Ausgabe 14/2017 - 07.04.2017
Bremen (epd). Pflegende Angehörige eines demenzkranken Menschen müssen nach Auffassung von Experten unbedingt lernen, gut für sich selbst zu sorgen. "Helfen Sie sich selbst, damit Sie ihrem Angehörigen helfen können", sagte Chefarzt Synan Al-Hashimy vom Alzheimer-Therapiezentrum Ratzeburg am 3. April bei einem Demenzkongress in Bremen. 35 Prozent der pflegenden Angehörigen wiesen klinisch bedeutsame depressive Symptome auf, weil sie überlastet seien, warnte der Mediziner.
Und der Redner fügte hinzu: "Bei pflegenden Ehepartnern mit hohem emotionalem und mentalem Stress ist das Sterberisiko um 63 Prozent höher." Nach den Erfahrungen des Mediziners vergessen pflegende Angehörige häufig sich selbst und gehen innerlich unter. So könnten aus fröhlichen Menschen Patienten werden. Die Zahl der potenziell Gefährdeten sei groß: "70 Prozent der Menschen mit Demenzerkrankungen werden von ihren Angehörigen zu Hause versorgt - meist über Jahre und rund um die Uhr."
Vor allem der Verlust sozialer Kontakte, fehlende Anerkennung durch die Umwelt und Verlusterfahrungen belasteten Angehörige seelisch. Körperlich werde das Immunsystem geschwächt. Symptome wie Magen-, Glieder- und Herzbeschwerden verschärften die Situation. "Außerdem haben pflegende Angehörige oft einen erhöhten Konsum von Schlaf- und Beruhigungsmitteln, Schmerzmedikamenten und Psychopharmaka."
Der Chefarzt leitet im schleswig-holsteinischen Ratzeburg eine Rehaklinik, in der pflegende Angehörige lernen können, wie sie wieder zu Kräften kommen. "Zu uns kommen sie leider oft erst dann, wenn sie am Ende ihrer Kräfte sind", bedauerte Al-Hashimy. "Besser wäre es, sie würden sich vom ersten Tag an Hilfe organisieren."