Kirchen

Bischof July vertritt deutsche Lutheraner im Weltbund


Frank Otfried July
epd-bild/Jens Schulze
Die Mitgliederversammlung des Nationalkomitees bestimmte den württembergischen Landesbischof zum Nachfolger von Gerhard Ulrich.

Der württembergische Landesbischof Frank Otfried July ist zum Vorsitzenden des Deutschen Nationalkomitees des Lutherischen Weltbundes gewählt worden. Die Mitgliederversammlung des Nationalkomitees bestimmte den 64-jährigen Theologen am 3. Dezember in Hannover zum Nachfolger von Gerhard Ulrich. Das Deutsche Nationalkomitee sei ein wichtiger Bestandteil des Lutherischen Weltbundes, sagte July anlässlich seiner Wahl. So sei man in einer globalen Welt auch wirklich Teil einer globalen Kirche.

July erhielt bei der Wahl 18 von 19 Stimmen. Zu seiner Stellvertreterin wurde Kristina Kühnbaum-Schmidt, designierte Landesbischöfin der evangelischen Nordkirche, gewählt. Sie tritt in der Nordkirche die Nachfolge des 67-jährigen Ulrich an, der 2019 in den Ruhestand gehen wird.

Ulrich war bereits im November als Leitender Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) zurückgetreten. Er wurde im Anschluss an die Wahl als Vorsitzender des Deutschen Nationalkomitees verabschiedet. Diese Aufgabe abzugeben, falle ihm besonders schwer, sie sei eine seiner schönsten gewesen, sagte Ulrich. Die Ökumene sei die Zukunft der Kirche, das habe ihm sein Engagement im Lutherischen Weltbund gezeigt, fügte er hinzu.

Weltweiter Kirchenbund

July und Kühnbaum-Schmidt wurden am Nachmittag mit einem Gottesdienst in ihre neuen Ämter eingeführt. July ist seit 2005 Bischof der rund zwei Millionen Mitglieder zählenden Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Er ist verheiratet und Vater von vier erwachsenen Kindern.

Auf der Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes (LWB) 2010 in Stuttgart wurde er in den Rat des LWB gewählt und bekleidete zudem bis 2017 das Amt des Vizepräsidenten für die Region Mittel- und Westeuropa. Auf der LWB-Vollversammlung 2017 in Windhuk (Namibia) wurde er erneut in den LWB-Rat gewählt. Der für die Wahl eigens angereiste Präsident des Lutherischen Weltbundes, der nigerianische Erzbischof Panti Filibus Musa, würdigte Julys bisheriges Engagement für den LWB. "Ihr Einblick in die Kirchengemeinschaft und ihre starke Verwurzelung im LWB werden Sie segensreich in Ihr neues Amt einbringen", sagte Musa.

Der Lutherische Weltbund ist die Dachorganisation von weltweit mehr als 75 Millionen lutherischen Christen. Zum LWB gehören 148 Kirchen in fast 100 Ländern. Er wurde am 1. Juli 1947 im schwedischen Lund gegründet. Das Deutsche Nationalkomitee des Lutherischen Weltbunds ist der Zusammenschluss der elf deutschen Mitgliedskirchen des Lutherischen Weltbundes, der größten Gemeinschaft lutherischer Kirchen in Deutschland.



Kandidaten für Nachfolge von Markus Dröge stehen fest

Zwei Männer und eine Frau bewerben sich um die Nachfolge von Markus Dröge für das Bischofsamt in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Kandidaten für die Wahl Anfang April 2019 sind die evangelische Senderbeauftragte beim Hessischen Rundfunk, Heidrun Dörken, der Direktor des Michaelisklosters Hildesheim, Jochen Arnold, und der Propst und bisherige Stellvertreter von Bischof Dröge, Christian Stäblein. Die Kandidaten wollten sich am 10. Dezember der Öffentlichkeit vorstellen, wie die Landeskirche am 7. Dezember mitteilte.

Die 56-jährige Theologin Heidrun Dörken stammt aus Frankfurt am Main, war dort ab 1996 Rundfunkbeauftragte der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und ist seit 2013 evangelische Senderbeauftragte für den Hessischen Rundfunk. Der 51-jährige Theologe Christian Stäblein stammt aus Niedersachsen und ist seit gut drei Jahren Propst der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Der 50-jährige Theologe und Kirchenmusiker Jochen Arnold ist seit 2004 Direktor des Gottesdienst- und Kirchenmusikzentrums im Michaeliskloster.

Für zehn Jahre gewählt

Das neue geistliche Oberhaupt der knapp eine Million Protestanten in Berlin, Brandenburg und Ostsachsen soll bei der Frühjahrstagung der Landessynode vom Kirchenparlament gewählt werden. Laut Bischofswahlgesetz der Landeskirche wird der Bischof ohne Aussprache in geheimer Wahl mit Zwei-Drittel-Mehrheit der anwesenden Kirchenparlamentarier gewählt. Die Amtszeit beträgt zehn Jahre. Der Synode gehören 114 Kirchenmitglieder an.

Bei der Bischofswahl sind bis zu fünf Wahlgänge möglich. Im fünften Wahlgang steht nur noch der Kandidat, der im vierten Wahlgang die meisten Stimmen bekommen hat, zur Wahl. Sollte auch im fünften Wahlgang keine Zwei-Drittel-Mehrheit zustandekommen, müssen neue Kandidaten gefunden werden.

Bischof Dröges Amtszeit endet im November 2019. Der Theologe wird im kommenden Oktober 65 Jahre alt. Sein Nachfolger soll am 16. November in das Bischofsamt eingeführt werden, in dem Gottesdienst wird Dröge auch aus seinem Amt verabschiedet. Die Kandidaten stellen sich den Angaben zufolge im Januar und Februar auch in Gottesdiensten in der Landeskirche vor.

Die drei Kandidaten wurden vom Bischofswahlkollegium der Landeskirche vorgeschlagen. Dem Gremium gehören unter anderem die Mitglieder der Kirchenleitung und zwölf von der Landessynode gewählte Mitglieder an. Vorsitzende des Bischofswahlkollegiums ist die Vorsitzende der Landessynode, Präses Sigrun Neuwerth. Der Wahlvorschlag des Gremiums muss mindestens zwei und darf höchstens vier Namen enthalten.



Greifswalder Bischofskandidaten aus Dresden und Rostock

Zwei evangelische Theologen aus Dresden und Rostock treten bei der Greifswalder Bischofswahl für Mecklenburg-Vorpommern an: Christian Behr (57) ist Pfarrer an der Kreuzkirche Dresden und Superintendent des Kirchenbezirkes Dresden Mitte, Tilman Jeremias (52) ist Ökumene-Pastor des Kirchenkreises Mecklenburg in Rostock, wie die kirchliche Pressestelle am 6. Dezember mitteilte. Gesucht wird ein Nachfolger der beiden Bischöfe Hans-Jürgen Abromeit (Greifswald) und Andreas von Maltzahn (Schwerin). Gewählt wird am 1. März 2019 im Greifswalder Dom St. Nikolai.

Christian Behr ist gebürtiger Thüringer und absolvierte Ende der 70er Jahre zunächst eine Lehre als Baufacharbeiter. Nach dem Theologie-Studium in Jena übernahm er seine erste Pfarrstelle 1989 in Kayna bei Zeitz (Sachsen-Anhalt), wo er auch als Kreisdiakoniepfarrer tätig war. 1994 wechselte Behr ins sächsische Grimma. Seit 2012 ist er 1. Pfarrer an der Kreuzkirche Dresden und Superintendent. Er arbeitet im Beirat für die geistliche Arbeit an der Frauenkirche und im Vorstand für das Ökumenische Informationszentrum. Behr ist Gründungsmitglied des liberalen "Forums für Gemeinschaft und Theologie" und engagiert sich in einer Partnerschaft zur Lutherischen Kirche in Moskau. Er ist verheiratet, hat drei erwachsene Töchter und zwei Enkel.

Gut zwei Millionen Mitglieder

Tilman Jeremias wurde in Mainz geboren und wuchs in Gröbenzell (bei München) auf. Nach einem Jahr in einer heilpädagogischen Tagesstätte für psychisch kranke Kinder studierte er Evangelische Theologie in München, Tübingen, Jerusalem und Leipzig. Sein Vikariat absolvierte er im mecklenburgischen Thürkow (bei Teterow). 1995 übernahm er die Pfarrstelle in Schwaan (bei Rostock). 2001 bis 2002 gehörte er zu den Sprechern des "Worts zum Sonntag". 2003 wechselte Jeremias in die Innenstadtgemeinde Rostock. Seit 2016 ist er als Pastor für Mission und Ökumene verantwortlich für die Kontakte des Kirchenkreises zu seinen Partnerkirchen, für Gespräche mit anderen Kirchen und den interreligiösen Dialog. Jeremias ist geschieden und hat drei Kinder.

Die Bischöfe Abromeit und von Maltzahn haben während ihrer Amtszeit in der Nordkirche den Bischofsbezirk (Sprengel) Mecklenburg und Pommern gemeinsam geleitet. Bischof von Maltzahn wird im Mai 2019 aus dem Amt ausscheiden und wird Studienleiter im Pastoralkolleg Ratzeburg. Abromeit tritt im September 2019 in den Ruhestand. Laut Bischofswahlgesetz können weitere Kandidatinnen und Kandidaten benannt werden, wenn sie von einem Viertel der Synodalen unterstützt werden. Ein solcher Vorschlag muss bis zum 24. Januar 2019 eingehen.

Die evangelische Nordkirche hat knapp 2,1 Millionen Gemeindeglieder und umfasst die Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Hamburg. Zur Nordkirche gehören rund 1.000 Gemeinden mit fast 1.900 Kirchen und Kapellen.



Westfälische Kirche kritisiert Asylstufenplan in NRW


Sammelabschiebung nach Afghanistan vom Münchner Flughafen
epd-bild/Lukas Barth

Kritik am Asylstufenplan der NRW-Landesregierung hat der Kirchenrat der westfälischen Landeskirche, Jan-Dirk Döhling, geübt. "Eine Isolierung von Schutzsuchenden und Asylbewerbern von der Zivilgesellschaft schadet nicht nur den Menschen, sondern verschärft auch die Tendenz zur Fremdenfeindlichkeit in der Gesellschaft", sagte er auf dem "Asylpolitischen Forum" am Wochenende in Schwerte. Die Zentralen Unterbringungseinrichtungen (ZUE) des Landes dürften nicht zu "Ausreise- und Rückführungszentren" umorganisiert werden. Wo Menschen ohne Perspektive ausharrten und ihre soziale und berufliche Entwicklung nicht mitgestalten könnten, machten sich Verzweiflung, Langeweile, Unsicherheit, Wut und Gewalt breit.

Asylpolitsches Forum in Schwerte

Schutzsuchende sollten so früh wie möglich dezentral in den Kommunen untergebracht werden, erklärte der Theologe, der in der Landeskirche für den Bereich gesellschaftliche Verantwortung zuständig ist. Von Anfang an solle die Integration beginnen. "Auch abgelehnte Asylbewerber sind keine Kriminellen", unterstrich Döhling.

Durch die enge Verknüpfung der Landesunterkünfte mit Ausreise, Rückkehr und Abschiebung sei das individuelle Recht auf Asyl gefährdet, erklärte der Kirchenrat weiter. Döhling forderte eine Grundentscheidung in der Flüchtlingspolitik, alles für optimale Rahmenbedingungen zur Integration zu tun. Das sei "eine riesig gesellschaftliche Aufgabe, die alle zivilgesellschaftliche, politische und administrative Energie braucht". Die evangelische Kirche sei jederzeit bereit, hier Verantwortung zu übernehmen.

Nach dem sogenannten Asylstufenplan des Landes NRW können alle Geflüchteten bis zu sechs Monaten in einer Landeseinrichtung festgehalten werden. Asylbewerber, deren Antrag im Schnellverfahren des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) abgelehnt wurde, sogar bis zu zwei Jahre.

Staatssekretär Andreas Bothe vom NRW-Integrationsministerium verteidigte das Ziel des Landes, den Kommunen nur noch anerkannte Flüchtlinge zuzuweisen, um sie zu entlasten. Die Asylverfahren müssten kürzer werden. Das Land NRW habe großes Interesse an einer zuverlässigen und fachlich optimalen Betreuung der Geflüchteten, sagte Bothe. Sie bräuchten Beratung, qualifizierte Informationen über Verfahren und Rechte. Bothe betonte aber auch, dass Menschen, die sich nicht integrieren wollen, "zügig zurückgeführt werden". Das würde die Rechtsstellung derjenigen stärken, die auch ohne Bleiberecht Integrationsleistungen erbracht haben. "Unser Ziel ist, gut integrierten Ausländern eine Bleibeperspektive zu eröffnen."

Bürgermeister von Altena mahnt "verbale Abrüstung" an

In einer Podiumsdiskussion sprach sich der Bürgermeister von Altena, Andreas Hollstein (CDU), für einen "Asylfrieden" aus. Der Bürgermeister der Stadt Altena, die mehr Flüchtlinge aufgenommen hat als nach dem Verteilungsschlüssel notwendig, riet beiden Seiten zur "verbalen Abrüstung". Hollstein warb dafür, die Gräben in der Gesellschaft einzuebnen statt sie weiter zu vertiefen. Als Bürgermeister sei er an pragmatischen Lösungen interessiert. Die Preise wie den Nationalen Integrationspreis gebührten den zahlreichen ehrenamtlich Tätigen in seiner Stadt, die eine "wunderbare Arbeit" leisteten.

Erklärung verabschiedet

Zum Abschluss der Fachtagung der Evangelischen Kirche von Westfalen riefen die Teilnehmer in einer gemeinsamen Erklärung dazu auf, das Grundrecht auf Asyl zu stärken und "die Abschottungspolitik aufzugeben". Sie forderten ein europäisches Asylsystem mit gleich hohen Standards in allen Mitgliedsstaaten der EU. Die Erstaufnahme in den Landesunterkünften solle sechs Wochen Aufenthaltsdauer nicht überschreiten. Weitere Forderungen sind unter anderem der uneingeschränkte Familiennachzug, keine Abschiebungen in Länder wie Afghanistan, wo Gefahr für Leib und Leben drohe, oder der Ausbau der staatlichen Seenotrettung.

Zum Asylpolitischen Forum kamen 150 Haupt- und Ehrenamtliche, die in der Flüchtlingshilfe aktiv sind. Das Institut für Kirche und Gesellschaft der Evangelischen Kirche von Westfalen lädt dazu gemeinsam mit dem Flüchtlingsrat NRW, ProAsyl, Amnesty International, der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe und der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche ein.



Ermittlungen gegen Mainzer Pfarrer und Flüchtlingshelfer

Die Staatsanwaltschaft Koblenz hat Ermittlungen gegen den Mainzer Ruhestandspfarrer Friedrich Vetter eingeleitet, der als Vertreter der evangelischen Kirchen in der rheinland-pfälzischen Härtefallkommission arbeitet. Vetter bestätigte am 4. Dezember dem Evangelischen Pressedienst (epd), dass es in diesem Zusammenhang Ende November bei ihm eine Hausdurchsuchung gegeben habe. Auch gegen einen ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer aus dem Westerwald wird ermittelt. Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden Männern Beihilfe zum illegalen Aufenthalt vor. Zuvor hatte der Südwestrundfunk über den Fall berichtet.

Hintergrund der Ermittlungen ist, dass Unterstützer einer Familie aus Russland, deren Asylantrag abgelehnt wurde, die Härtefallkommission eingeschaltet hatten. Ziel war, ein Bleiberecht für die Eltern und ihre drei Kinder zu erreichen. Die Kommission konnte laut Vetter den Antrag aus formalen Gründen nicht mehr prüfen, weil die Ausländerbehörde in Montabaur bereits eine Abschiebung geplant hatte. Dies hatte Vetter dem ehrenamtlichen Helfer im Westerwald mitgeteilt. Am Tag der Abschiebung war die Familie nicht mehr in ihrer Unterkunft auffindbar.

"Abschiebungskultur"

In der Flüchtlingswohnung sei ein Schriftstück mit dem Hinweis aufgefunden worden, dass der Abschiebeflug für die Familie für November 2018 angesetzt gewesen sei, begründete Rolf Wissen von der Staatsanwaltschaft Koblenz die Einleitung des Ermittlungsverfahrens. Gegen den Betreuer der Familie bestehe der Verdacht, er habe die Information weitergeleitet, um den Asylbewerbern "eine Möglichkeit zur Aufrechterhaltung ihres Aufenthalts in Deutschland zu eröffnen", heißt es in seiner schriftlichen Stellungnahme.

Vetter bezeichnete die Vorwürfe als "völligen Quatsch". Es sei schon immer üblich gewesen, dass die Härtefallkommission darüber informiere, wenn sie einen Antrag nicht zur Aussprache annehme. Dies geschehe allein schon deshalb, damit die Helfer vor Ort nicht immer neue Dokumente beschaffen, um einen bereits aussichtslosen Antrag zu untermauern. Was die Polizei in seiner Wohnung gesucht habe, wisse er auch nicht genau, sagte Vetter.

"Die Politik hat sich von einer Willkommens- zu einer Abschiebungskultur gedreht", kritisierte der evangelische Pfarrer, der sich nach eigenen Angaben mittlerweile einen Anwalt genommen hat. Durch das Vorgehen der Behörden lasse er sich in seiner Flüchtlingsarbeit nicht einschüchtern. Schlimmere Folgen könne der Fall allerdings für ehrenamtliche Flüchtlingshelfer haben. Die Kreisverwaltung in Montabaur und das Mainzer Integrationsministerium lehnten eine Stellungnahme zu den Fällen ab.

In den zurückliegenden Monaten sind Kirchenvertreter in Rheinland-Pfalz bereits mehrfach wegen ihrer Flüchtlingsarbeit ins Visier der Strafermittlungsbehörden geraten. Im Zusammenhang mit Kirchenasyl-Fällen wurden wiederholt Strafverfahren gegen Pfarrer eingeleitet. Für Aufsehen sorgte auch eine Hausdurchsuchung in kirchlichen Räumen einer katholischen Gemeinde in Budenheim bei Mainz im Jahr 2017.



Präsidium des Ökumenischen Kirchentags 2021 konstituiert


Das Präsiidium des Ökumenischen Kirchentags (vorne Mitte die evangelische Präsidentin Bettina Limperg, 3.v.r. der katholische Präsident Thomas Sternberg).
epd-bild/Heike Lyding

Die Vorbereitungen zum dritten Ökumenischen Kirchentag vom 12. bis 16. Mai 2021 in Frankfurt am Main nehmen an Fahrt auf. Am 7. Dezember traten in der Evangelischen Akademie Frankfurt die 43 Mitglieder des Gemeinsamen Präsidiums zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammen. Der Ökumenische Kirchentag müsse ein Zeichen der Hoffnung in die Welt senden, sagte die evangelische Präsidentin Bettina Limperg. "Die Welt wartet nicht auf den Ökumenischen Kirchentag. Aber die Welt wartet auf Antworten zu vielen Gerechtigkeitsfragen", sagte sie.

Kirchen- und Katholikentage seien "Orte der Hoffnung, des Arbeitens und Suchens nach Wegen in eine friedvollere und gerechtere Ordnung unter den Menschen", sagte die Präsidentin des Bundesgerichtshofes. Der Ökumenischen Kirchentag solle zum einen den Blick auf die innerchristliche Ökumene richten. So müsse das Christentreffen die Fragen stellen, warum ein gemeinsames Abendmahl nicht gelingen solle und wie Frauen gleichberechtigte Teilhabe bekommen.

Zum anderen müsse die Suche mit anderen Religionen nach Gemeinsamkeiten Thema sein. Und schließlich gehe es um die Suche nach Antworten auf gesellschaftliche Fragen wie der Medizintechnik, Umwelt, Weltwirtschaft und Kriege.

"Zeichen gegen Antisemitismus"

Der dritte Ökumenische Kirchentag - nach 2003 in Berlin und 2010 in München - werde das wohl größte kirchliche Ereignis der kommenden Jahre in Deutschland sein, sagte der katholische Präsident Thomas Sternberg. An erster Stelle im angestrebten Dialog der Religionen nannte er die Jüdische Gemeinde. Der freundschaftliche Austausch solle "ein klares Zeichen setzen gegen jede Form von Antisemitismus".

Auch die wachsende Ablehnung des Islams in Deutschland wachse "zu einem großen Problem aus". Der Dialog mit den Muslimen müsse einen bedeutenden Platz bekommen. Unter den politischen Herausforderungen, zu denen der Ökumenische Kirchentag Beiträge liefern sollte, nannte der Präsident des Zentralkomitees deutscher Katholiken an erster Stelle den Rechtspopulismus. "Die Demokratie steht derzeit in vielen Staaten vor ihrer größten Bewährungsprobe", sagte er. Menschen, die sich von völkischen Parolen repräsentiert fühlten, gebe es auch in den Kirchen.

Unter den weiteren Themen des Frankfurter Kirchentags nannte Sternberg den sexuellen Missbrauch in Kirchen und Gesellschaft, Sklaverei und Zwangsprostitution, Hilfe für Flüchtlinge, Wirtschaftsethik und Klimaerwärmung. Das Christentreffen könne aber nur eine Wirkung über Konfessionsgrenzen hinweg entfalten, wenn es einen breiten Diskurs mit Kulturschaffenden, Verantwortlichen in Bildung, Wirtschaft und Politik führen werde. "Ich wünsche mir, dass sich alle Menschen dieser Stadt eingeladen und angezogen fühlen", sagte der Präsident.



Land NRW fördert Dortmunder Kirchentag


Geschäftsstelle des Kirchentags in Dortmund
epd-bild/Friedrich Stark

Das Land Nordrhein-Westfalen fördert den Deutschen Evangelischen Kirchentag 2019 in Dortmund mit 3,9 Millionen Euro. Der Arnsberger Regierungspräsident Hans-Josef Vogel (CDU) habe den Förderbescheid im Namen der Landesregierung an Verantwortliche des Kirchentages übergeben, teilte die Bezirksregierung Arnsberg am 10. Dezember mit. Der vom 19. bis 23. Juni zum 37. Mal stattfindende Kirchentag sei ein wichtiges öffentliches Forum zur Diskussion der gesellschaftlichen Herausforderungen.

Das protestantische Laientreffen beschäftige sich 2019 mit Themen, die alle in der Gesellschaft bewegten, sagte Vogel unter Verweis auf die Schwerpunkte Digitalisierung, Arbeit, soziale Teilhabe und Europa. Angesichts des Wandels in allen Bereichen sei es umso wichtiger, sich stetig über Werte und Normen auszutauschen, diese immer wieder neu auszuhandeln und die neuen technischen Möglichkeiten positiv zu gestalten, unterstrich Vogel.

Seit 1949 erreicht der Evangelische Kirchentag alle zwei Jahre etwa 100.000 Menschen, wie es hieß. Neben den zahlenden Tages- und Dauergästen würden durch viele kostenfreie Veranstaltungen vor allem die Bürger aus Dortmund und der Region erreicht. Geplant seien etwa 2.000 Veranstaltungen an 200 Orten.

Der Deutsche Evangelische Kirchentag als gemeinnütziger kirchlicher Verein unter privater Trägerschaft finanziert sich nach eigenen Angaben hauptsächlich aus drei verschiedenen Quellen: Ein Teil kommt aus Mitteln der gastgebenden Stadt und des Bundeslandes, weitere Gelder stammen aus Zuschüssen der einladenden Landeskirche. Den dritten Teil erwirtschaftet der Kirchentag aus dem Verkauf von Eintrittskarten, dem Verkauf von Produkten im KirchentagShop sowie aus Spenden und Sponsoringleistungen.



Pfadfinder verteilen Friedenslicht aus Bethlehem


"Friedenslicht" aus Bethlehem
epd-bild / Fröhlich

Am dritten Adventssonntag erwarten die Pfadfinder in Nordrhein-Westfalen wieder das Friedenslicht aus Bethlehem. Die Aktion steht in diesem Jahr unter dem Motto "Frieden braucht Vielfalt", wie der Ring deutscher Pfadfinderverbände NRW in Neuss mitteilte. Das in der Geburtsgrotte Christi in Bethlehem entzündete Licht wird zunächst per Flugzeug nach Wien gebracht und dort von Pfadfinderdelegationen aus verschiedenen europäischen Ländern abgeholt. In den nordrhein-westfälischen Bistümern soll das Licht am 16. Dezember in zentralen Gottesdiensten an die Gemeinden weitergereicht werden.

Im Bistum Aachen wollen die Pfadfinder das Licht um 13.45 Uhr am Hauptbahnhof in Empfang nehmen und von dort zum Aussendungsgottesdienst im Aachener Dom tragen. Die Gottesdienste für das Erzbistum Köln im Kölner Dom und des Bistums Essen im Essener Dom finden um 15 Uhr statt, für das Bistum Münster um 16.30 Uhr im St. Paulus Dom. Ökumenisch ausgerichtet ist die Aussendungsfeier für das Erzbistum Paderborn in der katholischen Kirche St. Joseph in Dortmund um 15 Uhr.

Bis zum Heiligen Abend wird das Licht dann in Gottesdiensten in den Gemeinden weitergegeben. Von dort tragen es die Pfadfinder auch in Familien, Krankenhäuser und Schulen, in Verbände, öffentliche Einrichtungen, in Altenheime und zu Obdachlosen, in Moscheen und Synagogen.

Das Friedenslicht aus Bethlehem wird als Zeichen für Solidarität und Gemeinschaft seit 1986 vom Österreichischen Rundfunk (ORF) in der Geburtsgrotte Jesu Christi im palästinensischen Bethlehem entzündet und nach Wien gebracht. Seit 25 Jahren verteilen die Pfadfinder es auch in Deutschland, seit 20 Jahren in NRW.



Hamburger Kinderbischöfinnen in ihr Amt eingeführt


Die Kinderbischöfinnen Emma Sciuk, Mathilde Mielich, Julia Tavaglione (v.l.) mit Pastor Martin Vetter
epd-bild/Stephan Wallocha

Mit einem lebhaften Gottesdienst sind am 6. Dezember die drei neuen Hamburger Kinderbischöfinnen in ihr Amt eingeführt worden. Mathilde Mielich, Emma Sciuk und Julia Tavaglione - alle zehn Jahre alt - erhielten am Nikolaustag in der Hauptkirche St. Nikolai (Klosterstern) von Hauptpastor Martin Vetter die Bischofsabzeichen. Dazu zählen Bischofsstab, Mitra, Ring, Mantel und ein Bischofskreuz. Die drei Mädchen kommen aus den fünften Klassen der evangelischen Wichern-Schule.

Thema der Kinderbischöfinnen ist in diesem Jahr "Für Vielfalt - Gegen Ausgrenzung". Sie würden sich dafür einsetzen, Ausgrenzungen von Kindern zu verhindern, kündigte Kinderbischöfin Emma an. Dazu wollen sie die Streitschlichter und Anti-Mobbing-Aktionen ihrer Schule bekannter machen. Es sei doch heute völlig normal, verschieden zu sein, betonte Mathilde. Julia: "Wir kommen ja nicht aus dem Kopierer." Allerdings könne es manchmal auch anstrengend sein, Vielfalt auszuhalten.

Toleranz und Vielfalt

Die Tradition der Hamburger Kinderbischöfe geht auf einen mittelalterlichen Brauch zurück, der in ganz Europa verbreitet war. Zu ihrem Gefolge im Gottesdienst zählten daher nicht nur Mönche und Engel, sondern auch Ratsherren, Dienstmägde, Ritter, Handwerker und Marktfrauen. In mehreren Sprachen stellten sich die drei Mädchen vor und machten damit die Vielfalt der Wichern-Schule deutlich.

