Ausgabe 25/2016 - 24.06.2016
Berlin (epd). Die geplante Wohnsitzzuteilung bei anerkannten Flüchtlingen stößt bei Experten weiter auf Widerstand. In einer Anhörung am 20. Juni im Bundestag kritisierten Vertreter von Wohlfahrtsverbänden und Anwälten die Regelung, die in den Augen der großen Koalition verhindern soll, dass Flüchtlinge vor allem in Ballungsräume ziehen und sich dort Ghettos bilden. Auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge äußerte sich skeptisch über die Umsetzung der Wohnsitzauflage, auch wenn es die Idee grundsätzlich unterstützt.
Die Behörde verwies in ihrer schriftlichen Stellungnahme an den Ausschuss für Arbeit und Soziales auf einen "erheblichen Aufwand" bei Behörden und Gerichten, weil private und öffentliche Interessen abgewogen werden müssten. Dabei vermutet das Bundesamt je nach Region Schwierigkeiten: "Während verfügbarer Wohnraum gerade im ländlichen Raum relativ leicht zu gewinnen sein wird, kann sich dies dort für Arbeitsplätze, geeignete schulische Einrichtungen und sonstige Betreuungsangebote und nicht zuletzt für gezielte Integrationsmaßnahmen als eher schwierig erweisen." In städtischen Ballungsräumen sei das Problem vermutlich umgekehrt.
Berthold Münch vom Deutschen Anwaltverein betonte vor den Abgeordneten, die Wohnsitzzuweisung sei nach seiner Einschätzung nicht mit der Genfer Flüchtlingskonvention vereinbar, die auch anerkannten Flüchtlingen Freizügigkeit garantiere. Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit argumentierte mit Verweis auf Erkenntnisse bei Spätaussiedlern, für die ebenfalls eine Wohnsitzauflage galt, solch eine Regelung erschwere zunächst Integration. 60 Prozent der Flüchtlinge fänden Arbeit über Familie und Freunde. Auch die Kirchen argumentierten, die Wohnsitzauflage zerreiße Netzwerke, die bei der Integration Asylsuchender helfen können.
Die Wohnsitzzuteilung ist Teil des Integrationsgesetzes von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) und Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), das nach dem Willen der Koalition noch bis zum Beginn der parlamentarischen Sommerpause in knapp drei Wochen vom Bundestag verabschiedet werden soll. Im Kern geht es um mehr Integrationsangebote für Flüchtlinge. Unter anderem ist ein Programm mit 100.000 gemeinnützigen Jobs für Asylsuchende geplant. Auf der anderen Seite sollen Flüchtlinge mit der Kürzung von Leistungen bestraft werden, wenn sie verpflichtende Angebote wie Kurse und Arbeitsmaßnahmen nicht wahrnehmen.
Die Zielrichtung des "Förderns und Forderns" stieß bei den meisten Sachverständigen auf Zustimmung. Vertreter von Arbeitgebern, Industrie und Bundesagentur für Arbeit begrüßten zudem die vorgesehene Ausweitung der Ausbildungsförderung auf Flüchtlinge sowie die Garantie für ein Bleiberecht für die Dauer einer Ausbildung und bei einem Anschlussvertrag für zwei Jahre darüber hinaus.
Kritik äußerte auch Diakoniepräsident Ulrich Lilie. Er sprach am 21. Juni in Berlin von einem wenig ambitionierten Gesetz, das den "Geist des Misstrauens" atme. Der Verbandschef kritisierte die geplanten drastischen Sanktionen für Flüchtlinge, die nicht an Integrationsangeboten teilnehmen. Das Gesetz unterstelle damit mangelnden Integrationswillen. Die Erfahrungen der Diakonie in ihren Einrichtungen deutschlandweit zeigten aber das Gegenteil.
Zudem müssten mehr Integrationsangebote gemacht werden, sagte Lilie unter Verweis auf oftmals fehlende Plätze in Integrationskursen. "Bei der aktuellen Unterbringungssituation mit Sanktionen zu drohen, ist bestenfalls ahnungslos, schlimmstenfalls populistisch", kritisierte er.
Lilie forderte einen Paradigmenwechsel bei der Integration. Sie beginne in Kopf und Herzen, sagte er. "Wer die Menschen ausschließlich als Bedrohung ansieht, wird kaum Konzepte entwickeln, wie man ihnen die Ankunft erleichtert", sagte der Präsident des Wohlfahrtverbands.
Nürnberg (epd). Herbert Brücker, Professor für Volkswirtschaftslehre, hat einen Fünf-Punkte-Plan vorgelegt, dessen Umsetzung die Flüchtlinge schneller in Jobs bringen soll. Wo er andere Prioritäten setzt als die Bundesregierung und wie sich die Asylpolitik wandeln muss, verrät der Forschungsbereichsleiter am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) im Gespräch mit Dirk Baas.
epd sozial: Rechnen sich Flucht und Migration für den deutschen Sozialstaat?
Herbert Brücker: Das ist eine ganz kritische Frage. Wir haben am Anfang klar mehr Kosten als Erträge, weil eben sehr wenige Menschen arbeiten. Das kann später kippen, aber das lässt sich heute noch nicht genau sagen. Das hängt von vielen Variablen ab. Eine davon ist die Höhe der Rückkehrmigration. Deshalb ist es ist nicht ausgemacht, ob Deutschland am Ende profitiert oder per Saldo Kosten verbleiben. Ich halte mich da mit einem Urteil zurück. Es geht aber auch darum, Menschen, die von Krieg und Verfolgung betroffen sind, Schutz zu gewähren. Klar ist auch, dass man diesen Schutz klug organisieren muss.
epd: Aber der kostet nun mal viel Geld.
Brücker: Sicher, aber die deutsche Volkswirtschaft ist sehr stark. Wir haben mit den Flüchtlingen kein ökonomisches Problem. Es kann sein, dass die Integration Nettokosten verursacht, aber die sind gemessen an der volkswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Landes gering. Wenn wir die Zahlen des Sachverständigenrates zugrunde legen, dann belaufen sich die Ausgaben 2016 auf etwa 0,5 Prozent des Bruttoinlandproduktes. Es gibt keine volkswirtschaftliche Aufnahmegrenze, höchstens eine, die politisch definiert wird. Wir haben eher eine unzureichende Infrastruktur, etwa wenn Wohnraum fehlt. Doch das sind temporäre Probleme.
epd: Zurück zu den Kosten. Wie hoch fallen die aus?
Brücker: Die finanziellen Belastungen hängen davon ab, wie gut und wie schnell es gelingt, die Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Das dauert nach unseren empirischen Erfahrungen bei Flüchtlingen länger als bei anderen Migranten. Aber wir erwarten, dass nach fünf Jahren etwa 50 Prozent von ihnen im Arbeitsmarkt angekommen sind. Nach zehn Jahren sind es 60 Prozent und nach 15 Jahren über 70 Prozent.
epd: Wo liegt die Zeitmarke, ab der sich Kosten und Einnahmen in den Sozialkassen die Waage halten.
Brücker: Das hängt von den Berechnungsgrundlagen ab. Es gibt sehr viele Detailfragen, die man berücksichtigen muss. Nach sieben, acht Jahren dürften die Einnahmen die direkten, persönlich zurechenbaren Kosten etwa für Sozialtransfers übersteigen.
epd: Gibt es wissenschaftliche Erkenntnisse darüber, wie schnell die Jobintegration gelingen kann?
Brücker: Wir führen eine repräsentative Befragung von Migranten durch, die seit 1995 zu uns gekommen sind. Davon sind etwa 15 Prozent als Flüchtlinge zugezogen. Für die Vergangenheit können wir sagen, dass nach fünf Jahren etwa 50 Prozent, nach zehn Jahren etwa 60 Prozent und nach 15 Jahren rund 70 Prozent einen Job hatten. In der Vergangenheit hatte die Geflüchteten eine ähnliche Qualifikationsstruktur wie die Flüchtlinge heute. Insofern können wir daraus erste Schlussfolgerungen ziehen. Für die Gegenwart haben wir aber noch keine brauchbaren Daten.
epd: Sie arbeiten bereits an einer neuen Studie.
Brücker: Ja. In der Vergangenheit war vieles anders im Umgang mit den Flüchtlingen. Es wurde weniger für die Migration getan als heute. Damals waren die Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt viel ungünstiger. Und wir hatten natürlich auch viel weniger Menschen, die nach Deutschland geflüchtet sind.
epd: Wie ist die neue Studie angelegt?
Brücker: Es ist eine repräsentative Längsschnittbefragung. Das heißt, wir verfolgen die Flüchtlinge über einen längeren Zeitraum. Wir bauen gerade einen großen Datensatz auf. In einer ersten Tranche befragen wir 2.000 Personen, am Ende sollen es 4.000 sein.
epd: Und was ist das Ziel?
Brücker: Wir wollen langfristig beobachten, wie sich die Flüchtlinge in alle Bereiche der Gesellschaft integrieren. Das gilt nicht nur für den Arbeitsmarkt, sondern auch für das Bildungssystem und für alle anderen Bereiche. Wir untersuchen auch die Werte und Einstellungen der Geflüchteten. Bis zum Jahresende sollen die ersten Daten vorliegen. Aber auch dann wird man über die Integrationsverläufe noch wenig sagen können, denn die Integration steht ja erst am Anfang. Langfristig werden wir aber die Menschen auch auf der individuellen Ebene genau verfolgen können. Daraus könne wir viel über die Integrationsprozesse und die begleitenden Politikmaßnahmen lernen, durch die Anlage der Studie können wir auch repräsentative Aussagen treffen.
epd: Kommen wir zum Integrationsgesetz, mit dem Sie ja nicht wirklich zufrieden sind.
Brücker: Man darf das Gesetz, das sicher kein Meilenstein ist, nicht überbewerten. Viele Dinge im Gesetz sind durchaus richtig. Zu nennen ist das Angebot von Integrations- und Sprachkursen. Das Gesetz enthält viele kleine Maßnahmen, die bereits in einer längeren Tradition stehen. Der erste Schritt weg vom reinen Prinzip der Abschreckung in der Flüchtlingspolitik wurde im vergangenen Oktober gemacht - aus meiner Sicht skandalös spät. Seit dem sind die Integrationskurse für einen Teil der Asylbewerber geöffnet. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Im Grundsatz ist gegen das Prinzip des Förderns und Forderns nichts zu sagen. Aber das Integrationsgesetz atmet noch beide Ideen, die Abschreckungsphilosophie und die Integrationsidee. Das macht das Gesetz ein Stück weit inkonsistent.
epd: Was sehen sie kritisch?
Brücker: Zunächst mal, dass das Gesetz nur für jene Asylbewerber mit hoher Bleibeperspektive gedacht ist. Das schränkt den Kreis gegenwärtig auf Asylbewerber aus vier Herkunftsländern ein. Damit fallen genau die Gruppen, bei denen die Asylverfahren sehr lange dauern, etwa Afghanen oder Somalier, aus der gesamten Förderung raus. Das ist sehr gefährlich.
epd: Warum?
Brücker: Wir verlieren sehr viel Zeit, die wir später nicht mehr aufholen können. In diesen Fällen dauert es zwischen einem und zwei Jahren von der Einreise bis die Asylverfahren entschieden sind. Und wenn in dieser Zeit nichts passiert, weil die Betroffenen keine Sprach- oder Integrationskurse besuchen können oder nicht am Arbeitsmarkt teilnehmen, dann produzieren wir ein Integrationsproblem.
epd: Viel Kritik gibt es auch an der Wohnsitzauflage.
Brücker: Die halte ich für sehr problematisch. Viele Argumente sprechen gegen sie. Wir wissen aus Studien, dass die Flüchtlinge sich überwiegend in Regionen ansiedeln, wo überdurchschnittlich gute Arbeitsmarktbedingungen herrschen, die Löhne vergleichweise hoch sind und die Arbeitslosigkeit unterdurchschnittlich ist. Darauf nimmt die derzeitige Verteilung nach dem Königsteiner Schlüssel jedoch keine Rücksicht. Deshalb leben viele Asylbewerber in strukturschwachen Regionen. Klar ist auch: Wenn die Betroffenen in ihrer Jobsuche nicht staatlich behindert werden, dann senkt das ihre Arbeitslosigkeit.
epd: Aber die Kommunen haben nicht ohne Grund Angst vor der Ghettobildung.
Brücker: Ja, sie wollen ethnische Konzentration in bestimmten Städten oder Stadtteilen verhindern. Aber hier verweise ich auf ambivalente Ergebnisse in der Forschung. Ethnische Netzwerke sind eine große Ressource, vor allem bei der Suche nach Arbeit. Über 60 Prozent der Flüchtlinge haben in der Vergangenheit ihre erste Stelle in Deutschland durch Kontakte zu Familienangehörigen, Freunden oder Landsleute und nicht durch das Internet oder etwa durch die Bundesagentur für Arbeit gefunden. Wir dürfen die Menschen nicht von diesen Ressourcen abschneiden.
epd: Haben Sie eine Alternative im Blick?
