, nur einer anderen Pflegeschwester gegenüber geäußert.

Die Verteidigung sah weder einen versuchten Totschlag noch eine Körperverletzung gegeben. Die behandelnde Ärztin habe nach eigenen Aussagen den Tod des Patienten jederzeit in der betreffenden Nacht erwartet, führte Rechtsanwalt Manfred Döring aus. In diesem Wissen habe die Angeklagte die Schmerzen des Patienten lindern wollen, nachdem dieser am späten Abend wieder zu stöhnen begann. Sie habe aufgrund ihrer Erfahrung gewusst, dass eine Dosis von zehn Milligramm Morphin keine tödliche Wirkung hat. Der Vorwurf einer Körperverletzung setze einen gesundheitlichen Schaden voraus. "Dies anzunehmen, ist bei einer Person im Sterben lächerlich", sagte der Verteidiger.

Az.: 11 Ks - 500 Js 21658/16




sozial-Köpfe

Führungswechsel

Joachim Gengenbach leitet Augustinum




Joachim Gengenbach
epd-bild/Augustinum/Christian Topp
Wechsel in der Leitung des Augustinums: Joachim Gengenbach hat Markus Rückert als Vorsitzenden der Konzerngeschäftsführung abgelöst. Rückert ist Ende März in den Ruhestand gegangen.

Joachim Gengenbach (54) hat zum 1. April den Vorsitz der Konzerngeschäftsführung der Münchner Augustinum Gruppe übernommen. Er löste Markus Rückert (65) ab, der seit 1988 an der Spitze des Augustinums stand. Gengenbach ist Bank- und Diplom-Kaufmann und gehört der Geschäftsführung der Augustinum gGmbH bereits seit 2014 an.

Die bislang zweiköpfige Geschäftsführung der Muttergesellschaft der Augustinum Gruppe wurde darüber hinaus um weitere Mitglieder ausgebaut: Matthias Heidler (Geschäftsführer Pädagogische Einrichtungen), Anne Kremer-Hartmann (Geschäftsführerin Pflege) und Johannes Rückert (Geschäftsführer Wohnstifte) ergänzen zusätzlich zu ihren bisherigen Aufgaben die Geschäftsführung der Augustinum gGmbH.

Mit diesem personellen Wechsel sieht sich das Augustinum "gut aufgestellt, um die Zukunft des Unternehmens erfolgreich zu gestalten", erklärte der Aufsichtsratsvorsitzende Hans Günther Bonk. Er dankte Rückert für seine erfolgreiche Arbeit, den diakonischen Träger als erste Adresse und als Marktführer im gehobenen Seniorenwohnen in Deutschland etabliert zu haben. Mit Joachim Gengenbach und dem erweiterten Geschäftsführungsteam wolle man dieses Angebot ebenso wie unsere anderen Sozialdienstleistungen weiter ausbauen.

Das Augustinum betreibt bundesweit unter anderem 23 Seniorenresidenzen. Die Unternehmensgruppe beschäftigt rund 4.400 Mitarbeitende und erwirtschaftete 2015 einen Umsatz von rund 348 Millionen Euro (Geschäftsjahr 2015).



Weitere Personalien



Roland Johannes Kottke (49) ist seit 1. April drittes Vorstandsmitglied der Agaplesion gAG. Der Volljurist und erfahrene Personalleiter verantwortet unter anderem die Bereiche Personal, Arbeits- und Vertragsrecht sowie den Einkauf. Kottke war zuletzt seit 2011 Prokurist und Bereichsleiter Personal bei der Sana Kliniken AG. Er begann seine berufliche Laufbahn 1996 bei internationalen Kanzleien in Köln und Paris. Von 2001 bis 2008 arbeitete er für die Kabel Deutschland GmbH, zunächst als Senior Legal Counsel, dann als Prokurist und Leiter der Konzernrechtsabteilung und ab 2006 als Direktor Personalstrategie, bevor er 2008 als Bereichsleiter Personal-Konzern und Prokurist in die Konzernleitung der Rhön-Klinikum AG wechselte. Die Agaplesion gAG beschäftigt nach eigenen Angaben rund 19.000 Mitarbeitende.

Bernhard Joachim Scholz ist zum Richter am Bundessozialgericht ernannt worden. Er promovierte im Jahr 2000 mit einer Dissertation zum Kommunal- und Verwaltungsprozessrecht. Scholz schloss ein Aufbaustudium an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer an. Seine richterliche Laufbahn begann er beim Sozialgericht Mainz. Es folgten Abordnungen an das Bundesministerium der Justiz von 2007 bis 2009 und an das Bundessozialgericht von 2011 bis 2013. Im Juni 2014 wurde er zum Richter am Landessozialgericht Rheinland-Pfalz ernannt. Beim BSG ist Scholz dem für die gesetzliche Krankenversicherung zuständigen 1. Senat zugewiesen worden.