In den Wochen zuvor waren Toleranz und Vielfalt auch Thema des Unterrichts an der Wichern-Schule. So hatten sie in Rollenspielen Frisuren und Kleidung geändert, um die Verschiedenheit sinnlich zu erleben. Außerdem hatten sie sich mit dem Diskriminierungsverbot, das Teil der UN-Kinderrechtskonvention ist, befasst.

Zu den geplanten Aktivitäten der Kinderbischöfinnen gehört eine Postkartenaktion, mit der für die Akzeptanz von Vielfalt geworben wird. Die Karten sollen auch an Politiker verschickt werden. Geplant ist auch ein Besuch bei ihrer erwachsenen "Amtsschwester" Kirsten Fehrs in der Hamburger Bischofskanzlei.

Seit 1994 werden alljährlich Schüler der Wichern-Schule in der Hauptkirche St. Nikolai als Kinderbischöfe eingeführt. Sie setzen sich mit ihren Klassenkameraden für bessere Lebensbedingungen und die Rechte von Kindern in Hamburg ein.



Lobpreis mit Gin Tonic


"Sunday"-Gottesdienst in der Münchner Bar "Knödel-Alm"
epd-bild/mck
Wummernder Bass, coole Livemusik, viel Gefühl und wenig Liturgie - das Gottesdienstformat "sunday" in einer Münchner Bar setzt auf niedrigschwellige Begegnung mit Religion.

Amelie begutachtet die Sneakers ihrer Freundin Maiara: "Ich habe noch überlegt, ob ich heute meine hohen Schuhe anziehen soll." Die beiden elf und 13 Jahre jungen Mädchen stehen am Tresen einer Bar im ehemaligen Party-Gelände Münchens. Entspannt ordern sie zwei Saftschorlen, bevor der Gottesdienst losgeht. Denn an diesem Sonntagabend findet in der Nachtkantine, wie die Location heißt, kein Konzert statt, sondern "sunday" - ein modernes evangelisches Format mit viel Discolicht und wenig Kirchenmuff.

"sunday" soll ein "moderner lutherischer Gottesdienst" sein, erklärt Initiatorin und Hochschulpfarrerin Claudia Häfner. Gemeinsam mit anderen evangelischen Pfarrern hat sie das Format ins Leben gerufen, um "kreativ und lebensnah Christsein zu feiern". Denn das sei für viele in klassischen Sonntagsgottesdiensten nicht möglich. So entstand die Idee, die einerseits alle Generationen zusammenbringen soll - und andererseits insbesondere die Jüngeren ansprechen.

Während Amelie und Maiara über gerade angesagte Turnschuhe fachsimpeln, gesellen sich die Eltern der Mädchen zu ihnen an die Bar. Die Freunde besuchen "sunday" zum zweiten Mal. "Wir haben das als unsere Familientradition etabliert", erzählt Amelie. Hier haben die Eltern keine Probleme, ihre Teenies für einen gemeinsamen Gottesdienstbesuch zu motivieren - in einen "normalen" würden sie nämlich nicht gehen, sagen die Mädchen. Da sei das "eine coole Alternative".

Zwischen 20 und 40

An der Decke hängen Traversen voller Scheinwerfer, die Band trifft auf der Bühne letzte Vorbereitungen, die Barleute versorgen die Gäste mit Drinks. Bis auf drei Kerzen und ein kleines Kreuzchen auf dem Tisch vor der Band lässt kaum etwas erahnen, dass es sich hier nicht um einen gewöhnlichen Kneipenabend mit Live-Musik handelt. Erst wer genauer hinsieht, entdeckt die an manchen Tischen gefalteten Hände im "Publikum".

Nach kurzer Diskussion um die Sitzplätze - Amelie und Maiara wollen zusammen auf den Lederbänken ganz hinten sitzen, ihre Eltern erlauben es schließlich, aber nur, "wenn ihr nicht wieder so viel ratscht, dafür habt ihr nachher noch genug Zeit" - geht der Gottesdienst los. Die Mädels sind heute die jüngsten Besucher. Die meisten der etwa 20 Anwesenden, die allein oder zu zweit an den dunklen Holztischen Platz genommen haben, vor sich Radler, Johannisbeerschorle oder Gin Tonic, sind zwischen 20 und 40.

"Jetzt lasst uns einfach ein bisschen Lobpreis machen": Mit diesen Worten eröffnet die Band den Abend. Schon wummert der Bass los, die Scheinwerfer malen tanzende Muster an die Decke und die Musiker präsentieren mit rockig-poppigem Sound ihre junge Version des Gotteslobs. Sofort bringen sie die ersten Füße zum Wippen, erst zaghaft, dann immer deutlicher. Amelie und Maiara singen eifrig mit - statt auf Liedzetteln werden die englischen Songtexte hier per Beamer auf eine Leinwand projiziert.

"Wir wollten raus aus der Kirche. Denn für viele ist die Schwelle, eine Bar zu betreten geringer, als in eine Kirche zu gehen", erklärt Häfner: "Gottesdienstfeiern soll Freude machen und nicht steif sein! Es soll für alle easy möglich sein!" Und doch entscheiden sich die Menschen, die "sunday" aufsuchen, ganz bewusst dafür: Denn zufällig stolpert hier gewiss niemand herein, auf diesem aktuell einsamen Gelände, zwischen Partymeilen-Vergangenheit und Neuer-Szene-Viertel-Zukunft.

"Wuhuu!"-Rufe und Applaus

Das Thema des heutigen Abends lautet "Freiheit". Das Gottesdienstteam zeigt und liest Postkartenmotive mit Weisheiten, es geht um Gefangene, um Mandela, Bonhoeffer, die Weiße Rose. Immer wieder wird Englisch gesprochen, wer sich eine durchgehende Übersetzung wünscht, darf neben Dennis Platz nehmen, der heute den Dolmetscher gibt. Internationalität ist den Machern wichtig: "Hier leben viele aus anderen Ländern. Die Heimatsprache in einem Gottesdienst zu hören, berührt tiefer als eine fremde Sprache", findet Häfner.

Erneut gibt die Band Vollgas, erntet "Wuhuu!"-Rufe und Applaus. Sie macht "sunday" ehrenamtlich - wie alle der insgesamt 40 Beteiligten, darunter acht hauptamtliche Pfarrer und Diakone. Nach einer Stunde mit viel Musik und wenig klassischer Liturgie geht "sunday" zu Ende. Grund heimzugehen ist das aber für die wenigsten. Nun kommt der gemütliche Teil: Amelie und Maiara versammeln sich mit ihren Eltern an einem Tisch, bestellen Pizza und dürfen endlich ungehindert quatschen.

Brigitte Bitto (epd)


Westfälische Kirche schafft neue Pfarrstellen für Gehörlosenseelsorge

Die Evangelische Kirche von Westfalen stärkt die Gehörlosenseelsorge. Die Kirchenleitung hat insgesamt acht neue Pfarrstellen in dem Bereich geschaffen, wie das Landeskirchenamt am 7. Dezember in Bielefeld mitteilte. Ab 1. Februar werden sieben der Theologen ihre Arbeit in den unterschiedlichen Regionen Westfalens aufnehmen, eine weitere Berufung werde noch folgen. Zu den Aufgaben der Seelsorger gehören regelmäßige Gottesdienste in Gebärdensprache in den Gehörlosengemeinden und Regionen sowie Taufen, Trauungen und Bestattungen für Gehörlose und ihre Angehörige.

Weitere Aufgaben sind den Angaben zufolge Konfirmandenunterricht mit Elternarbeit in Kooperation mit den Schulen sowie die Gewinnung, Ausbildung und Begleitung von ehrenamtlich Mitarbeitenden in den Gemeinden. Bereits im vergangenen Jahr hatte die Landessynode, das einmal jährlich in Bielefeld-Bethel tagende "Kirchenparlament", die Weiterentwicklung der "Gesamtkonzeption Seelsorge in der Evangelischen Kirche von Westfalen" beschlossen. Eine Folge daraus sei die Einrichtung der neuen Pfarrstellen, hieß es.

Notfallseelsorge gestärkt

Bereits am 4. Dezember gab die Landeskirche kennat, dass in der Notfallseelsorge fünf neue Pfarrstellen geschaffen werden. Die Seelsorger sind zuständig für die Regionen Münsterland, Ostwestfalen, Hellweg, Ruhrgebiet und Südwestfalen. Damit werde die Notfallseelsorge als gesamtkirchliche Aufgabe langfristig gesichert. Bislang wurde Seelsorge in diesem Bereich dezentral von den Kirchenkreisen organisiert. Die fünf neuen hauptamtlichen Notfallseelsorger sind ab dem 1. Februar in den Regionen aktiv und für die regionalen Teams verantwortlich.

Für die Region Münsterland ist Pfarrerin Alexandra Hippchen zuständig, für Ostwestfalen Pfarrer Matthias Rausch und für die Region Hellweg Pfarrer Ingo Janzen. Im Ruhrgebiet ist Pfarrer Peter Rutz für die Notfallseelsorge verantwortlich und in Südwestfalen Pfarrer Frank Rüter.

Notfallseelsorger sind unter anderem bei Verkehrsunfällen mit Verletzten oder Toten sowie nach einem Suizid im Einsatz. Sie stehen verletzten Menschen bei oder überbringen Todesnachrichten an Angehörige. Auch die Seelsorge an Feuerwehrleuten und Sanitätern gehört zu ihren Aufgaben. Notfallseelsorger kooperieren bei ihrer Arbeit mit Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst.



ARD-Weihnachtsgottesdienst aus umgebauter Scheune

Der evangelische ARD-Gottesdienst am Heiligen Abend kommt in diesem Jahr aus einer umgebauten Scheune des Wasserschlosses Haus Kemnade in Hattingen. Die westfälische Präses Annette Kurschus hält die Predigt, wie die Stadt Bochum am 7. Dezember ankündigte. Das Motto der Evangelischen Christvesper lautet "Der Weihnachtsmoment - wie aus Furcht Vertrauen wird".

"Wir suchen den Weihnachtsmoment nicht im Pomp, sondern da, wo Jesus geboren wurde: in einem Stall", erklärte der Theologe Matthias Kleiböhmer von der Stiftung Creative Kirche, der durch den Gottesdienst führen wird. Der Gottesdienst wird am Heiligen Abend ab 16.15 Uhr von der ARD live übertragen. Die musikalische Leitung hat Hartmut Naumann, Prorektor der Evangelischen Pop-Akademie.



Kirchenkreis Gütersloh: Trotz Mehreinnahmen vorsichtig haushalten

Der Evangelische Kirchenkreis Gütersloh wirtschaftet im nächsten Jahr mit einem Haushalt in Höhe von rund 15,8 Millionen Euro. Das Budget wurde von der am 7. Dezember in Rietberg tagenden Kreissynode einstimmig verabschiedet, wie der Kirchenkreis mitteilte. Von der stabilen Haushaltslage profitierten sowohl die Kirchengemeinden als auch verschiedene Arbeitsbereiche des Kirchenkreises.

Bei den Kirchensteuerzuweisungen von der westfälischen Landeskirche verzeichnet der Kirchenkreis den Angaben zufolge für 2019 ein Plus von 476.000 Euro auf rund 14,1 Millionen Euro. Dazu kämen Einnahmen aus Vermietungen und Verpachtungen. Die 17 Gemeinden und der Gemeindeverband Brackwede in Bielefeld erhalten demnach rund 350.000 Euro zusätzlich, um damit notwendige Strukturveränderungen vorzunehmen und Defizite aufzufangen, erklärte der Gütersloher Superintendent Frank Schneider.

Erwachsenenbildungswerk wieder besetzt

Der stellvertretende Vorsitzende des Finanzausschusses, Christoph Freimuth, empfahl, trotz der Mehreinnahmen weiter vorsichtig hauszuhalten. So sinke die Zahl der derzeit noch rund 100.000 Gemeindeglieder weiter. Gleichzeitig stiegen die Ausgaben für Gebäudeunterhaltung, Energie, die Versorgungskasse der Pfarrer sowie die Personalkosten.

Ein weiterer Schwerpunkt der Herbstsynode lag laut der Mitteilung auf dem Thema Evangelische Erwachsenenbildung. Das kreiskirchliche Referat wurde im September nach zweijähriger Vakanz mit der Sozialpädagogin und Diakonin Sylvia Karthäuser neu besetzt. Evangelische Erwachsenenbildung sei nicht nur religiöse Bildung, sondern biete sowohl kirchliche als auch gesellschaftliche Themen an, betonte die Geschäftsführerin des Evangelischen Erwachsenenbildungswerks Westfalen-Lippe, Antje Rösener.



Mehreinnahmen für Kirchenkreis Bielefeld durch gute Konjunktur

Der Evangelische Kirchenkreis Bielefeld kann im kommenden Jahr mit einem Haushalt in Höhe von 13,3 Millionen Euro wirtschaften. Das hat die Kreissynode auf ihrer Herbsttagung am 7. Dezember in Bielefeld beschlossen. Die Personalkosten für Pfarrerinnen und Pfarrer zählen den Angaben nach mit rund 4,75 Millionen Euro zu den größten Ausgaben. Die Gemeinden erhalten etwa 1,9 Millionen Euro, wie der Kirchenkreis mitteilte. Für die 32 evangelischen Kindertageseinrichtungen stehen 2019 als Eigenanteil des Kirchenkreises etwa 1,1 Millionen Euro zur Verfügung.

Im Vergleich zum Vorjahr könne sich der Kirchenkreis konjunkturbedingt über Mehreinnahmen von etwa 500.000 Euro freuen, sagte Verwaltungsleiter Uwe Gießelmann in seiner Haushaltrede. Knapp 100.000 Euro davon kommt seinen Worten zufolge über die bisher geplante Zuweisung hinaus unmittelbar den Gemeinden zugute. Zugleich machte der Verwaltungsleiter deutlich, dass ein Großteil der Mehreinnahmen zur Deckung der gestiegenen Personal- und Baukosten diene.

Im Zuge der Finanzberatungen ging Superintendent Christian Bald, der zum ersten Mal die Kreissynode leitete, auch auf die Veränderungen im Bereich der Leitung der evangelischen Jugendarbeit im Kirchenkreis ein, wie es hieß. Mit dem Eintritt in den Ruhestand von Synodaljugendpfarrer Thomas Wandersleb in der ersten Jahreshälfte 2019 werde diese Leitungsstelle nicht mehr besetzt werden.

epd-West kat



Kirchenkreis Herford rechnet mit leichtem Plus bei Kirchensteuer

Die Kreissynode des Evangelischen Kirchenkreises Herford hat auf ihrer Herbstsitzung den Haushalt für das kommende Jahr verabschiedet. Für 2019 wird nach Angaben des Kirchenkreises ein Kirchensteueraufkommen von 15,6 Millionen Euro erwartet. Die Planung liege rund 2,7 Prozent über dem Ansatz für 2018, hieß es. Dazu kämen sonstige Einnahmen unter anderem aus Rücklagenentnahme, Zinsen, Pacht- und Mieterträge und staatliche Zuweisungen. Die Gesamtsumme der Einnahmen "Finanzausgleichskasse" betrügen rund 18,6 Millionen Euro, dem stünden geplante Ausgaben in gleicher Höhe gegenüber.

Demnach sind 2019 rund 5,5 Millionen Euro für den gemeindlichen Pfarrdienst eingeplant sowie rund 2,3 Millionen Euro als Trägeranteil und Zuschuss für die 53 evangelischen Kitas in der Region. Für die regionale Jugendarbeit, die Freizeitheime, die beiden kreiskirchlichen Schulen und das Schulreferat sowie die Kirchenkreis-Verwaltung stehen rund 5,4 Millionen Euro zur Verfügung. Pauschalisiert erhalten die Kirchengemeinden 1,3 Millionen Euro unter anderem für Unterhalt der Kirchen- und Gemeindehäuser sowie Energiekosten. Für Küsterdienste und Gemeindebüros werden rund 1,5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Der Kirchenkreis fördert direkt die diakonische Arbeit im Kirchenkreis mit rund 1,1 Millionen Euro, wie es weiter hieß. Die Ausgaben für die Kirchenmusik seien etwa aufgrund gestiegener Personalkosten verglichen mit dem Vorjahr um 8,1 Prozent gestiegen und würden für 2019 mit rund 729.000 Euro beziffert.

Der Kirchenkreis hat nach eigenen Angaben erstmals einen sogenannten NKF-Haushalt (Neues kirchliches Finanzmanagement) der Finanzgemeinschaft verabschiedet. Zum Januar 2019 erfolge die Umstellung des Systems von der alten und bisherigen kameralen Betrachtungsweise der Finanzen und des Vermögens auf die neue doppische Haushaltsführung. Superintendent des Kirchenkreises ist Michael Krause.



Kreissynode Vlotho: Gemeinden sollen stärker kooperieren

Die Kreissynode des Evangelischen Kirchenkreises Vlotho hat auf ihrer jüngsten Tagung in Bad Oeynhausen zwei Personalentscheidungen getroffen: Einstimmig beschlossen wurde von den rund anwesenden, stimmberechtigten 80 Kreissynodalen die Einrichtung einer halben Pfarrstelle in der Klinikseelsorge im Herzzentrum Bad Oeynhausen sowie ab sofort eine halbe, unbefristete Stelle in der Öffentlichkeitsarbeit, wie der Kirchenkreis mitteilte. Der bisherige Pressesprecher, Pfarrer Rainer Labie (61), gibt sein Amt bald auf, wie es hieß.

Auf der Herbstsynode wurde erneut über die künftigen Strukturen des Kirchenkreises diskutiert. Die evangelischen Kirchengemeinden in der Region wurden aufgerufen, stärker auf Zusammenarbeit zu setzen als bisher. Es gehe vor allem um eine neue, Gemeindegrenzen überwindende, gemeinsame Sichtweise aller, sagte Synodalassessor Pfarrer Lars Kunkel. Im Sommer hatte den Angaben nach die Vollversammlung der evangelischen Kirche in Bad Oeynhausen, Löhne, Porta Westfalica und Vlotho den Vorstand beauftragt, einen Erneuerungsprozess der kirchlichen Arbeit in der Region einzuleiten.

An einer Reform "führt kein Weg vorbei", betonte auch Superintendent Andreas Huneke, der die Synode leitete. "In zehn Jahren ist ein Großteil der jetzt hier tätigen Pfarrerinnen und Pfarrer im Ruhestand und viele Stellen werden nicht mehr besetzt werden können." Auch der große Gebäudebestand im Kirchenkreis machten ein Umdenken vor Ort immer dringlicher.

Der Haushalt 2019 wurde darüber hinaus bestimmt. Der Vorsitzende des kreiskirchlichen Finanzausschusses, Helmut Schwartze, vermeldete weiter steigende Kirchensteuereinnahmen aufgrund der anhaltend guten Konjunktur. So bekommen die Kirchengemeinden im kommenden Jahr 84,22 Euro pro Gemeindemitglied (2018: 76 Euro) zugewiesen, wie es hieß. Die Erhöhung solle vor allem zu erwartende Kostensteigerungen auffangen, erklärte Schwartze.



Missbrauch: Vier Staatsanwaltschaften ermitteln nach Anzeige

Vier von 27 deutschen Staatsanwaltschaften ermitteln wegen des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche gegen unbekannt. Betroffenenvertreter mahnen, die Zeit der vornehmen Zurückhaltung müsse endlich vorbei sein.

Nach einer Anzeige von Strafrechtsprofessoren haben einem Zeitungsbericht zufolge bislang vier Staatsanwaltschaften Ermittlungen wegen des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche eingeleitet. Die Ermittlungen richteten sich gegen unbekannt, meldete die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (6. Dezember). 20 Staatsanwaltschaften prüften die Anzeige noch. Durchsuchungen oder Beschlagnahmen in den Bistümern, wie sie die Strafrechtler gefordert hatten, hätten nicht stattgefunden.

Nach der Veröffentlichung der Missbrauchsstudie der katholischen Kirche im September hatten Jura-Professoren um den Passauer Strafrechtler Holm Putzke bei den Staatsanwaltschaften in allen 27 deutschen Bistümern Strafanzeige gegen unbekannt gestellt. Die von der katholischen Deutschen Bischofskonferenz in Auftrag gegebene Missbrauchsstudie liefere "zureichende tatsächliche Anhaltspunkte" für Straftaten, zitierte der "Spiegel" aus der Anzeige. Deshalb seien die Behörden verpflichtet, die Kirchenakten sicherzustellen: "Die Fakten der Studie rechtfertigen eine Durchsuchung sämtlicher Diözesen."

"Ermittlungen anweisen"

Die Opfer-Initiative "Eckiger Tisch" erklärte, die Zeit der vornehmen Zurückhaltung müsse endlich vorbei sein. "Wir appellieren an die zuständigen Justizministerien in den Ländern, mit Blick auf die Ergebnisse der Missbrauchsstudie und die Strafanzeigen ihrer Verantwortung gerecht zu werden, die Staatsanwaltschaften zu zeitnahen Ermittlungen anzuweisen und die Bistümer zur Herausgabe der Akten und Unterlagen über ihnen bekannt gewordenen Missbrauchsfälle aufzufordern." Es dürfte nicht weiterhin die Kirche und damit die "Organisation der Täter" sein, die entscheide, ob ein Verbrechen eventuell verjährt sei, sagte Sprecher Matthias Katsch dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Die Bischofskonferenz hatte Ende September eine von ihr in Auftrag gegebene Studie zu sexuellem Missbrauch an Minderjährigen durch Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige veröffentlicht. Die Studie ergab, dass zwischen 1946 und 2014 insgesamt 3.677 Minderjährige Opfer sexuellen Missbrauchs wurden. Es fanden sich Hinweise auf 1.670 beschuldigte Kleriker. Für die Studie wurden Personalakten der 27 deutschen Bistümer ausgewertet.



Missbrauchs-Vertuschung: Australischer Ex-Erzbischof freigesprochen

Der ehemalige Erzbischof von Adelaide in Australien, Philip Wilson, ist von dem Vorwurf, sexuellen Missbrauch durch einen Priester vertuscht zu haben, freigesprochen worden. Ein Berufungsgericht in Newcastle setzte den 68-Jährigen einem Bericht der Tageszeitung "Sydney Morning Herald" (6. Dezember, online) zufolge auf freien Fuß.

Der zuständige Richter bezeichnete Wilson australischen Medienberichten zufolge als glaubwürdigen Zeugen. Es habe nicht eindeutig bewiesen werden können, dass er vom Missbrauch durch einen Priester gewusst habe. Wilson hatte vor Gericht angegeben, sich nicht an die Gespräche zu erinnern, in denen eines der Opfer ihn über pädophile Übergriffe durch einen mittlerweile verstorbenen Geistlichen informiert habe.

Der damalige Erzbischof von Adelaide war im Mai als bislang ranghöchster Vertreter der katholischen Kirche in erster Instanz wegen Missbrauchsvorwürfen verurteilt worden. Papst Franziskus nahm kurz darauf Wilsons Rücktritt an. Dieser war Anfang Juli zu zwölfmonatigem Hausarrest verurteilt worden. Wilson leidet unter Alzheimer in Anfangsstadium.

Nicht der Polizei gemeldet

Das Gericht hatte Wilson für schuldig befunden, in den 70er Jahren den Missbrauch an Jungen durch einen Priester nicht bei der Polizei gemeldet zu haben. Wilsons Anwälte gingen mit dem Argument in Berufung, damals sei Missbrauch noch nicht als schweres Verbrechen angesehen worden, das angezeigt werden müsse.

In Australien steht auch der ehemalige Erzbischof von Sydney und heutige Präfekt des vatikanischen Wirtschaftssekretariats, George Pell, als bislang höchstrangiger Kurienverteter wegen Missbrauchsvorwürfen vor Gericht. Der Papst gewährte ihm eine Auszeit vom Amt des vatikanischen Wirtschaftsministers, beließ ihn jedoch zunächst im Amt. Pell muss sich wegen mutmaßlichem Missbrauch und dessen Vertuschung in Melbourne vor Gericht verantworten.



Erzdiözese sagt Nein zu WhatsApp

Die Erzdiözese Freiburg hat den Einsatz von WhatsApp im dienstlichen Gebrauch untersagt. Ausschlaggebend seien datenschutzrechtliche Bedenken gegen den Messengerdienst, der persönliche Informationen auf ausländische Server hochlade, schreibt das Bistum in einer Mitteilung vom 7. Dezember. Den Kirchenmitarbeitern wird die Nutzung alternativer Programme wie "Threema" empfohlen.

In der Mitteilung wird betont, dass es nicht um eine generelle Ablehnung der Kommunikation über Messenger gehe. Vielmehr solle der Blick auf den Schutz persönlicher und sensibler Daten gelenkt werden. Die Erzdiözese weist darauf hin, dass sich andere Bistümer sowie zahlreiche Unternehmen und Einrichtungen ebenfalls für ein WhatsApp-Verbot auf Diensthandys entschieden hätten.



Ende des Bergbaus: Barbara-Statue erblickt wieder Tageslicht


Heilige Barbara
epd-bild/Rolf Zöllner

Eine Statue der Heiligen Barbara aus dem Bergwerk Prosper Haniel spielt eine besondere Rolle im Abschiedsgottesdienst für den Steinkohlebergbau am 20. Dezember im Essener Dom. Die Statue werde für den Gottesdienst erstmals wieder aus 1.200 Meter Tiefe ans Tageslicht gebracht und feierlich in den Dom getragen, kündigte das Ruhrbistum am 3. Dezember an. Zurzeit steht sie hinter einer Glasscheibe auf der siebten Sohle des Bottroper Bergwerks. An diesem Dienstag begehen den Angaben nach viele Bergleute den letzten Barbaratag im aktiven Dienst.

Schutzpatronin der Bergleute und Tunnelbauer

Die Heilige Barbara, eine frühchristliche Märtyrerin, wurde zur Schutzpatronin der Bergleute, weil sich auf der Flucht vor ihrem jähzornigen Vater eine Felsspalte öffnete und ihr Schutz bot. Ihr Gedenktag ist der 4. Dezember. Vielen Bergleuten, egal ob Katholiken, Protestanten, Muslimen oder Atheisten, sei die Barbara-Figur heilig, die zur festen Ausstattung von Bergwerken gehöre, erklärte das Bistum Essen. So hätten die Bottroper Bergleute ihre Barbara-Figur noch nicht einmal für den Probe-Durchlauf des Abschiedsgottesdienstes entbehren wollen. Denn ein aktives Bergwerk ohne den Schutz der Barbara-Figur sei für sie nicht denkbar.

Nach dem Gottesdienst kehrt die Statue den Angaben nach zurück an ihren Platz im Bergwerk Prosper Haniel. Schließlich würden am 21. Dezember, zur zentralen Abschiedsveranstaltung für den deutschen Steinkohlebergbau in Bottrop, noch die symbolischen letzten Kohlen gefördert, hieß es. Zudem seien in den Wochen und Monaten danach noch einige Bergleute in der Zeche beschäftigt.

Das Bergwerk Prosper Haniel in Bottrop ist das letzte aktive Steinkohlebergwerk in Deutschland. Seitdem dort am 14. September die Zielförderung in Höhe von 1,8 Millionen Tonnen erreicht wurde, wird bis Mitte Dezember nur noch sporadisch Steinkohle gefördert. Zum Festakt am 21. Dezember werden unter anderem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) erwartet.