Brücker: Ich würde für eine differenzierte Herausgehensweise plädieren. Bestimmten Kommunen, die unter extrem knappem Wohnraum leiden, könnte man erlauben, den Zuzug von jenen Flüchtlingen zu begrenzen, die überwiegend von Sozialleistungen abhängig sind. Aber dafür bräuchte man klar definierte Kriterien. Aus meiner Sicht gibt es bundesweit aber nur eine bestimmte Zahl an Kommunen, denen es extrem an Wohnungen fehlt.
epd: Sie monieren, dass es viel zu lange dauert, bis hierzulande Flüchtlinge Arbeit finden. Und sie haben einen Fünf-Punkte-Plan vorgelegt, um Abhilfe zu schaffen.
Brücker: Ja, die Menschen schneller in Beschäftigung zu bringen ist er einzige Weg, um die Sozialkassen zu entlasten. Vor allem die jungen Flüchtlinge muss man besser fördern, muss sie in die Schulen und an die Universitäten schicken oder den Weg in eine Ausbildung öffnen.
epd: Was schlagen Sie mit Blick auf Ihren Fünf-Punkte-Plan vor?
Brücker: Zentral ist das schnelle Erlernen der deutschen Sprache, was am besten gelingt, wenn man die Flüchtlingskinder sofort in das bestehende Bildungssystem integriert. Der Anteil der Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren liegt bei knapp 30 Prozent. Bei älteren Flüchtlingen brauchen wir zunächst eine systematische Erfassung der beruflichen Qualifikationen und anderen Fähigkeiten. Auch sie müssen natürlich möglichst schnell die deutsche Sprache lernen. Ich rate jedoch, die Sprachprogramme mit berufs- oder ausbildungspolitischen Maßnahmen zu kombinieren. Schließlich ist es enorm wichtig, die Arbeitsvermittlung auszubauen und die Asylverfahren deutlich schneller abschließen. Die Menschen brauchen Rechtssicherheit. Das gleiche gilt für Unternehmen, die Flüchtlinge einstellen. Dafür ist eine Aufenthaltserlaubnis von mindestens drei Jahren nötig. Wenn man an diesen Hebeln ansetzt, kann Migration gelingen, denn sie ist kein Selbstläufer.
epd: Sie sagen, entgegen der landläufigen Meinung, es gebe auch genug Jobs in Deutschland für gering Qualifizierte.
Brücker: Ja, mittlerweile ist das so. Wir haben beobachtet, das in den zurückliegenden fünf Jahren 1,1 Millionen neue Beschäftigungsverhältnisse von Ausländern entstanden sind. Und das geschah überwiegende in Branchen, die sich nicht durch ein hohes formales Ausbildungsniveau auszeichnen. Zu nennen sind vor allem die Felder Gastronomie, das Reinigungsgewerbe und die Sicherheitsdienste. Auch das Transportgewerbe, die Lagerhaltung, Pflege und die Landwirtschaft bieten Beschäftigungsmöglichkeiten für neu angekommene Migranten.
epd: Aber bleibt das auch so?
Brücker: So lange die Konjunktur so gut läuft wie derzeit, expandieren alle diese Branchen. Da gibt es weiter eine hohe Nachfrage nach Arbeitskräften. Und es gibt das, was wir in der Forschung "Fahrstuhl-Effekt" nennen: Immer mehr Deutsche ziehen sich aus diesen Bereichen zurück, beziehungsweise steigen in den Branchen auf und übernehmen qualifiziertere Tätigkeiten. So entsteht Platz für andere Arbeitsuchende.
epd: Wieviel Zuzug braucht Deutschland, um auch in Zukunft genügend Arbeitskräfte zu haben?
Brücker: Ohne Zuwanderung würde bis 2050 würde die Zahl der Beschäftigten in Deutschland um 40 Prozent sinken. Und wir hätten einen viel höheren Anteil von Bürgern, die schon im Rentenalter sind. Über den Daumen gerechnet bräuchten wir eine Nettozuwanderung von rund 500.000 Personen pro Jahr, um das Erwerbspersonenpotenzial konstant zu halten. Doch selbst dann hätten wir die Alterung nicht völlig aufgehalten, weil ja die Lebenserwartung stetig weiter steigt. Mit Blick auf die Flüchtlingszahlen liegen wir im Moment klar über einer Nettozuwanderung von 500.000 Personen. Wie sich das in den kommenden Jahren entwickeln und wie die andere Zuwanderung sein wird, kann heute noch niemand voraussagen. Aber eines ist sicher: In diesem Jahrzehnt geht das Arbeitsangebot nicht zurück, sondern steigt. Das Schreckensszenario einer Überalterung in Verbindung mit einem schrumpfenden Arbeitsangebot ist damit zumindest zunächst herausgeschoben.
Berlin (epd). Behinderte Menschen, die als Kinder oder Jugendliche unter gewalttätigen Erziehungsmethoden in Heimen und der Psychiatrie gelitten haben, sollen nun endlich auch Geld bekommen. Darauf haben sich Bund und Länder bei dem Treffen der Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am 16. Juni verständigt.
Fünf Jahre nach der Einrichtung des ersten Fonds für ehemalige Heimkinder sollen von 2017 an nun auch jeweils 9.000 Euro an Heimkinder gezahlt werden, die in Behinderten-Einrichtungen oder der Psychiatrie untergebracht waren. Die Kirchen, die sich an der Stiftung beteiligen, und die Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Verena Bentele, begrüßten die Einigung.
Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) sprach von einem Durchbruch. Sie sagte, die Betroffenen warteten schon viel zu lange. Die vereinbarte Zahlung von 9.000 Euro pro Person sei "ein deutliches Signal der Anerkennung und Hilfe". Über einen Fonds für behinderte Heimkinder war jahrelang gerungen worden. Die Länder hatten die Einigung wegen der zu erwartenden Ausgaben für geschätzt 80.000 Betroffene blockiert.
Nach Angaben des Arbeitsministeriums können vom Januar kommenden Jahres an drei Jahre lang Anträge an die Stiftung gestellt werden. Zu der Pauschale von 9.000 Euro können Rentenersatzleistungen hinzukommen, sofern die Betroffenen als Jugendliche in den Heimen arbeiten mussten. Für die ausgefallenen Rentenanwartschaften gibt es 3.000 Euro, bei einer Arbeitsdauer von mehr als zwei Jahren weitere 2.000, also maximal 5.000 Euro. Das sind 1.000 Euro weniger, als andere Ex-Heimkinder erhalten können. Auch die Pauschale von 9.000 Euro ist um 1.000 Euro niedriger als die Zahlungen für andere Heimkinder.
Dem Arbeitsministerium zufolge wird mit Ausgaben von 244 Millionen Euro gerechnet. Dazu kommen Kosten für die Verwaltung, Veranstaltungen und die wissenschaftliche Aufarbeitung des Umgangs mit behinderten Kindern von rund 43 Millionen Euro. Einen Antrag stellen können alle Betroffenen, die zwischen 1949 bis 1975 in der Psychiatrie oder einem Behindertenheim in der Bundesrepublik oder bis 1990 in einer Einrichtung in der DDR waren.
Für Anträge aus dem Gebiet der Bundesrepublik zahlen Bund, Länder und Kirchen jeweils ein Drittel der Kosten, da die Kirchen Träger vieler Behindertenheime waren. Für die DDR-Fälle kommen die Kirchen nur für ein Zwölftel der Kosten auf, weil die meisten Einrichtungen staatlich geführt waren. Der Bund und die Länder zahlen jeweils ein Drittel und müssen sich nach Angaben aus Regierungskreisen noch darüber verständigen, wie sie den verbleibenden Rest unter sich aufteilen.
Die beiden großen Kirchen begrüßten die Einigung. Sie erklärten in Bonn und Hannover, mit der Stiftung "Anerkennung und Hilfe" werde den Betroffenen ein wirksames Hilfsangebot zur Bewältigung ihrer leidvollen Erfahrungen gemacht. Die Kirchen hätten seit 2009 eine Regelung für die Heimkinder in Behinderten-Einrichtungen gefordert, die mit denen für die anderen Heimkinder vergleichbar sei, hieß es. Nun liege ein tragfähiges Lösungsmodell vor.
Die Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Verena Bentele, erklärte, Arbeitsministerin Nahles und ihre Mitstreiter hätten das "politisch maximal Machbare" erreicht. Endlich sei die Blockade aufgelöst, die behinderte Menschen so lange gegenüber anderen Ex-Heimkindern benachteiligt habe.
Esslingen (epd). Die Zahl von 50 Prozent, die der WDR genannt hat, ist vermutlich zu hoch gegriffen. Die bereits seit einigen Jahren wachsende Altersarmut wird jedoch, wenn es zu keiner Rentenreform kommt, weiter kontinuierlich steigen. Diese absehbare Entwicklung ist seit langem bekannt, und so gibt es seit vielen Jahren zahlreiche Ideen, wie die Rente reformiert werden kann. Zwei dieser Reformvorschläge werden im Folgenden vorgestellt und ihre Vor- und Nachteile erörtert.
Nach geltender Rechtslage sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die mehr als 450 Euro pro Monat verdienen, in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert. Der von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu gleichen Teilen zu bezahlende Rentenversicherungsbeitrag beträgt 18,7 Prozent des Bruttolohns – allerdings gilt das nicht durchgängig.
So unterliegt ein Monatsbruttolohn oberhalb von 6.200 Euro in West- und 5.400 Euro in Ostdeutschland nicht mehr der Rentenversicherungspflicht. Wer über dieser Beitragsbemessungsgrenze genannten Schwelle verdient, bezahlt nur für 6.200 bzw. 5.400 Euro im Monat in die Rentenkasse ein. Dies hat zur Folge, dass der Prozentsatz des Gehaltes, den Großverdienerinnen und Großverdiener an die Rentenkasse abführen müssen, nur einen Bruchteil der 18,7 Prozent beträgt, die für Normalverdienerinnen und Normalverdiener fällig werden. Würde man diese Beitragsbemessungsgrenzen abschaffen, würden sich die Einnahmen der Rentenversicherung schlagartig erheblich erhöhen und es könnten deutlich höhere Renten bezahlt werden.
Bewertung: Eine Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze hat auf den ersten Blick ihren Charme, da deutlich mehr Geld in die Rentenkasse käme und der wohlhabendere bis reiche Teil der Bevölkerung adäquat an der Finanzierung der Alterssicherung beteiligt würde. Der Vorschlag hat jedoch einen Pferdefuß: Je höher die Einzahlungen in die Rentenkasse heute sind, desto höher sind die Renten im Alter. Würde eine Topmanagerin mehrere Jahrzehnte Monat für Monat einen hohen fünfstelligen Betrag in die Rentenversicherung einzahlen, erwirbt sie sich damit einen Anspruch auf eine im mittleren fünfstelligen Bereich liegende Monatsrente. Und da die Lebenserwartung mit dem Einkommen steigt, würde das für die Rentenversicherung, die heute von erhöhten Einnahmen profitieren könnte, ziemlich teuer.
Lösen könnte man dieses Problem mit einer Anleihe aus der Schweiz, wo es keine Beitragsbemessungsgrenze, aber eine Höchstrente gibt. Eine Höchstrente ist dem System der deutschen Rentenversicherung, in der die Höhe der Renten strikt von der Höhe der Einzahlungen abhängig ist, jedoch fremd. Und da Rentenanwartschaften unter den Eigentumsschutz des Grundgesetzes stehen, ist es nicht unwahrscheinlich, dass eine Höchstrente vom Bundesverfassungsgericht kassiert werden würde. Ohne Höchstrente wäre die Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze jedoch ein rentenpolitisches Eigentor, das kurzfristig ein Problem lindern, es langfristig jedoch verschärfen würde.
Ebenfalls schon länger wird der Vorschlag diskutiert, die gesetzliche Rentenversicherung zu einer alle Erwerbstätigen erfassenden Versicherung zu erweitern. Eine Variation dieser Idee der Erwerbstätigenversicherung ist die Bürgerversicherung, in der nicht nur Erwerbstätige, sondern alle Bürgerinnen und Bürger ab einem gewissen Alter (ab 16 oder 18 Jahre zum Beispiel) versichert sein sollen. Das Nebeneinander von über die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler abgesicherten Beamten, den gesetzlich rentenversicherten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, den über ihre Kammern versicherten sogenannten Kammerberufen (Ärztinnen, Rechtsanwälte, Steuerberaterinnen u.a.) und den mehr oder weniger gut privat abgesicherten Selbstständigen würde abgelöst von einer einheitliche Versicherung, in die alle einzahlen und aus der alle ihre Rente erhalten.
Bewertung: Die Erwerbstätigen- bzw. die Bürgerversicherung ist eine sozial gerechte Idee. Sie kann schon deshalb mit einer hohen Akzeptanz in der Bevölkerung rechnen, da die gegenüber den gesetzlich Rentenversicherten deutlich privilegierten Beamten und Mitglieder der Kammerberufe mit den gesetzlich Rentenversicherten gleichgestellt werden würden. Die Einbeziehung der selbstständig Tätigen würde außerdem zur Linderung der Altersarmut beitragen, da ein in den letzten Jahren stark gewachsener Anteil der Selbstständigen inzwischen zu den „Soloselbständigen“ zählt, von denen viele so wenig verdienen, dass sie keine ausreichende Altersvorsorge betreiben können.