Achim Jockwig (52) wird ab 1. September 2017 neuer Vorstandsvorsitzender des Klinikums Nürnberg. Das hat der Verwaltungsrat des Klinikums nach einer bundesweiten Ausschreibung entschieden. Jockwig löst Alfred Estelmann (64) ab, der nach zehn Jahren in der Leitung in den Ruhestand geht. Das Klinikum zählt 6.200 Beschäftigte und ist der größte Arbeitgeber in der Stadt. Zum Verbund gehören drei weitere Krankenhäuser im Landkreis Nürnberger Land. Jockwig studierte an der Johann Wolfgang Goethe Universität Frankfurt/M. Humanmedizin. Er ist Facharzt für Innere Medizin und Gesundheitsökonom. Seit 2009 leitete er die Geschicke der Cognos AG - Hochschule Fresenius und Carl Remigius Medical School in Idstein, zuletzt war er Vizepräsident der Hochschule und Geschäftsführender Direktor der Carl Remigius Medical School.

Rainer Pfrommer wurde zum Vorstand Gesundheit der Diakonie Neuendettelsau berufen. Der Arzt und Gesundheitsmanager übernimmt ab Juni die Verantwortung für die Krankenhäuser der Diakonie Neuendettelsau und die damit verbundenen Medizinischen Versorgungszentren. Zuletzt war der 54-jährige Arzt und Gesundheitsmanager bei den Asklepios Fachkliniken in München als Geschäftsführer tätig.

Roman Schlag vom Caritasverband für das Bistum Aachen ist in Köln zum Sprecher des Ständigen Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft der Schuldnerberatung der Verbände (AGSBV) gewählt worden. Er löste Matthias Bruckdorfer ab, der jetzt stellvertretender Sprecher ist.

Oliver Grundmann, Bundestagsabgeordneter der CDU aus Stade, hat mit von ihm gestifteten überdimensionalen Boxhandschuhen bei einer Versteigerung rund 60.000 Euro für das kirchliche Hospiz im niedersächsischen Bremervörde erlöst. Dabei seien die Einnahmen des Abends noch nicht mit eingerechnet, hieß es. Er hatte einen Handschuh in die Bundesversammlung geschmuggelt und den neuen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier mit einer Unterschrift zu einer "ersten guten Tat" überredet. Dies habe eine bundesweit einzigartige und parteienübergreifende Charity-Lawine ins Rollen gebracht. Auch die Politprominenz aller Bundestagsparteien von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bis hin zu Sarah Wagenknecht von den Linken auf den Handschuhen mit einer Unterschrift verewigt.

Stefanie Drese (40), Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern (SPD), übernimmt den Vorsitz im Landespflegeausschuss. Die Juristin wurde am 31. März gewählt. Der Landespflegeausschuss ist das gesetzliche Gremium zur Beratung über Fragen der Pflegeversicherung. In ihm sind Vertreterinnen und Vertreter von Krankenkassen, Pflegeverbänden, Kommunen und Landkreisen sowie die Landesregierung vertreten. Drese ist seit November 2016 Ministerin.

Jürgen Volkmann, einstiger Vorsitzender Richter am Bundessozialgericht, ist am 28. März gestorben. Er wurde 88 Jahre alt. Volkmann wurde 1929 in Wolmirstedt bei Magdeburg geboren und studierte er Rechtswissenschaften an der Universität München. Nach einer Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bundessozialgericht kam er als Richter an das Sozialgericht Trier. 1966 wurde der promovierte Jurist zum Landessozialgerichtsrat am Landessozialgericht Rheinland-Pfalz ernannt. 1974 wechselte er dann an das Bundessozialgericht, wo er 1988 wurde er zum Vorsitzenden Richter ernannt wurde. Bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand 1992 führte er den Vorsitz des damals für Rechtsstreitigkeiten aus dem Aufgabenbereich der Bundesanstalt für Arbeit zuständigen 11. Senats.

Wolfgang Eicher ist am 31. März als Vorsitzender Richter am Bundessozialgericht (BSG) in den Ruhestand getreten. Der 65-Jährige war seit 1992 BSG-Richter. Zum 1. Juli 2007 wurde er beim BSG zum Vorsitzenden Richter ernannt und übernahm den 7. und 8. Senat (Streitigkeiten in Angelegenheiten der Arbeitsförderung, der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes). Im Jahr 2015 war Eicher zusätzlich Vorsitzender Richter des 11. Senats, der zuständig ist für Rechtsfragen zur Arbeitslosenversicherung und übrigen Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit.