Umwelt

Verheerende Schäden durch Wetterextreme 2017


Schäden durch den Taifun "Haiyan" auf den Philippinen (2014).
epd-bild/Friedrich Stark
Wetterextreme haben 2017 enorme Schäden angerichtet. Das geht aus dem Klima-Risiko-Index hervor, den die Entwicklungsorganisation Germanwatch am 4. Dezember auf der Weltklimakonferenz in Kattowitz vorgestellt hat.

Mit über 11.500 Todesopfern und 375 Milliarden US-Dollar Schäden sei es das bisher verheerendste Jahr in der jüngeren Geschichte. Besonders schlimm getroffen wurden demnach im vergangenen Jahr Puerto Rico und Dominica. Deutschland liegt auf Platz 40 des Index.

Vor allem tropische Wirbelstürme kosteten im vergangenen Jahr Tausende Menschenleben und richteten massive Zerstörungen an, wie es in dem Report heißt. In Puerto Rico entstanden dadurch Sachschäden von über 82 Milliarden Dollar. Die Schäden auf der Insel Dominica in der Karibik überstiegen das Bruttoinlandsprodukt des Landes um mehr als das Doppelte. Alle Angaben zu Schadenssummen wurden nach Kaufkraft gewichtet.

Stärkere Stürme

Der Klima-Risiko-Index zeigt laut den Autoren der Studie eine zunehmende Stärke einzelner Extremwetterereignisse. In bestimmten Regionen führten bereits wenige solcher Wetterlagen zu gravierender Zerstörung. Zudem hätten Länder wie Haiti, die Philippinen, Sri Lanka oder Pakistan kaum Zeit, sich zwischen der einen und der nächsten Wetterkatastrophe zu erholen, weil sie so regelmäßig davon getroffen würden. "Dass die Stürme an Intensität bei Windgeschwindigkeiten und Niederschlägen zunehmen, deckt sich mit den Prognosen der Klimawissenschaft", sagte David Eckstein, Hauptautor der Studie.

In Deutschland verursachten laut Klima-Risiko-Index vor allem Orkantiefs im Herbst sowie Stark- und Dauerregen nach der langen Trockenheit im Frühsommer große Schäden. Diese beziffert Germanwatch auf knapp 3,6 Milliarden US-Dollar. 27 Menschen starben durch Extremwetterereignisse. "Durch die Rekord-Dürre und extreme Hitze in diesem Jahr ist im nächsten Index damit zu rechnen, dass europäische Länder noch mehr in den Fokus geraten", sagte Eckstein.

In den vergangenen 20 Jahren traten dem Index zufolge über 11.500 Extremwetterereignisse auf. Dabei kamen mehr als 526.000 Menschen ums Leben. Es entstanden Sachschäden von knapp 3,5 Billionen Dollar. Germanwatch erstellt den jährlichen Klima-Risiko-Index auf Grundlage der Naturkatastrophen-Datenbank des Rückversicherers Munich Re sowie mit Daten des Internationalen Währungsfonds.



Umwelthilfe: Kirchen nutzen meist klimaschädliche Dienstautos


Autoabgase
epd-bild/ Heike Lyding
Die obersten Kirchenvertreter in Deutschland fahren nach Einschätzung der Deutschen Umwelthilfe (DUH) fast keine umwelt- und klimafreundlichen Dienstwagen.

Die obersten Kirchenvertreter in Deutschland fahren nach Einschätzung der Deutschen Umwelthilfe (DUH) fast keine umwelt- und klimafreundlichen Dienstwagen. Wie aus dem am 5. Dezember veröffentlichten aktuellen Dienstwagencheck der DUH hervorgeht, steigen nur zwei von 47 hohen kirchlichen Vertretern für ihren Job in ein Auto, dessen realer CO2-Ausstoß den EU-Flottengrenzwert von 130 Gramm pro Kilometer einhält: Das sind den Angaben zufolge der Hamburger Erzbischof Stefan Heße und Landessuperintendent Dietmar Arends von der Lippischen Landeskirche mit Sitz in Detmold. Erstmals habe die DUH für die Umfrage den realen CO2-Ausstoß herangezogen - und nicht wie in den Vorjahren die Herstellerangaben.

"Gerade die Kirchen tragen eine gesellschaftliche Verantwortung zur Bewahrung der Schöpfung und sollten entsprechend auch bei der Wahl ihres Dienstwagens eine Vorbildfunktion ausüben", sagte die stellvertretende DUH-Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz. Es sei "überaus erschreckend", dass viele Kirchenvertreter "noch immer auf Klimakiller" setzten. Zudem sei die Hälfte der Befragen mit einem Diesel-Fahrzeug unterwegs. Die DUH rief die kirchlichen Würdenträger auf, "sich nicht länger von den offiziellen Herstellerangaben blenden zu lassen und stattdessen bei der Wahl ihres Dienstwagens auf saubere, spritsparende, emissionsarme und nicht gesundheitsschädliche Antriebsarten zu setzen".

Neues Messverfahren

Für ihre neue Bewertung hat die DUH den Angaben zufolge die von der als unabhängig geltenden Organisation ICCT (International Council of Clean Transportation) ermittelten realen CO2-Emissionen der betreffenden Fahrzeuge genutzt. Die in den USA ansässige wissenschaftliche Vereinigung hatte 2015 unter anderem eine Schlüsselrolle bei der Aufdeckung des VW-Abgasskandals gespielt.

Lippischer Landessuperintendent fährt umweltschonend

Die vier besten Plätze in der Kategorie "Kirchenoberhäupter" werden laut Deutscher Umwelthilfe von Fahrzeugen mit Erdgasantrieb belegt. Der VW Golf Variant mit Erdgasbetrieb des Hamburger Erzbischofs Heße führe mit einem realen CO2-Ausstoß von 123 Gramm pro Kilometer das Ranking an. An zweiter Stelle stehe Landessuperintendent Arends mit einem Audi A3 Sportback g-tron und einem realen CO2-Ausstoß von 130 Gramm. Es folgten Bischof Gregor Maria Hanke vom Bistum Eichstätt mit einem Audi A4 Avant 2.0 mit einem realen CO2-Ausstoß von 140 Gramm und die Präsidentin der Bremischen Evangelischen Kirche, Edda Bosse, mit einem VW Caddy mit einem realen CO2-Ausstoß von 149 Gramm pro Kilometer.

Schlusslicht in der diesjährigen Bewertung der Kirchenoberhäupter sei bei Benzinern der Dienstwagen, deren BMW 740Le xDrive iPerformance einen realen CO2-Ausstoß von 238 Gramm aufweise. Den klimaschädlichsten Diesel fährt der hannoversche Landesbischof Ralf Meister. Sein Audi Q7 3.0 Diesel Plug-In-Hybrid kommt laut DUH auf einen realen CO2-Ausstoß von 225 Gramm.

Lob auch für Hilfswerke

Lobend äußerte sich die DUH über kirchliche Hilfswerke. So nutzten Caritas-Präsident Peter Neher, der Präsident des Malteser Hilfsdienstes, Georg Khevenhüller, der Präsident der Johanniter-Unfall-Hilfe, Frank-Jürgen Weise, sowie Misereor-Vorstandsvorsitzender Monsignore Pirmin Spiegel gar keine Dienstwagen. Die Präsidentin des Evangelischen Werks für Diakonie und Entwicklung, Cornelia Füllkrug-Weitzel, liege mit einem VW Passat GTE 1.4 TSI Plug-In Hybrid mit einem realen CO2-Ausstoß von 164 Gramm pro Kilometer über den EU-Grenzwerten, aber zugleich im vorderen Feld der Kirchenvertreter.

Zum siebten Mal hatte die Umweltorganisation die Dienstwagen deutscher Kirchenvertreter bewertet. Analysiert wurden die Fahrzeuge von 27 katholischen Bistümern und 20 evangelischen Landeskirchen sowie fünf kirchlichen Hilfsorganisationen.



Land legt Berufung gegen Fahrverbote in Köln und Bonn ein

Die drohenden Fahrverbote für die Städte Köln und Bonn werden zunächst nicht umgesetzt. Wie das Verwaltungsgericht Köln mitteilte, hat das Land NRW am 6. Dezember Berufungen gegen die beiden Urteile zu Fahrverboten in den beiden rheinischen Großstädten eingelegt. Damit werden die Urteile von Anfang November zunächst nicht rechtskräftig. Das Verwaltungsgericht Köln wird die Prozessakten nun an das Oberverwaltungsgericht (OVG) für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster übersenden, das über die Berufungen zu entscheiden hat.

Nach Angaben einer OVG-Sprecherin kann derzeit noch nicht abgeschätzt werden, bis wann das oberste nordrhein-westfälische Verwaltungsgericht in den Berufungen entscheidet. Die Deutsche Umwelthilfe als Klägerin könne allerdings per Eilantrag eine einstweiligen Rechtsschutz beantragen und so auf eine zügigere Umsetzung der Fahrverbote drängen, bevor eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren ergehe.

Das Verwaltungsgericht Köln hatte am 8. November auf Klagen der Deutschen Umwelthilfe das beklagte Land NRW verpflichtet, bis zum 1. April die Luftreinhaltepläne für die Städte Köln und Bonn zu ergänzen und darin auch Fahrverbote festzuschreiben (13 K 6684/15, 13 K 6682/15). Das Fahrverbot soll in Köln im Bereich der grünen Umweltzone zunächst für Dieselfahrzeuge mit Euro-4-Motoren und älter sowie Benziner der Klassen 1 und 2 in Kraft treten. In Bonn sind zwei Straßen betroffen: Dort dürfen Dieselfahrzeuge mit Euro-4-Motoren beziehungsweise Euro-5-Motoren nicht fahren, zudem sind auch dort ältere Benzinfahrzeuge untersagt (Euro 1 bis 3).

Hintergrund des Verfahrens ist eine Reihe von Klagen, mit denen die Deutsche Umwelthilfe derzeit die Kommunen in ganz Deutschland zur Durchsetzung von Fahrverboten vor allem gegen Dieselfahrzeuge zwingen will. Nach Ansicht der Organisation kann der Grenzwert für Stickstoffdioxid in den Städten nur eingehalten werden, wenn die Kommunen kurzfristige Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung wie etwa Fahrverbote umsetzen.



Klimapilger feiern Abschlussgottesdienst in Kattowitz

Mit einem ökumenischen Gottesdienst am Rande der UN-Klimakonferenz in Kattowitz haben die deutsch-polnischen Klimapilger am 9. Dezember den Abschluss ihres fast 1.800 Kilometer langen Wegs gefeiert - und ihre Forderungen nach besserem Klimaschutz bekräftigt. Sie waren am 9. September am Ort der UN-Klimakonferenz 2017 in Bonn gestartet und durchquerten auf dem Weg in die polnische Stadt unter anderem die drei großen deutschen Braunkohlereviere.

Die Ambitionen der Staaten in ihren Klimaanstrengungen müssten deutlich erhöht werden, fordern die Klimapilger. Bisher bewege sich die Erde mit den Selbstverpflichtungen der Staaten auf eine um drei Grad Celsius wärmere Welt zu. Angestrebt werden höchstens zwei Grad Erderwärmung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Es sei unabdingbar, einen Ausstieg aus dem Verbrennen der fossilen Energien und einen menschengerechten Umgang mit klimabedingten Schäden, Vertreibung und Migration zu erreichen.

Fast 1.800 Kilometer

Die Klimapilger fordern unter anderem ein verbindliches Regelwerk zur Umsetzung des Pariser Welt-Klimaabkommens von 2015 zur Begrenzung der Erderwärmung, den Ausstieg aus der Kohleverstromung und mehr Gerechtigkeit beim Umgang mit den Auswirkungen der Klimaveränderungen. Ende November wurden die Forderungen in Berlin auch an Vertreter der Bundesregierung und der Kohlekommission übergeben.

Zum Gottesdienst luden die Pilger laut der Koordinationsstelle beim Evangelisch-Lutherischen Missionswerk Leipzig in die Christkönigskathedrale in Kattowitz ein. Die Umweltaktivisten legten nach eigenen Angaben in den vergangenen Wochen rund 1.770 Kilometer zurück, bevor sie am 7. Dezember Kattowitz erreichten. Auf ihrem Weg machten sie an 78 Stationen halt, darunter in Düsseldorf, Hannover, Braunschweig, Halle, Leipzig, Dresden, Cottbus, Potsdam und Berlin.

Kirchliche Unterstützung

Der dritte ökumenische Pilgerweg für Klimagerechtigkeit wurde von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der katholischen Deutschen Bischofskonferenz sowie einem ökumenischen Bündnis aus 40 Organisationen, Initiativen und Unternehmen unterstützt. Dazu zählen die Hilfswerke «Brot für die Welt» und Misereor sowie das Kindermissionswerk «Die Sternsinger».

In Kattowitz beraten Delegierte aus mehr als 190 Ländern über die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens. Unter anderem geht es um Transparenzregeln und Berichtspflichten für die Klimaschutz-Anstrengungen der Staaten. Verhandelt wird auch über Finanzhilfen für arme Staaten, die besonders unter den Folgen des Klimawandels leiden.



Kampf gegen Klimawandel: Deutsche trauen Staaten wenig zu

Die große Mehrheit der Deutschen hat offenbar wenig Hoffnung, dass die Staatengemeinschaft die Herausforderungen des Klimawandels bewältigen kann. Laut einer am 6. Dezember in Köln veröffentlichten ARD-Umfrage waren 85 Prozent der Befragten "überhaupt nicht überzeugt" oder "eher nicht überzeugt", dass die Staaten in der Lage sind, die durch die Erderwärmung verursachten Probleme zu lösen. Nur 14 Prozent der Befragten waren "voll und ganz überzeugt" oder "eher überzeugt", dass dies gelingen wird. Die Umfrage wurde anlässlich der im polnischen Kattowitz laufenden UN-Klimakonferenz von Infratest dimap im Auftrag der ARD durchgeführt. 1.002 Menschen wurden telefonisch interviewt.

Die konkreten Maßnahmen zum Klimaschutz wurden von den Befragten unterschiedlich beurteilt: 92 Prozent waren der Ansicht, dass der Ausbau erneuerbarer Energien eine sinnvolle Maßnahme ist, um den Klimawandel zu begrenzen. 90 Prozent hielten strengere Umweltschutzauflagen für die Industrie für sinnvoll, 69 Prozent befürworteten einen schnelleren Ausstieg aus der Kohle bei der Stromerzeugung. Und immerhin fast zwei Drittel (62 Prozent) betrachteten höhere Preise für Flugreisen als sinnvoll. Nur 26 Prozent der Befragten befürworteten allerdings, die Anschaffung und den Unterhalt von Autos mit Verbrennungsmotoren teurer zu machen.

Bei der Einschätzung des eigenen Verhaltens gaben 77 Prozent der Befragten an, dass sie beim Einkauf von Waren des täglichen Bedarfs ihr Verhalten mit Blick auf den Klimaschutz geändert hätten. Bei der Nutzung des Autos sagten das 46 Prozent, bei der Wahl des Stromanbieters 42 Prozent. Bei der Nutzung von Flugzeugen erklärten nur 25 Prozent der Befragten, dass sie ihr Verhalten geändert haben. 40 Prozent betonten dagegen, ihr Verhalten nicht geändert zu haben.



Land fordert vom Bund Hilfen für den Kohleausstieg

Noch arbeitet die sogenannte Kohlekommission an ihrem Abschlussbericht zum Ausstieg aus der Braunkohleverstromung. Derweil fordern die Länder vom Bund Geld zur Bewältigung des Strukturwandels. Laut "Spiegel" verlangt NRW sieben Milliarden Euro.

Das Land NRW verlangt für den geplanten Ausstieg aus der Braunkohleverstromung eine milliardenschwere Unterstützung durch den Bund. Wie das Hamburger Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" in seiner aktuellen Ausgabe berichtete, fordert die Landesregierung sieben Milliarden Euro, um den Strukturwandel im Rheinischen Revier zu bewältigen. Mit dem Geld soll unter anderem für 200 Millionen Euro ein Wärmespeicher-Kraftwerk gebaut werden, weitere 300 Millionen Euro sollen investiert werden, um die Region zwischen Köln und Aachen mit Breitband und 5G-Mobilfunknetzen auszustatten. Ein Sprecher der Staatskanzlei in Düsseldorf wollte die Meldung auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) nicht kommentieren.

NRW verlangt sieben Milliarden Euro für Strukturwandel

Die drei östlichen Bundesländer Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Sachsen wollen deutlich höhere Summen, für alle vier Länder werden insgesamt 60 Milliarden Euro gefordert, wie der "Spiegel" berichtete. Ein Anliegen ist den Angaben zufolge der Ausbau des Schienen- und Straßennetzes, so ist etwa eine zweispurige Bahnstrecke zwischen Görlitz und Berlin geplant. In den kommenden Tagen wollten sich die vier Länder abstimmen, um ihre Forderungen bei der Kohlekommission einzubringen, hieß es.

Im "Kölner Stadt-Anzeiger" (7. Dezember) bekräftige NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) unterdessen seine Forderungen an den Bund. "Wer politisch in Berlin beschließt, massiv Wertschöpfung aus Regionen herauszunehmen, muss im Strukturwandel für Ersatz zahlen." Die Landesregierung setze beim Strukturwandel mit Hilfe von Bundesmitteln darauf, "Potenziale der Region aufzugreifen und zu verstärken". Als Beispiel nannte Laschet das Projekt "StoreToPower", ein Wärmespeicher-Kraftwerk an einem ehemaligen Kohlekraftwerksstandort im Rheinischen Revier. Neue Chancen brächten der Region auch die Ansiedlung einer Batteriezellproduktion. "Das Ziel ist die Sicherung von Entwicklungs- und Produktions-Know-how und die Unabhängigkeit von anderen Zell-Produzenten wie etwa aus Asien", unterstrich der Ministerpräsident.

Die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission zum Ausstieg aus der Braunkohle berät derzeit noch über den Zeitplan und will im Februar ihren Abschlussbericht vorstellen. Als denkbar gilt nach Angaben der Zeitung ein Ausstieg aus der Kohleförderung in den Jahren 2035 bis 2038.



Umweltaktivistin: Protest im Hambacher Forst ist notwendig


Protest mit Transparenten, Plakaten und Luftballons im Oktober am Hambacher Forst
epd-bild/Guido Schiefer

Die Umweltaktivistin Antje Grothus hat den zivilen Ungehorsam von Baumbesetzern und Demonstranten im Hambacher Forst verteidigt. Die Protestaktionen seien notwendig, um den gesellschaftlichen Strukturwandel anzustoßen, sagte die Aktivistin von der Bürgerinitiative "Buirer für Buir" am 3. Dezember auf einer Diskussionsveranstaltung in Herzogenrath. Das Ende der Energiegewinnung aus Kohle in Deutschland sei notwendig, um die Klimaschutzziele zu erreichen.

"Wir verheizen unsere Heimat"

"Die gegensätzlichen Interessen von RWE-Mitarbeitern, Anwohnern und Klimaschützern dürfen nicht mehr länger gegeneinander ausgespielt werden", betonte Grothus, die Mitglied der von der Bundesregierung eingesetzten Kohlekommission ist. In Deutschland werde viel mehr Strom erzeugt, als nötig sei. "Wir verheizen unsere Heimat und exportieren massiv Strom."

Die Aktivistin forderte auf der Veranstaltung der neuen Reihe "Kohlegespräche" der katholischen Bildungs- und Begegnungsstätte Nell-Breuning-Haus ein Umdenken in der Energiepolitik. So dürften energieintensive Unternehmen nicht länger von der Umlage für Strom aus Erneuerbaren Energien befreit werden, zudem müssten die Preise für Kohlestrom steigen. "Wir müssen mehr in die Entwicklung und Markteinführung von Stromspeichern investieren", forderte Grothus weiter. Noch fehle es am politischen Willen, dringend benötigte Hochtemperatur-Speicher für überschüssige Energie aus Sonne und Wind zu fördern, damit sich neue Technologien am Markt durchsetzen könnten.

Die "Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung" war Anfang Juni von der Bundesregierung eingesetzt worden und soll ein konkretes Datum für den Ausstieg aus der Kohlenutzung vorschlagen. Die 28 Mitglieder wollen Anfang 2019 ihren Abschlussbericht vorlegen.

Der Hambacher Forst im Kreis Düren gilt als Symbol des Widerstands gegen den Kohle-Abbau. Die RWE Power AG wollte eigentlich ab dem 14. Oktober die Hälfte des noch stehenden Waldes für den Braunkohletagebau Hambach roden. Das Oberverwaltungsgericht Münster verhängte jedoch einen Rodungsstopp, bis über eine Klage des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) gegen den Hauptbetriebsplan des Tagebaus entschieden ist.



Neues NRW-Konzept zur Waldbewirtschaftung


Winterlandschaft am Baldeneysee (Archivfoto)
epd-bild / Jochen Tack

Als Reaktion auf den weltweiten Klimawandel setzt die Landesregierung auf ein neues Konzept zur Waldbewirtschaftung in Nordrhein-Westfalen. "Der Klimawandel ist längst bei uns angekommen und stellt die Waldbewirtschaftung künftig vor große Herausforderungen", erklärte NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) am 7. Dezember in Düsseldorf. Die Wälder in NRW seien in diesem Jahr durch den Orkan Friederike, die extreme Sommertrockenheit und den starken Borkenkäferbefall sehr stark geschädigt.

Internetportal Waldinfo.NRW

Zur Umsetzung der Maßnahmen will die Landesregierung die Digitalisierung in der Forstwirtschaft vorantreiben. Dazu wurde das neue Internetportal Waldinfo.NRW eingerichtet, das öffentliche Walddaten vor allem in Form digitaler Karten benutzerfreundlich darstellt. Informiert wird unter anderem zu Waldbedeckung, zu Waldböden und zum Klima sowie zu Waldwegen und zu Naturschutzgebieten. Waldbesitzer können die Infos auch per Smartphone im Gelände abrufen.

Ziel aller Aktivitäten sei die Entwicklung klimastabilerer Mischwälder aus überwiegend heimischen Baumarten, betonte Heinen-Esser. Zudem werden einige Baumarten aus anderen Regionen Deutschlands oder dem Ausland vor allem als Beimischungen empfohlen. Dabei dürfte nach Angaben des Ministeriums vor allem die Douglasie künftig eine größere Rolle spielen, aber auch die aus Süddeutschland stammende Weißtanne sei eine vielversprechende Baumart.

Die Waldbauempfehlungen sollen dazu beitragen, die Stabilität und Resilienz der Wälder im Klimawandel zu erhöhen und das Risiko für die Forstbetriebe zu verringern. "Das Land Nordrhein-Westfalen unterstützt die Umsetzung des Waldbaukonzepts auch mit Beratungs- und Schulungsangeboten sowie mit Fördermöglichkeiten", erklärte die Ministerin. Die ersten Fortbildungsveranstaltungen beginnen im kommenden Frühjahr.



Nabu rät zu Weihnachtsbäumen ohne Chemie


Weihnachtsbaumverkauf in Köln-Rath mit unbehandelten Bäumen
epd-bild / Jörn Neumann

Der Naturschutzbund Nabu hat dazu aufgerufen, Weihnachtsbäume aus ökologischem Anbau zu kaufen. Nadelbäume von konventionellen Weihnachtsbaumplantagen gefährdeten aufgrund des oft massiven Einsatzes von Düngern und Pestiziden die Umwelt und die Gesundheit der Menschen, erklärte der Nabu NRW am 7. Dezember in Düsseldorf. Zu empfehlen sei daher der Kauf von Fichten, Kiefern oder Tannen aus Durchforstung oder aus ökologisch bewirtschafteten Weihnachtsbaumkulturen.

Auf FSC-Siegel achten

Verbraucher sollten darauf achten, dass die Bäume mit dem FSC-Siegel oder den Labeln der ökologischen Anbauverbände gekennzeichnet seien, erklärte der Nabu. Denn das garantiere, dass die zur Neupflanzung vorgesehenen Flächen für Weihnachtsbaumkulturen nicht mit Herbiziden kahlgespritzt, sondern mechanisch von Aufwuchs befreit werden.

Jedes Jahr stehen laut Nabu zur Weihnachtszeit mehr als 25 Millionen Tannenbäume in deutschen Wohnzimmern. Die steigende Nachfrage nach ökologisch produzierten Weihnachtsbäumen schlage sich mittlerweile auch in einem größeren Angebot nieder, hieß es. Alleine in Nordrhein-Westfalen gibt es laut der Umweltschutzorganisation Robin Wood zurzeit 107 Bezugsquellen für Öko-Weihnachtsbäume.



Ministerin: Beim Kauf von Elektrogeräten auf Nachhaltigkeit achten

Die nordrhein-westfälische Umwelt- und Verbraucherschutzministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) empfiehlt zu Weihnachten den Kauf von nachhaltigen elektronischen Geräten wie Smartphones, Küchengeräte oder Spielzeug. "Diese Produkte werden immer komplexer und bestehen aus einer großen Anzahl von Rohstoffen, die nur sehr begrenzt vorkommen und teilweise unter ökologisch und sozial fragwürdigen Bedingungen gewonnen werden", sagte Heinen-Esser am 7. Dezember in Düsseldorf. Der Preis der Waren an der Ladentheke gebe nur einen kleinen Teil der ökologischen und sozialen Kosten wieder. Deshalb sollten Verbraucher nach den Worten der Ministern beim Kauf eines Elektro- oder Elektronikgerätes darauf achten, möglichst langlebige Produkte zu kaufen.

Defekte Elektro- oder Elektronikgeräte seien früher noch zur Reparatur gegeben worden. Diese Angebote gibt es den Angaben zufolge inzwischen immer weniger und die Geräte werden viel zu früh zu Abfall. Der Kauf eines neuen Produkts belaste nicht nur den Geldbeutel, sondern auch die Umwelt, hieß es. Wenn ein elektrisches Gerät als Abfall entsorgt werden muss, haben die Verbraucher die Möglichkeit, den Elektro-Schrott neben der Kommune auch bei den großen Händlern abzugeben.

Diese Pflichten hat nach Angaben des Ministeriums auch der Online-Handel, über den Elektro- und Elektronikgeräte in erheblichem Umfang bezogen werden. "Viele Verbraucherinnen und Verbraucher wissen gar nicht, dass sie Altgeräte im Handel kostenlos zurückgeben können", sagte Heinen-Esser und forderte den Handel dazu auf, die Verbraucher mehr über seine Pflichten zu informieren.




Gesellschaft

Grundgesetz der Menschheit


Am Grenzzaun zwischen Griechenland und Mazedonien (Archivbild von 2016)
epd-bild / Thomas Lohnes
Am 10. Dezember 1948 verabschiedeten die Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Das 70. Jubiläum fällt in ein Zeitalter der Unterdrückung und der Gewalt.

Es war kühl und ungemütlich: Am 27. Januar 1947 trat die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen in New York zum ersten Mal zusammen, in einer stillgelegten Fabrik für Kreiselgeräte. Unter dem Vorsitz von Eleanor Roosevelt, der Witwe von US-Präsident Franklin D. Roosevelt, wartete eine epochale Aufgabe. Die Kommission sollte die erste international gültige Erklärung über Menschenrechte erarbeiten.

Nach dem Leid des Zweiten Weltkrieges und der Nazigräuel reifte die Erkenntnis, dass die Menschen einen Katalog mit unveräußerlichen Rechten brauchen. Freiheitskämpfer wie Mahatma Gandhi, aber auch einfache Menschen sandten ihre Vorschläge nach New York.