Eine Erwerbstätigen- bzw. eine Bürgerversicherung ist ein mittel- bis langfristig erstrebenswertes Ziel. Aber auch eine solche Versicherung würde die Herausforderung, dass sich das quantitative Verhältnis zwischen Rentnerinnen und Rentner auf der einen und Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern auf der anderen Seite verschieben wird, nicht lösen. Lösen ließe sich das Problem, indem man dem Rentensystem zusätzlich zu den Beiträgen sukzessive mehr Steuergelder zukommen lässt.
In absehbarer Zeit werden Steuergelder im erheblichen Umfang dadurch freiwerden, dass bei einer sinkenden Zahl von Kindern und Jugendlichen deutlich weniger für Familienleistungen, Kitas und Schulen ausgegeben werden muss. Außerdem wird der hierzulande erwirtschaftete Wohlstand, wenn die Produktivität absehbar weiter wachsen lässt – Stichwort Industrie 4.0 – weiter zunehmen, so dass man einen Teil davon in die Rentenkasse umverteilen kann. Solange es noch keine Erwerbstätigen- bzw. Bürgerversicherung gibt, sollte der gesetzlichen Rentenversicherung mehr Steuergelder zukommen. Eine solche Maßnahme findet zwar momentan bei den Berufspolitikern keine Mehrheit. Wenn nicht alles täuscht, ließe sich aber eine Mehrheit in der Bevölkerung von einer solchen Idee durchaus überzeugen.
Martin Staiger publizierte 2013 im Publik-Forum-Verlag das Buch „Rettet die Rente. Wie sie ruiniert wurde und wie sie wieder sicher wird“
Berlin (epd). Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen hat der Bundestag am 23. Juni in Berlin die Hartz-IV-Novelle verabschiedet. Hauptziel ist Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) zufolge, die Jobcenter von Verwaltungsarbeit zu entlasten. Die Reform war zwei Jahre lang von einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe vorbereitet worden. Die Opposition stimmte gegen die Reform. Sie warf der Regierung vor, Betroffene schlechterzustellen.
Das Gesetz fasst Änderungen und Vereinfachungen zusammen, die zu weniger Bürokratie führen sollen. Für Aufmerksamkeit sorgte es zuletzt, weil Alleinerziehenden Geld abgezogen werden sollte für die Zeit, in der das Kind beim getrennt lebenden Partner ist. Nach massiver Kritik der Opposition und von Sozialverbänden machte Nahles einen Rückzieher. Sozialverbände und Opposition fordern eine Pauschale für die Mehraufwendungen getrennt lebender Eltern.
Grüne und Linksfraktion brachten jeweils eigene Anträge ein. Sie kritisierten unter anderem, dass die Sondersanktionen für Hartz-IV-Empfänger unter 25 nicht abgeschafft werden. Den jungen Arbeitslosengeld-Beziehern können die Leistungen für den Lebensunterhalt und die Wohnung in zwei Schritten bis auf null gekürzt werden, wenn sie ihre Pflichten verletzen. Bei Erwachsenen geht das nicht so leicht.
Der Bundesrat muss dem Gesetz zustimmen. Dort haben CDU und SPD allein nicht die Mehrheit, sondern sind auf die Zustimmung von grün-mitregierten Ländern angewiesen.
Rund 4,3 Millionen Menschen in Deutschland beziehen Hartz-IV-Leistungen. Arbeitsministerin Nahles rechnet damit, dass bis 2019 rund eine Million Flüchtlinge hinzukommen. Angesichts der wachsenden Zahl sollen die Jobcenter mehr Zeit für Beratung und Vermittlung bekommen. So sollen sie beispielsweise Leistungsbescheide nur noch einmal im Jahr statt jedes halbe Jahr berechnen und versenden. Ein anderes Beispiel: Die rückwirkende Korrektur fehlerhafter Bescheide soll abgeschafft werden. Solche Vereinfachungen führten zu Nachteilen für die Betroffenen, kritisiert die Opposition: Sie bekommen dann auch rückwirkend kein Geld zurückgezahlt, das ihnen eigentlich zugestanden hätte.
Berlin (epd). Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) hat eine positive Bilanz des vor einem Jahr etablierten ElterngeldPlus gezogen. "Wir sind auf dem richtigen Weg: Meine Idee, die Partnerschaftlichkeit noch weiter voranzubringen, ist die Familienarbeitszeit. Und daran halte ich weiterhin fest", sagte die Ministerin am Donnerstag in Berlin. Im ersten Quartal des Jahres bezogen 17,4 Prozent der Eltern die neue Förderleistung (plus 1,4 Prozent im Vergleich zum Vorquartal).
In Thüringen waren es den Angaben nach 28,3 Prozent, gefolgt von Rheinland Pfalz (23,2) und Niedersachsen (22,1). Am 1. Juli wird das ElterngeldPlus mit Partnerschaftsbonus ein Jahr alt.
"Mütter und Väter von heute wollen beides - Kinder und Erfolg im Job. Mit dem ElterngeldPlus bieten wir Unterstützung für Eltern an, die sich Erwerbs- und Familienarbeit partnerschaftlich aufteilen möchten", sagte Schwesig.
Die Beliebtheit des EltergeldPlus belege auch eine neue Umfrage des Meinungsforschungsinstituts ifD Allensbach vom Mai: Danach bewerten knapp drei Viertel der Eltern mit minderjährigen Kindern (73 Prozent) und zwei Drittel der Bevölkerung (67 Prozent) den Anspruch als gute Regelung.
Berlin (epd). Für die Förderung der gesundheitlichen Selbsthilfe stehen nach Angaben der Bundesregierung in diesem Jahr rund 74 Millionen Euro zur Verfügung. Diese Förderung der Akteure in der Selbsthilfe sei im internationalen Vergleich beispiellos, heißt es in der Antwort der Regierung auf eine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, teilte der Bundestag am 23. Juni in Berlin mit.
Berechnet wird diese Unterstützung gemäß des 2015 verabschiedeten Präventionsgesetz. Darin ist festgelegt, die Ausgaben der Krankenkassen und ihrer Verbände zur Förderung der Selbsthilfe ab 2016 je Versicherten auf 1,05 Euro zu erhöhen.
Im Gesundheitsbericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) werde von derzeit 70.000 bis 100.000 Selbsthilfegruppen mit rund drei Millionen Teilnehmern ausgegangen. In Deutschland gibt es außerdem 296 Selbsthilfekontaktstellen und -unterstützungsstellen mit zusätzlich 46 Außenstellen.
Die Größe der Selbsthilfegruppen und -organisationen ist nach Angaben der Regierung sehr unterschiedlich. So hätten in Hamburg die Selbsthilfegruppen zwischen vier und 790 Mitgliedern. Dachverbände oder bundesweite Selbsthilfeorganisationen kämen auf bis zu rund 50.000 Mitglieder.
Berlin, Köln (epd). Für ihr Engagement zur Suchtprävention sind bundesweit elf Kommunen ausgezeichnet worden. Ziel des Bundeswettbewerbs "Vorbildliche Strategien kommunaler Suchtprävention" sei es, kommunale Ansätze und Projekte der Suchtvorbeugung herauszustellen und zur Nachahmung zu motivieren, teilte die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) am 23. Juni in Berlin mit. Auslober des Wettbewerbs sind neben der Bundeszentrale der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, der Verband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) und das Bundesgesundheitsministerium. Der Wettbewerb fand in diesem Jahr zum siebten Mal statt.
Jeweils 10.000 Euro bekamen am Mittwochabend in Berlin der Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, die Gemeinde St. Leon-Rot (Baden-Württemberg) und der Landkreis Offenbach. Bremen, die Ortsgemeinde Insheim (Rheinland-Pfalz) sowie die bayrischen Landkreise Neustadt, Tirschenreuth und die Stadt Weiden erhielten jeweils 6.000 Euro. Mit jeweils 4.000 Euro wurden Dessau-Roßlau, der Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald (Baden-Württemberg) und der sächsische Landkreis Görlitz für ihre Suchtpräventionsprojekte geehrt.
Der mit jeweils 5.000 Euro dotierte Sonderpreis der Krankenkassen ging an Hamburg und den Neckar-Odenwald-Kreis (Baden-Württemberg). Die Wettbewerbsbeiträge zeigen in beeindruckender Weise, was mit Einsatz für die Sache vor Ort möglich ist, erklärte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU). In der Kommune, da wo die Menschen lebten, werde die Vorbeugung von Suchtkrankheiten erst richtig sichtbar.
Schwerte (epd). Die nordrhein-westfälische Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) hat zu mehr Integration von demenzkranken Menschen aufgerufen. Durch eine aktive Teilnahme im Alltag könne die Krankheitsverlauf verzögert werden, sagte Steffens am 23. Juni in Schwerte. "Menschen mit Demenz gehören in die Mitte der Gesellschaft, nicht ausgegrenzt", unterstrich die Ministerin. Viele Menschen hätten noch nicht gelernt, mit Demenzbetroffenen umzugehen. Diese sollten so lange wie möglich in ihrer vertrauten Umgebung leben können.
Demenzerkrankungen ließen sich zwar nicht verhindern, der Ausbruch der Krankheit könne jedoch verzögert werden, sagte Steffens. Zur Prävention gehörten Bewegung, geistige Aktivität, gesunde Ernährung und soziale Kontakte. Risikofaktoren seien hingegen Diabetes, Bluthochdruck und Rauchen. Neben Aufklärung zum Thema Demenz soll deshalb auch die Gesundheitskompetenz der Menschen in NRW verbessert werden.
Der Umgang mit Demenz sei eine große Herausforderung für die gesamte Gesellschaft, sagte Steffens auf der Jahrestagung der Landesinitiative Demenz-Service NRW. In Nordrhein-Westfalen leben laut Gesundheitsministerin rund 300.000 Menschen mit Demenz. Bis zum Jahr 2013 wird die Zahl Prognosen zufolge auf 450.000 steigen.
Mainz (epd). Der rheinland-pfälzische Sozialministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) hat sich erneut hinter die Pflegeeinrichtungen im Land und deren Mitarbeiter gestellt. "Wir sollten uns dagegen wehren, dass die Arbeit der Pflegenden immer wieder schlechtgeredet wird", sagte sie am 23. Juni in der Fragestunde des Mainzer Landtags. Anders als in jüngsten Presseberichten behauptet, gebe es im Land kein generelles Qualitätsproblem in der Pflege, und auch die Kontrolle funktioniere. Mit der größeren Öffnung von Heimen zur jeweiligen Nachbarschaft, der Begrenzung der Leiharbeit und mit Aufnahmestopps für personell schlecht ausgestattete Heime seien im Land wichtige Schritte erfolgt.
"Wir haben gute Instrumente zur Qualitätssicherung, da brauchen wir keinen methodisch fragwürdigen Ländervergleich", sagte die Ministerin mit Blick auf Berichte von Anfang des Monats. Eine länderübergreifende Auswertung der Pflegeheim-Prüfberichte hatte für Rheinland-Pfalz den bundesweit höchsten Prozentsatz beanstandeter Heime bei gleichzeitig überdurchschnittlich hohen Kosten ergeben. Bätzing-Lichtenthäler betonte dazu im Landtag erneut, die Vergabe von Pflegenoten entspreche keinen wissenschaftlichen Standards und sage nichts über die Qualität der Pflege, sondern bestenfalls über die Qualität der Pflegedokumentation aus.
"Es gibt keine neuen Erkenntnisse, nur eine aktuelle Berichterstattung", sagte die Ministerin. Das Thema war von der CDU auf die Tagesordnung der Landtagsfragestunde gesetzt worden.
Mainz (epd). In Rheinland-Pfalz halten sich zurzeit noch rund 6.000 Flüchtlinge auf, die wegen des Personalmangels beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) keinen Asylantrag stellen konnten. Mittlerweile sei eine Vereinbarung mit der BAMF-Außenstelle im Saarland getroffen worden, nach der dort auch Anträge aus Rheinland-Pfalz bearbeitet werden sollen, sagte Integrationsministerin Anne Spiegel (Grüne) am 22. Juni im Mainzer Landtag.
Die Landesregierung sei zuversichtlich, dass die große Zahl sogenannter Altfälle bald abgearbeitet werden könne. Insgesamt gibt es im Land derzeit 17.000 Flüchtlinge, die auf den Ausgang ihres Asylverfahrens warten.
In der Aktuellen Stunde des Landtags ging es außerdem um die von Rheinland-Pfalz abgelehnte Erweiterung der Liste sogenannter sicherer Herkunftsländer um Marokko, Algerien und Tunesien. Abgeordnete von AfD und CDU warfen dem Land vor, Anreize für Menschen aus diesen Ländern zu schaffen, ohne Aussicht auf Anerkennung als Asylbewerber trotzdem nach Europa zu kommen. "Armutsmigration ist kein Menschenrecht", sagte der CDU-Abgeordnete Adolf Kessel.
Die rheinland-pfälzische Ampel-Regierung hatte in der vergangenen Woche kurz vor der abgesetzten Bundesratsabstimmung über die Maghrebstaaten entschieden, sich wegen Bedenken der Grünen in Berlin der Stimme zu enthalten. Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Bernhard Braun sagte, ein Land werde nicht dadurch sicher, dass man es für sicher erkläre. Die Verfolgung von missliebigen Journalisten oder Angehörigen von Minderheiten in den nordafrikanischen Staaten sei unbestritten: "Das sind Tatsachen."