Hans-Dieter Mattmüller bleibt Geschäftsführender Vorsitzender der Konferenz Kirchlicher Werke und Verbände in der EKD. Die Delegiertenversammlung der Konferenz bestätigte ihn für weitere drei Jahre in diesem Amt. Mattmüller (75) ist seit 2011 Geschäftsführender Vorsitzender. Er war bis 2006 stellvertretender Geschäftsführer des GEP. Zur neuen Vorsitzenden wurde Margot Papenheim gewählt. Sie arbeitet als Referentin im Evangelischen Zentrum Frauen und Männer (Hannover) im Fachbereich Evangelische Frauen in Deutschland (EFiD). Die bisherige Vorsitzende Insa Schöningh, Bundesgeschäftsführerin der evangelischen Arbeitsgemeinschaft Familie (eaf) mit Sitz in Berlin, hatte nicht wieder kandidiert.

Dieter Radke wurde am 1. April für über 25 Jahre Ehrenamt in der Deutschen Seemannsmission in Kiel geehrt. Er erhielt die Ehrennadel bei der Feier seines 70. Geburtstags von Landesbischof im Ruhestand Jürgen Johannesdotter verliehen. Johannesdotter ist Vorsitzender der Stiftung Deutsche Lutherische Seemannsmission. Radke ist seit 1991 in der Kieler Seemannsmission aktiv. Der Bankbetriebswirt gehörte zu den Gründern der Stiftung Deutsche Lutherische Seemannsmission. Seit 2004 ist er hier als Schatzmeister und im Vorstand aktiv. Die Ehrennadel ist die höchste Auszeichnung der Seemannsmission.

Margit Benkenstein bleibt weitere zwei Jahre Vorsitzende des bpa-Landesverbandes Thüringen. Sie betreibt das PflegeCentrum Sonnenschein in Gerstungen. Ebenfalls wiedergewählt wurde Astrid Regel als ihre Stellvertreterin. Dem Landesverband gehören nach eigenen Angaben 220 Einrichtungen an.

Martina Pattberg ist in den Vorstand der Caritas in Mülheim im Bistum Essen aufgerückt. Sie ist Nachfolgerin von Margret Zerres, die ihre Vorstandstätigkeit im Vorjahr beendete. Pattberg leitete in Mülheim über zehn Jahre lang den Fachdienst Kinder-, Jugend und Familienhilfe. Außerdem ist die im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft katholischer Einrichtungen und Dienste der Erziehungshilfe im Bistum tätig und gehört auch dem Caritasrat an.




sozial-Termine



Die wichtigsten Fachveranstaltungen bis Mai

April

10.4. Ludwigsburg:

Fortbildungsreihe "45plus - Selbstständig machen mit Erfahrung" (Auftakt)

der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg"

Tel.: 07141/9745282

www.eh-ludwigsburg.de/weiterbildung

10.-12.4. Freiburg:

Kursreihe: "Unternehmen wirksam führen" (Auftakt)

der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes

Tel.: 0761/20017006

www.fak-caritas.de

21.4. Wiesbaden:

Seminar "Das haben wir schon immer so gemacht! Alte Zöpfe versus frischer Wind: Chancen und Konflikte: Generationenverbindendes Arbeiten im Pflegeteam"

des Ev. Fach- und Berufsverbandes für Pflege und Gesundheit

Tel.:0611/1860186

www.efaks.de

25.4.Münster:

Seminar "Das Bundesteilhabegesetz ist in Kraft getreten - Neuregelungen Teil 1"

der BPG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Tel.: 0251/4820412

25.-26.4. Potsdam:

Workshop "Schwierige Führungssituationen"

der Paritätischen Akademie Brandenburg

www.bildung-paritaet-brb.de

25.-27.4. Bamberg:

Seminar "Bewegungsangebote und Gedächtnisübungen für Menschen mit Demenz"

des Caritasverbandes für die Erzdiözese Bamberg

Tel.: 0951/8604120

www.caritas-bamberg.de

26.4. Paderborn:

Fortbildung "Partizipation - Wie Teilhabe gelingt und sie die Persönlichkeit stärkt"

der IN VIA Akademie

Tel.: 05251/290838

www.invia-akademie.de

26.4. Münster:

Fachtag "Werkstätten"

der Beratungsgesellschaft Curacon

Tel.: 0251/92208-0

www.curacon.de/fachtagungen

26.-27.4. Köln:

Seminar "Grundlagen des Arbeits- und Tarifrechts für kirchliche Einrichtungen und Dienste"

des Lambertus Verlages

Tel.: 0761/36825

www.lambertus.de

26.-28.4. Berlin:

Seminar "Hilfe- und Teilhabeplanung nach Smart"

