Ausgabe 14/2017 - 07.04.2017
Dortmund (epd). "Integration ist ein großes Projekt, das man allen in der Gesellschaft verständlich machen muss", sagte Özoguz am 3. April auf der Bundeskonferenz der Integrationsbeauftragten in Dortmund. Nach der akuten Krise in der Flüchtlingspolitik gehe es nun darum, die richtigen Weichen zu stellen, damit "Menschen hier nicht Jahrzehnte brauchen, um anzukommen". Der Konfliktforscher Andreas Zick wies darauf hin, dass Vorurteile gegen Flüchtlinge und Migranten das größte Integrationshindernis seien.
Özoguz beklagte, dass viele Ehrenamtliche in der Flüchtlingshilfe rechtsextremen Anfeindungen ausgesetzt seien. "Diese Menschen haben unsere Unterstützung verdient", betonte die Integrationsbeauftragte. Sie wolle Ehrenamtlichen zur Seite stehen. Deshalb wolle sie ein Training zum Umgang mit Anfeindungen zu einem Schwerpunkt der Konferenz der rund 300 Integrationsbeauftragten machen, die sich noch bis Dienstag in Dortmund unter dem Motto "Teilhabe voranbringen - Gemeinschaft stärken" über ihre Arbeit austauschen.
Auch NRW-Integrationsminister Rainer Schmeltzer (SPD) erklärte, für ihn stehe mit Blick auf die Integration die Bekämpfung von Rechtsextremismus ganz oben auf der Agenda. "Wir müssen klare Haltung zeigen und den Menschen die Angst vor dem Fremden nehmen." Schmeltzer sagte, er sei stolz auf die überwältigende Willkommenskultur in NRW, die in eine anhaltende Integrationskultur übergegangen sei.
Trotzdem bleibe auch hier noch einiges zu tun, räumte der SPD-Politiker ein. "Menschen mit Migrationshintergrund haben weiter Zugangshemmnisse zu Arbeit und Wohnraum." Das müsse unter dem Gesichtspunkt der Teilhabe schnell geändert werden, sagte Schmeltzer.
Vorurteile gegen Flüchtlinge und Migranten sind für den Sozialpsychologen und Konfliktforscher Andreas Zick das größte Integrationshindernis. "Sie sind der wichtigste Faktor, warum Teilhabe scheitert", sagte der Professor der Universität Bielefeld auf der Bundeskonferenz der Integrationsbeauftragten. Demnach seien Stereotype und Vorurteile gegenüber Einwanderern in den letzten Jahren angestiegen.
Aus Sicht des Forschers müssten deswegen Diversität gefördert und Zugänge für Menschen mit Migrationsgeschichte geschaffen werden. "Wir müssen anfangen, Netzwerke heterogen zu gestalten", forderte Zick. Migranten müssten als Akteure in die Netzwerke aufgenommen werden. Denn nur wer Vielfalt für eine Perspektive für die Gesellschaft halte, habe weniger Vorteile. Momentan fühlten sich 46 Prozent der Bürger von Vielfalt bedroht, sagte der Sozialpsychologe. "Wer angesichts der Flüchtlinge Sorgen hat und meint, dass die Politik die Kontrolle verloren hat, der wertet andere Menschen ab und engagiert sich nicht."
In keinem anderen europäischen Land habe es so viele Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte wie in Deutschland gegeben, sagte Zick. Er halte es für bedenklich, "dass sich rechtspopulistisch orientierte Gruppen über die Ablehnung von anderen definieren." Damit Integration gelingen könne, brauche es aber eine Willkommenskultur und weniger Vorurteile.
"Deutschland braucht kein Einwanderungsgesetz, sondern eine soziale Integrationspolitik durch die Wiederherstellung des Sozialstaates. In einer Gesellschaft, die sozial zerfällt und in der die Ungleichheit immer weiter wächst, kann auch keine Integration gelingen", sagte Sevim Dagdelen, Beauftragte der Linksfraktion für Migration und Integration. Eine modernisierte Gastarbeiterpolitik per Einwanderungsgesetz ist auch integrationspolitisch Gift.
Notwendig seien massive Investitionen in Bildung, Gesundheit und den Bau von bezahlbarem Wohnraum: "Hier müssen die Reichen und Superreichen ran. Eine Vermögensteuer ist überfällig", sagte Dagdelen.