sozial-Recht

Finanzgericht

Kindergeld bei Gendefekt auch nach Erreichen der Altersgrenze



Eltern erhalten laut einem Gerichtsurteil für erwachsene Kinder zeitlich unbegrenzt Kindergeld, wenn das Kind behindert ist und es deshalb seinen Unterhalt nicht selbst bestreiten kann. Das gilt auch dann, wenn der Gendefekt erst nach Erreichen der Kindergeld-Altersgrenze diagnostiziert wird und das Kind davor seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten konnte, wie es in dem am 30. März veröffentlichten Urteil des Finanzgerichts Köln heißt.

Das Gericht gab damit einem Kläger recht, dessen 1968 geborene Tochter an einer erblichen Muskelerkrankung leidet, bei der es zu einer fortschreitenden Abnahme der Muskelkraft kommt. Die Erkrankung wurde erst im Alter von 30 Jahren diagnostiziert, als eine Verwandte ein stark behindertes Kind zur Welt gebracht hatte und sich daraufhin mehrere Familienmitglieder einer genetischen Untersuchung unterzogen. In der Folgezeit verschlechterte sich der Gesundheitszustand der Tochter des Klägers. Mit 40 Jahren wurde bei ihr ein Grad der Behinderung von 100 Prozent festgestellt. Seit dem 43. Lebensjahr bezieht sie eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Den vom Kläger gestellten Kindergeldantrag für die Zeit ab Januar 2010 hatte die Familienkasse mit der Begründung abgelehnt, dass die Behinderung des Kindes nicht, wie gesetzlich gefordert, vor dem Erreichen der "Altersgrenze" eingetreten sei, die für vor 1982 Geborene noch bei 27 Jahren (heute 25 Jahre) lag. Der Gendefekt des Kindes habe erst wesentlich später zu einer Behinderung geführt.

Mit seiner dagegen erhobenen Klage hatte der Vater Erfolg und ihm wird nun Kindergeld gewährt. Sein Urteil vom 12. Januar begründet der Senat damit, dass es für die Frage, ob eine Behinderung vorliege, auf den objektiven Befund und nicht auf dessen Kenntnis ankomme. Damit habe die Behinderung unabhängig von der Diagnose bereits vor Vollendung des 27. Lebensjahrs vorgelegen. Es sei auch nicht erforderlich, dass das Unvermögen, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten, vor Erreichen der Altersgrenze vorgelegen habe.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Verfahrens ließ der Senat die Revision zum Bundesfinanzhof in München zu. (AZ des BFH: XI R 8/17).

Az: 6 K 889/15


« Zurück zur vorherigen Seite


Weitere Themen

"Beurlaubung" vom Therapieplan statt Klinikentlassung

Das Bundessozialgericht (BSG) erinnerte in einem neuen Urteil die Krankenhäuser an ihre Pflicht zur Wirtzschaftlichkeit. Will ein stationär aufgenommener schwer kranker Patient eine Zweitmeinung einholen und einige Tage über die Therapie nachdenken, kann die Klinik ihn nicht einfach formal entlassen und einige Tage später wieder neu aufnehmen. Vielmehr muss das Krankenhaus eine für die Krankenkasse günstigere "Beurlaubung" vom Therapieplan in Betracht ziehen, urteilte am 28. März das BSG in Kassel.

» Hier weiterlesen

Keine Rentenanrechnung für Kindererziehungszeit im Nicht-EU-Ausland

Außerhalb der Europäischen Union geleistete Kindererziehung wird nicht auf die Rente angerechnet. Nach einem am 31. März veröffentlichten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ist es verfassungsgemäß, dass grundsätzlich nur die Kindererziehung im Inland rentenrechtlich relevant ist. Im konkreten Fall hielten die Karlsruher Richter eine dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde für unzulässig.

» Hier weiterlesen

Ohne Bewerbungs-Nachweis droht Arbeitslosen Sperrzeit

Arbeitslose müssen ihre Bemühungen um einen neuen Job der Arbeitsagentur nachweisen. Kommen sie dem nicht nach, droht ihnen eine Sperrzeit auf ihr Arbeitslosengeld I.

» Hier weiterlesen