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 030/48837495

www-ba-kd.de

27.-28.4. Magdeburg:

Zukunftskongress der Sozialwirtschaft "Die vernetzte Gesellschaft sozial gestalten"

des Vereins Kongress der Sozialwirtschaft

Tel.: 030/81899487

www.soz.kon

27.-28.4. Witten/Herdecke:

Tagung "Together everyone achieves more - zusammen mehr erreichen"

der Universität Witten/Herdecke

Tel.: 02302/926-360

http://www.uni-wh.de/

27.-28.4. Magdeburg:

Zukunftskongress der Sozialwirtschaft "Die vernetzte Gesellschaft sozial gestalten"

der BAGFW und Partnern

Tel.: 030/81899487

www.sozkon.de

27.-28.4. Eichstätt:

5. Eichstätter Fachtagung "Ökonomie und Management der Sozialimmobilie"

der Katholischen Universität Eichstätt

Tel.: 08421/9321594

www.ku.de

27.-29.4. Berlin:

Seminar "Traumasensible Beratung erwachsener Flüchtlinge"

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.:030/48837470

Mai

2.-3.5. Bergisch Gladbach:

Seminar "Krisen-PR in Verbänden und Einrichtungen - vorbereitet sein und glaubwürdig bleiben"

des Deutschen Caritasverbandes

Tel.: 0761/200-1706

www.fak-caritas.de

3.5. München:

Seminar "Professionelle Personalauswahl - Mitarbeiter finden, binden und weiterentwickeln"

der BPG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Tel.: 0251/48204-12

www.bpg-muenster.de/seminarangebote-bpg-unternehmensgruppe

3.5. Frankfurt a.M.

Tagung "Populismus macht sprachlos - schlagfertig antworten!"

der Demografie-Initiative im Deutschen Caritasverband

Tel.: 0761/200-524

www.caritas.de/initiative

3.5. Frankfurt a.M.:

Seminar "Grundlagen und aktuelle Entwicklungen im kirchlichen Arbeitsrecht"

der Lambertus Verlags GmbH

Tel.: 0761/36825

www.lambertus.de

3.-5.5. Freiburg:

Seminar "Seelisch und körperlich gesund - (un)erreichbar für Wohnungslose?"

der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes

Tel.: 0761/200-1700

www.fak-caritas.de

8.-9.5. Berlin:

Fachtagung "Situation von Menschen mit Behinderung im Arbeitsleben"

der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation

www.reha-recht.de/monitoring/

9.5. Berlin:

Seminar "ABC des Umsatzsteuer- und Gemeinnützigkeitsrechts"

der Solidaris Unternehmensberatung

Tel.: 02203/8997-211

www.solidaris.de

9.5. Berlin:

Seminar "Flexibilisierung der Beschäftigungsverhältnisse"

der BFS Service GmbH

Tel.: 0221/97356-159

9.5. Münster:

Seminar "Gemeinnützige Vereine und Stiftungen als Arbeitgeber"

der BPG Wirtschafsprüfungsgesellschaft

Tel.: 0251/48204-12

www.bpg-muenster.de/seminarangebote-bpg-unternehmensgruppe

9.-10.5. Berlin:

Seminar "Was glaubst du eigentlich? - Flüchtlinge verstehen, Flüchtlingen begegnen"

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

www.fa-kd.de

9.-10.5. Magdeburg:

Tagung "Grenzen überwinden! Katholische Altenhilfe: Individuelle Pflege und Begleitung von ambulant bis stationär"

des Verbandes katholischer Altenhilfe in Deutschland

Tel.:0761/200458

10.5. Berlin:

Seminar "Die GmbH-Geschäftsführung in der steuerbegünstigten GmBH - Anstellungsvertrag, Kompetenzen, Haftungsrisiken"

der BFS Service GmbH

Tel.: 0221/97356-159

www.bfs-service.de

15.5. Köln:

Seminar "Chancen und Risiken in Einrichtungen der Sozialwirtschaft"

der BFS Service GmbH

Tel.: 0221/97356-159

17.-19.5. Weimar:

Fortbildung "Aktuelle Fragen des Sozialhilferechts"

des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge

Tel.:030/62980605

www.deutscher-verein.de

22.5. Freiburg:

Studientag "Gut versorgt? Auf wessen Kosten? Osteuropäische Betreuungskräfte in deutschen Haushalten"

der Katholischen Akademie der Erzdiözese Freiburg

Tel.: 0761/319180

www.katholische-akademie-freiburg.de

31.5. Frankfurt a.M.:

Fachtagung "Integration, Diversität, Disparität - Herausforderungen für die Jugendarbeit"

der Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelischer Jugendsozialarbeit

Tel.: 0711/1648943

www.bagejsa.de