Im Juli 1948, nach weiteren Beratungen in Genf, wurde der Entwurf der Menschenrechtserklärung an die UN-Vollversammlung übermittelt. Im Herbst prüfte die Vollversammlung den Text penibel bei ihren Sitzungen im Palais de Chaillot in Paris. Jedes Wort wurde hin- und hergewendet. Der Kalte Krieg hatte das politische Klima in den UN auf eisiges Niveau sinken lassen.

"Wir hatten eine schreckliche Zeit in Paris", sagte Eleanor Roosevelt. Trotz aller Schwierigkeiten, vor 70 Jahren, am 10. Dezember 1948, kurz vor Mitternacht, war es soweit: Die Vollversammlung nahm die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte mit überwältigender Mehrheit an. Nur wenige Länder enthielten sich der Stimme, darunter die Sowjetunion und Saudi-Arabien.

Epochale Bedeutung

Menschenrechtler unterstreichen die epochale Bedeutung des Dokuments. "Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte wird als kopernikanische Wende des Völkerrechts angesehen", erklärt Beate Rudolf, Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte. "Sie stellt den Menschen in den Mittelpunkt der internationalen Ordnung und gibt ihm Rechte gegen den Staat." Andere Fachleute nennen die in rund 500 Sprachen übersetzte Erklärung die "Heilige Schrift der Menschenrechte" oder das "Grundgesetz der Menschen".

Doch fällt das 70. Jubiläum in eine Zeit, in der diktatorische Regime sich auf dem Vormarsch befinden und in der brutale Konflikte mit Millionen Opfern toben. In seinem letzten großen Bericht 2018 listete der frühere UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Seid Ra'ad al-Hussein, mehr als 50 Staaten auf, in denen die Menschenrechte mit Füßen getreten werden: von Venezuela über Syrien und Afghanistan bis nach Myanmar.

"Es scheint, als stünden wir mit dem Rücken zur Wand", bilanziert Jochen Motte vom deutschen Forum Menschenrechte. "Und dass nicht nur weit weg außerhalb Europas, sondern immer mehr auch innerhalb von Staaten der Europäischen Union."

Tatsächlich wird bereits der erste der insgesamt 30 Artikel der Erklärung von vielen Regierungen ignoriert: "Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren." Die weiteren Artikel reichen vom Recht auf Leben und auf Staatsangehörigkeit über ein Verbot der Sklaverei und ein Recht auf Arbeit, auf Urlaub und auf Bildung bis hin zum Recht auf Religionsfreiheit.

"Diese Rechte, die Menschenrechte, ermöglichen ein selbstbestimmtes Leben", sagt die Expertin Rudolf. Allerdings hält Artikel 29 der Erklärung auch fest, dass jeder Mensch "Pflichten gegenüber der Gemeinschaft" hat. Die "Universal Declaration of Human Rights" bildet zwar ein umfassendes Programm der Menschenrechte. Sie ist aber rechtlich unverbindlich. Viele Staaten, zumal das Heimatland Roosevelts, die USA, wollten es lieber bei einer Deklaration belassen, die ihnen keine Pflichten aufbürdet.

Später, 1966, verabschiedeten die Vereinten Nationen zwei rechtlich verbindliche und weitreichende Pakte zu den Menschenrechten, die 1976 in Kraft traten. Einen über bürgerliche und politische Rechte und den anderen über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Angesichts des heutigen Drucks auf diese Rechte fordert Expertin Rudolf: "Zum 70. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung wird deutlicher denn je, dass die Menschenrechte immer wieder bekräftigt und behauptet werden müssen."

Jan Dirk Herbermann (epd)


Menschenrechte im Christentum: Spagat zwischen Freiheit und Tradition

Allein schon durch das Gebot der Nächstenliebe sind die Menschenrechte im Christentum tief verankert. Schließlich wird im Alten und Neuen Testament zur Solidarität mit Schwachen und Armen ermahnt und der Mensch als Ebenbild Gottes bezeichnet. "Und Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde", steht im Schöpfungsbericht im ersten Buch Mose (Genesis) - ein Grundlagentext der jüdisch-christlichen Tradition.

Dennoch: Die Kirchen haben sich mit dem Gedanken der Menschenrechte jahrhundertelang sehr schwer getan, diesen zum Teil sogar bekämpft. Vor allem wegen der radikal antiklerikalen Stimmung während der Französischen Revolution Ende des 18. Jahrhunderts stieß die Idee der Menschenrechte bei den großen Kirchen in Europa während des ganzen 19. Jahrhunderts auf Skepsis bis Ablehnung. Man befürchtete, die Menschen könnten in das Extrem einer zügellosen Freiheit fallen, Staat und Kirchen ihren Einfluss verlieren.

Ein Umdenken setzte ein mit der vor 70 Jahren - am 10. Dezember 1948 - von der Vollversammlung der Vereinten Nationen in Paris verabschiedeten Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Nach den Gräueln der Weltkriege in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts rangen auch die Kirchen darum, wie man ein globales Blutvergießen in Zukunft verhindern könne.

Quelle Reformation

Ein Meilenstein war die Enzyklika "Pacem in Terris" ("Frieden auf Erden") von Papst Johannes XXIII. aus dem Jahr 1963: "Bezüglich der Menschenrechte, die Wir ins Auge fassen wollen, stellen Wir gleich zu Beginn fest, dass der Mensch das Recht auf Leben hat, auf die Unversehrtheit des Leibes sowie auf die geeigneten Mittel zu angemessener Lebensführung."

Es ist allerdings nicht so, dass die Kirchen die Menschenrechte erst im 20. Jahrhundert entdeckt hätten. Bereits in der frühen Christenheit wurden entsprechende philosophische Vorstellungen aus der Antike übernommen. Vor allem Martin Luther (1483-1546) machte am Ende des Mittelalters deutlich, dass die Würde und der Wert eines Menschen nicht von dessen Leistung oder Fehlern abhängt. Auch der Reformator Johannes Calvin (1509-1564) beeinflusste die moderne Idee der Menschenrechte.

Die reformatorische Forderung nach Glaubens- und Gewissensfreiheit ist für Historiker daher auch eine der Quellen der modernen Menschenrechtserklärungen. In der Neuzeit setzten sich humanistische Vordenker und Moraltheologen wie der Jesuit Friedrich Spee von Langenfeld (1591-1635) oder der Protestant Christian Thomasius (1655-1728) für ein Ende der grausamen Hexenverfolgungen ein.

Ökumenische Menschenrechtsarbeit

Der schwarze Baptistenpfarrer Martin Luther King (1929-1969) schließlich kämpfte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts für die Menschenrechte der farbigen Minderheit in den USA: "Ich habe einen Traum, dass eines Tages auf den roten Hügeln von Georgia die Söhne früherer Sklaven und die Söhne früherer Sklavenhalter miteinander am Tisch der Brüderlichkeit sitzen können."

Die Menschenrechtsarbeit steht seit den 1940er Jahren auch auf der Agenda der ökumenischen Bewegung ganz oben. Seit 1968 gewann das Programm des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) zur Bekämpfung des Rassismus an Bedeutung. Historiker werten es als wichtigen Beitrag zum Ende der Apartheid in Südafrika. Schon bei der Formulierung der Erklärung der Menschenrechte vor 70 Jahren hatten die Kirchen aktiv mitgewirkt.

"Jeder Mensch muss menschlich behandelt werden", heißt es auch in dem von dem katholischen Theologen Hans Küng ins Leben gerufenen Weltethos-Projekt: "Was du nicht willst, das man dir tut, das füg auch keinem anderen zu. Oder positiv: Was du willst, das man dir tut, das tue auch den anderen!" Diese sogenannte Goldene Regel ist Küng zufolge seit Jahrtausenden in vielen religiösen und ethischen Traditionen der Menschheit zu finden und hat sich bewährt.

Stephan Cezanne (epd)


Friedlicher Protest in Düsseldorf gegen NRW-Polizeigesetz


Polizisten kontrollieren Weihnachtmarkt
epd-bild/Christian Ditsch
"Freiheit stirbt mit Sicherheit", protestieren Demonstranten in Nordrhein-Westfalen gegen das geplante Polizeigesetz. Auch in Niedersachsen boten Demonstranten einem neuem Polizeigesetz Paroli.

Tausende Menschen haben am 8. Dezember in Düsseldorf und Hannover gegen die geplanten Polizeigesetze für Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen demonstriert. Die Polizei zählte in Düsseldorf 3.000 Demonstranten, in Hannover waren es den Angaben zufolge rund 2.000. Die Veranstalter sprachen von insgesamt bis zu 10.000 Menschen. In NRW wollen CDU und FDP mit ihrer Regierungsmehrheit den inzwischen mehrfach veränderten Gesetzentwurf am 12. Dezember durch den Landtag bringen.

In Düsseldorf haben etwa 3.000 Gegner des geplanten neuen Polizeigesetzes nach Angaben der Düsseldorfer Polizei von Sonntag friedlich gegen den Gesetzentwurf von Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) demonstriert. Die Polizei unterstrich ausdrücklich den friedlichen Verlauf der angemeldeten Veranstaltung. Das Komitee für Grundrechte und Demokratie selbst sprach als Veranstalter von etwa 5.000 Teilnehmern.

Auf Transparenten und Plakaten der Demonstranten hieß es unter anderem "Freiheit stirbt mit Sicherheit". Unter den Demonstranten waren auch größere Delegationen der Parteien Grüne und Linke, sowie Fahnen und Plakate der Friedensbewegung, der Kernkraft- und Kohlegegner, Flüchtlingsinitiativen, Gewerkschaften und der globalisierungskritischen Organisation Attac.

Kritik an "anlassloser Erweiterung polizeilicher Befugnisse"

Die Veranstalter fürchten nach Angaben von Sprechern weiterhin eine "massive Vorverlagerung polizeilicher Eingriffsschwellen" und eine künftig mögliche "anlasslose Erweiterung polizeilicher Befugnisse". Das geplante Gesetz werde der Polizei im bevölkerungsreichsten Bundesland künftig "so früh so viel wie noch nie zuvor in der Geschichte von NRW ermöglichen", warnte Michele Winkler vom Komitee. Nach wie vor lehne man die Pläne als Angriff auf die Freiheit und Grundrechte ab.

Die Demonstranten warfen der NRW-Landesregierung vor, mit den vorgelegten Änderungen am geplanten Gesetz nur "Augenwischerei" zu betreiben. Das neue Polizeigesetz soll die Befugnisse der Polizei etwa bei der Überwachung von digitaler Kommunikation und dem Umgang mit Gefährdern deutlich ausweiten. Die NRW-Landesregierung hatte nach Kritik am Entwurf bereits die ursprüngliche Verabschiedung im Landtag verschoben und Änderungen im Oktober vorgelegt. Die Grünen im NRW-Landtag haben ein Gutachten zum neuen Polizeigesetz angekündigt und ein gerichtliches Vorgehen gegen das Gesetz in Aussicht gestellt.

Breites Bündnis

Das geplante Gesetz wäre ein weiterer Schritt auf dem Weg in einen autoritären Polizeistaat, der die Bürgerrechte einschränke, sagte eine Sprecherin vom Bündnis "#NoNPOG" in Hannover dem epd. Dort hatte ein Bündnis aus rund 150 Partnern zu den Protesten aufgerufen, darunter Gewerkschaften, Umweltgruppen, antifaschistische Initiativen, Parteien wie die Linke und die Grünen und deren Jugendorganisationen. Die Grünen-Landesvorsitzende Anne Kura sagte, das neue Gesetz verletze die Grundrechte, ohne einen Sicherheitsgewinn zu versprechen.

In Niedersachsen gehört die Erneuerung des Polizeigesetzes zu den zentralen Vorhaben der rot-schwarzen Regierungskoalition. SPD und CDU hatten in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, das Gesetz bis zum Ende des Jahres zu verabschieden.



Amnesty: Frauenrechtlerinnen bestimmten Schlagzeilen 2018

Frauenrechtlerinnen weltweit standen 2018 an der Spitze des Kampfes für Menschenrechte. Zu diesem Ergebnis kommt Amnesty International im Bericht "Rights Today" (Rechte Heute), der am 10. Dezember zum 70. Jahrestag der Menschenrechtserklärung veröffentlicht wurde. In diesem Jahr hätten selbsternannte "harte Kerle" in Regierungspositionen das Prinzip der Geschlechtergerechtigkeit infrage gestellt und damit die Grundfeste der Menschenrechte, erklärte Amnesty-Generalsekretär Kumi Naidoo.

Mit ihrer sexistischen, fremden- und homosexuellenfeindlichen Einschüchterungstaktik verfolgten und dämonisierten sie Gemeinschaften und Gruppen, die bereits an den Rand gedrängt seien. "Es sind die Frauenrechtlerinnen, die in diesem Jahr die stärkste Vision im Kampf gegen repressive Anführer geboten haben", betonte Naidoo. Sie hätten mit ihren Aktionen die Schlagzeilen beherrscht und mancherorts, wie mit der Kampagne "Ni una menos" (Nicht eine weniger) in Lateinamerika, breite Bewegungen für Frauenrechte in einem bislang unbekannten Ausmaß mobilisiert.

#MeToo und gegen repressive Abtreibungsgesetze

In Indien und Südafrika gingen Tausende Frauen und auch Männer gegen die grassierende sexuelle Gewalt auf die Straße, schreiben die Autoren des Berichts. In Saudi-Arabien hätten Frauen die Inhaftierung riskiert im Kampf gegen das Fahrverbot und im Iran bei Protesten gegen den Schleierzwang. In Argentinien, Irland und Polen habe es große Demonstrationen für ein Ende repressiver Abtreibungsgesetze gegeben. In den USA, Europa und Japan seien Millionen Menschen dem Aufruf der #MeeToo-Kampagne zu Kundgebungen gegen Sexismus und Missbrauch gefolgt.

Doch man könne das Erstarken der Bewegung nicht feiern, ohne die Gründe dafür zu nennen, betonte Amnesty. Viele der derzeitigen Regierungschefs gerierten sich als Verteidiger traditioneller Werte wie Familie, sagte Naidoo. "Aber die Wahrheit ist, dass sie eine Agenda vorantreiben, die Frauen die grundlegende Gleichberechtigung verweigert." Der Bericht liste eine zunehmende Zahl an Strategien und Gesetzen auf, die der Unterdrückung und Kontrolle der Frauen dienten, besonders im Bereicht sexuelle und reproduktive Gesundheit.

Geringerer Verdienst

Zwar hätten fast alle Länder die Frauenrechtskonvention angenommen, die im kommenden Jahr 40 wird. Doch viele Länder hätten sie nur unter der Bedingung ratifiziert, dass sie ganze Kapitel ablehnen könnten. Amnesty rief alle Regierungen auf, sich für die Frauenrechte einzusetzen. "Rund um den Globus verdienen Frauen im Durchschnitt weniger als Männer, haben weniger sichere Arbeitsverhältnisse, werden von den Machthabern von der politischen Teilhabe ausgeschlossen und von der grassierenden sexuellen Gewalt bedroht, die die Regierungen fortwährend ignorieren", sagte Naidoo.



Evangelische Kirche verteidigt UN-Migrationspakt

Die evangelische Kirche hat die UN-Pakte zu den Rechten von Flüchtlingen und Migranten gegen die heftige Kritik konservativer Politiker verteidigt. Man unterstütze das Ziel des Flüchtlingspaktes, die völkerrechtlichen Verpflichtungen zum Schutz Geflüchteter zu stärken, heißt es in einem am 6. Dezember veröffentlichten Papier des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zum Tag der Menschenrechte (10. Dezember). "Ebenfalls unterstützen wir die im Migrationspakt festgeschriebenen Standards für sichere, geregelte und legale Migration sowie eine verstärkte Kooperation in der internationalen Migrationspolitik", heißt es darin weiter.

Beide Abkommen sollen am 10. Dezember bei einer Konferenz der Vereinten Nationen in Marrakesch abschließend beraten werden. Insbesondere die AfD hat in Deutschland gegen die Pakte angekämpft, weil sie unterstellt, dass damit mehr Flüchtlinge und Migranten nach Deutschland kommen könnten. Die Abkommen sollen Standards für den Umgang mit Migranten festlegen, verpflichten aber nicht etwa zu einer bestimmten Aufnahmequote. Rechtlich bindend sind die Abkommen zudem nicht.

"Migration wird Tatsache bleiben"

"Weltweite Migration geschieht aus vielen verschiedenen Ursachen und wird eine Tatsache der nächsten Jahre und Jahrzehnte bleiben", heißt es in dem Papier. Die EKD betont darin die individuellen Rechte, die auch Flüchtlinge und Migranten haben. "Schutzsuchende und Migranten dürfen nicht zur Ursache von gesellschaftlichen Problemen erklärt werden, deren Lösung Aufgabe der Politik ist", argumentiert der Rat der EKD. Er fordert unter anderem, Fluchtursachen konsequenter zu untersuchen und zu bekämpfen.

Die EKD weist darauf hin, dass auch 70 Jahre nach Verkündung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte die Beachtung der grundlegenden Rechte immer noch nicht selbstverständlich sei. Mit Blick auf die aktuellen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen in Europa warnt die EKD, insbesondere das Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit sei teilweise massiv verletzt worden. Zudem dringt die evangelische Kirche auf die Einhaltung der Religionsfreiheit. "Ohne die Wahrung der Menschenrechte ist die Würde des Menschen nicht zu schützen", heißt es in dem Papier.



Was steckt im Migrationspakt? - Antworten auf häufige Fragen

Am 10. Dezember sollte in Marrakesch (Marokko) der UN-Migrationspakt verabschiedet werden, der auch in Deutschland heftige Debatten auslöste. Hier sind die Antworten auf sieben wichtige Fragen zu dem völkerrechtlich nicht bindenden Dokument:

Fördert der Migrationspakt die weltweite Migration?

Nein. Ziel des UN-Migrationpakts ist eine "sichere, geordnete und reguläre Migration", also das Gegenteil der gefährlichen, chaotischen und irregulären Migration, bei der allein im Mittelmeer in diesem Jahr mehr als 2.130 Menschen gestorben sind. Der Migrationspakt sei weder für noch gegen Migration, sondern für ein besseres Management, sagt die UN-Sonderbeauftragte Louise Arbour. Dazu gehören die Beseitigung von Fluchtursachen, integriertes Grenzmanagement, die Bekämpfung von Schleusern und Menschenhandel, bessere Zusammenarbeit bei der Rückkehr von Migranten in ihre Heimatländer und auch die Eröffnung legaler Möglichkeiten zur Einwanderung.

Wird Deutschland gezwungen, seine Grenzen zu öffnen?

Nein, der Migrationspakt zwingt kein Land zu irgendetwas. Er zählt zum "Soft Law", das allein auf politische Verbindlichkeit setzt. Völkerrechtlich ist er nicht bindend. An mehreren Stellen des Pakts ist das souveräne Recht von Staaten, ihre eigene, nationale Migrationspolitik zu bestimmen, ausdrücklich hervorgehoben. Dazu gehört auch die Sicherung der Grenzen und die allein nationale Entscheidung, wer in ein Land einreisen oder gar dort bleiben darf. Der Migrationspakt geht aber davon aus, dass Migrationsprobleme von keinem Staat alleine bewältigt werden können und eine geordnete Migration der Welt Vorteile verspricht.

Wenn er unverbindlich ist, was soll der Migrationspakt dann überhaupt?

Das Dokument soll einen Handlungsrahmen bieten, mit dem sich Staaten weltweit besser abstimmen können. Das ist nicht banal, denn die Interessen sind sehr unterschiedlich. Auf 23 Ziele haben sich die UN-Mitgliedsstaaten verständigt. Zu jedem werden Instrumente vorgeschlagen. Eine Idee ist, dass ein Industrieland wie Deutschland Ausbildungspartnerschaften mit Entwicklungsländern eingehen könnte, so dass dort bestimmte Qualifikationen vermittelt werden, die in absehbarer Zeit gebraucht werden. So könnten Lücken in der Pflege, in der Landwirtschaft oder in der Produktion geschlossen werden, die durch die Überalterung der Bevölkerung entstehen. Ob so etwas gemacht wird, entscheidet aber alleine die Bundesregierung.

Wer soll die Umsetzung des Pakts bezahlen?

Die Länder, Unternehmen oder Stiftungen, die aus freien Stücken Geld dafür ausgeben wollen. So steht es im Migrationspakt. Einige halten das für einen der größten Konstruktionsfehler des Paktes. Denn globale Koordination von Migration gibt es nicht zum Nulltarif. Viel Geld fließt derzeit vor allem in die Abschottung: Allein die EU will ihre Ausgaben für die Sicherung der Außengrenzen in der kommenden Haushaltsperiode auf 34,9 Milliarden Euro verdreifachen.

Ist der Migrationspakt in Hinterzimmern entstanden?

Nein. Die Verhandlungen zur New Yorker Erklärung, die 2016 von der UN-Vollversammlung beschlossen wurde und den Grundstein für die Erarbeitung des Migrationspakts legte, waren genauso öffentlich wie Konsultationen in den vergangenen zwei Jahren, an denen außer Diplomaten und Politikern auch zivilgesellschaftliche Gruppen und Forscher teilnahmen. Das öffentliche Interesse an den Verhandlungen war allerdings gering.

Warum sind auf einmal so viele Länder dagegen?

Die USA waren weltweit das einzige Land, das an den Verhandlungen nicht beteiligt war. Als diese am 13. Juli 2018 beendet wurden, stimmten 192 der 193 UN-Mitgliedsstaaten dem Text per Akklamation zu. Allerdings hatte etwa Ungarn schon früh deutlich gemacht, dass man Migration nicht regulieren, sondern verhindern wolle. Andere Staaten kündigten an, Rücksprache in den Hauptstädten zu halten. Rechtsextreme Gruppen wie die Identitäre Bewegung lancierten in den vergangenen Wochen Kampagnen gegen den Migrationspakt, teils mit offenkundig falschen Behauptungen, so dass sich auch Österreich abwandte. Die Regierungen von mehr als 180 Staaten stehen aber weiter hinter dem Migrationspakt, darunter auch Deutschland.

Hat der Migrationspakt auch mit Flüchtlingen zu tun?

Nein. Flüchtlinge genießen nach der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 besonderen Schutz, weil sie aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder ihrer politischen Überzeugung verfolgt werden. Für die auf 277 Millionen geschätzten Migranten gilt das nicht. Parallel zum Migrationspakt wird auch ein Flüchtlingspakt erarbeitet, der am 17. Dezember von der UN-Vollversammlung beschlossen werden soll. Auch er ist völkerrechtlich nicht verbindlich.

Marc Engelhardt (epd)


UN wollen internationale Kooperation durch Flüchtlingspakt

Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR hat zu mehr internationaler Kooperation in der Flüchtlingsfrage aufgerufen. Am 17. Dezember soll die UN-Vollversammlung in New York einen Globalen Pakt für Flüchtlinge annehmen, wie der beigeordnete UNHCR-Hochkommissar Volker Türk am 5. Dezember in Genf erklärte. Der rechtlich nicht bindende Pakt sei angesichts der stetig wachsenden globalen Flüchtlingskrise eine Notwendigkeit. Der Flüchtlingspakt ist nicht zu verwechseln mit dem Migrationspakt, der sich vor allem auf Aus- und Einwanderung aus wirtschaftlichen Gründen bezieht und nächste Woche in Marrakesch beschlossen werden soll.

Der Flüchtlingspakt soll konkret das Los von Millionen Flüchtlinge verbessern, etwa durch Zugang zu Schulen und zum Gesundheitswesen. Zudem soll die Jobsuche erleichtert werden. Arme Aufnahmeländer sollen mehr Hilfen erhalten, um die Lasten der Flüchtlingskrise gerechter zu verteilen. Mehr als 80 Prozent der Flüchtlinge leben derzeit in Entwicklungsländern.

Flüchtlingsforum

Weltweit befinden sich 68,5 Millionen Menschen auf der Flucht, eine historische Höchstmarke. Auf einem Flüchtlingsforum, das alle vier Jahre zusammentrifft, sollen Staaten freiwillige finanzielle und andere Zusagen für die Umsetzung der Übereinkunft machen. Der neue Flüchtlingspakt fußt auf der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951.

Im November hatten in einem Ausschuss der UN-Vollversammlung 176 Mitgliedsländer für den Flüchtlingspakt gestimmt, darunter Deutschland und alle anderen EU-Staaten. Nur die USA hatten die Resolution abgelehnt, was erwartet worden war. 13 Staaten waren bei der Abstimmung nicht zugegen, drei enthielten sich.

Rund 277 Millionen Migranten leben fern der Heimat, ebenfalls ein Höchststand. Die UN-Vollversammlung hatte 2016 beschlossen, einen Flüchtlingspakt und einen Migrationspakt auf den Weg zu bringen. Der Migrationspakt, der bei einer UN-Konferenz am 10. und 11. Dezember in Marrakesch beschlossen werden soll, hat auch in Deutschland heftige Diskussionen ausgelöst.



Seenotrettungseinsatz mit "Aquarius" wird beendet


Rettungswesten für Menschen in Seenot
epd-bild/Christian Ditsch
Der Druck war zu groß: Die Seenotretter beenden den Einsatz der "Aquarius". Das Schiff wurde zum Symbol der europäischen Flüchtlingspolitik. Nun suchen "Ärzte ohne Grenzen" und SOS Méditerranée nach Alternativen.

Der Einsatz des Rettungsschiffs "Aquarius" im Mittelmeer wird beendet: Nach monatelangen Auseinandersetzungen sehen sich "Ärzte ohne Grenzen" und SOS Méditerranée gezwungen, das Schiff außer Betrieb zu nehmen, wie die beiden Hilfsorganisationen am 7. Dezember mitteilten. Bereits seit zwei Monaten habe es den Hafen von Marseille nicht verlassen können.

"Was wir in den vergangenen Monaten erlebt haben, war eine gezielte Kampagne gegen die Rettung von verzweifelten Menschen auf dem Mittelmeer", erklärte Florian Westphal, Geschäftsführer von "Ärzte ohne Grenzen" in Deutschland. Dies bedeute, dass mehr Menschen ertrinken werden.

Dafür sei auch die EU verantwortlich, sagte die Geschäftsführerin von SOS Méditerranée in Deutschland, Verena Papke. Dass Leben retten im Mittelmeer unmöglich gemacht werden solle, verdeutliche das Scheitern Europas. "Wir haben den Höhepunkt der Kriminalisierung von humanitärer Hilfe auf See erreicht."

"Pflicht zum Weitermachen"

Als erstem Schiff verweigerte Italien der "Aquarius" im Juni einen Hafen zum Anlegen. Mit über 600 Flüchtlingen an Bord musste die Besatzung eine Woche lang im Mittelmeer ausharren, bis das Schiff schließlich in Spanien anlegen durfte. Auch für andere Rettungsschiffe blieben die italienischen Häfen daraufhin geschlossen. Zudem wurden der "Aquarius" den Organisationen zufolge nach Rettungseinsätzen auf politischen Druck hin zweimal die Flagge entzogen. Und die italienischen Behörden hätten das Schiff wegen angeblich illegaler Abfallentsorgung beschlagnahmen wollen.

Dennoch wollen beide Organisationen weitermachen. "Wir müssen auf das Meer zurückkehren, es ist unsere moralische Pflicht und unser Recht, weiterzumachen", betonte Sophie Beau von SOS Méditerranée Frankreich in Paris. Das soll mit einem neuen Schiff geschehen. Dafür würden nun mutige Reedereien gesucht, die bereit seien, "ein Zeichen der Solidarität mit den zivilen Seenotrettern zu setzen", sagte Papke.