Vertreter der Ampel-Koalition sehen die Verantwortung für die geplatzte Abstimmung beim Bundeskanzleramt. Die Mehrheitsverhältnisse in den Ländern und die Vorbehalte der Grünen seien allgemein bekannt gewesen.
Dresden, Frankfurt (epd). Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl und der sächsische Flüchtlingsrat haben die verschärfte Abschiebepraxis in Sachsen kritisiert. Innenminister Markus Ulbig (CDU) wolle vor allem hohe Abschiebezahlen verkünden und nehme dafür auch Trennungen von Familien und eine Gesundheitsgefährdung von Betroffenen in Kauf, kritisierten die Initiativen am 20. Juni in einer in Frankfurt am Main verbreiteten gemeinsamen Erklärung. Kaum irgendwo werde derzeit "so brutal abgeschoben wie in Sachsen", heißt es darin.
Dem Minister werfen die Flüchtlingsinitiativen vor, sich gegenüber der Partei AfD und der asylfeindlichen "Pegida"-Bewegung als "handlungsfähiger Politiker profilieren" zu wollen. Fälle von April und Mai belegten, dass sächsische Behörden bei der Abschiebung auch Familientrennungen hinnehmen. Zudem seien ernsthafte gesundheitliche Probleme offenbar kein Abschiebehindernis, denn sie würden häufig ignoriert.
Nach Ansicht der Initiativen verstoßen auch sächsische Gerichte gegen das Grundgesetz, das den Schutz der Familie festschreibt, sowie gegen die UN-Kinderrechtskonvention. Abschiebungen bei Nacht und Nebel ohne Ankündigung eines konkreten Termins würden zwar auch außerhalb Sachsens zunehmen. Der Freistaat scheine jedoch häufiger Abschiebungen zu vollziehen, bei denen Familien getrennt werden. Mehrere Fälle seien den Initiativen bereits bekannt, hieß es.
Berlin (epd). Im öffentlichen Dienst Berlins steigt die Zahl der Auszubildenden aus Einwandererfamilien. So hatten von den 1.304 Azubis bei öffentlichen Arbeitgebern im Jahr 2015 insgesamt 19,5 Prozent einen Migrationshintergrund, teilte die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen am 23. Juni in Berlin mit. Im Vorjahr waren es noch 17,6 Prozent.
Trotz des Fortschritts sieht der Beauftragte des Senats für Integration und Migration, Andreas Germershausen, noch Handlungsbedarf. Der Anstieg werde gegenwärtig nur von wenigen Zugpferden im öffentlichen Dienst getragen, betonte Germershausen. In anderen Verwaltungen sei dagegen ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen.
So ist die Zahl der neueingestellten Auszubildenden mit Migrationshintergrund bei der Senatsinnenverwaltung auf 16,2 Prozent (Vorjahr 25,4 Prozent) gesunken. Auch bei der Mehrzahl der Bezirksämter ging der Anteil auf 14,8 Prozent (Vorjahr 21,2 Prozent) zurück.
"Schon heute liegt der Anteil an Jugendlichen mit Migrationshintergrund unter den 21-Jährigen in der Hauptstadt bei 43 Prozent", betonte der Senatsbeauftragte. Für eine gelungene Integration sei der Übergang in den Arbeitsmarkt sehr wichtig.
Der größte Arbeitgeber war 2015 mit 504 Auszubildenden die Berliner Polizei, bei der der Anteil von jungen Erwachsenen aus Einwandererfamilien von 22,6 Prozent auf 26,8 Prozent wuchs. Erstmals überschritt die Polizei damit die vom Senat anvisierte Zielmarke von 25 Prozent. Auch die Bezirksämter Friedrichshain-Kreuzberg und Spandau lagen mit 29,4 Prozent beziehungsweise 26,7 Prozent darüber.
Wiesbaden (epd). Die hessische Landesregierung baut das Angebot an Ganztagsschulen oder Nachmittagsbetreuung im kommenden Schuljahr weiter aus. Damit reagiere sie auf den Wunsch vieler Eltern nach besserer Vereinbarkeit von Beruf und Familie und eine bessere individuelle Förderung für die einzelnen Schüler, sagte Kultusminister Alexander Lorz (CDU) am 21. Juni in Wiesbaden. Nach seinen Worten werden im Schuljahr 2016/17 bereits 63 Prozent der hessischen Schulen über Ganztagsangebote verfügen.
Priorität hätten dabei die Grundschulen, betonte Lorz. In diesem Bereich habe auch allen Anträgen betroffener Schulen entsprochen werden können. Dennoch hätten erst 51 Prozent der hessischen Grundschulen Ganztagsangebote. Bei den weiterführenden Schulen sei der Bedarf dagegen noch immer größer als die personellen, finanziellen und manchmal auch räumlichen Möglichkeiten.
Insgesamt wurden nach Angaben des Ministers 110 Schulen neu in das Ganztagsprogramm aufgenommen. Der weitaus überwiegende Teil von 65 dieser Schulen nimmt neu am sogenannten Pakt für den Nachmittag teil, bei dem sich Land und Kommunen die Kosten für die Betreuung teilen. 34 Schulen wurden neu ins reguläre Ganztagsschulprogramm des Landes aufgenommen, 11 weitere über das letztes Jahr vom Landtag verabschiedete Aktionsprogramm für Flüchtlinge und gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Berlin (epd). Es ist kaum zu glauben, dass es Mohammed geschafft hat, im Rollstuhl aus Syrien über die Balkanroute nach Deutschland zu kommen. Sein Neffe hat zwar den jungen Syrer die ganze Zeit unterstützt, aber eine so gefährliche Reise ohne Beine und mit nur einem Arm anzutreten, dazu gehört schon besonders viel Mut. Weil Mohammed, der seinen Nachnamen nicht sagen will, in seinem Beruf als Tischler nicht mehr arbeiten kann, will er nun möglichst schnell Deutsch lernen und dann Grafikdesign studieren.
Mohammed hatte in Deutschland Glück: Kurz nach seiner Ankunft durfte er in ein Heim für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge einziehen. Davor war Mohammed in einer Erstaufnahmeeinrichtung. "Die war viel größer, es gab viel mehr Menschen - und sehr viele Spannungen", sagt er. "Außerdem war sie nicht rollstuhlgerecht."
Als besonders schutzbedürftig gelten nach der EU-Aufnahmerichtlinie Menschen mit Behinderung, psychisch oder chronisch kranke Personen, Minderjährige, Alleinerziehende, allein reisende Frauen, Alte und Opfer von Gewalt und Menschenhandel. Das Heim, in dem Mohammed wohnt, ist eines von fünf seiner Art in Berlin. Es hat 300 Plätze. Vor allem Kranke, Traumatisierte und Menschen mit Behinderungen wohnen hier. Die Nachfrage übersteigt das Angebot bei weitem, erklärt Heimleiter Wolfgang Keller: "Wir bekommen fast täglich Anfragen, die wir nicht befriedigen können."
Nach Angaben des Berliner Netzwerks für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge (BNS) gibt es in Berlin zurzeit einen Bedarf von rund 28.000 Heimplätzen für Geflüchtete. Etwa 30 bis 50 Prozent der Flüchtlinge erfüllen laut Sven Veigel-Sternberger vom BNS die Kriterien für besondere Schutzbedürftigkeit. Derzeit könne nicht einmal ein Viertel davon gemäß den EU-Richtlinien untergebracht werden. Auch in anderen Bundesländern ist der Bedarf nicht gedeckt.
Dafür, dass sich das ändert, wolle er sich persönlich einsetzen, sagt der Präsident des Bundesverbandes der Diakonie, Ulrich Lilie: "Es muss verpflichtend werden, dass Leute, die besonderen Schutz brauchen, ihn auch bekommen." Lilie ist sichtlich beeindruckt, als er da auf Mohammeds Bett im Erdgeschoss des kleinen Containerwohnheims am Berliner Stadtrand sitzt. Diakoniechef Lilie ist in die Einrichtung gekommen, um sich einen persönlichen Eindruck von der Arbeit vor Ort zu verschaffen.
In Heimen für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge haben die Bewohner mehr Privatsphäre als in vielen Regeleinrichtungen. Der Personalschlüssel ist etwa eineinhalb mal höher als in anderen Flüchtlingsheimen. Außerdem gibt es barrierefreie oder zumindest barrierearme Zimmer und Waschräume.
Das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) zahlt dem Betreiber der Einrichtung, der Milaa gGmbH, 15 Euro pro Tag pro Flüchtling. Das sei nicht genug, um die Kosten zu decken. Laut Geschäftsführerin Jeanne Grabner erhalten andere Träger bis zu 50 Euro. Immerhin habe das LaGeSo nun dem diakonischen Träger zugesagt, den Satz ab Juli auf 20 Euro aufzustocken. "Dann können wir endlich unseren Personalschlüssel erhöhen", sagt Grabner. Bisher kümmern sich zwölf Mitarbeiter um die 300 Bewohner, 15 sollen es werden.
Probleme entstehen, wenn ein Flüchtling aus dem Krankenhaus entlassen wird und übergangsweise Kurzzeitpflege braucht. "Dafür reichen unsere personellen und finanziellen Kapazitäten nicht", sagt Grabner. Muss ein Bewohner in Behandlung, etwa in eine psychiatrische Klinik, wird sein Heimplatz für die Zeit seiner Abwesenheit nicht weiterfinanziert. Neu belegt wird er trotzdem nicht, sagt Heimleiter Keller: "Sonst würde der Patient, wenn er einigermaßen wiederhergestellt ist, in die Obdachlosigkeit entlassen."
Sven Veigel-Sternberger vom Berliner Netzwerk für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge geht davon aus, dass der Bedarf an Plätzen in Einrichtungen für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge sinken würde, wenn die Standards in der Regelunterbringung höher wären. Auch Diakoniechef Lilie ist sicher, dass es dann weniger Probleme in Flüchtlingsunterkünften gäbe: "Wir fordern schon lange, dass auch in den Regeleinrichtungen abschließbare Wohn- und Waschräume, außerdem für Männer und Frauen getrennte Wasch- und Duschräume Standard sind."
Als Lilie den Sportraum der Einrichtung besichtigt, kommt Mohammed mit seinem Rollstuhl vorbeigefahren. Ob der Diakoniechef ihm helfen könne, eine richtige Wohnung zu finden, fragt er direkt. Versprechen könne er nichts, sagt Lilie. Aber er könne sich erkundigen.
Berlin (epd). Wirtschaftlich erfolgreiche Krankenhäuser verfolgen nach einer Studie in der Regel vorausschauende Strategien und zeigen Mut bei Investitionsentscheidungen. Hingegen erzielten Kliniken, die in erster Linie auf die Verbesserung interner Abläufe setzen, seltener finanzielle Überschüsse. Zu diesem Ergebnis kommt eine am 21. Juni auf der gemeinsamen Jahrestagung der beiden christlichen Krankenhausverbände in Berlin vorgestellte Studie der Technischen Universität Dortmund und der TU Berlin, die das strategische Verhalten der konfessionellen Krankenhäuser in Deutschland untersuchte. An der Studie beteiligten sich nach den Angaben von Mai bis Oktober des vergangenen Jahres 102 Krankenhäuser.
Vor dem Hintergrund, dass die umfassenden Krankenhausreformen der vergangenen Jahre zum Ziel haben, den Wettbewerb im stationären Gesundheitswesen zu intensivieren, sei die Entscheidung für die richtige Unternehmensstrategie entscheidend für die Zukunftschancen des jeweiligen Hauses, sagte die Studienautorin Maximiliane Wilkesmann von der TU Dortmund dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die meisten Krankenhäuser seien bereits heute mit "ausgeprägten Finanzierungsengpässen" konfrontiert. Gerade deshalb sei eine Überprüfung der strategischen Positionierung "essenziell, um den langfristigen Fortbestand des Krankenhauses zu sichern".
Die 640 christlichen Krankenhäuser, die knapp ein Drittel der fast 2.000 Kliniken in Deutschland ausmachen, weisen laut der Studie große Unterschiede bei der Strategieauswahl und ihrer Umsetzung aus. Dabei stellten die Wissenschaftler, Maximiliane Wilkesmann und Maik Lachmann von der TU Berlin, fest, dass der Wettbewerbsdruck der Kliniken sich je nach Region deutlich unterscheidet. Danach ist der Wettbewerb in Nordrhein-Westfalen am intensivsten.
Insgesamt befassen sich die meisten christlichen Krankenhäuser umfassend mit strategischen Fragestellungen und positionieren sich entsprechend in der Krankenhauslandschaft, wie die Autoren schreiben. Als zentrale Erkenntnisse der Studie halten sie fest: Bei der Mehrheit der Klinikmanager steht die Erhöhung der Versorgungsqualität im Fokus. Daher setzten sie überwiegend darauf, in Zusammenarbeit mit leitenden Ärzten neue Produkte und Leistungen zu entwickeln.
