Ausgabe 14/2017 - 07.04.2017
Mainz (epd). Die Gemeindeschwestern besuchen hochbetagte Menschen, die noch keine Pflegehilfen in Anspruch nehmen, und beraten sie, wie sie möglichst lange ein selbstständiges Leben führen können. Im Interview über die "Gemeindeschwester plus" zeigte sich Ministerin Bätzing-Lichtenthäler mit dem Zwischenergebnis nach 1,5 Jahren hochzufrieden. Mit ihr sprach Karsten Packeiser.
epd sozial: Bei Ihrem Modellprojekt Gemeindeschwester plus ist gerade so etwas wie die erste Halbzeit vorüber. Wie bewährt sich die Idee im Alltag?
Sabine Bätzing-Lichtenthäler: Die vorliegenden Daten, Auswertungen, Erkenntnisse und Erfahrungen zeigen bereits eindrucksvoll, dass ohne Ausnahme in allen neun Modellkommunen das Projekt Gemeindeschwester plus in vollem Umfang und weitgehend wie geplant etabliert werden konnte. Die Gemeindeschwester plus soll nicht pflegen, keine Aufgaben übernehmen, die normalerweise von den ambulanten Diensten oder von den Pflegestützpunkten übernommen werden.
epd: Sondern?
Bätzing-Lichtenthäler: Sie soll sich wirklich kümmern und für die alten Menschen als Ansprechpartnerin da sein, einen Beitrag zum Kampf gegen Einsamkeit leisten. Sie soll eine Lotsenfunktion übernehmen und auf vorhandene Angebote hinweisen, aber auch den Kommunen eine Rückmeldung geben, ob diese Angebote ausreichen.
epd: Kommt das Angebot tatsächlich an?
Bätzing-Lichtenthäler: Ja, nach anderthalb Jahren kann man sagen, dass all das auch genau so erfüllt wird. Von den Gemeindeschwestern wurden vor Ort auch Seniorentreffs organisiert, ein rollender Mittagstisch oder Bewegungsangebote.
epd: Selbst in den teilnehmenden Kommunen ist längst nicht überall bekannt, dass es jemanden gibt, der hochbetagte Menschen zu Hause berät. Wie sorgen die Gemeindeschwestern plus dafür, dass wirklich alle von ihnen wissen?
Bätzing-Lichtenthäler: Das ist vor Ort ganz unterschiedlich: Einige Gemeindeschwestern haben alle Hochbetagten im Alter über 80 Jahren angeschrieben. Andere sind vor allem zu den Hausärzten gegangen und haben sich dort vorgestellt, damit die Ärzte sie ihren Patienten weiterempfehlen. Manche Gemeindeschwestern sind auch gezielt zu Seniorennachmittagen gegangen. Da waren dann zwar nicht die Seniorinnen und Senioren, die sie erreichen wollten, aber deren Nachbarn. Das Vertrauen zu gewinnen, ist in der Tat die schwierigste Schwelle. Eine Anzeige im Mitteilungsblättchen reicht da nicht.
epd: Was passiert, wenn das Modellprojekt 2018 ausläuft?
Bätzing-Lichtenthäler: Unser Ziel ist es, die Arbeit nach Möglichkeit nahtlos weiterzuführen und Schritt für Schritt auszubauen. Dazu müssen wir ins Gespräch mit den Kostenträgern kommen. Der Evaluationsbericht wird nach meiner Überzeugung Belege dafür liefern, dass die Gemeindeschwester plus präventive Pflegearbeit leistet und damit auch dem Solidarsystem der Pflegeversicherung zugutekommt.
epd: Das müssen Sie erläutern.
Bätzing-Lichtenthäler: Die Gemeindeschwestern können helfen, Pflege zu verhindern oder Pflegebedürftigkeit hinauszuzögern. Im Moment übernimmt das Land die Kosten zu 100 Prozent, und das werden wir nicht leisten können, wenn wir das Projekt auf alle Kommunen ausweiten wollen. Wenn uns es gelingt, eine Vereinbarung zu finden, wird Rheinland-Pfalz viele Nachahmer bekommen.