"Wir sind mit Reedereien im Gespräch, aber bisher war noch kein passendes Schiff dabei, weil ein Rettungsschiff zahlreiche Kriterien erfüllen muss", erläuterte Papke dem Evangelischen Pressedienst (epd). Auch mit Ländern innerhalb und außerhalb der EU sei die Organisation im Gespräch, um zu sehen, unter welcher Flagge das neue Schiff fahren könne. "Wir brauchen eine stabile Flagge, die uns nicht so schnell entzogen wird."

30.000 Menschen gerettet

"Ärzte ohne Grenzen" teilte auf epd-Anfrage mit, die Organisation überlege, wie sie weiter vorgehen werde. Bislang gebe es keine Pläne für eine Zusammenarbeit mit einer weiteren Organisation. Nothilfekoordinatorin Karline Kleijer erklärte, solange Menschen im Mittelmeer und in Libyen litten, werde "Ärzte ohne Grenzen" nach Möglichkeiten suchen, sie medizinisch zu versorgen.

Amnesty International bedauerte das Ende des "Aquarius"-Einsatzes. Dass die beiden Organisationen gezwungen würden, ihre Rettungsoperationen zu beenden, zeige die Prioritäten der europäischen Regierungen: die Schließung der Mittelmeerroute sogar zum Preis von mehr Todesopfern, erklärte Generalsekretär Kumi Naidoo.

Den beiden Rettungsorganisationen zufolge wurden bei den Einsätzen der "Aquarius" seit Februar 2016 fast 30.000 Kinder, Frauen und Männer vor dem Ertrinken bewahrt. Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) kamen in diesem Jahr bislang 2.160 Menschen bei der Überquerung des Mittelmeers ums Leben.



Rüstungsgeschäfte auf rund 400 Milliarden Dollar gestiegen


Waffenhandel im US-Bundesstaat Michigan
epd-bild/Jim West
Im globalen Waffenhandel steigen die Umsätze kontinuierlich, an der Spitze stehen Unternehmen aus den USA. Auf der Liste der Top 100 sind auch vier deutsche Unternehmen.

Die 100 weltgrößten Rüstungskonzerne haben nach Angaben von Friedensforschern im vergangenen Jahr ihren Umsatz erhöht. 2017 verkauften die Unternehmen Waffen und militärische Dienstleistungen im Wert von 398,2 Milliarden US-Dollar (349,6 Milliarden Euro), wie das Friedensforschungsinstitut Sipri am 10. Dezember in Stockholm mitteilte. Das waren 2,5 Prozent mehr als 2016 und 44 Prozent mehr als im Jahr 2002, in dem Sipri die Trends im globalen Waffenhandel zu dokumentieren begann. Damit sind die Verkäufe das dritte Jahr in Folge gewachsen.

"Brot für die Welt"-Präsidentin Cornelia Füllkrug-Weitzel sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung": "Diese Entwicklung ist ein Skandal angesichts der Tatsache, dass Kriege und Konflikte - neben dem Klimawandel - als die größten Armutstreiber weltweit gelten."

Unter den 100 größten Rüstungsunternehmen sind allein 42 in den USA ansässige Konzerne gelistet. Mit einer Steigerung ihres Umsatzes um zwei Prozent auf insgesamt 226,6 Milliarden Dollar (199 Milliarden Euro) stehen sie weltweit weiter an der Spitze. Ihr Anteil am globalen Gesamtumsatz betrug 57 Prozent. "Die US-Firmen profitieren direkt von der anhaltenden Nachfrage nach Waffen durch das US-Verteidigungsministerium", erklärte Sipri-Forscherin Aude Fleurant. Allein der mit Abstand größte Waffenproduzent Lockheed Martin erzielte mit einer Steigerung von 8,3 Prozent einen Umsatz von 44,9 Milliarden Dollar (39,4 Milliarden Euro).

Waffenboom in Russland

Auch in Russland boomt das Waffengeschäft: Der Anteil des Landes an den globalen Verkäufen betrug im vergangenen Jahr 9,5 Prozent. So wuchsen die Umsätze der zehn größten russischen Rüstungsfirmen um 8,5 Prozent auf 37,7 Milliarden Dollar (33,1 Milliarden Euro). Damit ist Russland zweitgrößter Waffenproduzent der Welt. Zuvor hatte diese Position seit 2002 Großbritannien inne. Unternehmen aus China führte Sipri mangels verlässlicher Daten nicht auf. Rüstungskonzerne in Westeuropa steigerten ihre Umsätze um 3,8 Prozent auf 94,9 Milliarden Dollar (83,4 Milliarden Euro).

Auf der Liste der Top 100 stehen auch vier deutsche Unternehmen, darunter Rheinmetall, Thyssen-Krupp und Hensoldt. Diese verzeichneten 2017 insgesamt ein Plus von zehn Prozent auf 8,3 Milliarden Dollar (7,3 Milliarden Euro). Die Stockholmer Friedensforscher führen die Steigerung vor allem auf den Rekordumsatz von 61 Prozent des Rüstungskonzerns Krauss-Maffei Wegmann zurück. Insgesamt betrug der Anteil Deutschlands an den globalen Verkäufen im vergangenen Jahr 2,1 Prozent.

"Brot für die Welt"-Präsidentin Füllkrug-Weitzel sagte, die deutsche Rüstungsexportkontrolle sei zu schwach, und es finde keine effektive Endverbleibskontrolle der exportierten Waffen statt. "Die Bundesregierung muss sich minimal an ihre selbstgesetzten Grundsätze halten und keine Rüstungsgüter mehr in Kriegs- und Krisengebiete und an Staaten, die Menschenrechte verletzen, exportieren", verlangte sie.



Künstler schalten "Online-Pranger" gegen Rechtsextreme ab


Philipp Ruch vom "Zentrum für politische Schönheit"
epd-bild/Jürgen Blume

Die Künstler- und Aktivistengruppe "Zentrum für politische Schönheit" (ZPS) hat ihren umstrittenen "Online-Pranger" gegen mutmaßliche Neonazis beendet. Am 5. Dezember wurden sämtliche Fotos von mutmaßlichen Rechtsextremisten, die an den rechten Demonstrationen und Krawallen Ende August in Chemnitz beteiligt gewesen sein sollen, von der Website soko-chemnitz.de heruntergenommen. Stattdessen bedankt sich das ZPS auf der Seite bei zahlreichen Neonazis, die sich durch die Betätigung der Suchfunktion auf der Internetseite selbst entlarvt hätten. Die Aktion sei ein Erfolg gewesen, sagte ZPS-Gründer Philipp Ruch dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin.

In nur drei Tagen habe die umstrittene Website rund 2,5 Millionen Besucher gehabt. Mit der heftigen Kritik an dem "Online-Pranger" habe die rasche Abschaltung nichts zu tun, sagte Ruch.

Insgesamt sind dem ZPS-Gründer zufolge etwa 1.500 Beteiligte an den rechten Demonstrationen in Chemnitz von Ende August identifiziert worden. "Die Aktion war eine Falle, ein sogenannter Honeypot, wie auf der Website jetzt nachlesbar ist", sagte Ruch. Innerhalb von drei Tagen sei ein "riesiger Datenschatz" entstanden. Über einen Algorithmus könne nun ein breites Netzwerk des Rechtsextremismus in Deutschland abgebildet werden.

Einladung an Seehofer

"Das ist das Relevanteste, was es an Daten in Sachen Rechtsextremismus in Deutschland aktuell gibt", erklärte Ruch weiter. Dafür könnten sich auch zahlreiche Behörden interessieren. "Wenn zum Beispiel der Bundesinnenminister mehr wissen will und Lust auf einen Kaffee mit uns hat, dann soll er vorbeikommen", sagte Ruch. Horst Seehofer (CSU) müsse sich dann vom ZPS-Team allerdings "auch ein paar kritische Töne anhören für das, was er in diesem Jahr geliefert hat".

Die Künstler- und Aktivistengruppe hatte am 3. Dezember die Seite www.soko-chemnitz.de freigeschaltet. Sie rief dazu auf, die Beteiligten zu identifizieren und deren Arbeitgeber zu informieren. Die Aktion war auf heftige Kritik gestoßen, unter anderem waren mindestens neun Strafanzeigen gegen das ZPS eingereicht worden. Der Deutsche Kulturrat sprach von einer "problematischen Kunstaktion". Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums betonte am 5. Dezember, das Monopol zur Strafverfolgung liege beim Staat und den Polizei- und Justizbehörden – "und da soll es auch bleiben". Für Fahndungsaufrufe würden strenge Regularien gelten.

Vor rund einem Jahr hatte das "Zentrum für politische Schönheit" mit einem Nachbau des Holocaust-Mahnmals in Thüringen bundesweit Schlagzeilen gemacht. Damit sollte gegen eine Rede des thüringischen AfD-Chef Björn Höcke vom Januar 2017 in Dresden protestiert werden. Darin hatte der Politiker mit Bezug auf das Berliner Mahnmal von einem "Denkmal der Schande" gesprochen. Auch bei dieser Aktion des ZPS gab es mehrere Dutzend Strafanzeigen gegen die Künstlergruppe, die bislang alle erfolglos blieben.



Landtagspräsident Kuper warnt vor Antisemitismus


André Kuper

Der nordrhein-westfälische Landtagspräsident André Kuper (CDU) hat beim jüdischen Chanukka-Fest im Düsseldorfer Landtag vor wachsendem Antisemitismus gewarnt. "Wir sind wachsam und vergewissern uns hier aus dem Landtag heraus, dass wir Deutsche alles tun werden, um jeder Form von aufkeimendem Antisemitismus zu wehren", erklärte Kuper am 4. Dezember in Düsseldorf. Der Landtag hatte gemeinsam mit den Landesverbänden der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe, dem Landesverband progressiver jüdischer Gemeinden sowie der Synagogen-Gemeinde Köln zum Entzünden der dritten Chanukka-Kerze eingeladen.

Chanukka-Feier im Landtag

"Beim Blick auf das Jahr sehen wir leider auch antisemitische Ausschreitungen in Chemnitz und Dortmund", sagte Kuper. Die Schaffung einer Stelle eines Antisemitismusbeauftragten bezeichnete er als wichtiges Zeichen und ein Instrument gegen Antisemitismus in Nordrhein-Westfalen. Die Landesregierung hatte die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) berufen.

Das Chanukka-Fest erinnert an die Wiedereinweihung des zweiten Tempels in Jerusalem im Jahr 164 vor Christus. Beim Chanukka-Fest wird an jedem Abend unmittelbar vor Einbruch der Dunkelheit ein Licht angezündet. In diesem Jahr feiern Juden Chanukka bis zum 10. Dezember.



#IchDuWirNRW: NRW-Kampagne wirbt für Zusammenhalt

Nordrhein-Westfalen ist ein Einwanderungsland, in dem Integration gelingt: Diese Botschaft will die Landesregierung mit ihrer neuen Kampagne #IchDuWirNRW vermitteln, wie Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) am 5. Dezember in Düsseldorf erläuterte. Im Internet und auf 1.600 Plakaten landesweit werden Vorbilder präsentiert, die Mut machen sollen, sich für Integration und gegen gesellschaftliche Vorurteile einzusetzen.

Ziel der Kampagne sei es, negativer Berichterstattung und Hetze in sozialen Netzwerken etwas entgegenzusetzen, sagte Stamp. "Wir richten uns damit an die gesamte Gesellschaft, da wir davon überzeugt sind, dass wir einen umfassenden Wertediskurs brauchen." Gerade in Zeiten von Fake News und rechtem Populismus sei es notwendig, den Wert von Integration und gesellschaftlicher Vielfalt zu betonen.

Positive Integrationsgeschichten als Vorbild

Im Mittelpunkt der Kampagne stünden Menschen mit einer positiven Integrationsgeschichte, die als Vorbilder fungieren sollen, sagte Integrationsstaatssekretärin Serap Güler. "Menschen mit Einwanderungsgeschichte sind Teil dieses Landes." Mehr als jeder Vierte der rund 18 Millionen Menschen im Land habe ausländische Wurzeln. Zu den zehn auf Plakaten vorgestellten Vorbildern gehören etwa eine Kommunikationsberaterin aus Jamaika, ein Straßenbahnfahrer aus dem Irak und ein Beamter mit türkischen Wurzeln.

#IchDuWirNRW konzentriert sich den Angaben zufolge auf vier Schwerpunkte: Vorbilder, Einbürgerung, Wertedebatte sowie den öffentlichen Dienst als Ausbildungs- und Arbeitgeber. "25 Prozent der Menschen unseres Landes haben eine Integrationsgeschichte und das spiegelt sich noch lange nicht im öffentlichen Dienst wieder - wir wollen Mut und Lust machen", sagte Güler.

Neben den Plakaten besteht die Kampagne aus Onlinefilmen, in denen Menschen mit Einwanderungsgeschichte erzählen, was sie mit Nordrhein-Westfalen verbinden und wie Integration für sie zum Erfolg wurde. Außerdem sollen Veranstaltungen Möglichkeiten zum Dialog geben, etwa in Jugendeinrichtungen. Auch im kommenden Jahr soll die Kampagne fortgeführt werden. Die Kosten liegen nach Angaben des Integrationsministers bei 700.000 Euro pro Jahr.



Bethel-Chef Pohl erhält NRW-Verdienstorden


Ulrich Pohl
epd-bild/Paul Schulz/Bethel

Zehn Bürgerinnen und Bürger aus Nordrhein-Westfalen werden am 15. Dezember in Aachen mit dem Verdienstorden des Landes ausgezeichnet. Zu den Gewürdigten zählen unter anderem der Vorstandsvorsitzende der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel, Ulrich Pohl, und der Gründer des Vereins "Lebenshilfe im Kreis Viersen", Horst Bessel, wie die Staatskanzlei in Düsseldorf am 7. Dezember mitteilte. Zudem erhalten auch die ehemalige Bundesministerin Dorothee Wilms (CDU) sowie der Präsident des Deutschen Schaustellerbundes, Albert Ritter, und der ehemalige Fußballtrainer Otto Rehhagel den Verdienstorden.

Laschet zeichnet zehn Bürger aus

Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) übergibt die Auszeichnungen im Historischen Rathaus Aachen. Der NRW-Verdienstorden ist eine der höchsten Auszeichnungen des Landes und wurde 1986 aus Anlass des 40. Geburtstages des Landes gestiftet. Die Würdigung wird an Bürger als Anerkennung ihrer außerordentlichen Verdienste für die Allgemeinheit und ihr Engagement für die Gesellschaft verliehen. Seit seiner Einführung sind fast 1.600 Frauen und Männer mit dem Verdienstorden ausgezeichnet worden. Die Zahl der Orden ist auf 2.500 begrenzt.



Richard Gere mit Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet

Der US-Schauspieler Richard Gere, die beninische Sängerin Angélique Kidjo und der irische Musiker Rea Garvey sind in Düsseldorf mit dem Ehrenpreisen des Deutschen Nachhaltigkeitspreises ausgezeichnet worden. Die mit jeweils 30.000 Euro dotierte Auszeichnung für Städte und Gemeinden ging an die drei nordrhein-westfälischen Kommunen Münster, Eschweiler und Saerbeck, wie die Veranstalter am 9. Dezember mitteilten. Die Preisverleihung fand am 7. Dezember in Düsseldorf statt. Im Mittelpunkt von Europas größter Auszeichnung für ökologisches und soziales Engagement hätten die Akteure und Projekte gestanden, die den Wandel hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft unterstützen, erklärte die Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis.

Mit den Ehrenpreisen wurde das humanitäre und ökologische Engagement der Künstler Gere, Kidjo und Garvey. Richard Gere setze seine Popularität ein, um dem friedlichen Widerstand des tibetischen Volkes eine Stimme zu geben, hieß es zur Begründung. Auch sein Kampf gegen HIV und Aids in Indien wurde gewürdigt. Angélique Kidjo wird für ihr Engagement als Unicef-Botschafterin für Menschenrechte und die Bildung und Gleichstellung von Frauen in Afrika ausgezeichnet. Zudem ermögliche sie mit ihrer Stiftung "Batonga" westafrikanischen Mädchen Gymnasial- oder Universitätsbildung, hieß es.

Der irische Sänger und Songwriter Rea Garvey unterstütze mit seiner Stiftung "Saving An Angel" seit über 17 Jahren soziale Projekte. Als Mitbegründer des ClearWater-Projektes engagiere er sich außerdem für die Menschenrechte in Ecuador und eine nachhaltige Versorgung mit sauberem Trinkwasser.

Der 2008 erstmals verliehene Nachhaltigkeitspreis ist eine Initiative der Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis in Zusammenarbeit mit der Bundesregierung, kommunalen Spitzenverbänden, der Deutschen UNESCO-Kommission, Forschungseinrichtungen und zivilgesellschaftlichen Organisationen.



Umweltverband ruft zur Rettung von alternativem Archiv auf

Der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) ruft zur Bewahrung des "Archiv für alternatives Schrifttum" (afas) in Duisburg auf. Dieses einzigartige Gedächtnis der Bürgerbewegungen müsse erhalten bleiben, erklärte der Bundesverband in Bonn. Die Landesregierung NRW plane, am 12. Dezember die Zuschüsse für dieses kulturell und historisch unverzichtbare Archiv zu streichen. Das Archiv sammelt Material der alternativen Bewegungen nach dem Zweiten Weltkrieg. So seien dort die Proteste gegen die Wiederbewaffnung in den 50er Jahren dokumentiert sowie die Anfänge der Friedensbewegung oder die Proteste gegen die Stationierung der Pershing-II-Raketen in Bonn 1982.

Das im Jahr 1986 in Duisburg eröffnete freie Archiv sammelt nach eigenen Angaben bundesweit Material aus dem gesamten Spektrum der neuen sozialen Bewegungen. Viele Initiativen aus den linken und alternativen Bewegungen könnten wegen ihrer Struktur oder Kurzlebigkeit ihre eigene Geschichte nicht hüten, heißt es auf der Internetseite des Archivs. Spätestens wenn sie umzögen oder ihre Büros auflösen würden, gerieten ihre Sammlungen in Gefahr. Mit dem Sammeln und Erschließen dieser Materialien bewahre das Duisburger Archiv ein Stück dezentraler, lokaler und alternativer Geschichte und mache es öffentlich zugänglich. Träger ist ein gemeinnützige Trägerverein.

Die weitere Förderung des Archivs hatte auch der Verband deutscher Archivarinnen und Archivare (VdA) in einem offenen Brief an die Landesregierung und alle Landtagsabgeordneten gefordert.




Soziales

Weihnachtswerkstatt hinter Gittern


Töpferei der JVA Bielefeld-Brackwede
epd-bild/Friedrich Stark
"Nussknacki" und Glücksschwein: In eigenen Online-Shops vermarkten die Justizverwaltungen das, was Häftlinge in Gefängniswerkstätten fertigen. In diesem Jahr steuert der Umsatz von Knastladen.de auf einen neuen Rekord zu.

So manchen spielerischen Ritterkampf soll es überstehen, das Holzschwert "Exknastibur". Der Name erinnert an das magische Schwert Excalibur aus der Artus-Sage und weist zugleich auf die Hersteller des Kinderspielzeugs hin: Insassen der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede produzieren das Schwert, das für neun Euro auf www.knastladen.de bestellt werden kann. Der Online-Shop der nordrhein-westfälischen JVAs bietet rund 1.500 Artikel aus 30 Gefängnissen an und ist bundesweit der größte seiner Art.

In der Werkstatt in Brackwede geben drei Häftlinge in beigefarbener Arbeitskleidung gerade sternförmigen Teelichthaltern aus Holz den letzten Schliff. Auf dem Tisch daneben stapeln sich die für den Versand bestimmten Spielzeug-Schwerter. Bis zu 16 Männer kommen montags bis freitags zur Arbeitstherapie. "Wir möchten sie an regelmäßige Arbeit und einen strukturierten Tagesablauf erst einmal gewöhnen", erläutert der Leiter der Arbeitstherapie, Kai Wiegner. Gelingt das, können die Häftlinge in einen der Eigenbetriebe der JVA wechseln, etwa in die Tischlerei.

"Es wäre nicht gut, den ganzen Tag in der Zelle zu sitzen", sagt ein Gefangener in der Holzwerkstatt. Stolz zeigt der Mann Weihnachtsdeko-Artikel, an denen er mitgearbeitet hat. Seit zehn Monaten sei er schon dabei, berichtet der 40-Jährige, der vor allem mit Schleifen und Malen beschäftigt ist.

Adventlicht bis Zeitungsständer

In der Töpferei bemalt ein 41-Jähriger gerade eine Kaffeetasse mit einem schwarzen Adler. "Ich arbeite hier gerne, und man macht auch was Gutes für andere", sagt er leise. Auch Mitgefangene bestellen bei ihm Tassen, mit Tiermotiven oder Inschriften in verschiedenen Sprachen.

Welche Produkte über den Knastladen im Netz verkauft werden sollen, schlagen die Anstalten der Zentralstelle für Arbeitsverwaltung im Justizvollzug in Castrop-Rauxel vor. Dort ist Bernhard Janßen verantwortlich für die Verwaltung der Webseite: "Wir bieten Produkte von A wie Adventlicht bis Z wie Zeitungsständer." Neben jahreszeitlicher Deko und Holzspielzeug wie dem Auto "Renner" aus Brackwede seien zum Beispiel Büromöbel, Grillgeräte, Vogelhäuser oder Hundeleinen bei den Kunden beliebt. Manche Anstalten haben sich spezialisiert: So kommt Schmuck aus der JVA Hamm, Schuhe werden in Remscheid genäht, Filztaschen stellen Häftlinge in Düsseldorf her.

Als die gemeinsame Online-Plattform der NRW-Gefängnisse vor zehn Jahren an den Start ging, war sie nicht die erste: Niedersachsen war bereits 2001 mit jva-shop.de online gegangen, Sachsen folgte 2005 mit gitterladen.de. Aus Hamburg kommt das Label "Santa Fu", aus Hessen der Shop "Haftwerk", aus Bayern "Haftsache".

In fast allen Bundesländern sind Häftlinge zur Arbeit verpflichtet, sofern sie gesund und nicht schon im Rentenalter sind. "Und sie wollen auch arbeiten", sagt der Leiter der Arbeitsverwaltung in Bielefeld-Brackwede, Jürgen Henke-Sommer. Er führt eine Warteliste von Bewerbern, da die Anstalt wegen Raumproblemen derzeit nicht genug Arbeitsplätze bieten kann.

Teilnahme freiwillig

Strafgefangene erhalten in den JVA-Betrieben in Nordrhein-Westfalen pro Tag ein Entgelt zwischen 9,87 und 16,44 Euro, von dem sie etwas über die Hälfte als Startkapital für die Zeit nach der Entlassung ansparen müssen. Die Teilnahme an der Arbeitstherapie ist dagegen freiwillig - der Verdienst liegt bei 75 Prozent der Regelsätze.

Die Internet-Plattform knastladen.de wird monatlich bis zu 40.000mal besucht, laut Administrator Janßen haben sich 6.000 Menschen als Kunden registriert. 2017 übersprang der Umsatz mit den Knastprodukten erstmals die Fünf-Millionen-Euro-Grenze. Darunter sind auch Aufträge der nordrhein-westfälischen Justiz, die in den JVAs zum Beispiel Büromöbel fertigen lässt. In diesem Jahr erwartet die Zentralstelle Arbeitsverwaltung einen neuen Rekord: Bis Ende September wurde demnach bereits für mehr als vier Millionen Euro eingekauft. Insgesamt nahm das Land durch die Einkaufs-Plattform seit dem Start fast 19 Millionen Euro ein.

Doch beabsichtige die Justiz nicht, mit der Vermarktung der Knast-Produkte Gewinn zu erzielen, sagt Janßen. Man wolle in erster Linie mit Zerrbildern vom Strafvollzug aufräumen und die Bedeutung der Arbeit für die Resozialisierung der Häftlinge unter Beweis stellen. Viele Bürger fänden dies gut und unterstützten durch Käufe diese Aufgabe.

"Was die Inhaftierten herstellen, ist sinnvoll, wird öffentlich angeboten und Menschen zahlen dafür", erklärt Henke-Sommer von der JVA Brackwede. "Eine solche Anerkennung für ihre Arbeit erleben viele hier zum ersten Mal."

Im Online-Shop sei die Suche nach Geschenken vor dem Fest deutlich zu spüren, sagt Janßen. Wie wäre es etwa mit einem "Nussknacki" für 5,90 Euro oder mit "Glücksschwein Borsti" aus Buche als Glücksbringer für 2019? Und der "Strafzeitberechnungskalender" fürs neue Jahr zählt die Tage sogar abwärts.

Von Thomas Krüger (epd)


"Hilf mir, Udo, der bringt mich um!"


Udo Thart
epd-bild/Andrea Enderlein
Nicht immer haben Zeugen eines Verbrechens genug Zivilcourage, um den Opfern zu helfen. Dabei lässt sich das richtige Verhalten in Notsituationen sogar gut trainieren.

Der Freitagmorgen vor Fastnacht begann für Udo Thart und seine Frau wie jeder andere auch. Um sechs Uhr früh hatte der Wecker geklingelt, und der Rheinland-Pfälzer aus Lörzweiler bei Mainz war gerade in seine Küche gegangen, um die Kaffeemaschine anzuschalten. Plötzlich hörte er Schreie von draußen vor dem Haus. Schnell zog er sich Jacke und Schuhe an und lief in die Dunkelheit. Es dauerte eine Weile, bis er unter einer Straßenlaterne zwei Gestalten entdeckte. In einer erkannte Thart seinen Nachbarn. "Hilf mir, Udo, der bringt mich um", habe der attackierte Mann noch gerufen.

Ein Angreifer hatte dem Nachbarn aufgelauert, mit einem schweren Werkzeugschlüssel auf ihn eingeschlagen und ihn bereits schwer am Kopf verletzt. Was in den kommenden Augenblicken geschah, weiß Thart nicht mehr, er hat Erinnerungslücken. Sein Gedächtnis setzt erst wieder in dem Moment ein, als er den Täter überwältigt und zu Boden gedrückt hatte. Ganze 20 Minuten lang hätten die Männer so auf dem Boden verharrt, bis die Polizei eintraf. Ohne das beherzte Eingreifen wäre der Nachbar heute möglicherweise nicht mehr am Leben.

Keine Selbstverständlichkeit

Thart ist 51 Jahre alt, er hat kurzes graues Haar und trägt eine randlose Brille. Beruflich hat er mit Kreditversicherungen zu tun. In seinem Leben war er noch nie bei einem Selbstverteidigungskurs, als Jugendlicher nie in Schlägereien verwickelt. Und er findet, dass er alles Mögliche ist, aber jedenfalls kein Held. Dass sein Nachbar ihn für den Zivilcourage-Preis des rheinland-pfälzischen Innenministeriums, den Thart am 5. Dezember erhielt, vorschlug, war ihm anfangs gar nicht recht.

Dass Menschen anderen in Notsituationen zur Hilfe kommen, ist allerdings keine Selbstverständlichkeit. Immer wieder hat unterlassene Hilfeleistung fatale Folgen. Für Aufsehen sorgte etwa der Fall eines alten Mannes, der 2017 in Essen im Vorraum einer Bankfiliale zusammenbrach und starb, weil er von anderen Bankkunden ignoriert wurde.