Gemeinsam ist vielen christlichen Krankenhäusern, dass sie Wachstum anstreben. Dies geschieht, indem sie neue medizinische Abteilungen aufbauen, Spezialzentren gründen und die ambulanten Dienste ausweiten. Nur jedes zehnte Krankenhaus (neun Prozent) hat in den vergangenen fünf Jahren Abteilungen geschlossen.
Um den Erfolg des strategischen Kurses zu kontrollieren, lassen sich die Geschäftsführer in der Regel monatlich einen Bericht über die Liquiditätsentwicklung des Klinikbetriebs sowie über die durchschnittliche Verweildauer der Patienten vorlegen. Daneben würden ihnen auch häufig Rückmeldungen von Patienten wie Beschwerden, Lob oder Anregungen berichtet.
Evangelische und katholische Krankenhäuser wollen laut der Studie meist auch als christliche Häuser für die Patienten klar erkennbar sein. Dabei habe für 81 Prozent der befragten Häuser ein "fundiertes Seelsorgekonzept" einen hohen Stellenwert. Außerdem werde darauf geachtet, Führungskräfte mit christlichen Wertvorstellungen einzustellen. Denn sie sollen das Krankenhaus entlang christlich-ethischer Prinzipien leiten.
Die Autoren kennzeichnen jedes fünfte Krankenhaus (21 Prozent) als strategische Pioniere. Diese zeichneten sich dadurch aus, dass sie potenzielle Marktchancen frühzeitig erkennen und ausschöpfen. Jede vierte Klinik (24 Prozent) verfolgt demnach defensive Strategien, die sich auf die Optimierung bestehender interner Prozesse konzentrieren. Bei ihnen ist der Organisationsaufbau stark zentralisiert, und die interne Organisation erfolgt entlang hierarchischer Strukturen, wie es in der Studie heißt.
Mit 13 Prozent stellen Kliniken, in denen "umsichtige Analysten-Strategien" verfolgt werden, die kleinste Gruppe. Dort versuchten die Geschäftsführer, mögliche Risiken auf der einen und Profitchancen auf der anderen Seite auszubalancieren. In den übrigen Häusern werden laut Studie Mischformen dieser drei Strategietypen angewandt.
Die Krankenhäuser treffen ihre strategischen Entscheidungen vor dem Hintergrund sehr unterschiedlicher Wettbewerbsintensitäten in den Städten und Landkreisen. So benutzen die Studienautoren als "objektives Messinstrument" hierfür die Anzahl der Konkurrenten im näheren Umfeld des Krankenhauses. In etwa die Hälfte der Krankenhäuser (53 Prozent) weist nach den Angaben in einem Umkreis von 30 Kilometern zehn Krankenhäuser oder weniger auf (geringe Wettbewerbsintensität). Unter hohem Druck stehen Krankenhäuser, die in ihrer direkten Umgebung mit mehr als 50 Krankenhäusern konkurrieren (zehn Prozent). Jeder vierte Klinikmanager (26 Prozent) stimmte in der Befragung folgender Aussage zu: "Die Marktsituation ist sehr angespannt; ein falscher Schritt kann zum finanziellen Ruin führen."
Berlin (epd). Karl-Josef Laumann outete sich auf der Jahrestagung der 640 konfessionellen Krankenhäuser in Deutschland am 22. Juni in Berlin als "Fan christlicher Kliniken". Allerdings zeigte sich der Patientenbeauftragte und frühere NRW-Gesundheitsminister als Fan, der nicht ganz zufrieden ist und der deshalb Forderungen stellt. So gibt es nach der Auffassung des katholischen CDU-Politikers noch zu viel unnötiges Konkurrenzverhalten zwischen evangelischen und katholischen Häusern. Laumann empfahl mehr Kooperation, Absprachen und ökumenische Klinikverbünde. "Wir leben doch nicht in Zeiten der Reformation", drückte er sein Unverständnis aus.
Die Vertreter der christlichen Krankenhäuser empfanden Laumanns Kritik als überzogen und nicht ganz durch die Wirklichkeit gedeckt. So verwies Christoph Radbruch als Vorsitzender des evangelischen Klinikverbandes DEKV auf seine persönlichen Erfahrungen in Magdeburg. Dort betreibe seine Klinik, die Pfeifferschen Stiftungen, seit vielen Jahren mit der Caritas eine gemeinsame Gesellschaft. Auch zeigten die offiziellen Statistiken, dass die Zahl der kleinen Einzelhäuser zugunsten von Klinikverbünden zurückgehe. Dennoch räumte Radbruch ein, dass der Wille zur Kooperation nicht ausreichend vorhanden sei. Er machte hierfür aber weniger die Manager der christlichen Häuser verantwortlich als vielmehr ihre klerikalen Aufsichtsräte, wenn diese mehr auf Prinzipien als auf betriebswirtschaftliche Notwendigkeiten achteten.
Der Sozialpolitiker Laumann rechnet es den kirchlichen Krankenhäusern hoch an, dass sie Wert auf ordentliche Löhne legten. "In Regionen, in denen christliche Häuser stark sind, gilt weitgehend Tarifbindung. Da gelingt es den Privaten nicht, bis zum Geht-nicht-mehr die Löhne zu drücken", polterte Laumann. Dennoch ist klar: Für die 640 kirchlichen Krankenhäuser gelten die gleichen Rahmenbedingungen wie für die übrigen rund 1.350 Krankenhäuser in Deutschland. Oder, wie es der AOK-Bundesvorsitzende Martin Litsch sagte: "Gemeinnützige Häuser dürfen nicht teurer sein."
Wie können sich christliche Krankenhäuser unter diesen Bedingungen profilieren? Was macht sie für Patienten zum Krankenhaus ihrer Wahl? Radbruch stellte dazu klar: "Die Menschen kommen nicht zu uns, weil wir evangelisch oder katholisch sind." Sie kämen, weil sie gute fachliche Qualität erwarteten - und außerdem menschliche Zuwendung. Und beim letzten Aspekt könnten die christlichen Häuser punkten, denn laut Radbruch ist dies weniger eine Frage des Personalschlüssels als vielmehr der "Haltung der Beschäftigten". Zugleich sei dies eine besondere Schwierigkeit für die Geschäftsleitungen, denn "Haltung", ein gemeinsamer spirit der Belegschaft, sei nicht durch herkömmliche Managementmethoden zu erzielen.
Als einen Vorzug christlicher Krankenhäuser stellte Ansgar Veer vom katholischen Krankenhausverband KKVD heraus, dass sie mit ihren Gewinnen keine share-holder-values bedienten. "Wir investieren unsere Gewinne in unsere Einrichtungen." Damit fließe das Geld zurück an Patienten und Beschäftigte.
Laumann machte den Kliniken einen weiteren Vorwurf: "Viele fürchten Transparenz wie der Teufel das Weihwasser." Er wünsche sich mehr Internetauftritte von Krankenhäusern, in denen sie ihre Qualität in nachvollziehbarer Weise und für Laien verständlich darstellten. Und für ihre Lobby, die Krankenhausgesellschaft, hatte er auch noch einen Rat: Sie solle nicht ständig jammern. "Denn wer ständig jammert, dem glaubt man nicht."
Es gab auch Einigkeit zwischen dem Politiker, der AOK und den Klinikvertretern: nämlich in der Klage über den Investitionsstau. Die Bundesländer, die nach dem Gesetz für die Investitionsfinanzierung zuständig sind, verweigerten hier seit Jahren die Mittel. Dies habe zur Folge, dass die Kliniken Geld für Sanierungszwecke ausgeben, das ihnen dann an anderer Stelle fehlt.
Ein Defizitbereich soll nun mit dem Krankenhausstrukturgesetz ab 2017 angegangen werden: Die Behandlung der vielen Notfälle, die Krankenhäuser aufnehmen, weil sie von den ambulant tätigen Ärzten nicht ausreichend versorgt werden, wird ab 2017 höher vergütet.
Berlin (epd). Für vorbildliche Öffentlichkeitsaktionen erhielten konfessionelle Krankenhäuser den undotierten PR-Preis der Christlichen Krankenhäuser in Deutschland (CKiD). Er wurde ihnen am 21. Juni in Berlin auf der CKiD-Jahrestagung verliehen. Eine Jury aus PR-Profis und Journalisten hatte dazu unter 32 Einsendungen in fünf Kategorien die Sieger bestimmt.
In der Kategorie Print siegte die Barmherzige Brüder Trier gGmbH (BBT), die in der 52 starken Imagebroschüre "Dienst. Gemeinschaft. Leben" mit ihrem katholischen Profil um Fachkräfte wirbt. Sie tut dies nach Auffassung der Jury "mit großem christlichen Selbstbewusstsein und in einer sehr ansprechenden Bildsprache". In der Kategorie Hörfunk ging der Preis an das Sankt Elisabeth Hospital in Gütersloh, das in einem wöchentlichen Radiobeitrag den Bürgern der Stadt Gesundheitstipps gibt.
Außerdem ging ein Preis an das Agaplesion Bethesda Krankenhaus in Wuppertal. Die Klinik überzeugte die Jury mit dem Video-Clip "So wirst du Lebensretter". Darin demonstrierte ein junger Agaplesion-Mitarbeiter auf spielerische Weise Erste-Hilfe-Maßnahmen. Ferner zeichnete die Jury das nach ihrem Urteil "sehr eindrucksvolle Projekt Personalanzeigen" des Theodor-Wenzel-Werks in Berlin aus. Die Klinik werbe auf ihrer Homepage mit einer "sehr innovativen und mutigen Bildsprache" um Stellenbewerber.
Ein Sonderpreis ging an den neuen Gesundheitsverbund Hamm, zu dem sich das katholische St. Marien-Hospital und das Evangelische Krankenhaus zusammengeschlossen haben. Der Sonderpreis wurde hier für eine Doppelleistung vergeben: Denn, so die Begründung, "es handelt sich um ein großes und noch nie dagewesenes ökumenisches Strategie-Projekt". Zum zweiten seien die betrieblichen Veränderungen durch den neuen Klinikverbund sehr gut nach innen wie nach außen kommuniziert worden.
Hannover (epd). Zwischen Regalen mit Brot, Wurst, Nudeln, Gemüse und Hygieneartikeln sitzt im Dorfladen Bolzum bei Hannover eine alte Dame auf ihrem Rollator. Sie unterhält sich angeregt mit einem Ehepaar. "Wenn's geht, komme ich jeden Tag hierher", erzählt die 82-Jährige. "Ich husche dann mal schnell um die Ecke und kaufe alles für den täglichen Gebrauch." Sogar ihren Geburtstag hat die Stammkundin schon in dem Café mit den alten Holzbalken gefeiert, das zum Dorfladen gehört. Eine Bürgerinitiative hat den Laden vor gut einem Jahr eröffnet.
Er ist einer von mehr als 200 Dorfläden in Deutschland. Das Besondere: Sie alle dienen nicht dem Profit. Und sie alle entstehen eigentlich aus der Not heraus.
So war es auch in Bolzum. Denn als vor drei Jahren der Bäcker dicht machte, gab es in dem niedersächsischen 1.200-Einwohner-Dorf plötzlich keine Einkaufsmöglichkeit mehr, wie Frauke Lehrke erzählt. Sie gehört zur Gruppe der Ladengründer und hat vor zwei Monaten die Marktleitung übernommen. "Auf einer Dorfversammlung kam heraus, dass wir einen neuen Bäcker und einen Treffpunkt haben wollten", sagt die 35-Jährige. Also nahm sie Kontakt zu anderen Dorfläden auf.
Allein in Bayern gibt es 130 solcher Laden-Initiativen. Die meisten werden von den Dorfeinwohnern als genossenschaftliches Modell betrieben. "Das Fundament ist, dass möglichst viele Bürger sich beteiligen, mit Zeit und Kapital", erläutert Günter Lühning aus dem niedersächsischen Otersen bei Verden. Er ist Vorsitzender des Dachverbands "Bundesvereinigung multifunktionaler Dorfläden", der sich im vergangenen Januar auf der Internationalen Grünen Woche in Berlin gegründet hat.
Auch in Bolzum haben alle mit angepackt. Ein altes Haus wurde gekauft und gemeinschaftlich kernsaniert. Insgesamt 210 Bürger haben Geld in den Dorfladen investiert. "Hier spielt ein Vertrauen eine große Rolle, das es sicherlich nur noch auf dem Dorf gibt", sagt Frauke Lehrke.
Mittlerweile arbeiten in dem 150 Quadratmeter großen Laden vier Teilzeitkräfte, fünf Mini-Jobber und rund 25 Ehrenamtliche. Die Arbeit macht ihr Spaß, sagt Lehrke. "Wir bekommen hinterher immer einen Kaffee und tauschen Kochrezepte aus." Der Dorfladen als Treffpunkt. Für Lehrke ist er außerdem "ein Aufbäumen gegen das Sterben der Dörfer".
Ingrid Heineking ist Raumplanerin und forscht an der Universität Hannover zur Nahversorgung im ländlichen Raum. Es gebe viele Faktoren, warum immer mehr kleine Läden auf dem Dorf schließen, sagt sie: Dazu gehören der Discounter am Ortsrand, der eine größere Auswahl zu niedrigeren Preisen anbietet, oder der Ladenbesitzer, der keinen Nachfolger findet. "Aber auch die Bevölkerung, der bewusst sein muss, wie wichtig ihr dieser Laden ist und dann nicht auf dem Weg zur Arbeit beim Discounter einkauft."
