Es war kühl und ungemütlich: Am 27. Januar 1947 trat die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen in New York zum ersten Mal zusammen, in einer stillgelegten Fabrik für Kreiselgeräte. Unter dem Vorsitz von Eleanor Roosevelt, der Witwe von US-Präsident Franklin D. Roosevelt, wartete eine epochale Aufgabe. Die Kommission sollte die erste international gültige Erklärung über Menschenrechte erarbeiten.

Nach dem Leid des Zweiten Weltkrieges und der Nazigräuel reifte die Erkenntnis, dass die Menschen einen Katalog mit unveräußerlichen Rechten brauchen. Freiheitskämpfer wie Mahatma Gandhi, aber auch einfache Menschen sandten ihre Vorschläge nach New York.

Im Juli 1948, nach weiteren Beratungen in Genf, wurde der Entwurf der Menschenrechtserklärung an die UN-Vollversammlung übermittelt. Im Herbst prüfte die Vollversammlung den Text penibel bei ihren Sitzungen im Palais de Chaillot in Paris. Jedes Wort wurde hin- und hergewendet. Der Kalte Krieg hatte das politische Klima in den UN auf eisiges Niveau sinken lassen.

"Wir hatten eine schreckliche Zeit in Paris", sagte Eleanor Roosevelt. Trotz aller Schwierigkeiten, vor 70 Jahren, am 10. Dezember 1948, kurz vor Mitternacht, war es soweit: Die Vollversammlung nahm die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte mit überwältigender Mehrheit an. Nur wenige Länder enthielten sich der Stimme, darunter die Sowjetunion und Saudi-Arabien.

Epochale Bedeutung

Menschenrechtler unterstreichen die epochale Bedeutung des Dokuments. "Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte wird als kopernikanische Wende des Völkerrechts angesehen", erklärt Beate Rudolf, Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte. "Sie stellt den Menschen in den Mittelpunkt der internationalen Ordnung und gibt ihm Rechte gegen den Staat." Andere Fachleute nennen die in rund 500 Sprachen übersetzte Erklärung die "Heilige Schrift der Menschenrechte" oder das "Grundgesetz der Menschen".

Doch fällt das 70. Jubiläum in eine Zeit, in der diktatorische Regime sich auf dem Vormarsch befinden und in der brutale Konflikte mit Millionen Opfern toben. In seinem letzten großen Bericht 2018 listete der frühere UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Seid Ra'ad al-Hussein, mehr als 50 Staaten auf, in denen die Menschenrechte mit Füßen getreten werden: von Venezuela über Syrien und Afghanistan bis nach Myanmar.

"Es scheint, als stünden wir mit dem Rücken zur Wand", bilanziert Jochen Motte vom deutschen Forum Menschenrechte. "Und dass nicht nur weit weg außerhalb Europas, sondern immer mehr auch innerhalb von Staaten der Europäischen Union."

Tatsächlich wird bereits der erste der insgesamt 30 Artikel der Erklärung von vielen Regierungen ignoriert: "Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren." Die weiteren Artikel reichen vom Recht auf Leben und auf Staatsangehörigkeit über ein Verbot der Sklaverei und ein Recht auf Arbeit, auf Urlaub und auf Bildung bis hin zum Recht auf Religionsfreiheit.

"Diese Rechte, die Menschenrechte, ermöglichen ein selbstbestimmtes Leben", sagt die Expertin Rudolf. Allerdings hält Artikel 29 der Erklärung auch fest, dass jeder Mensch "Pflichten gegenüber der Gemeinschaft" hat. Die "Universal Declaration of Human Rights" bildet zwar ein umfassendes Programm der Menschenrechte. Sie ist aber rechtlich unverbindlich. Viele Staaten, zumal das Heimatland Roosevelts, die USA, wollten es lieber bei einer Deklaration belassen, die ihnen keine Pflichten aufbürdet.

Später, 1966, verabschiedeten die Vereinten Nationen zwei rechtlich verbindliche und weitreichende Pakte zu den Menschenrechten, die 1976 in Kraft traten. Einen über bürgerliche und politische Rechte und den anderen über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Angesichts des heutigen Drucks auf diese Rechte fordert Expertin Rudolf: "Zum 70. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung wird deutlicher denn je, dass die Menschenrechte immer wieder bekräftigt und behauptet werden müssen."