Der Sozialpsychologe und Zivilcourage-Trainer David Urschler von der Universität Jena gibt dennoch ein Stück weit Entwarnung: In offensichtlich gefährlichen Situationen stünden die Chancen nicht schlecht, dass jemand zur Hilfe komme, sagt er. Wovon es abhänge, ob jemand einschreitet oder wegschaut, sei nicht so einfach zu beantworten: "Es gibt da keine großen Unterschiede zwischen Männern und Frauen oder zwischen Menschen aus unterschiedlichen Herkunftsländern." Passanten schreckten vor allem dann von einem Eingreifen zurück, wenn die Situation unklar sei, wenn etwa bei sexuellen Belästigungen Täter und Opfer als Teil einer Gruppe oder Familie wahrgenommen würden.

"Zivilcourage trainieren"

"Man kann Zivilcourage gut trainieren", sagt Urschler. Es gebe eine ganze Reihe wirksamer Methoden, um brisante Situationen zu entschärfen. "Man kann Menschen einfach mal fragen, ob alles in Ordnung ist", rät der Wissenschaftler. Grundsätzlich sei es immer gut, nicht allein zu handeln, sondern sich Unterstützer zu suchen. Wer miterlebe, wie jemand in einem Bus belästigt werde, könne das Opfer an der Hand zum Ausgang führen, und den oder die Täter dabei komplett links liegenlassen. Aggressives Verhalten gegenüber dem Täter kann hingegen dazu führen, dass die Situation außer Kontrolle gerät.

Die Opferschutzorganisation "Weißer Ring" hat immer wieder mit Fällen zu tun, in denen Helfer durch ihr Eingreifen selbst zu Schaden kommen. Bei Gefahr sollte daher immer über 110 die Polizei gerufen werden, raten die Opferhelfer. Wer durch sein Eingreifen selbst zum Ziel einer Attacke werde, habe das Recht auf Notwehr. Gesetzlich sei auch ein Versicherungsschutz für Nothelfer geregelt, wenn etwa durch einen tätlichen Angriff ihre Kleidung oder Mobiltelefon beschädigt würden. Auch bestehe ein Anspruch auf Leistungen nach dem Opferschutzgesetz.

Udo Thart hatte in jener Februarnacht keine Wahl, außer ihm war weit und breit niemand auf der Straße. Und Zeit, auf die Polizei zu warten, war augenscheinlich auch keine mehr. Als er den Angreifer überwältigte, erlitt er Schürfwunden an den Händen, aber bereits am selben Tag fuhr er nach der Vernehmung zur Arbeit ins Büro. Die Polizei habe sich hinterher noch mehrmals bei ihm gemeldet, ihm Hilfe eines Seelsorgers angeboten, aber er habe das abgelehnt. Angst habe er jedenfalls im Dunklen nicht: "Was passiert ist, war so unwahrscheinlich wie ein Lottogewinn", sagt er. "Wieso sollte mir so etwas noch einmal passieren? Da bin ich sehr pragmatisch."

Karsten Packeiser (epd)


Loveparade-Prozess: Viele Zeugen nutzen Begleitung durch Seelsorger


Gedenkstätte für Opfer des Unglücks in Duisburg
epd-bild/Marc Vollmannshauser

Im Strafprozess zur Loveparade-Katastrophe nutzen Zeugen in unerwartetem Ausmaß die seelsorgerliche Begleitung am Rande der Verhandlungen. "Wir haben gemerkt, dass der Opferkreis der Loveparade größer ist, als wir das ursprünglich im Blick hatten", sagte der Vorstand der Stiftung "Duisburg 24.7.2010", Jürgen Widera, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dazu gehörten nicht nur die Angehörigen der Todesopfer und die Verletzten, sondern unter anderem auch Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr, die beim Loveparade-Unglück im Jahr 2010 in Duisburg im Einsatz waren und jetzt vor dem Landgericht Duisburg als Zeugen aussagen.

Strafprozess vor einem Jahr gestartet

Der mit Spannung erwartete Prozess hatte vor einem Jahr, am 8. Dezember 2017, begonnen. Die Stiftung bot die seelsorgerliche Begleitung ursprünglich vor allem mit Blick auf die Angehörigen und Verletzten an. Sie wird nach Wideras Worten aber weniger von diesem Personenkreis als von den Zeugen wahrgenommen, die vor Gericht aussagen. Die meisten Zeugen nutzten die Möglichkeit, in Verhandlungspausen oder nach ihrer Aussage mit einem Seelsorger oder Psychologen zu sprechen, sagte der Theologe.

"Wir haben oft erlebt, dass Zeugen stabil in eine Vernehmung hineingehen, die Stunden um Stunden dauert, und irgendwann merkt man, wie sie immer nervöser und unruhiger werden", berichtete Widera. So sei eine Zeugin während ihrer Aussage durch ein Foto, das ihrer Erinnerung widersprach, derart verunsichert worden, dass der Richter eine Pause habe anordnen müssen. Der anwesende Seelsorger habe die Frau in der Pause wieder beruhigen können.

"Uns wird immer wieder vom Gericht attestiert, dass wir mit der Begleitung ein Stück Rechtsgeschichte mitschreiben", erläuterte Widera. Ein solches Seelsorge-Angebot, das sich an alle Prozessbeteiligten richtet, habe es während eines Strafprozesses noch nie gegeben. Im Congress Center Düsseldorf, in dem der Strafprozess stattfindet, ist an jedem Prozesstag ein Seelsorger oder Psychologe vor Ort, ein weiterer ist in Rufbereitschaft.

Das Besucherinteresse war bei diesem Prozess auch vonseiten der Angehörigen und Verletzten von Anfang an deutlich geringer als erwartet. Widera führt dies darauf zurück, dass der Strafprozess "in weiten Teilen eine sehr trockene Angelegenheit" sei. Zudem sei es für die Eltern der Todesopfer, die teils im Ausland leben, oft schwer erträglich, wenn sich Vernehmungen zäh hinziehen. Wenn sich Zeugen an bestimmte Ereignisse nicht mehr genau erinnerten, sei das für die Betroffenen nicht nur unbefriedigend, sondern auch belastend.

Für den Fortgang des Prozesses im kommenden Jahr hofft Widera vor allem auf eine weitere Aufklärung der Unglücksursachen. "Das wäre auch wichtig für die Angehörigen und viele Verletzte", sagte der Pfarrer, der auch Ombudsmann der Stadt Duisburg für die Loveparade-Opfer ist. "Ich höre immer wieder: Uns geht es nicht um Verurteilungen, sondern darum zu erfahren: Wieso mussten unseren Kinder sterben? Wie konnte es so weit kommen?" Er sei froh, dass das Gericht Wert darauf lege, genau diese Fragen zu klären, betonte Widera.

Bei einem Gedränge während der Loveparade am 24. Juli 2010 in Duisburg mit hunderttausenden Techno-Fans waren 21 Menschen ums Leben gekommen. Mehr als 600 wurden verletzt.

epd-Gespräch: Jasmin Maxwell


Prüfer: Verstöße bei Transplantationen stark zurückgegangen


Organspendeausweise
epd-bild / Rolf Zöllner
Die Kontrolleure der Transplantationszentren in Deutschland sehen seit den Skandalen von 2012 deutliche Fortschritte. Verstöße und Manipulationen sind selten geworden. Das größte Problem aber bleibt: Es mangelt an Spenderorganen.

Trotz der niedrigen Spenderzahlen sehen Experten die Transplantationsmedizin in Deutschland am Wendepunkt. Es herrsche "eine unglaubliche Aufbruchstimmung, endlich eine Kultur der Organspende zu schaffen", sagte der Vorsitzende der Ständigen Kommission Organtransplantation der Bundesärztekammer, Hans Lilie, am 6. Dezember in Berlin.

Lilie äußerte sich anlässlich der Vorstellung des Jahresberichts der Überwachungs- und der Prüfungskommission für Transplantationen. Der Bericht der Kommissionen bewertet die Arbeit der Transplantationszentren überwiegend positiv. Verstöße haben danach deutlich abgenommen. Waren in der ersten Prüfphase nach dem Organspende-Skandal von 2012 noch 13 Transplantationszentren mit Verstößen gegen die Regeln aufgefallen, sind es dem jüngsten Bericht zufolge nur noch drei.

Die Überwacher hätten dazu auch selbst einen Beitrag geleistet, sagte Lilie. Es gebe zudem derzeit in der Politik mehrere Ansätze, die Organspende zu fördern. Dazu zähle neben Verbesserungen für Entnahme-Kliniken auch die Debatte um die Widerspruchslösung.

46 Zentren

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat ein Gesetz zur besseren Finanzierung der Entnahme-Kliniken auf den Weg gebracht. Parallel dazu stieß er eine Debatte über die Einführung einer Widerspruchslösung an, um die Zahl der Organspenden zu erhöhen. Die Ärzteschaft hatte sich schon auf dem Ärztetag im Mai für die Widerspruchslösung ausgesprochen. Im Bundestag gibt es indes Widerstand, wie bei einer ersten Debatte Ende November deutlich wurde.

In Deutschland gibt es 46 Transplantationszentren, an denen im Rahmen von 128 Programmen Organe verpflanzt werden. 60 dieser Programme wurden von den Kommissionen auf der Basis von knapp 1.500 Krankenakten überprüft. Ein besonderes Augenmerk liegt darauf, ob Unterlagen gefälscht werden, um Patienten auf den Wartelisten nach vorne zu schieben. Manipulationen dieser Art an mehreren Universitätskliniken waren 2012 bekanntgeworden.

Systematische Unregelmäßigkeiten stellten die Prüfer im Herztransplantationsprogramm am Universitätsklinikum Köln-Lindenthal und bei Lebertransplantationen am Universitätsklinikum Frankfurt am Main fest. Darüber seien die zuständigen Behörden und Staatsanwaltschaften informiert worden, erklärte die Vorsitzende der Prüfungskommission, Anne-Gret Rinder. Die Frankfurter Oberstaatsanwältin Nadja Niesen bestätigte dem Evangelischen Pressedienst (epd) den Eingang eines entsprechenden Antrags auf Prüfung eines Anfangsverdachts. Eine Strafanzeige sei jedoch nicht erstattet worden

797 Spender

Keine Beanstandungen gab es im Bereich der Nieren- und Bauchspeicheldrüsen-Verpflanzungen. Auch bei den Herz-, Lungen- und Lebertransplantationen sei weit überwiegend ordnungsgemäß gearbeitet worden. Hier sei es lediglich in einzelnen Transplantationszentren zu Fehlern gekommen, die aber keine systematische Vorgehensweise erkennen ließen, so der Bericht.

Die Überwachungs- und die Prüfkommission werden von Vertretern der Bundesärztekammer, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Spitzenverband der Krankenkassen gebildet. Sie prüfen zum einen die Abläufe bei der Gewinnung von Organen, zum anderen die Vermittlung von Organen an Empfänger. Ihr Auftrag beschränkt sich darauf, Verstöße gegen das Transplantationsgesetz und die Richtlinien der Bundesärztekammer festzustellen und die Informationen an die zuständigen Stellen weiterzuleiten.

Die Zahl der Organspenden war nach 2012 eingebrochen und hatte im vergangenen Jahr ihren bisherigen Tiefstand erreicht. In der Folge der Skandale waren mehr Kontrollen eingeführt worden. In Deutschland warten mehr als 10.000 Patienten auf ein Spenderorgan. Dem standen 2017 nur 797 Spender gegenüber, denen im Durchschnitt drei Organe entnommen wurden.

Bettina Markmeyer (epd)


Trisomie-Test: Ärzte wollen Bedingungen für Kassenleistung

Bluttests bei Schwangeren, die Auskunft über eine mögliche Trisomie beim ungeborenen Kind geben, könnten bald Kassenleistung sein. Pränatalmediziner warnen vor einem "Massen-Screening". Sie wollen das Angebot an Bedingungen knüpfen.

In der Diskussion um eine mögliche Kostenübernahme für Gen-Tests an Schwangeren durch die Krankenkassen haben Pränatalmediziner enge Voraussetzungen gefordert. Die Nicht-invasive Pränataldiagnostik (NIPD) sei in bestimmten Fällen sinnvoll, müsse aber in der gesamten Vorsorge eingebettet sein, um zu rechtfertigen, dass die Allgemeinheit die Kosten trägt, sagte der Präsident des Berufsverbandes niedergelassener Pränatalmediziner, Alexander Scharf, am 6. Dezember in Berlin. Der Verband fordert eine verpflichtende Beratung vor dem Test und dass sie nur bei Risikogruppen auf Kosten der Kasse angewendet werden.

Der zuständige Gemeinsame Bundesausschuss prüft derzeit, ob der Test, der anhand des Bluts der Schwangeren mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit darüber Auskunft gibt, ob ein Kind Trisomie 21, 13 oder 18 hat, von den Krankenkassen übernommen werden soll. Derzeit müssen werdende Mütter die Kosten von etwa 200 Euro selbst tragen. Der Test birgt kein Risiko im Unterschied zu Fruchtwasseruntersuchungen, mit denen ein hohes Fehlgeburtsrisiko einhergeht.

Große Dynamik

Scharf argumentierte allerdings, nur die Untersuchung des Fruchtwassers, die von den Kassen bislang übernommen wird, sei mit einer Diagnose verbunden. Für eine eindeutige Aussage müsse diese Methode ergänzend ohnehin dazugezogen werden. Der Arzt aus Darmstadt forderte eine gesellschaftliche Debatte über den Test, der nach seiner Einschätzung falsch wahrgenommen wird. "Für die Frage, ob ein Kind gesund ist, ist es der falsche Test", sagte er. Diese Erwartung hätten aber viele.

Zudem vermutet er für die Zukunft eine Ausweitung auf andere Gen-Tests. Es gebe dabei eine große Dynamik. Der jetzt diskutierte Test sei ein "Opener", sagte Scharf.

Die Pränatalmedizinerin Nilgün Dutar sagte, viel wichtiger für die Beurteilung des Zustands des Ungeboren sei das Screening im ersten Schwangerschaftstrimester mit der Nackenfaltenmessung. Sie kostet nach Angaben des Verbands ebenfalls rund 200 Euro und wird nicht von den Kassen übernommen. Wesentlich häufigere Auffälligkeiten wie Herzfehler würden dort erkannt.

"Schleusen nicht gänzlich öffnen"

Die Züricher Ärztin und Ethikerin Tanja Krones sagte, in der Schweiz sei der Bluttest auf Trisomie Kassenleistung, "aber nicht für alle". Auch für eine deutsche Regelung schlägt Scharf vor, den Test nur für die Schwangeren zur Kassenleistung zu machen, die eine besondere Indikation haben. Alle anderen, die den Test trotzdem machen wollen, müssten ihn dann weiter selbst bezahlen, erläuterte Scharf.

Die Grünen-Politikerin Corinna Rüffer begrüßte die Stellungnahme der Mediziner. Es sei gut, dass sie die Kostenübernahme kritisch sehen würden "und die Schleusen dafür nicht gänzlich öffnen" möchten, sagte die Bundestagsabgeordnete dem epd. "Die Beratung von Schwangeren muss in jedem Fall verbessert werden", fügte sie hin. Sie lehnt nach eigener Aussage die Übernahme der Tests in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen ab.

Rüffer gehört zu einer Gruppe von mehr als 100 Abgeordneten, die eine ethische Debatte im Parlament über die Tests einfordern. Experten rechnen damit, dass der Bundesausschuss die Gen-Tests zur Kassenleistung machen wird. Die Debatte hat bereits an Fahrt aufgenommen. Kürzlich stellte die Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) eine Stellungnahme vor, in der sie sich für die Kostenübernahme durch Kassen, gleichzeitig aber für eine umfassende - allerdings nicht verpflichtende - Beratung der Schwangeren ausspricht.



Menschen mit geistiger Behinderung sollen Uni-Seminare geben

Erstmals sollen in Nordrhein-Westfalen Menschen mit geistiger Behinderung zu Inklusions-Experten an Hochschulen ausgebildet werden. Wie das Institut für Inklusive Bildung NRW am 7. Dezember in Köln mitteilte, werden ab April sechs Menschen mit geistiger Behinderung zu Bildungsfachkräften qualifiziert. Während der dreijährigen Ausbildung sollen die Teilnehmer lernen, Studierenden und Lehrkräften an nordrhein-westfälischen Hochschulen die speziellen Bedarfe und Kompetenzen von Menschen mit Behinderungen zu vermitteln.

Unsicherheiten und Ignoranz abbauen

Ziel sei es, die beiden gesellschaftlich getrennten Welten der hochschulischen Exzellenz und der sogenannten geistigen Behinderungen miteinander zu verbinden, erklärte Claudia Paul vom Institut für Inklusive Bildung NRW. Die Trennung von Menschen mit und ohne Behinderungen im Alltag führe zu Unsicherheit und Ignoranz gegenüber Menschen mit Handicap. "Deshalb wollen wir die Barrieren in den Köpfen überwinden und ein gegenseitiges Verständnis fördern."

Die künftigen Bildungsfachkräfte sollen nach Abschluss des Lehrgangs Seminare, Workshops oder Gruppenveranstaltungen an Hochschulen abhalten. Dabei werden sie von einer pädagogischen Assistenz oder einer hauptamtlichen Lehrkraft unterstützt. Themen werden zum Beispiel Barrierefreiheit oder die Anforderungen an einen inklusionsorientierten Arbeitsplatz sein.

Für den Einsatz der Bildungsfachkräfte sind nach Angaben des Instituts für Inklusive Bildung Kooperationsvereinbarungen mit nordrhein-westfälischen Hochschulen geplant. Um die Bildungsfachkräfte fest anzustellen, sei die Gründung eines Inklusionsunternehmens vorgesehen.

Ähnliches Projekt in Norddeutschland

Gefördert wird das Projekt vom Landschaftsverband Rheinland (LVR), der Stiftung Wohlfahrtspflege NRW und der Kämpgen-Stiftung. Bei der Qualifizierung der Bildungsfachkräfte arbeitet das Institut für Inklusive Bildung NRW mit der Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften der Technischen Hochschule Köln zusammen.

Ein vergleichbares Projekt gab es bislang nur in Schleswig-Holstein, wo Bildungsfachkräfte schon an Hochschulen tätig sind. Für den neuen Lehrgang zur Bildungsfachkraft in Köln können sich bis zum 18. Januar Beschäftigte von Werkstätten für Menschen mit Behinderung (WfbM) bewerben.



Profi-Manager für Kirchen-Kitas: Träger-Verbünde im Trend


Kindertagesstätte in Berlin
epd-bild / Rolf Zöllner
Vielen Kirchengemeinden fällt es zunehmend schwer, den Betrieb ihrer Kindergärten aufrechtzuerhalten. Die Lösung liegt im Blick über den Kirchturm hinaus.

Fachkräftemangel, ein sanierungsbedürftiges Dach und ständig neue staatliche Vorschriften - im rheinland-pfälzischen Gundersheim hatten Annemarie Handrich und ihre fünf Mitstreiter vom Kirchenvorstand in den vergangenen Jahren alle Hände voll zu tun mit dem evangelischen Kindergarten. Die Politik mache es immer schwerer, eine Kindertagesstätte zu betreiben, bedauert die Rentnerin. Daher habe es sogar schon Überlegungen gegeben, die Kita abzugeben: "Das kann man als Ehrenamtlicher nicht mehr stemmen." Doch es kam anders.

Seit Jahresbeginn wird die Kita mit ihren drei Gruppen und rund 65 Kindern von einer "Gemeindeübergreifenden Trägerschaft (GüT)" verwaltet. Von den zehn Kitas im evangelischen Dekanat Alzey schlossen sich acht der neuen Struktur an, die die Gemeinden vor Ort entlasten und für ein professionelles Management sorgen soll. "Das war ein langer Prozess", sagt die Alzeyer Dekanin Susanne Schmuck-Schätzel. Aber gerade kleinere Gemeinden mit Kindergarten hätten bei einem anstehenden Pfarrerwechsel immer größere Probleme bekommen, überhaupt noch Bewerber für ihre Pfarrstelle zu finden.

Kontakte zu Behörden

Seit dem Frühjahr nimmt Sergej Wolsiffer den Kirchenvorständen der Umgebung viele Sorgen ab. Er kümmert sich um kleinere Maßnahmen zur Bauunterhaltung und Personalgespräche, um Beschwerden über das Mittagessen oder die ordnungsgemäße "Infektionsschutz-Erstbelehrung" aller Erzieherinnen. Auch Kontakte zu den Behörden gehören zu seinen Aufgaben. "Die Zusammenarbeit kann ich nur als positiv beschreiben", sagt der "GüT"-Geschäftsführer. Dass die kirchlichen Kindergärten mit einer Stimme sprechen, verschaffe ihnen zusätzliches Gehör in Ämtern und bei Politikern.

"Seit 15 Jahren sind die inhaltlichen, organisatorischen und gesetzlichen Anforderungen enorm gestiegen", erklärt Ralf Haderlein, Professor für Sozialmanagement an der Hochschule Koblenz. "Professionelles Management wird immer wichtiger." Grundsätzlich sei das zwar auch mit ehrenamtlichen Strukturen möglich, erfordere aber enorme Kompetenz und großen Aufwand.

Mit der Entscheidung zur "GüT" liegen die Protestanten aus der ländlich geprägten Region südlich von Mainz voll im bundesweiten Trend. Kirchliche Trägergesellschaften für Kindergärten sind kein ganz neues Phänomen. Als bundesweiter Vorreiter gilt das katholische Bistum Trier, wo gemeindeübergreifende GmbHs schon vor knapp 20 Jahren an den Start gingen. Das Bistum Essen gründete einen Kindergarten-Zweckverband, dem mittlerweile knapp 270 Kindergärten und 17.000 Betreuungsplätzen angehören. Nicht nur Kirchen, auch Kommunen gehen zunehmend einen vergleichbaren Weg. Beispielhaft ist die kommunale "Elbkinder GmbH" in Hamburg mit über 185 Einrichtungen.

Bürgermeister interessiert

Die evangelische Kirche in Bayern wiederum habe Gemeinden mit Kindergarten mit zusätzlichen Mitteln ausgestattet, berichtet Christiane Münderlein, Vorstand des Evangelischen Kita-Verbands in Bayern. Damit könnten einzelne Verwaltungsdienstleistungen von den Gemeinden eingekauft werden. Gemeindeübergreifende Strukturen gebe es trotzdem, aber vor allem in den Großstädten.

Reibungslos laufen Zusammenschlüsse nicht immer. Die Gemeinden haben oft Angst, sie müssten künftig nur noch zahlen - ohne weiter mitreden zu können. In Alzey mussten die Verantwortlichen auch Vorbehalte der Erzieherinnen entkräften. Die hatten befürchtet, sie könnten künftig zwischen den Einrichtungen je nach Bedarf hin- und herversetzt werden. Auch galten längst nicht überall die gleichen Standards, etwa bei der Genehmigung von Fortbildungen. Inzwischen funktioniert die Zusammenarbeit der kirchlichen Kindergärten im rheinhessischen Hügelland besser - so gut, dass schon erste Dorfbürgermeister nachgefragt haben, ob kommunale Kitas auch bei der kirchlichen "GüT" mitmachen dürfen.

Karsten Packeiser (epd)


Sozialverband: Obdachlose brauchen mehr Schutz vor Kältetod


Mitarbeiterin eines Kältebusses spricht einen obdachlosen Mann an.
epd-bild/Rolf Zöllner
Geöffnete U-Bahnhöfe, Kältebusse und mehr Notbetten: Mit unterschiedlichen Mitteln wollen Großstädte Menschen "auf Platte" vor Schnee, Eis und Frost bewahren. Nach Ansicht der Wohnungslosenhilfe reicht das aber nicht.

Die Kältehilfe der deutschen Städte schützt Obdachlose nach Ansicht der Wohnungslosenhilfe nicht ausreichend vor dem Kältetod. "Schon vor dem meteorologischen Winteranfang am 1. Dezember sind mindestens acht wohnungslose Menschen bei Kälte auf der Straße gestorben", sagte die Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe, Werena Rosenke, dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Insgesamt seien in Deutschland etwa 52.000 Menschen "auf Platte" auf eine Winterunterkunft angewiesen. Laut einer epd-Umfrage bemühen sich die Städte mit unterschiedlichen Angeboten darum, Menschen ohne Dach über dem Kopf durch frostige Winternächte zu helfen.

Schlechte hygienischen Bedingungen, wenig Privatsphäre

Die Kommunen müssten mehr menschenwürdige Unterbringungsplätze bereithalten, forderte Rosenke: "Viele Unterkünfte sind überbelegt und es mangelt am Nötigsten." Die hygienischen Bedingungen seien oft schlecht, es gebe keine Privatsphäre und die Betroffenen dürften ihre Hunde nicht mitbringen.

"Unter diesen Umständen wird es für die Menschen immer schwieriger, aus der Obdachlosigkeit herauszukommen", sagte die Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft. "Das ist ein Teufelskreis." Auch die Winteröffnung von U-Bahnhöfen für Obdachlose in einigen Städten sei "nur ein allerletzter Notnagel, denn wenn es richtig kalt wird, kann man auch da erfrieren". Seit 1991 sind in Deutschland nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft mehr als 300 Kältetote unter Wohnungslosen zu beklagen - die Dunkelziffer gilt als hoch.

epd-Umfrage: Viele deutsche Städte stellen zusätzliche Hilfen bereit

Der epd-Umfrage zufolge liefen angesichts steigender Obdachlosen-Zahlen zum Winteranfang in vielen Städten spezielle Schutzprogramme an. In Berlin, wo besonders viele Menschen ohne festen Wohnsitz leben, stellt die Kältehilfe mindestens 1.000 zusätzliche Übernachtungsplätze bereit. Für Obdachlose, die nicht in Notunterkünfte gehen wollen, sind zwei U-Bahnhöfe über Nacht geöffnet. Die evangelische Diakonie und die katholische Caritas gehen von bis zu 10.000 Menschen aus, die in der Bundeshauptstadt auf der Straße leben, darunter immer mehr aus Osteuropa.

Die Kommunen in Nordrhein-Westfalen stellen für die Obdachlosen auch in diesem Winter wieder Notschlafplätze zur Verfügung. So stellt die Stadt Düsseldorf ganzjährig rund 140 Plätze in Notschlafstellen bereit, wie die Stadtverwaltung auf Anfrage epd mitteilte. Dieses Angebot könne "bei Bedarf jederzeit erweitert werden", hieß es. Zudem unterhält die Stadt rund 1.100 Plätze in den städtischen Notunterkünften. Im Rahmen der Kältehilfe bietet die Stadt Köln 61 Plätze in den Notschlafstellen und 381 im Bereich des Betreuten Wohnens an. Überdies gibt es unter anderem in Kooperation mit dem Sozialdienst Katholischer Männer weitere 170 Plätze.

In Bielefeld gibt es für obdachlose Männer, Frauen und von Wohnungsverlust bedrohte Familien mehrere über die Stadt verteilte Anlaufstellen mit rund 160 Plätzen. Eine weitere Unterkunft steht für Menschen mit besonderen Vermittlungshemmnissen und EU-Migranten offen.

Beheizte Container

Einige Städte wie Hamburg, Kiel und Mainz stellen beheizte Container mit zusätzlichen Schlafplätzen auf, um Obdachlose in eisigen Winternächten zu schützen. Gelegentlich werden Bedürftige auch in Hotels oder Pensionen untergebracht, etwa in Bremen oder Kiel.