Einer der großen Unterschiede zum Dorfleben vor 20 oder 30 Jahren sei die Mobilität, sagt Heineking. Bis auf die ganz alten und ganz jungen Menschen kann jeder selbst entscheiden, wo er einkauft. Und noch etwas ist anders als früher: "Die Lebensentwürfe auf dem Land unterscheiden sich kaum noch von denen in der Stadt." Auch auf dem Dorf wollen die Menschen Bioprodukte kaufen und wünschen sich eine große Auswahl.
Ein Dorfladen steht für Austausch und Gemeinschaft. "Aber es gibt auch viele Orte, die ihre Bewohner nicht dazu bekommen, sich für einen Dorfladen zu engagieren", sagt Heineking.
Für Günter Lühning sind die Dorfladen-Initiativen dennoch ein Trend. Als er selbst vor 15 Jahren einen Laden in Otersen gründete, erntete er erst mal Spott und Skepsis. "In den vergangenen Jahren hat sich dieser Trend verstärkt, heute belächelt uns keiner mehr." Deutschlandweit kontaktieren neue Initiativen den Dachverbandsvorsitzenden und bitten um Beratung. Auch in Ostdeutschland, wo es bisher kaum Dorfläden gab, stünden neue Gründungen an.
Wie es mit dem Trend weitergeht, kann Lühning nicht abschätzen. "Die Nachfrage nach Selbsthilfeeinrichtungen wird immer größer, ob aber alle überleben werden, lässt sich erst in fünf oder zehn Jahren sagen." Für seinen Laden in Otersen wird es mit Sicherheit eine Zukunft geben, denn für Lühning ist klar: "Ich bin in Otersen geboren und will da alt werden, deswegen engagiere ich mich."
Braunschweig, Freiburg (epd). Die Altenpflege in Deutschland ist aus Sicht des Freiburger Altersforschers Thomas Klie zu stark vom wirtschaftlichen Konkurrenzkampf dominiert. Einrichtungen und Anbieter stünden in einem ständigen Wettbewerb, sagte der Gerontologe am Rande einer Tagung der evangelischen Altenhilfe in Niedersachsen in Braunschweig dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das führe dazu, dass eigentlich keiner mehr die Gesamtverantwortung dafür trage, dass ein Mensch rund um die Uhr versorgt werde.
Die Folge seien schlimmstenfalls auch "menschenrechtliche Probleme", warnte der Wissenschaftler. Etwa 20 Prozent der Demenzkranken, die zu Hause versorgt würden, seien eingesperrt oder mit Medikamenten ruhiggestellt.
Deutschland habe im internationalen Vergleich eine hohe Quote pflegender Familienangehörigen, erläuterte Klie. Die Aufgabe werde mehrheitlich von Frauen wahrgenommen. Künftig werde allerdings auch aufgrund der zunehmenden Berufstätigkeit von Frauen eine immer größere Lücke klaffen zwischen denjenigen, die auf Pflege angewiesen seien, und denen, die diese Aufgabe noch übernähmen.
Viele pflegende Angehörige mache diese Aufgabe krank und depressiv, mahnte der Wissenschaftler der Evangelischen Hochschule Freiburg. Zudem würden im Jahr 2030 den Prognosen zufolge allein in der stationären Langzeitpflege schätzungsweise eine halbe Million Pflegekräfte fehlen. Die Reform der Pflegeversicherung, die er grundsätzlich begrüße, gehe auf viele dieser Probleme noch nicht ein. Neue politische Konzepte würden dringend gebraucht.
Bei der Altenpflege sollte sich Deutschland etwa stärker an kommunalen Strukturen orientieren, forderte Klie. Nur wenn der unterschiedliche Unterstützungs- und Pflegebedarf in den Regionen berücksichtigt werde, könne die Pflege dort künftig gesichert werden. Skandinavische Länder oder die Niederlande, die dieses Konzept bereits umsetzten, stünden sehr viel besser da.
Klie sprach bei der Jahrestagung des Niedersächsischen Evangelischen Verbandes für Altenhilfe und Pflege (NEVAP). Zu dem Fachverband gehören 170 Träger mit 293 ambulanten, teilstationären und stationären Einrichtungen.
Berlin (epd). Das Forschungsprojekt der katholischen Kirche zum sexuellen Missbrauch durch Priester, Diakone und Ordensangehörige wird um eine Online-Befragung ergänzt. Wie die Forschungsleiter Harald Dreßing und Dieter Dölling am 21. Juni in Berlin mitteilten, werde dazu ein Fragebogen ins Internet gestellt, der helfen soll, das Dunkelfeld von Missbrauchstaten besser zu beleuchten. Angesprochen sind Betroffene, die dort anonym Angaben zu ihren Erfahrungen machen können.
Die Befragung startet am 27. Juni und soll Ende Juni 2017 enden. Die Online-Umfrage als Teil des Forschungsprojekts erfolgt den Angaben zufolge in Kooperation mit dem Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig.
Mit dem Forschungsprojekt zum sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche sollen Umfang und Strukturen von Taten sowie die Folgen für die Betroffenen systematisch aufgearbeitet werden. Das Forschungsprojekt wertet dazu Personalakten aus und befragt Menschen, die Opfer sexuellen Missbrauchs durch Priester, Diakone oder männliche Ordensangehörige wurden. Beauftragt wurden die Forscher von der katholischen Kirche selbst. Das Projekt läuft noch bis Ende 2017.
Berlin (epd). In Deutschland werden immer mehr Frauen und Mädchen nach Angaben der Hilfsorganisation "Terre des Femmes" Opfer von Genitalverstümmelungen. Die Zahl der Betroffenen und Gefährdeten steige hierzulande drastisch an, teilte die Menschenrechtsorganisation am 20. Juni in Berlin mit.
Derzeit gebe es über 48.000 von Genitalverstümmelung betroffene Frauen sowie mehr als 9.300 gefährdete Mädchen in der Bundesrepublik. Im Vergleich zu 2014 sei das ein Anstieg um 37 Prozent bei den Betroffenen und um 57 Prozent bei den Gefährdeten, rechnete "Terre des Femmes" vor. Zurückzuführen sei das vor allem auf verstärkte Migration aus Ländern wie Eritrea oder Somalia, wo weibliche Genitalverstümmelung besonders häufig vorkomme. In Eritrea seien 89 Prozent aller Frauen davon betroffen, in Somalia 98 Prozent.
Weibliche Genitalverstümmelung sei eine schwere Menschenrechtsverletzung mit lebenslanger Auswirkung. Umso wichtiger sei die Aufklärungsarbeit auch in Deutschland, hieß es. Mit der Schulung von Multiplikatoren und Multiplikatorinnen zu sozialen, gesundheitlichen, kulturellen, religiösen und rechtlichen Dimensionen von weiblicher Genitalverstümmelung versuche "Terre des Femmes" die afrikanischen Gemeinschaften hierzulande für das Thema zu sensibilisieren.
Hannover (epd). Nach vier Jahren mit Verlusten schreibt Niedersachsens größter Diakonie-Konzern "Diakovere" in Hannover wieder schwarze Zahlen. Das Unternehmen mit rund 4.600 Beschäftigten erwirtschaftete im vergangenen Jahr bei einem Umsatz von 330 Millionen Euro ein leichtes Plus von 3,6 Millionen Euro, wie Aufsichtsratschef Hans Ulrich Anke am 22. Juni in Hannover mitteilte: "Diakovere ist wieder auf Kurs." Der Konzern war vor einigen Jahren in eine wirtschaftliche Schieflage geraten und hatte daraufhin eine umfassende Unternehmensreform eingeleitet.
So werden zurzeit die drei traditionsreichen evangelischen Krankenhäuser Henriettenstift, Friederikenstift und Annastift zu einer organisatorischen Einheit zusammengeführt. Die Arbeit soll künftig auf diese drei Standorte konzentriert werden. 2015 verschlankte der Konzern das Management und die Verwaltung und ordnete sein Energie-Management neu. "Es ist großartig zu sehen, wie weit wir in so kurzer Zeit gekommen sind", sagte Anke. Die Zahl der Patienten stieg im gleichen Zeitraum von 145.000 auf 151.000, davon wurden knapp 55.000 stationär behandelt.
"Auch für 2016 planen wir mit einem Plus", sagte Geschäftsführer Professor Bernd Weber. "Aufgrund höherer Ausgaben für Investitionen und Instandhaltungen wird dies allerdings geringer ausfallen." Für 2018 peilt das Unternehmen einen Überschuss von sieben Millionen Euro an. So sollen weitere Investitionen ermöglicht werden.
Dortmund (epd). Die Bank für Kirche und Diakonie (KD-Bank) hat ihre Bilanzsumme im vergangenen Jahr deutlich erhöht. Sie stieg zum 31. Dezember 2015 um 5,9 Prozent und liegt damit bei 5,1 Milliarden Euro, wie der Vorstandsvorsitzende Ekkehard Thiesler am 22. Juni in Dortmund bei der Generalversammlung der Bank mitteilte. Der Jahresüberschuss beträgt rund 7,5 Millionen Euro.
Thiesler zeigte sich zufrieden mit den Wertpapieranlagen und Einlagen der Kunden, die um fast zehn Prozent auf sieben Milliarden Euro gestiegen seien. An neuen Krediten habe die Bank im vergangenen Jahr 220,5 Millionen Euro vergeben. Den Mitgliedern könne aufgrund der guten Ertragslage weiterhin eine Dividende von sieben Prozent ausgeschüttet werden, hieß es.
Für das neue Geschäftsjahr geht Thiesler davon aus, dass die Nachfrage nach Wertpapieranlagen, Investmentfonds und Vermögensverwaltungen zunehmen wird. Grund dafür sei die andauernde Niedrigzinsphase, sagte der Vorstandsvorsitzende der Kirchenbank.
Die KD-Bank gehört nach eigenen Angaben zu den 20 größten Genossenschaftsbanken in Deutschland. Mitglieder sind über 4.200 kirchliche und diakonische Institutionen. Kirche und Diakonie gründeten bereits in den 1920er Jahren eigene Darlehnsgenossenschaften. Aus den Vorgängerinstituten in Dresden, Münster, Magdeburg und Duisburg ging die heutige Bank für Kirche und Diakonie hervor.
Düsseldorf (epd). Die Diakonie Düsseldorf geht neue Wege bei der Betreuung von Obdachlosen und sozial Benachteiligten. Ein am 22. Juni in drei ihrer Tagesstätten gestartetes Gesundheitsprojekt hat neben medizinischer Versorgung auch die psychische Gesundheit der Betroffenen im Fokus. Es besteht aus ärztlicher Betreuung, gesundem Frühstück, Sozialberatung, Angeboten für die Freizeit sowie seelischer Betreuung. Es handele sich um ein ganzheitliches "Leuchtturmprojekt" für die Region, wie die Diakonie mitteilte.
"Wer auf der Straße lebt, verliert oft das Wahrnehmungsgefühl für den eigenen Körper und trägt gravierende gesundheitliche Schäden davon", sagte die Leiterin der diakonischen Fachberatungsstelle, Clarissa Schruck. Deshalb will die Diakonie vor der Tagesstätte Shelter in der Altstadt zweimal wöchentlich Sprechstunden in einem Arztmobil anbieten, ehrenamtlich geleistet von Medizinern. "Viele Wohnungslose gehen aus Scham nicht zum Arzt. Diese Angst wollen wir ihnen nehmen", sagte Diakonie-Projektleiter Kai Lingenfelder.
Auch Soforthilfen, etwa wenn ein Wohnungsloser dringend eine Brille braucht, können mit dem Projekt finanziert werden. Möglich wird dies durch Mithilfe des Pharmakonzerns Johnson & Johnson, der das Projekt mit einer Spende über 600.000 Euro unterstützte.
Mit Sport- und Freizeitangeboten wie etwa Werken mit Holz und Ton sowie gemeinsamen Museumsbesuchen will das Projekt zudem versuchen, den Betroffenen das Gefühl für sozialen Zusammenhalt zurückzugeben.
Hannover (epd). Eine neue Anwendung für Smartphones soll in der Flüchtlingsarbeit tätige Behörden, Hilfsorganisationen und ehrenamtliche Helfer auch in Niedersachsen besser vernetzen. Die "Willkommen bei Freunden"-App wurde am 20. Juni freigeschaltet, teilten die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung und das Bundesfamilienministerium mit.
Das Engagement von Freiwilligen für Geflüchtete sei ungebrochen, hieß es. Doch häufig fänden Helfer und Initiativen erst nach längerem Suchen zueinander. Die mobile Anwendung bringe Freiwillige und Projekte in der Flüchtlingshilfe bedarfsorientiert zusammen: "Mit wenigen Klicks können die Helfer angeben, wo und wie sie unterstützen wollen". Die App zeige dann an, welche Hilfsorganisationen vor Ort genau diese Art der Unterstützung suchten.
Der konkrete Bedarf an Hilfe habe sich in den letzten Monaten stark verändert, sagte die Geschäftsführerin der Stiftung, Heike Kahl. Freiwilliges Engagement helfe am besten, wenn Helfer und Flüchtlingsinitiativen schnell und bedarfsorientiert zusammen kämen: "Dabei hilft die App."