Kältebusse sind in vielen Städten unterwegs, um hilflose Menschen in Unterkünfte zu bringen, darunter in Berlin, Köln, Frankfurt, Stuttgart, Mannheim, Saarbrücken, Bremen und Hannover. Vielerorts suchen auch Sozialarbeiter bei frostigen Temperaturen aktiv Obdachlose an ihren Schlafplätzen auf, um ihnen Hilfe anzubieten, etwa in Leipzig, Magdeburg, Bremen und Lübeck. Doch trotz Lebensgefahr sträuben sich nach Angaben der Städte immer wieder Menschen dagegen, in eine Unterkunft zu gehen. Die Helfer versorgen die Bedürftigen dann wenigstens mit Schlafsäcken und Nothilferucksäcken.



Saarbrücken: Bis zu 20 Menschen leben freiwillig auf der Straße

In der saarländischen Landeshauptstadt Saarbrücken leben abhängig von der Jahreszeit bis zu maximal 20 Personen freiwillig auf der Straße. "Diese Zahl ist in den letzten Jahren konstant geblieben", sagte Stadtsprecher Thomas Blug dem Evangelischen Pressedienst (epd). Städtische Streetworker und die verschiedenen Betreuungseinrichtungen wie etwa AWO oder Diakonisches Werk kontaktierten diese Obdachlosen regelmäßig. "Ihnen werden auch regelmäßig Wohnungsangebote gemacht, bei Bedarf auch vorübergehende wie die Notschlafstelle", betonte er.

Zu den wesentlichen nicht-städtischen Institutionen für Obdachlose in Saarbrücken zählen der Stadt zufolge das Bruder-Konrad-Haus (62 Plätze), die Herberge zur Heimat (25 Plätze), das Übergangswohnheim für Strafhaftentlassene (8 Plätze) und das Elisabet-Zillken-Haus (16 Plätze). Zudem gebe es noch ambulante und halbstationäre Einrichtungen wie etwa die Wärmestube, der Kältebus und "Ingo's kleine Kältehilfe".

Bahnhöfe werden dem Leiter des Bahnhofsmanagements Saarbrücken, Martin Landegl, zufolge grundsätzlich nicht als Übernachtungsmöglichkeit geöffnet. "Bei großer Kälte wird dies jedoch fallweise ermöglicht", betonte er. Die Diakonie Saar als mit dem Caritasverband für Saarbrücken und Umgebung verantwortlicher Träger der Bahnhofsmission erklärte, dass die Bahnhofsmission Gäste generell an andere soziale Einrichtungen und besonders im Winter auch an Schlafstellen vermittele.



Nach Brand: Duisburger Tafel kommt vorerst in Kirchengemeinde unter

Die Duisburger Tafel wird nach dem Brand ihrer bisherigen Räumlichkeiten zunächst bei der evangelischen Kirchengemeinde Alt-Duisburg unterkommen. Im Calvin-Gemeindehaus in der Duisburger Innenstadt will die Tafel bereits ab dem 15. Dezember wieder ihren täglichen Mittagstisch anbieten, wie der evangelische Kirchenkreis Duisburg am 7. Dezember mitteilte. Dort gebe es eine Küche und einen großen Gemeindesaal, der zum Essensraum umfunktioniert werden kann. Auch das alljährliche Heiligabendfest der Tafel soll in dem Gemeindehaus stattfinden.

Das Gebäude der Duisburger Tafel in Duisburg-Hochfeld, ein eingeschossiger Container, war in der Nacht auf den 3. Dezember durch ein Feuer völlig zerstört worden.



Neuer Fachvorstand Soziales bei Stiftung Kreuznacher Diakonie

Der Diplom-Sozialpädagoge Sven Lange wird neuer Fachvorstand Soziales bei der Stiftung Kreuznacher Diakonie. Zukünftig verantworte er die Geschäftsfelder Leben mit Behinderung, Seniorenhilfe, Kinder-, Jugend- und Familienhilfe sowie die Wohnungslosenhilfe, teilte die Stiftung am 5. Dezember in Bad Kreuznach mit. Seine Berufung sei Teil der Umstrukturierung - ab Januar sei der Vorstand geschäftsführend tätig, bis Mitte 2019 werde Lange dann dem vierköpfigen Vorstand angehören.

Der 46-Jährige war den Angaben zufolge zuletzt Geschäftsführer des Bereichs Altenhilfe des diakonischen Unternehmens Die Zieglerschen im baden-württembergischen Wilhelmsdorf. "Mit der Ergänzung des Vorstandes um zwei Fachvorstände erwarten wir eine klarere strategische Ausrichtung, eine stärkere Vernetzung der Geschäftsfelder und eine Erweiterung unseres diakonischen Angebots", sagte Finanzvorstand Frank Rippel. Neben Rippel und Lange sind zudem Pfarrer Christian Schucht als theologischer Vorstand und Dennis Göbel als Fachvorstand für Krankenhäuser und Hospize weiterhin tätig.

Die Stiftung Kreuznacher Diakonie erhält ab 1. Januar ein internes Servicecenter, welches Unterstützungsaufgaben und Prozesse der bisher eigenständigen Verwaltungen übernimmt. Damit entfällt die Geschäftsführerebene der fünf Geschäftsfelder Krankenhäuser und Hospize, Leben mit Behinderung, Seniorenhilfe, Kinder-, Jugend- und Familienhilfe sowie Wohnungslosenhilfe. Somit wird der Vorstand geschäftsführend tätig.

Rippel hatte Mitte November erklärt, dass die Stiftung in den vergangenen Jahren gewachsen und die wirtschaftlichen Herausforderungen zugenommen hätten. Dementsprechend sei es notwendig geworden, die Strukturen anzupassen.



Evangelisches Johanneswerk zieht positive Bilanz

Das Evangelische Johanneswerk in Bielefeld will die Pflege weiter ausbauen. Um den Pflegeberuf attraktiver zu machen, sollen im kommenden Jahr rund 50 neue Pflegekräfte eingestellt werden, kündigte der stellvertretende Vorsitzende der Geschäftsführer, Bode de Vries, am 6. Dezember in Bielefeld an. Zudem soll jedem Bewohner eine Beratung über eine gesundheitliche Vorsorgeplanung angeboten werden. Dafür sollen zehn neue Stellen geschaffen werden. Neue Mitarbeiter würden dafür qualifiziert. Derzeit arbeiten 6.700 Mitarbeiter in der diakonischen Stiftung.

Im Bereich Altenpflege werde das Johanneswerk wegen der großen Nachfrage zudem auf Kooperationen setzen, kündige de Vries an. Dabei gehe es weniger darum, die Stellung im Markt zu behaupten, sondern die beste Versorgung zu bieten. "Wir wollen als evangelisches Werk andere Prioritäten setzen", unterstrich de Vries. Weitere Herausforderung seien Auswirkungen der gesetzlichen Änderungen in der Alten- und Behindertenhilfe.

Der diakonische Träger zog eine positive Bilanz des Jahres 2018. Der Umsatz lag ähnlich wie im vergangenen Jahr bei rund 380 Millionen Euro, wie der Burkhard Bensiek von der Geschäftsführung erklärte. In allen Arbeitsbereichen gebe es jeweils eine "deutliche schwarze Null". Als wirtschaftliche Herausforderungen nannte Bensiek geplante Instandhaltungen in Höhe von etwa 30 Millionen Euro, bis zum Jahr 2022 seien rund 120 Millionen Euro nötig.

Überschüsse würden vollständig in die soziale Arbeit investiert, erklärte der Vorsitzende der Geschäftsführung, Ingo Habenicht. Als gemeinnütziger Arbeitgeber erwirtschafte das Johanneswerk keine Gewinne.

Das 1951 gegründete Johanneswerk ist einer der großen diakonischen Träger Deutschlands mit Sitz in Bielefeld. In mehr als 70 Einrichtungen arbeiten rund 6.700 Mitarbeiter. Die Angebote richten sich an alte und kranke Menschen sowie Menschen mit Behinderung, Kinder und Jugendliche.




Medien & Kultur

"O du fröhliche" - vom Gefühl deutscher Weihnacht


Christmette in Dresdner Kreuzkirche
epd-bild/Matthias Rietschel
Musikalische Veranstaltungen in der Kirche sind in der Advents- und Weihnachtszeit sehr beliebt. Im traditionellen christlichen Liedgut kennen sich zwar nicht alle Menschen aus - aber es ist eine ganz besondere Stimmung, die sie suchen.

An Weihnachten in die Kirche, das gehört für viele immer noch zur Tradition. Doch viele Gottesdienstbesucher kennen sich mittlerweile nicht mehr mit dem traditionellen christlichen Liedgut aus. Manch ein Advents- oder Weihnachtsgottesdienst könnte festlicher klingen, wenn alle mitsingen würden.

"Die Entkirchlichung der Gesellschaft geht auch damit einher, dass kirchliche Themen und Lieder nicht mehr so in der Gesellschaft präsent sind wie früher", sagt Christoph Bogon, Präsident des Verbands Evangelischer Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker in Deutschland (VEM). Lieder wie "Ich steh an deiner Krippen hier", "Herbei o ihr Gläub'gen" und "Tochter Zion" sind oft in Weihnachtsgottesdiensten zu hören. Aber viele kennen Text und Melodie nicht.

Dabei können in der Vorweihnachtszeit musikalische Veranstaltungen ganze Stadien füllen. In Düsseldorf etwa werden am Tag vor Heiligabend Tausende gemeinsam "O Tannenbaum" singen. Die Nachfrage nach Chorkonzerten, Singnachmittagen und Oratorienaufführungen in den Kirchengemeinden ist groß. "Wir erreichen Menschen, die vom normalen Sonntagsangebot nicht mehr erreicht werden", sagt Bogon.

Grenze verwischt

Viele Advents- und Weihnachtslieder sind dennoch zuverlässige Helfer, um sich jedes Jahr aufs Neue in Weihnachtsstimmung zu versetzen. Denn bei einigen christlichen Liedern verwischt die Grenze zwischen Kirchen- und Volkslied: etwa bei "Stille Nacht, heilige Nacht", "O du fröhliche" oder "Maria durch ein Dornwald ging". Sie sind beliebt, weil sie ein Gefühl ansprechen.

"'Stille Nacht, heilige Nacht' und 'O du fröhliche' gehören heute zu den beliebtesten Weihnachtsliedern, stehen aber erst seit 1993 im Liedteil des Evangelischen Gesangbuchs", sagt Christian Finke, Präsident des Chorverbands in der Evangelischen Kirche in Deutschland. "Vorher standen sie teilweise nur im Textteil und waren mit dem Zusatz versehen 'Für den Gottesdienstgebrauch ungeeignet'."

In der evangelischen Kirche galt "Stille Nacht, heilige Nacht" lange als zu volkstümlich, obwohl es von einem Priester gedichtet wurde. "Heute ist es in der ganzen Welt ein Renner", sagt Kirchenmusiker Bogon. Und das liege nicht zuletzt daran, dass es dieses spezifisch deutsche Weihnachtsgefühl transportiere. Das Gefühl von Gemütlichkeit und Geborgenheit inmitten von Kerzenlicht, das die Dunkelheit erhellt. Winter, Tannen und eben die Musik - sie machen das Weihnachtsgefühl aus. Das Jesuskind in der Krippe gehört auch für Nicht-Christen noch zu Weihnachten dazu.

"Maria durch ein Dornwald ging" hat ebenfalls den Charakter eines Volkslieds, obwohl der Text eine biblische Geschichte erzählt. Die schwangere Maria wandert durch einen tristen Dornenwald, und als sie an den Dornen vorbeigeht, fangen diese plötzlich an zu blühen. "Das Lied hat einen großen emotionalen Gehalt, was nicht zuletzt an der Melodie liegt", sagt Finke, der in Berlin als Kirchenmusikdirektor arbeitet. Weil das Lied so beliebt ist, gibt es viele moderne Vertonungen, auch Helene Fischer nahm vor einigen Jahren eine Version für ihr Weihnachtsalbum auf.

Gefühlsseeligkeit der Weihnachtszeit

Umgekehrt sind auch Weihnachtslieder ohne eigentlichen christlichen Inhalt Klassiker in Kindergärten und bei Seniorennachmittagen. Dazu zählen etwa "Alle Jahre wieder", "Süßer die Glocken nie klingen", "Kling Glöckchen", "O Tannenbaum" und "Leise rieselt der Schnee". "Diese Lieder sprechen weniger vom Evangelium als von der Gefühlsseeligkeit der Weihnachtszeit", sagt Finke.

Heute komme es auch darauf an, welche Lieder in der Schule und außerhalb der Schule gelernt werden. "Wenn Eltern und Familien weniger christliche Weihnachtslieder singen, kennen die Kinder das auch weniger und singen 'Last christmas' oder 'Rudolph the red-nosed reindeer'."

Auch deswegen ist so etwas wie ein Kanon christlicher Weihnachtslieder heute hilfreich. Auf der Liste evangelischer Kernlieder für den Gottesdienst, die die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (VELKD) und die Union Evangelischer Kirchen (UEK) kuratiert haben, stehen allerdings nur drei Advents- und Weihnachtslieder: "Macht hoch die Tür", "Vom Himmel hoch" und "O du fröhliche".

Die Liste der Lieder, die alle Jahre wieder an Weihnachten im Gottesdienst gesungen werden, ließe sich auf etwa zehn erweitern, sind sich beide Kirchenmusiker einig. Lieder wie Paul Gerhards orthodox-lutherisches und zugleich mystisch gefärbtes "Ich steh' an deiner Krippen hier" werden von den Gottesdienstbesuchern natürlich auch hauptsächlich wegen ihrer Gefühlsseeligkeit gemocht.

"Emotionalität wurde jahrhundertelang aus dem Gottesdienst herausgehalten. Das Dogmatische, das Rationale stand im Vordergrund, das Herz war eher außen vor", sagt Finke. Doch die emotionale Ansprache, das Gefühl des Vertrauten, Rührung und Freude ziehen die Menschen in den Weihnachtsgottesdienst.

Franziska Hein (epd)


Sänger für King-Musical auf Kirchentag gesucht


Die erste Probe für die Uraufführung des Musicals "Martin Luther King - ein Traum verändert die Welt" fand im September in Essen statt. 2019 wird das Chor-Event auch auf dem Kirchentag gastieren.
epd-bild/Stefan Arend

Für die Aufführung eines Chormusicals über Martin Luther King auf dem Kirchentag 2019 im Ruhrgebiet werden ab sofort Sängerinnen und Sänger gesucht. An der Inszenierung am 20. Juni in der Dortmunder Westfalenhalle soll ein großer Projektchor von bis zu 2.000 Musikbegeisterten mitwirken, wie die westfälische Kirche am 5. Dezember in Bielefeld mitteilte. Mitmachen können Chormitglieder und einzelne Sänger. Es ist keine Voraussetzung, Mitglied einer Kirche oder eines Chores zu sein.

An vier Terminen an der Evangelischen Pop-Akademie in Witten werden die Teilnehmer den Angaben zufolge vorbereitet, um das Musical dann bei Hauptproben und Aufführung mit Big-Band, Streich-Orchester und internationalen Musicaldarstellern aufzuführen. Wer sich zum Chormusical anmeldet, erhält automatisch einer Dauerkarte für den 37. Deutschen Evangelischen Kirchentag, der vom 19. bis 23. Juni zu Gast in Dortmund ist. Rund 100.000 Besucher aus aller Welt werden zu der Großveranstaltung mit 2.000 Programmpunkten erwartet. Das Treffen steht unter der Losung "Was für ein Vertrauen".

Mit dem ökumenischen Musicalprojekt "Martin Luther King - Ein Traum verändert die Welt" würdigen die katholische und evangelische Kirche im kommenden Jahr den US-amerikanischen Bürgerrechtler Martin Luther King (1929-1968), der vor 90 Jahren geboren wurde. Die Uraufführung mit rund 2.400 Sängern ist am 9. und 10. Februar in der Essener Grugahalle geplant. Getragen wird das Projekt vom Bistum Essen, der Evangelischen Kirche im Rheinland und der Stiftung Creative Kirche in Witten. Schirmherren sind Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck und der rheinische Präses Manfred Rekowski.



#wirsindmehr war meistdiskutierte Debatte auf Twitter

#wirsindmehr war in diesem Jahr der meistdiskutierte Debattenhashtag unter den deutschen Twitter-Nutzern. Auf dem zweiten Platz folgte #MeToo rund um die Debatte um sexuellen Missbrauch und Belästigung, wie aus dem am 5. Dezember veröffentlichten Jahresrückblick von Twitter in Deutschland hervorgeht. Meistdiskutierter Nachrichtenhashtag war den Angaben zufolge #WM2018 zur Fußball-Weltmeisterschaft in Russland.

Unter dem Motto #wirsindmehr hatte sich im Spätsommer in sozialen Netzwerken der Protest gegen Rechtsradikalismus und Fremdenfeindlichkeit formiert. Zuvor war es in Chemnitz zu Demonstrationen rechtsgerichteter Gruppen gekommen.

Der laut Twitter am dritthäufigsten diskutierte Debattenhashtag ging auf eine Aktion von Jan Böhmermann zurück: Der Satiriker hatte im April in seiner ZDF-Sendung "Neo Magazin Royale" dazu aufgerufen, sich unter #ReconquistaInternet für eine "Zurückeroberung des Internets" einzusetzen. Der Hashtag spielt auf "Reconquista Germanica" an, ein Netzwerk rechtsgerichteter Internetaktivisten. Dem Aufruf folgten rund 60.000 Menschen.

#HambiBleibt und #Maaßen

Mit #esreicht und #unteilbar stehen zwei weitere Hashtags, die gegen Rechtsradikalismus, Rassismus und für eine offene Gesellschaft mobilisieren wollen, auf den Plätzen vier und fünf der Twitter-Liste. Zur Statistik zählen allerdings auch Tweets, in denen Gegner der jeweiligen Aktion die Hashtags verwendet haben.

Außer der WM standen auch die Ereignisse im Hambacher Forst in Nordrhein-Westfalen unter den deutschen Twitter-Nutzern besonders stark im Fokus: Mit #HambacherForst (Platz zwei) und #HambiBleibt (Platz neun) schafften es gleich zwei Hashtags zu diesem Thema in die Top-Ten-Liste der Nachrichtenhashtags. Der Hambacher Forst gilt als Symbol des Widerstands gegen den Kohle-Abbau.

Auch die Debatte um Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen sorgte bei Twitter für reichlich Diskussionen: #Maaßen landete auf Platz drei der Liste der meistgenutzten Nachrichtenhashtags. Maaßen war in die Kritik geraten, nachdem er in der "Bild"-Zeitung Zweifel daran geäußert hatte, dass es bei den Demonstrationen rechtsgerichteter Gruppen in Chemnitz "Hetzjagden" auf Ausländer gab. Es folgte ein wochenlanger Streit, der am 23. September mit dem Kompromiss endete, dass Maaßen nicht Verfassungsschutzchef bleibt. Zunächst sollte er als Sonderberater ins Innenministerium wechseln, nach weiteren Querelen wurde Maaßen jedoch Anfang November in den einstweiligen Ruhestand versetzt.

Kein Bild der Gesellschaft

Debatten auf Twitter sind häufig in der medialen Berichterstattung präsent. Sie spiegeln allerdings laut einer Studie des Hamburger Hans-Bredow-Instituts nicht das Stimmungsbild der Gesamtbevölkerung wider. Die Meinungsbilder auf Twitter werden demnach von Menschen geprägt, die sich deutlich vom durchschnittlichen Internetnutzer in Deutschland unterscheiden. Bestimmend seien dort Nutzer, die persönlichkeitsstärker, extrovertierter und weniger ängstlich seien sowie dazu neigten, politisch extremere Positionen zu vertreten.

Laut der aktuellen Onlinestudie von ARD und ZDF sind vier Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung ab 14 Jahren mindestens einmal pro Woche auf Twitter unterwegs. Bei Facebook sind es hingegen 31 Prozent, bei Instagram 15 Prozent. Täglich wird Twitter demnach von einem Prozent genutzt.



Frauke Gerlach soll Leitung des Grimme-Instituts fortsetzen

Frauke Gerlach soll weiter an der Spitze des Grimme-Instituts in Marl stehen. Die Gesellschafterversammlung des Grimme-Instituts sprach sich am 5. Dezember einstimmig für eine Verlängerung von Gerlachs Vertrag um weitere fünf Jahre aus, wie der Deutsche Volkshochschulverband mitteilte. Die Gesellschafter würdigten Gerlachs Leistungen bei der Reform des Grimme-Preises, der Weiterentwicklung des Instituts und beim Aufbau des Grimme-Forschungskollegs an der Universität zu Köln.

Gerlach hatte ihr Amt als Direktorin des Grimme-Instituts im Mai 2014 angetreten. Zuvor arbeitete sie als parteilose Justitiarin der Grünen-Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen. Vor ihrem Amtsantritt in Marl leitete sie ab 2011 zudem den Aufsichtsrat des Instituts.

Das Institut vergibt unter anderem den renommierten Grimme-Preis für herausragende Leistungen im deutschen Fernsehen. Gesellschafter der Einrichtung sind neben dem Deutschen Volkshochschul-Verband auch WDR, ZDF, die Film- und Medienstiftung NRW, die Landesanstalt für Medien NRW, die Stadt Marl und das Land Nordrhein-Westfalen. Zu den Kernaufgaben des 1973 gegründeten Instituts gehören nach eigenen Angaben die Beobachtung und Analyse von Medienangeboten und -entwicklungen in Fernsehen, Hörfunk und Internet.



Weiterer Haftbefehl gegen Can Dündar


Can Dündar
epd-bild/Jürgen Blume

Ein Istanbuler Gericht hat einen weiteren Haftbefehl gegen den im deutschen Exil lebenden Journalisten Can Dündar ausgestellt. Hintergrund seien Ermittlungen zu den Gezi-Protesten von 2013, meldete die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu am 5. Dezember. Die Staatsanwaltschaft wirft Dündar demnach vor, Verbindungen zu einem der Organisatoren der regierungskritischen Demonstrationen gehabt zu haben.

Dündar habe mit dem Unternehmer Osman Kavala zusammengearbeitet, um die Demonstrationen zu organisieren und auszuweiten. Kavala sitzt seit über einem Jahr ohne Anklageschrift in türkischer Untersuchungshaft. Dündar habe während der Gezi-Proteste "Terroristen ermutigt" und als "Agent Provocateur" gewirkt. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte die nach dem Gezi-Park in Istanbul benannten Proteste niederschlagen lassen. Dündar selbst schrieb auf Twitter, er sei stolz über den neuen Haftbefehl.

Terrorvorwurf

Dündar wird in der Türkei bereits ein Prozess wegen Terrorvorwürfen gemacht. Grund sind Berichte der "Cumhuriyet" im Jahr 2015 über mutmaßliche Waffenlieferungen der türkischen Regierung an syrische Islamisten. Aufgrund der Berichte wurde Dündar wegen Geheimnisverrats zu fünf Jahren und zehn Monaten Gefängnis verurteilt, 2016 ging er nach Deutschland ins Exil.

Der Oberste Gerichtshof der Türkei hob das Urteil gegen Dündar im März 2018 auf und entschied, dass das Verfahren gegen ihn um den Straftatbestand der Spionage ergänzt werden müsse. Im April hatte ein Istanbuler Gericht in dieser Sache bereits einen Haftbefehl gegen Dündar ausgestellt und das türkische Justizministerium aufgefordert, ihn via Interpol zur internationalen Fahndung auszuschreiben. Im September hatte Erdogan bei seinem Besuch in Deutschland die Auslieferung des Journalisten gefordert.



Evangelische Wochenzeitung "UK" jetzt auch im Saarland und in Köln


Bernd Becker
epd-bild / Kirchenkreis Hagen

Die in Bielefeld produzierte evangelische Wochenzeitung "Unsere Kirche" (UK) erscheint seit dem 1. Advent auch mit Regionalausgaben im Saarland und in Köln. Die beiden saarländischen Kirchenkreise wollten mit dem Blatt "selbstbewusst in die Öffentlichkeit" treten, sagte der Superintendent des Kirchenkreises Saar-West, Christian Weyer, bei der Vorstellung der Zeitung am 5. Dezember in Saarbrücken. In Köln wurde die Regionalausgabe bereits am Montag beim Jahresempfang des Evangelischen Kirchenverbands Köln und Region präsentiert.

Weyer sagte, anders als beim Saarbrücker "Sonntagsgruß", der vor zwölf Jahren eingestellten Kirchenzeitung für das Saarland, gäben die Kirchenkreise für das Erscheinen von "UK" kein Geld, unterstützten die Regionalausgabe aber mit der Arbeitskraft ihrer Öffentlichkeitsarbeit. Nach Angaben von "UK"-Herausgeber Bernd Becker erschien die Wochenzeitung bislang mit zwölf Ausgaben in Westfalen und Lippe. Nun kämen das Saarland und Köln hinzu, ab dem 1. Februar auch der Kirchenkreis Jülich.

Insgesamt gebe es zurzeit 26.000 Abonnenten der Print- und der E-Paper-Ausgabe, sagte der Geschäftsführende Direktor des Evangelischen Presseverbands für Westfalen und Lippe. Im dritten Quartal 2018 lag die verbreitete Auflage nach den Zahlen der Informationsgesellschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW) bei knapp 24.000 Exemplaren.

Im Saarland wurden nach Beckers Worten bereits vor Erscheinen der ersten Ausgabe 40 Abos abgeschlossen. "Wenn wir nach einem Jahr 100 oder 200 Abos haben, wäre das für uns OK", betonte er. Dadurch seien Herstellung, Versand und Druckkosten abgedeckt, die Leistung der Journalisten allerdings noch nicht. "Das heißt aber nicht, dass wir nur so wenig Abos erwarten", sagte Becker. Die Zeitung müsse kontinuierlich wachsen.



SR-Wirtschaftsplan 2019 mit Fehlbetrag verabschiedet

Der Rundfunkrat des Saarländischen Rundfunks (SR) hat am 3. Dezember den Wirtschaftsplan 2019 mit einem Fehlbetrag von rund 1,7 Millionen Euro beschlossen. Es sei ein solider Haushalt in schwieriger Zeit, der langfristig Unterstützung brauche, sagte der Rundfunkratsvorsitzende Wolfgang Krause in Saarbrücken. Aufwendungen von 128,2 Millionen Euro stehen den Angaben zufolge Erträge von 126,5 Millionen Euro gegenüber.

SR-Intendant Thomas Kleist betonte, alles dafür zu tun, "durch Einsatz von Eigenmitteln auf der einen Seite, aber auch durch ein extrem diszipliniertes Aufgabenmanagement" die planmäßig ausgewiesenen Verluste wieder zu erwirtschaften. Eine auskömmliche Finanzierung des SR sei zu erreichen, wenn die latent vorhandenen Risiken sich nicht realisierten, betonte Kleist.

Es dürfe keine weitere Verschlechterung der Beitragseinnahmenentwicklung im Saarland, keine Überraschung bei der Befreiung vom Zweitwohnungsbeitrag, keine unverantwortlichen Tarifforderungen, keine gesetzgeberischen sowie keine ARD-Maßnahmen geben, die den Sender überproportional negativ träfen. Ab 2021 brauche es zudem eine Beitragserhöhung, die für den SR eine bedarfsgerechte Finanzierung sicherstelle. "Wäre das nicht der Fall, müssten wir schon früher in den Schongang umschalten und die Notbremse ziehen", sagte Kleist. Dafür gebe es zurzeit keine Veranlassung. Es gehe nun darum abzuwarten, was die Regierungschefs entschieden.