Hannover (epd). In einem offenen Brief an Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) haben die Evangelischen Frauen in Deutschland die Situation von Flüchtlingsfrauen und ihren Kindern bemängelt. "Von Gewalt bedrohte Frauen und Kinder benötigen Schutzräume wie getrennte Unterkünfte und separate, abschließbare Schlaf- und Waschräume", sagte die Vorsitzende Susanne Kahl-Passoth am 22. Juni in Hannover. Auch benötigten sie dringend eine angemessene medizinische und psychologische Betreuung.
Zur Umsetzung müssten Stellen für entsprechende Fachkräfte finanziert werden, forderte Kahl-Passoth. Es sei in keiner Weise nachvollziehbar, warum im Asylpaket II nicht von der besonderen Schutzbedürftigkeit von Frauen und ihren Kindern die Rede sei. Das Schreiben an den Bundesinnenminister und die ständige Konferenz der Innenminister haben zahlreiche leitende Frauen der Mitgliedsorganisationen des Verbands unterzeichnet.
Der Verband Evangelische Frauen in Deutschland mit Sitz in Hannover ist nach eigenen Angaben als Dachverband die Stimme evangelischer Frauen in Kirche und Gesellschaft. Zu dem Verband gehören 38 Mitgliedsorganisationen mit insgesamt rund drei Millionen Mitgliedern.
Bonn (epd). Die Diözesanbischöfe haben in der Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deutschlands (VDD) einen umfassenden Entwurf zur Neuordnung der Organ- und Aufsichtsstruktur für die Kirchliche Zusatzversorgungskasse (KZVK) beraten. Ziel der Reform sei es, die Unternehmensführung durch eine neue Satzung den heutigen Anforderungen entsprechend auszugestalten und die Organstruktur sowie die Aufsicht über die KZVK anzupassen, teilte die Pressestelle der Deutschen Bischofskonferenz am 21. Juni mit.
Insbesondere sehe der Satzungsentwurf neue, an das Aktien- und Versicherungsrecht angelehnte Aufsichtsgremien vor, hieß es. So solle ein Aufsichtsrat die Geschäfts- und Anlagepolitik der KZVK begleiten und überwachen.
Außerdem wird den Angaben nach eine neue Vertreterversammlung eingeführt, die künftig die Interessen des Trägers, der Beteiligten und der Versicherten vertritt. "Außerdem wird der VDD eine unabhängige Aufsicht gründen."
Die katholischen Bischöfe begrüßten den Entwurf einhellig. Er soll im August bei der nächsten Sitzung der Vollversammlung verabschiedet werden.
Kassel (epd). Das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel entschied am 23. Juni: Ohne die Angabe von "konkreten individuellen Unterstützungsleistungen" ist die Eingliederungsvereinbarung nichtig. Damit bekam ein Arbeitsloser aus Kassel recht.
Das zuständige Jobcenter hatte mit dem Mann eine Eingliederungsvereinbarung abgeschlossen. Danach sollte er jeden Monat mindestens zehn Bewerbungen schreiben. Dem Hartz-IV-Bezieher wurden dabei "Mobilitätshilfen" und "weitere Leistungen" als Unterstützung zugesagt. Eine ausdrückliche Regelung zur Erstattung von Bewerbungskosten enthielt die Eingliederungsvereinbarung nicht.
Als der Betroffene wiederholt nicht die geforderte Bewerbungsanzahl lieferte, wurden Sanktionen verhängt. Zum Schluss wurde sein Arbeitslosengeld II ganz gestrichen, und er bekam lediglich Lebensmittelgutscheine.
Der Hartz-IV-Empfänger hielt dieses Vorgehen der Behörde für rechtswidrig. Die Forderung in der Eingliederungsvereinbarung, nach der er mindestens zehn Bewerbungen monatlich schreiben sollte, sei nicht wirksam. Denn das Jobcenter habe ihm nicht konkret die Übernahme aller Bewerbungskosten zugesagt, argumentierte der Kläger. Das Jobcenter hielt das nicht für nötig, weil die Kostenübernahme ja gesetzlich festgelegt sei.
Das BSG gab dem Arbeitslosen nun recht. Das Jobcenter habe die gesetzliche Form der Eingliederungsvereinbarung nicht eingehalten. Damit durfte auch nicht das Arbeitslosengeld II vollständig gestrichen werden. Die Eingliederungsvereinbarung stelle einen öffentlich-rechtlichen Vertrag dar, in dem Unterstützungsleistungen konkret festgelegt werden müssen. Auch wenn die Übernahme der Bewerbungskosten gesetzlich festgelegt sei, bestehe trotzdem die Pflicht, in der Vereinbarung die Übernahme der anfallenden Kosten genau aufzuführen.
Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit wurden 2015 durchschnittlich rund 131.500 Leistungsberechtigte mindestens einmal sanktioniert.
Az.: B 14 AS 30/15 R
Kassel (epd). Gewinne von Geldspielautomaten und anderen Glücksspielen werden bei Hartz-IV-Empfängern fast komplett als Einkommen angerechnet. Das entschied am 15. Juni das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel. Bei einem Gewinn kann danach nur der Spieleinsatz wieder abgesetzt werden, befanden die Richter.
Geklagt hatte ein Hartz-IV-Bezieher aus Niedersachsen, der seine Spielautomatengewinne bar auf sein Konto einzahlte. Als das Jobcenter das mitbekam, wertete es die Gewinne als Einnahmen und kürzte entsprechend die Hartz-IV-Leistungen des Mannes.
Der Arbeitslose hielt das jedoch für rechtswidrig. Er habe viel Geld in die Spielautomaten gesteckt und davon nur einen geringen Teil als Spielgewinne zurückbekommen, lautete seine Argumentation. Unter dem Strich habe er daher kein anrechenbares Gewinneinkommen erwirtschaftet.
"Entgegen der Ansicht des Klägers sind als notwendige Ausgaben nur die Einsätze vom Spielgewinn absetzbar, die zum Spielgewinn geführt haben, nicht hingegen sämtliche aufgewendete Spieleinsätze", urteilte jedoch das BSG. Im konkreten Fall soll nun das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen klären, ob der Arbeitslose angesichts seiner beträchtlichen Spielgewinne überhaupt noch Anspruch auf Hartz-IV-Leistungen hatte.
Az.: B 4 AS 41/15 R
Kassel (epd). Zeiten für Bereitschaftspflege, in denen sich Pflegeeltern übergangsweise um ein Kind kümmern, können sie nicht bei der Rente als Kindererziehungszeiten anrechnen lassen. Das gilt auch dann, wenn sich ein Bereitschaftspflegeverhältnis später in ein auf Dauer angelegtes Pflegeverhältnis wandelt, urteilte am 16. Juni das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel.
Bei der Bereitschaftspflege kümmert sich eine Pflegefamilie im Auftrag des Jugendamtes vorläufig um Kinder, die nicht bei ihren Eltern bleiben können. Gründe können Verwahrlosung, Kindesmisshandlung oder auch eine psychische Erkrankung der Erziehungsberechtigten sein. Die auch "Hilfe zur Erziehung" oder "Inobhutnahme" genannte Pflege dient der Krisenintervention. Die so gewonnene Zeit wird auch dazu genutzt, um den weiteren Verbleib des Kindes klären zu können.
In Streitfall hatte eine Frau aus Karlsruhe am 8. Januar 1998 einen Jungen zur Bereitschaftspflege aufgenommen. Ab August 1998 betreute sie ihn dann in einem regulären Pflegschaftsverhältnis. Von der Rentenversicherung verlangte sie, dass auch die Zeiten der Bereitschaftspflege als Kindererziehungszeiten auf ihre Rente angerechnet werden müssten.
Der Rentenversicherungsträger lehnte dies jedoch ab. Voraussetzung seien ein auf Dauer angelegtes Pflegschaftsverhältnis, eine häusliche Gemeinschaft und eine familiäre Bindung zum Kind, hieß es.
Vor dem BSG hatte die Klägerin keinen Erfolg. Die Bereitschaftspflege sei "als Instrument der Krisenintervention auf die Zeit bis zur Entscheidung über die Reintegration des Kindes in die Herkunftsfamilie oder eine Überleitung in eine geeignete Folgehilfe von vornherein zeitlich begrenzt", befand das Gericht. Die Voraussetzungen für eine Anrechnung als Kindererziehungszeiten seien daher nicht erfüllt.
Az.: B 13 R 15/14 R
Karlsruhe (epd). Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat die Rechte homosexueller Eltern gestärkt. Nach einem am 15. Juni veröffentlichten Beschluss des BGH kann ein Kind auch dann zwei Mütter mit allen Elternrechten haben, wenn die nicht-leibliche Mutter das Kind nicht adoptiert hat. Im konkreten Fall bekam ein lesbisches Paar in Südafrika ein Kind, nachdem sich eine Partnerin hatte künstlich befruchten lassen.
Die schwangere Südafrikanerin war mit einer Deutschen verheiratet - was nach südafrikanischem Recht möglich ist. Das Kind erhält nun auf Wunsch der Mütter die deutsche Staatsbürgerschaft.
Da beide Frauen verheiratet sind, gilt in Südafrika auch die deutsche Partnerin rechtlich gesehen als Mutter des Kindes. Nach der BGH-Entscheidung muss Deutschland diesen Status der nicht-leiblichen Mutter anerkennen, auch wenn dies in deutschen Gesetzen anders geregelt ist: Hierzulande müsste die deutsche Partnerin das Kind erst einmal adoptieren, um ebenfalls Mutter zu werden.
Die deutsche Mutter hatte nach der Geburt des Kindes beim Berliner Standesamt die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt. Dies hatte die Behörde abgelehnt und in der ersten Gerichtsinstanz recht bekommen. Nach dem Beschluss des BGH muss nun aber das Standesamt das Kind im deutschen Geburtenregister eintragen und ihm damit die deutsche Staatsbürgerschaft zuerkennen.
Der BGH begründete seine Entscheidung mit dem Kindeswohl. Denn es sei davon auszugehen, dass die Verhältnisse einer rechtlich verfestigten gleichgeschlechtlichen Partnerschaft das Aufwachsen von Kindern ebenso fördern können wie die einer klassischen Ehe mit Vater und Mutter. Die Anerkennung beider Frauen als rechtliche Mütter stehe nicht im Widerspruch zu fundamentalen Grundsätzen des deutschen Rechts.
Az.: XII ZB 15/15
Brüssel (epd). Ob eine Familie in einem EU-Staat Kindergeld erhält, darf einem Gerichtsurteil zufolge grundsätzlich an das Aufenthaltsrecht gekoppelt werden. Der Staat kann demnach Menschen ohne gültigen Aufenthaltstitel das Kindergeld und andere soziale Leistungen verweigern, erklärte der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) am 14. Juni in Luxemburg. Damit wies der EuGH eine Klage der EU-Kommission gegen Großbritannien ab.
Die Kommission hatte nach Darstellung des Gerichts zahlreiche Beschwerden über Großbritannien erhalten. Danach beklagten sich EU-Bürger anderer Länder, dass die britischen Behörden ihnen bestimmte soziale Leistungen verweigerten, weil sie kein Aufenthaltsrecht in Großbritannien hatten. Die EU-Kommission sah im britischen Verhalten eine Verletzung eines EU-Gesetzes von 2004, das der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit innerhalb Europas dienen soll.
Die Europäische Kommission machte laut EuGH zweierlei geltend. Zum einen stellten die britischen Regeln Voraussetzungen für den Genuss von Sozialleistungen auf, die über das Gesetz hinausgingen. Daneben würden Ausländer gegenüber Briten, die gewöhnlich Aufenthaltsrecht in ihrem eigenen Land besäßen, diskriminiert.
Beides wies das Gericht zurück. Beim ersten Beschwerdepunkt machten die EU-Richter ein Missverständnis aus. Das EU-Gesetz lege nämlich überhaupt keine inhaltlichen Voraussetzungen für die Sozialleistungen fest. Diese inhaltlichen Voraussetzungen lägen vielmehr im Ermessen des Landes, also Großbritanniens. Davon abgesehen stellte die Prüfung des Aufenthaltsrechts zwar tatsächlich eine Ungleichbehandlung dar. Diese sei aber durch ein legitimes Ziel zu rechfertigen. Das Ziel, die durch die Sozialleistungen beanspruchten öffentlichen Finanzen zu schützen, stellt dem EuGH zufolge solch ein Ziel dar.
Az.: C-308/14
Freiburg (epd). Ein Witwer kann eine Klinik nicht zwingen, die eingefrorenen Eizellen seiner verstorbenen Frau herauszugeben. In einem am 17. Juni veröffentlichten Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe wurde eine entsprechende Klage des Mannes zurückgewiesen. Hauptgrund für die Entscheidung war ein Vertrag der Eheleute, der die Herausgabe der Eizellen nur an das Ehepaar gemeinsam vorsieht.
Der Kläger will die bereits befruchteten Eizellen haben, um sie von seiner neuen Ehefrau austragen zu lassen. Die Klinik hatte das mit Verweis auf den von den damaligen Ehepartnern unterschriebenen Vertrag abgelehnt. Einen Prozess vor dem Landgericht Freiburg verlor der Mann im vergangenen Jahr. Die Richter hatten darauf hingewiesen, dass das Embryonenschutzgesetz eine "gespaltene Mutterschaft" verhindern wolle.