SR-Intendant: Wollen Pole-Position in Region halten

"Wir wollen die Pole-Position des SR im saarländischen Medienmarkt halten", erklärte Kleist. Der Sender solle weiterhin für das Publikum, seine Gremien, das Parlament und die Landesregierung ein unverzichtbarer Faktor der saarländischen Gesellschaft bleiben.

Der Verwaltungsratsvorsitzende Joachim Rippel betonte, dass der Wirtschaftplan die Fortsetzung der programmatischen Arbeit sichere. "Wir haben keinen Anlass zu Pessimismus", sagte er. Der stellvertretende Vorsitzende des Finanzausschusses, Armin Lang, unterstrich, dass ein Wirtschaftplan immer auch eine strategische Bedeutung habe. Dieser weise nach, was nötig sei, um dem gesetzlichen Auftrag nachzukommen.

Der Wirtschaftsplan des SR weist den Angaben zufolge für das kommende Jahr 544 Planstellen für Festangestellte sowie rund 198 sogenannte feste freie Mitarbeiter aus. Für Neu- und Ersatzinvestitionen in die technische und bauliche Infrastruktur seien Ausgaben von 4,9 Millionen Euro vorgesehen.



Polit-Thriller eröffnet 40. Filmfestival Max Ophüls Preis

Der politische Thriller "Das Ende der Wahrheit" eröffnet als Weltpremiere am 14. Januar das 40. Filmfestival Max Ophüls Preis in Saarbrücken. Regisseur und Drehbuchautor Philipp Leinemann entwerfe darin ein realistisches Szenario, in dem eine westliche Regierung Gefahr laufe, sich durch Millionensummen indirekt oder direkt am Terroraufbau zu beteiligen, teilten die Festivalmacher am 3. Dezember in Saarbrücken mit. Der Regisseur stelle die Frage nach dem politischen und gesellschaftlichen Selbstverständnis eines demokratischen Staates.

Der Max Ophüls Preis gilt als eines der bedeutendsten Filmfestivals für Nachwuchsfilmer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Benannt ist es nach dem in Saarbrücken geborenen Regisseur Max Ophüls (1902-1957). Dieses Mal werden mit dem neuen Publikumspreis Dokumentarfilm erstmals 16 Preise in den Kategorien Spiel-, Dokumentar-, Kurz- sowie mittellanger Film mit einem Gesamtwert von über 100.000 Euro vergeben. Die nächste Ausgabe des Treffens junger deutschsprachiger Filmemacher findet vom 14. bis 20. Januar 2019 statt.



Onlineportal bündelt Informationen der Museen in Westfalen und Lippe

Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) hat ein neues Museumsportal ins Internet gestellt. Unter "www.museen-in-westfalen.de" sind Servicehinweise und weitere Informationen zu fast 600 Ausstellungshäusern in der Region abrufbar, wie der Landschaftsverband am 7. Dezember in Münster mitteilte. Die Online-Liste reicht von kleinen heimatgeschichtlichen Sammlungen bis zu den großen kulturgeschichtlichen Museen. Die Suche kann den Angaben zufolge nach Ort, Sparte oder Thema gefiltert werden. Neben Öffnungszeiten und Eintrittspreisen können Nutzer etwa Hinweise zur Barrierefreiheit und besondere Führungen abfragen. Die Webseiten sind jeweils verlinkt. Das Portal funktioniert auch auf mobilen Geräten, wie es hieß.

Ziel des Projekts sei es, die vielfältigen Kulturangebote in Westfalen und Lippe bekannter zu machen. "Die einfache Bedienung ermöglicht es, mit wenigen Klicks Museen zu finden, die den eigenen Interessen entsprechen", sagte die Leiterin des LWL-Museumsamtes für Westfalen, Ulrike Gilhaus. Ein virtueller Ausstellungskalender gebe eine Übersicht zu den aktuellen Sonderausstellungen in der Region. Gegenüber den traditionell gedruckten Museumsführern biete das Internet den Vorteil, dass die Daten stets aktuell gehalten werden können.




Entwicklung

Die Wut des Anwalts Jagadeesha


Byatha N. Jagadeesha
epd-bild/Florian Lang/Brot für die Welt
Bauern, Landlose und Slumbewohner: Der indische Menschenrechtsanwalt Jagadeesha vertritt viele Arme und Benachteiligte vor Gericht. Der einstige Sympathisant rechter Hindus kämpft heute gegen Korruption und für sozialen Wandel.

Die Kanzlei von Byatha N. Jagadeesha liegt in einer belebten Geschäftsstraße der südindischen IT-Metropole Bangalore. In den kleinen, schmucklosen Räumen in einem staubigen Bürogebäude türmen sich Bücher und Akten bis unter die Decke. Selbst auf einer kleinen Pritsche, die eigentlich zum Ausruhen an besonders anstrengenden Tagen gedacht ist, stapeln sich Unterlagen. Von hier aus setzt sich der Anwalt für mehr soziale Gerechtigkeit und den Erhalt einer lebenswerten Umwelt in seinem Land ein. "Die Armen haben keine Stimme", beklagt er.

"Ich arbeite nicht, um viel Geld zu verdienen"

Für Slumbewohner, Landlose, Prostituierte oder politische Gefangene übernimmt der Jurist die Verteidigung auch für wenig Geld oder ganz umsonst. "Ich arbeite nicht, um viel Geld zu verdienen, das war nie ein Ziel für mich", sagt der 40-Jährige, der mit seinen kurzgeschorenen schwarzen Haaren und Henriquatre-Bart auch in lockeren Jeans eine gepflegte Erscheinung abgibt.

Wie wichtig die Verteidigung solcher Gruppen ist, zeigt der jüngste Jahresbericht von Amnesty International: Immer wieder werden demnach in Gerichtsentscheidungen die Menschenrechte untergraben und Verstöße bleiben straffrei. Gemeinschaften der Adivasi - also der indischen Ureinwohner - würden vertrieben, um auf ihrem Land Industrievorhaben voranzutreiben, und Hassverbrechen an den kastenlosen Dalits seien nach wie vor weit verbreitet.

Hinzu kommt immer unverhohlenere Kritik der Behörden an Menschenrechtsgruppen seit dem Amtsantritt von Premierminister Narendra Modi 2014. Die hindu-nationalistische Regierung verbot Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty und Greenpeace, Spenden aus dem Ausland anzunehmen.

Rechtsberater für Amnesty

Jagadeesha braucht zwei oder drei größere Fälle zahlender Kunden im Jahr, damit er Arme und Benachteiligte umsonst vertreten und die jährlichen Kosten für Büromiete, Gerichtskosten und zwei Angestellte decken kann. Seine eigene Kanzlei betreibt der Jurist, der mit einer Frau aus einer höheren Kaste verheiratet ist, seit 2009. Außerdem lehrt er als Gastdozent am renommierten St. Joseph's College und ist Rechtsberater unter anderem für Amnesty.

Anfang 2017 kam eine weitere Aufgabe dazu: Als Sonderstaatsanwalt von Karnataka deckt Jagadeesha Korruption unter Staatsbediensteten auf. Auch gegen Spitzenbeamte bis hin zu Ministern und Ex-Regierungschefs des südindischen Bundesstaates geht er dabei vor. "Ein kleiner Junge, der ein Brot stiehlt, wird verfolgt, als wäre das ein schweres Verbrechen, und muss für drei Jahre ins Gefängnis", kritisiert Jagadeesha. "Aber Minister, Behördenmitarbeiter und Unternehmen, die Riesensummen unterschlagen oder veruntreuen, kommen davon."

Aus armen Verhältnissen an die Uni

Aus Wut über diese Ungerechtigkeit begann der Anwalt vor einigen Jahren, Korruptionsfälle von Beamten zu recherchieren und vor Gericht zu bringen. Es ging etwa um Autoschiebereien zur Vermeidung von Zollgebühren oder um angebliche Ausgaben für Straßen, die nie gebaut wurden.

Jagadeeshas Karriere ist ungewöhnlich für seine Herkunft: Der jüngste von sechs Brüdern stammt aus ärmlichen Verhältnissen in einem Dorf bei Bangalore, das geprägt ist von einfacher Landwirtschaft, Hindu-Religion und Kastenzugehörigkeit. An Bildung mangelt es trotz Schule, vor und nach dem Unterricht muss der Junge auf dem Feld arbeiten. Nur wenige Jugendliche schaffen den Absprung aus dem vorgezeichneten Dorfleben. Jagadeeshas Eltern sind Analphabeten und in seinem Jahrgang gibt es nur zwei Lehrer für 240 Schüler.

Als einziges Kinder der Familie schafft Jagadeesha den Abschluss, absolviert ein geisteswissenschaftliches Studium, später folgt ein Jura-Abschluss. Der junge Student will die Welt verbessern - und macht bei rechtsgerichteten Hindu-Gruppen mit. Die Diskriminierung und soziale Benachteiligung von Frauen oder Angehörigen niedriger Gesellschaftsschichten und Kasten hat er zunächst nicht im Blick. Das ändert sich, als er Kontakt zu Samvada bekommt - einer vom evangelischen Hilfswerk "Brot für die Welt" unterstützten Organisation, die sich für die Rechte junger Leute einsetzt und Benachteiligten durch ganzheitliche Bildung gute Lebensperspektiven eröffnen will.

Gemeinschaft verschiedener Kasten, Religionen und Herkunft

In einem Seminar begegnet Jagadeesha Menschen mit sozialkritischer Haltung und Engagement für die Gesellschaft. "Es veränderte alle meine Vorstellungen über Gesellschaft, Familie und Beziehungen", erzählt er. "Ohne Samvada wäre ich heute ein anderer Anwalt, der glaubt, dass der rechte Hindu-Nationalismus der einzig richtige Weg ist. Ich würde mich nicht um Bauern, einfache Arbeiter und Landlose kümmern." Der junge Mann ist fasziniert von der Gemeinschaft von Menschen verschiedener Kasten, Religionen und Herkunft.

Nach seinem Bachelor-Studium beteiligt sich Jagadeesha an Protesten gegen Abholzungen und Umsiedlungen für den Bau von Staudämmen entlang des Narmada-Flusses. Er schließt sich der Bewegung Narmada Bachao Andolan an, zu der Adivasi, Bauern, Umweltgruppen und Menschenrechtsaktivisten gehören. Wegen seiner Teilnahme an Blockade-Aktionen wird er festgenommen und elf Tage lang inhaftiert.

"Lauter arme Leute saßen mit mir im Gefängnis", erinnert er sich. "Sie sagten mir, ich sollte Anwalt werden und die Rechte armer Leute vertreten." Das wird sein Lebensthema.

Ingo Lehnick (epd)


ZDF-Gala erbringt 2,6 Millionen Euro für Hilfswerke

Bei der diesjährigen ZDF-Spendengala sind rund 2,6 Millionen Euro für die Hilfswerke "Brot für die Welt" und Misereor zusammengekommen. Diesen Betrag habe Moderatorin Carmen Nebel gemeinsam mit ihren Gästen am 5. Dezember bis Mitternacht eingeworben, teilten die beiden kirchlichen Hilfsorganisationen mit.

Die Gala "Die schönsten Weihnachts-Hits" live aus München verfolgten rund 3,5 Millionen Zuschauer. Zu Gast waren zahlreiche Prominente, darunter Sängerin Mireille Mathieu, Star-Geiger David Garrett und Opern-Tenor Rolando Villazon. An der Spenden-Hotline nahmen unter anderen Ex-Boxerin Regina Halmich und Fernsehkoch Alfons Schuhbeck die Spendenzusagen entgegen. In Filmbeiträgen wurden Projekte des evangelischen Hilfswerks "Brot für die Welt" und der katholischen Organisation Misereor in Haiti, Südafrika und im Libanon vorgestellt. Allein 1,6 Millionen Euro spendete nach Angaben der Hilfswerke das Unternehmen Phoenix-Reisen.

Im vergangenen Jahr war bei der ZDF-Aktion eine Rekordsumme von mehr als 2,9 Millionen Euro zusammengekommen. 2016 spielte die Gala rund 2,35 Millionen Euro ein, 2015 spendeten die Zuschauer 2,45 Millionen. Das ZDF zeigt die Spendengala zugunsten der Hilfswerke seit 1998. Beide Organisationen blicken in diesem Jahr auf ihre Gründung vor 60 Jahren zurück.



Kindernothilfe wird 60 Jahre alt

Unter dem Motto "Kinderrechte dürfen keine Träume bleiben" feiert die Kindernothilfe im kommenden Jahr ihr 60-jähriges Bestehen. Zu den Höhepunkten des Festjahres zählte unter anderen ein ARD-Fernsehgottesdienst in der evangelischen Salvatorkirche in Duisburg unter dem Motto "Vom Himmel träumen" am 30. Mai, wie die Vorsitzende des christlichen Kinderhilfswerks, Katrin Wiedemann, am 5. Dezember in Duisburg ankündigte. Bei einer Wanderung von Duisburg nach Dortmund im Juni sollen Spenden für die Kindernothilfe "erwandert" werden.

Angesichts der nach wie vor drückenden Probleme von Millionen Kindern weltweit sei die Kindernothilfe auch nach 60 Jahren immer noch gefordert, betonte Wiedemann. "Es ist noch viel zu tun." Alle zehn Sekunden sterbe auf der Welt ein Kind unter fünf Jahren an Hunger. In Kriegs- und Bürgerkriegsregionen gebe es Zigtausende Kindersoldaten, 72 Millionen Kinder weltweit schufteten unter oft unsäglichen Bedingungen. "Wir dürfen nicht aufhören, den Kindern auf der ganzen Welt zu ihren Rechten zu verhelfen", mahnte die Kindernothilfe-Chefin.

1.000 Ehrenamtliche

Angetreten war die Kindernothilfe nach eigenen Angaben 1959, um notleidenden Kindern in Indien zu helfen. Das Engagement begann mit fünf Patenschaften, die Mädchen und Jungen eine Ausbildung und einen Platz in einem Schülerwohnheim sicherten. "Seitdem hat die Kindernothilfe 5.300 Projekte von lokalen Partnerorganisationen gefördert und dadurch rund 7,1 Millionen Kinder und Jugendliche vor Gewalt und Ausbeutung geschützt, ihnen einen Schulbesuch ermöglicht und für ihre Gesundheit und Ernährung gesorgt", sagte Wiedemann.

Heute engagieren sich den Angaben zufolge rund 1.000 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bundesweit für die Ziele der Kindernothilfe. Prominente Botschafterinnen des Hilfswerks sind unter anderen die Witwe des ehemaligen Bundespräsidenten Johannes Rau, Christina Rau, und die Schauspielerin Natalia Wörner.

Die Kindernothilfe ist mit lokalen Partnern 2018 in insgesamt 33 Ländern in Afrika, Asien, Europa und Lateinamerika tätig. 2017 erreichte das Hilfswerk Gesamteinnahmen in Höhe von 68,1 Millionen Euro. Damit konnten fast 1,9 Millionen Kinder und ihre Familien unterstützt und gefördert werden. Rund 90 Prozent der Einnahmen kommen aus Spendengeldern, wie Weidemann erklärte.



WHO: Ebola-Ausbruch im Kongo ist der zweitschlimmste der Geschichte

Die tödliche Ebola-Epidemie breitet sich im Nordosten der Demokratischen Republik Kongo nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation immer weiter aus. Inzwischen seien 440 Ebola-Fälle in dem krisengeschüttelten Gebiet erfasst worden, von denen 255 tödlich verlaufen seien, sagte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus am 3. Dezember in Genf. Es handele sich um den zweitgrößten Ebola-Ausbruch in der Geschichte nach der verheerenden Epidemie 2013/14 in Westafrika.

Tedros betonte, dass ein hohes Risiko auch für Kongos Nachbarländer wie Uganda und Südsudan existiere. Der gefährliche Erreger kenne bei seiner Ausbreitung keine Grenzen. Laut Tedros behindert die Gewalt im Nordosten des Kongos die Kampagne gegen Ebola stark. Mehr als 60 bewaffnete Gruppen kämpften dort, rund eine Million Menschen seien auf der Flucht.

40.000 Menschen geimpft

Gleichzeitig gab sich der Äthiopier Tedros zuversichtlich über die Eindämmung der Tropenkrankheit. Die WHO, Kongos Regierung und Organisationen wie "Ärzte ohne Grenzen" setzten den Kampf gegen Ebola fort. Rund 40.000 Menschen seien bereits mit einem experimentellen Wirkstoff gegen die Krankheit geimpft worden.

Bei der bislang schlimmsten Ebola-Epidemie 2013/14 starben in Guinea, Sierra Leone und Liberia insgesamt 11.300 Menschen. Die WHO hatte den Ausbruch damals unterschätzt und wurde deswegen massiv kritisiert.



Mit dem Start Up aus der Hoffnungslosigkeit


Der Honig von Imker Damea Werra wird in eigenen Läden von Mitgliedern des Honig-Start-Ups verkauft.
epd-bild/Marc Engelhardt
30 Millionen junge Männer und Frauen sind in Äthiopien arbeitslos. Ihre Proteste haben die Regierung zu einem Reformkurs gezwungen. Im Westen des Landes sollen Start Ups den bisher Hoffnungslosen Arbeit und eine Zukunft geben.

Damea Werras Zukunft summt und sticht. Die kleinen, besonders aggressiven Wildbienen umschwirren den jungen Äthiopier, doch der regt sich nicht. Hinter seiner Schutzkleidung lächelt Werra sogar. "Nach dem Abschluss stand ich mit nichts da, es gab keine Arbeit und ich musste zurück auf den Hof meiner Eltern", erzählt der 24-Jährige. Doch zwischen den bröckelnden Lehmhütten seiner Kindheit gab es außer gelegentlichen Transportjobs mit einem Handkarren nichts zu tun. "Dann hörte ich von der Möglichkeit mit den Bienen, und da habe ich sofort zugegriffen."

Werras Imkerei ist nur ein Puzzlestück in einem Projekt, das aus arbeitslosen Jugendlichen selbstständige Mitarbeiter von Start-ups machen soll. Und zwar nicht etwa in der boomenden Hauptstadt Addis Abeba, sondern in Dano, einer ländlichen Region sechs Autostunden weiter westlich. Hierher kehren viele der jungen Männer zurück, wenn nach einem mühsam errungenen Abschluss ihre Hoffnungen auf einen Job betrogen worden sind. Sie hängen rum, nehmen Drogen und werden immer wütender, weiß auch Damea Werra. Vor zweieinhalb Jahren erhoben sich die jungen Leute, protestierten überall in der Region und stießen damit einen Wandel an, der das Land dauerhaft verändert hat.

Wachsende Unternehmerszene

"Bevor der Wandel kam, haben dich die Beamten hier geschlagen oder ins Gefängnis gesteckt, selbst wenn Du sie nur um Hilfe gebeten hast", erinnert sich Werra. Viele seiner Freunde seien deshalb geflohen, auch aus Angst, denunziert zu werden. Dann wurde im April der 42-jährige Abiy Ahmed Ministerpräsident, gefühlt ist er einer von ihnen. "Die Gefahr ist jetzt vorbei, und die Leute kommen zurück und bauen sich etwas auf." Dabei hilft ihnen das Start-Up-Zentrum, das die Hilfsorganisation "Menschen für Menschen" in Dano aufgebaut hat. Mehr als 400 junge Frauen und Männer sind heute nicht mehr unzufrieden, sondern Teil einer wachsenden Unternehmerszene.

Ihre Grundlage ist die Landwirtschaft. Doch anstatt wie früher die Ernten zu verkaufen und die lukrative Veredelung anderen zu überlassen, bilden die Start Ups von Dano die ganze Wertschöpfungskette ab. So hat die deutsche Stiftung Werra beigebracht, wie er die traditionellen, in den Bäumen hängenden Bienenkörbe durch dauerhaft verwendbare Bienenstöcke ersetzen kann. "Früher habe ich pro Jahr 3.000 (etwa 92 Euro) Birr mit dem Honig aus einem Stock verdient, jetzt sind es 20.000 und mehr", freut der sich. Werras Honig wiederum wird von einem anderen Start-Up aufgekauft, ein weiteres reinigt ihn, verpackt ihn in Gläser und organisiert den Vertrieb. So entsteht Honig 100 Prozent made in Dano.

Das gleiche gilt für die jungen Leute, die Nigersaat anbauen, eine traditionelle Ölfrucht, ähnlich dem Raps. Lokale Start Ups übernehmen auch hier die gesamte Veredelung, von Ernte und Pressung bis hin zu Flaschenabfüllung und Verkauf. Bei jeder Stufe bleibt ein bisschen Gewinn hängen, von dem junge Männer wie Dschamal Awol profitieren. "Wenn wir abends von der Arbeit nach Hause gehen, dann sind wir mental zufrieden und körperlich geschafft", bilanziert der Vorarbeiter der Presse das Ergebnis. "Die arbeitslosen Jugendlichen sind dagegen hungrig, ängstlich, frustriert, viele sind abhängig."

Harte Arbeit

Die Arbeit ist hart. Es ist heiß in der Werkshalle, die Ölpresse wummert. Eimerweise schüttet eine Arbeiterin im Overall gereinigte Ölsaat in die Presse, ein Arbeiter entfernt den Ölkuchen, der sich bei der Presse bildet. Er wird später in einer anderen Halle des "Agro Processing Center", wie das Herzstück des Projekts offiziell heißt, zu Kraftfutter verarbeitet - von einem weiteren Start Up, dessen Mischungen bei Viehhaltern so beliebt sind, dass die Produktion kaum nachkommt. "Wir schuften wirklich, aber wir wollen unser Leben verbessern", sagt Sisay Bayissa. "Wer das nicht schafft und arbeitslos bleibt, hat keine Perspektive, wird womöglich kriminell - es ist schrecklich."

30 Millionen junge Menschen in Äthiopien haben keinen Job. Daran, ob sie ihr Glück finden oder sich im Extremfall radikalen Separatisten anschließen, dürfte sich entscheiden, ob der Reformkurs von Premier Abiy Erfolg haben wird. "Unsere Ressourcen sind begrenzt, wir können nicht einmal alle Probleme in diesem Distrikt lösen", gesteht Demere Anno von "Menschen für Menschen" in Dano ein. "Aber die jungen Leute, die nach fünf, sechs Jahren ohne Arbeit bei uns anfangen, schöpfen wieder Hoffnung und richten sich hier ein Leben ein, anstatt zu kämpfen oder von einer Flucht ins Ausland zu träumen."

Marc Engelhardt (epd)


Studie: Arbeit bis zur Erschöpfung in Spielzeugfabriken in China

In der Spielzeugproduktion für Weihnachten haben Beschäftigte in chinesischen Fabriken einer Studie zufolge bis zur Erschöpfung arbeiten müssen. Unternehmen spielten die Zulieferfabriken mit Preisdruck gegeneinander aus, heißt es im "Toys Report", den die Christliche Initiative Romero am 7. Dezember in Nürnberg und Münster veröffentlichte. Das führe zur Ausbeutung der Arbeitskräfte.

Arbeiterinnen mit bis zu 175 Überstunden pro Monat

Die Menschenrechtsorganisation stützt sich auf Erkenntnisse verdeckter Ermittler zwischen April und September in vier Fabriken, in denen unter anderem die Feuerwehrmann-Sam-Figuren oder Schleich-Tiere vom Band laufen. Um das Spielzeug herzustellen, machten Arbeiterinnen in China in den untersuchten Fabriken demnach 80 bis 175 Überstunden pro Monat. Dies sei ein klarer Rechtsverstoß. Es fehle Schutzkleidung für Beschäftigte, die mit giftigen Chemikalien in Berührung kommen oder unter hohem Lärm- und Staubpegel arbeiten müssen.

Arbeiterinnen hätten Blankoverträge unterschreiben müssen, die ihnen nicht erklärt wurden. In den Fabrikunterkünften fanden die Ermittler den Angaben zufolge Zimmer, in denen bis zu zehn Personen übernachten mussten. Aus den Duschen kam nur kaltes Wasser. In einer der Fabriken hatten die Arbeiterinnen im August 175 Überstunden und nur einen einzigen freien Tag. Die Berechnung der Löhne in den Fabriken ist für die Arbeiterinnen oft nicht nachvollziehbar.

Hohe Produktionsquoten bei niedrigeren Preise

Die Organisation "Worker Empowerment" hat laut dem Bericht 2017 ausgerechnet, dass ein Existenzlohn für einen Haushalt in der Provinz Guangdong bei umgerechnet circa 879 bis 955 Euro liegen müsste. In der Realität betrage der Basislohn aber höchstens 255 Euro. In der Hochsaison hätten die Arbeitnehmer daher keine andere Wahl als übermäßig viele Überstunden zu leisten, um wenigsten auf 382 bis 573 Euro zu kommen.

Die Romero-Initiative mit Sitz in Münster kritisiert, dass der Druck auf die Spielzeugfabriken in China jedes Jahr größer werde. Die Auftragsunternehmen verlangten immer höhere Produktionsquoten und niedrigere Preise. Spielzeugfirmen müssten endlich Verantwortung für die Zustände in ihren Zulieferfabriken übernehmen und unabhängigen Kontrollen zustimmen, fordert die Menschenrechtsorganisation. Sie ist Mitgründerin der europäischen "Fair Toys Coalition".



Mexiko: Fall der 43 ermordeten Studenten wird neu aufgerollt

Der neue mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador hat seine ersten Maßnahmen zur Bekämpfung von Straflosigkeit und Menschenrechtsverletzungen eingeleitet. Am 3. Dezember unterschrieb der Staatschef ein Dekret zur Bildung einer Wahrheitskommission, um das Verschwinden von 43 Studenten im Jahr 2014 aufzuklären. Der Fall werde so lange weiterverfolgt, bis die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen würden und "alle Mexikaner wissen, was tatsächlich passiert ist", sagte López Obrador auf einen Treffen mit Angehörigen der jungen Männer in Mexiko-Stadt laut lokalen Medien. Der 65-Jährige hatte am 1. Dezember sein Amt übernommen.

Die Studenten der ländlichen Lehrerschule Ayotzinapa waren in der Nacht vom 26. auf den 27. September 2014 von Kriminellen und Polizisten in der Kleinstadt Iguala im Staat Guerrero verschleppt worden. Seither fehlt von ihnen jede Spur. Die Angehörigen werfen den Behörden vor, Beweismaterial unterschlagen und Ermittlungen bewusst verhindert zu haben. Auch eine von der Interamerikanischen Menschenrechtskommission eingesetzte Expertengruppe erhob schwere Vorwürfe gegen die Arbeit der mexikanischen Strafverfolger. Der Angriff sorgte international für Schlagzeilen, weil er die Zusammenarbeit von Politikern, Polizisten und Gruppen der organisierten Kriminalität in Mexiko exemplarisch aufzeigte.

Wahrheitsfindungskommission

López Obrador hatte sich nach seiner Wahl im September mit den Angehörigen der Studenten getroffen, um über die Aufklärung zu sprechen. "Mit diesem Dekret erfüllen wir unsere Vereinbarungen und sorgen dafür, dass es Gerechtigkeit gibt", erklärte der Präsident. Für die Wahrheitskommission wird der Menschenrechtsbeauftragte der Regierung, Alejandro Encinas, zuständig sein. Vertreten sein werden demnach auch die Eltern der Verschwundenen, die Regierung sowie technische Experten. Jede Spur werde verfolgt, sicherte Encinas zu. Bisher hatte sich insbesondere das Militär dagegen gewehrt, dass dessen Rolle in der Tatnacht aufgeklärt wird.