Nun scheiterte der Kläger auch vor dem Außensenat des Oberlandesgerichts in Freiburg. Die Richter argumentierten, dass der Vertrag nicht einseitig nachträglich abgeändert werden könne, selbst wenn die Freigabe der Eizellen dem erklärten Willen der verstorbenen Ehefrau entsprochen hätte. Auch könne der Mann sich nicht auf das Eigentumsrecht berufen, da er nicht Eigentümer dieser Eizellen sei.
Eine Revision des Urteils hat das Gericht nicht zugelassen. Gegen diese Nichtzulassung kann der Kläger allerdings Beschwerde beim Bundesgerichtshof einlegen.
Az.: 14 U 165/15
Mainz (epd). Ein Mediziner, der sich als Kassenarzt niederlassen will, darf nicht allein wegen seines Alters gegenüber Mitbewerbern benachteiligt werden. Das Mainzer Sozialgericht gab in einem aktuellen Fall der Klage eines 74-jährigen Augenarztes statt. Das Zulassungsverfahren müsse nun wiederholt werden, teilte ein Gerichtssprecher am 17. Juni dem Evangelischen Pressedienst (epd) mit.
Grundsätzlich sei das Alter eines Bewerbers auf einen Vertragsarztsitz nicht unerheblich. Es könne jedoch kein Ausschlussgrund sein, sondern allenfalls Anlass für eine Überprüfung, ob der Arzt gesundheitlich noch seinen Aufgaben gewachsen ist.
In dem verhandelten Fall hatten sich zwei 64 und 74 Jahre alte Augenärzte um einen frei werdenden Vertragsarztsitz beworben. Der zuständige Zulassungsausschuss hatte beide Mediziner als gleich gut qualifiziert eingestuft, sich jedoch zunächst für den älteren Bewerber ausgesprochen, weil dieser schon länger auf einer Warteliste stand. Der jüngere Arzt legte gegen diesen Beschluss erfolgreich Widerspruch ein. Entscheidendes Argument des Widerspruchsverfahrens war der Umstand, dass ein zehn Jahre jüngerer Mediziner deutlich länger berufstätig bleiben könne und somit die fachärztliche Versorgung in der Region länger gesichert bleibe.
In Deutschland wurde die Altershöchstgrenze für Kassenärzte von 68 Jahren vor einigen Jahren aufgehoben. Um die flächendeckende Gesundheitsversorgung zu sichern und die Kosten für das Gesundheitssystem zu begrenzen, können Ärzte sich in der Bundesrepublik nicht frei an jedem Ort ihrer Wahl niederlassen. Die nötige Zulassung dafür erteilt ein Ausschuss aus Kassen- und Ärztevertretern, der dabei jeweils den rechnerischen Bedarf für eine bestimmte Region berücksichtigen muss. In Städten mit Überversorgung dürfen nur frei werdende Praxisstandorte neu vergeben werden.
Az.: S 16 KA 211/14
Hamburg (epd). Das Verwaltungsgericht Hamburg hat den Bau einer umstrittenen Flüchtlingsunterkunft im Stadtteil Blankenese gestoppt. Mit dem am 16. Juni veröffentlichten Beschluss gab das Gericht dem Eilantrag eines Anwohners gegen die Baugenehmigung statt. In dem Pavillondorf sollen in neun Gebäuden 192 Flüchtlingen untergebracht werden.
Der Streit um die erste Flüchtlingsunterkunft in dem wohlhabenden Hamburger Stadtteil hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Anwohner hatten am 5. April mit parkenden Autos die geplante Baumfäll-Aktion und damit den Baubeginn verhindert. Den Anwohnern war daraufhin in den Medien Egoismus vorgeworfen worden. Unterstützer der Flüchtlingsunterkunft demonstrierten wenige Tage später für den Weiterbau.
Das Hamburger Verwaltungsgericht hatte bereits am 6. April im Eilverfahren einen vorläufigen Baustopp verkündet, nachdem ein Anwohner die Baugenehmigung angefochten hatte. Diesen Beschluss hob das Oberverwaltungsgericht am 19. April mit der Begründung auf, der Antragsteller habe sein Anliegen nicht hinreichend begründet.
Jetzt gab ihm das Verwaltungsgericht wieder recht: Der Antrag sei nach einigen Ergänzungen nun zulässig. Bei Erteilung der Baugenehmigung sei Umweltrecht verletzt worden, weil die ökologischen Auswirkungen erst zwei Wochen nach der Baugenehmigung an die zuständige Stelle übermittelt worden seien.
Az.: 7 E 1486/16
Rummelsberg (epd). Andrea Heußner, die auch Älteste der Diakoninnengemeinschaft Rummelsberg ist, übernimmt in der bayerischen Landeshauptstadt die Stelle einer Referentin für Zielgruppenarbeit im Landeskirchenamt der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. In ihrer neuen Funktion wird sie unter anderem für die Felder Jugendarbeit, Alters- und Generationenarbeit, Frauenarbeit, Männerarbeit, Eltern-, Familien- und Alleinerziehenden-Arbeit zuständig sein.
Sie war 2006 zur Vertrauensfrau der Diakoninnengemeinschaft gewählt und 2012 in diesem Amt bestätigt worden. Sie hat in diesen Jahren zahlreiche Reformprozesse in Rummelsberg wesentlich mitgestaltet.
Die Rummelsberger Diakonie ist mit fast 6000 Beschäftigten einer der großen sozialen Träger in Bayern. Das Angebot reicht von Kitas über Schulen, Ausbildungsbetriebe und soziale Studiengänge bis zu ambulanten Diensten und Pflegeheimen.
Onno Hagenah (38), Jurist, ist zum kaufmännischen Vorstand der diakonischen Stiftung Friedehorst in Bremen-Lesum bestellt worden. Er werde die Aufgabe Anfang Oktober übernehmen, teilte die Stiftung mit. Hagenah folgt auf den Unternehmensmanager Ralph Freiherr von Follenius, der die Aufgabe zeitweise übernommen hatte, um das diakonische Unternehmen zu sanieren. Er verlässt Friedehorst vertragsgemäß. Der neue kaufmännische Chef war in den vergangenen Jahren als Verwaltungsleiter und Prokurist des Agaplesion-Diakonieklinikums in Rotenburg bei Bremen tätig. In Friedehorst werden etwa 2.000 Menschen in Pflege, Betreuung, Rehabilitation und beruflicher Neuorientierung versorgt. Die Einrichtung hat mit finanziellen Problemen zu kämpfen, weshalb sich unter anderem Unternehmensleitung und Mitarbeitervertreter auf Lohnkürzungen geeinigt haben. Die Absprachen laufen voraussichtlich bis Ende 2019.
Gundula Roßbach (51) ist die erste Frau, die der Deutschen Rentenversicherung Bund vorsteht. Die Sozialexpertin wurde am 23. Juni von der Vertreterversammlung in Bremen zur neuen Präsidentin gewählt. Roßbach soll das Amt zum 1. Januar 2017 von Axel Reimann übernehmen, der in den Ruhestand tritt. Roßbach ist Juristin und war seit 1997 bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte beschäftigt. 2006 wurde sie zur stellvertretenden Geschäftsführerin der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg gewählt, 2009 dann zur Geschäftsführerin. Seit 2014 ist sie Mitglied des Direktoriums der Deutschen Rentenversicherung Bund.
Christel Bienstein bleibt für vier weitere Jahre Präsidentin des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK). Sie wurde in Berlin einstimmig im Amt bestätigt. Die gelernte Krankenschwester übernahm 1994 als Leiterin das Department für Pflegewissenschaft, Universität Witten/Herdecke. Zudem ist Bienstein Honorarprofessorin der Universität Bremen im Fachgebiet Pflegewissenschaft. Weitere Mitglieder im DBfK-Vorstand sind als Vizepräsidenten Sabine Berninger und Stefan Werner sowie Christina Körner und Mathias Oberländer. Die vier weiteren Mitglieder des Bundesvorstands sind qua Amt die Vorstandsvorsitzenden der vier DBfK-Regionalverbände.
Thomas Stürmer, Pfarrer, ist neuer Abteilungsleiter im Diakonischen Werk Württemberg. Er wurde von Oberkirchenrat Dieter Kaufmann, Vorstandsvorsitzender des DW, ihn in sein Amt eingeführt. Stürmers Themen sind die Landkreis- und Bezirksdiakonie sowie die Fragen der Existenzsicherung. Er stammt aus Ansbach, war Gemeindepfarrer und zuletzt für die diakonische Gemeinwesenarbeit beim Kreisdiakonieverband Rems-Murr-Kreis zuständig.
Manfred Matusza, übernimmt Aufsichtsratsvorsitz des Kuratoriums Wohnen im Alter (KWA). Der CDU-Politiker war von 1994 bis 2002 Oberbürgermeister von Villingen-Schwenningen. Er löst Uwe Freiherr von Saalfeld ab, der auf eigenen Wunsch ausgeschieden ist. Von Saalfeld hatte das Leitungsamt von 2008 bis 2016 bekleidet. Ebenfalls aus dem Gremium ausgeschieden ist Gerd Meyer, der dem Aufsichtsrat seit 2005 angehörte. Geehrt wurde Vorstandsmitglied Horst Schmieder, der seit arbeitet seit 20 Jahren beim KWA arbeitet. Zunächst leitete er das Ressort Finanzen/Controlling. Seit dem Jahr 2000 ist er Mitglied des Vorstands, seit 2008 führt er gemeinsam mit seinem Vorstandskollegen Stefan Arend die Geschäfte.
Matthias Borchers ist zum Geschäftsführer der Curacon GmbH mit Sitz in Münster bestellt worden. Seit rund 15 Jahren ist der Diplom-Kaufmann in der Unternehmensberatung von Curacon tätig, die vor allem im Gesundheits- und Sozialwesen aktiv ist. Seine Beratungsschwerpunkte liegen in der Optimierung von Unternehmens-, Führungs- und Aufsichtsstrukturen. Neben der Leitung des Geschäftsbereiches Unternehmensberatung verantwortet Borchers künftig auch das Marketing von Curacon in der Geschäftsführung.
Ruth Heß, Diplom-Theologin und Gleichstellungsbeauftragte der Bremischen Evangelische Kirche, ist mit einem Gottesdienst verabschiedet worden. Sie wechselt ins "Evangelische Zentrum Frauen und Männer" nach Hannover. Wer ihr im Amt folgt, steht noch nicht fest. Das Zentrum wurde zu Beginn des Jahres als Zusammenschluss der bisherigen Geschäftsstellen der Evangelischen Frauen in Deutschland und der Männerarbeit der EKD gegründet. Ziel ist es, die geschlechtsspezifische Arbeit mit Frauen und Männern weiterzuführen, zu optimieren und den Dialog zwischen Männern und Frauen zu fördern.
Juni
28.-29.6. Stuttgart:
Fortbildung "Einführung in die Soziale Arbeit mit Flüchtlingen" (Fortsetzung am 26.7.)
der Paritätischen Akademie Süd
Tel.: 0711/2155184
www.akademiesued.de
30.6. Bad Kreuznach:
Fachtagung "Balance halten" – Ethikforum zum Thema Resilienz
der Stiftung kreuznacher diakonie
Tel.: 0671/605-3260
www.kreuznacherdiakonie.de
30.6. Heidelberg:
Seminar "Hartz IV - Bescheide verstehen und Rechtsmittel kennen"
der Paritätischen Akademie Süd
Tel.: 0711/2155184
www.akademiesued.de
30.6.-1.7. Berlin:
Interdisziplinäre Fachtagung "Fetale Alkoholspektrumstörungen -
Eine Herausforderung für die Hilfesysteme"
der Bundesakademie für Kirche und Diakonie und mehrerer Partner
Tel.: 030/48837388
www.ba-kd.de
30.6. Berlin:
Fachtagung "Advance Care Planing" - Gesundheitliche Voraussetzungen
nach § 132g"
des Ev. Werks für Diakonie und Entwicklung
Tel.: 030/652111746
Juli
4.7. Berlin:
Seminar "Betriebsprüfungen optimal vorbereiten, professionell
begleiten, Nachzahlungen vermeiden"
der BFS Service GmbH
Tel.: 0221/97356-159
www.bfs-service.de
4.-6.7. Bad Boll:
Erwerbslosentagung 2016 "Bezahlbar wohnen!"
der Evangelischen Akademie Bad Boll
Tel.: 07164/790
www.ev.-akademie-boll.de
4.-7.7. Bergisch Gladbach:
Seminar "Auf ein Wort - Beratung: kurz, knapp, sofort"
der Fortbildungsakademie der Caritas
Tel.: 0761/200-1700
www.fak-caritas.de
5.7. Köln:
Seminar "Professionelle Fördermittelakquise für Organisationen in der Sozialwirtschaft"
Tel.: 0221/97356159
www.bfs-service.de
7.7. Münster:
Seminar "Fit für die Zukunft - ist der Verein die geeignete Rechtsform für
die Träger der Sozialwirtschaft? Umstrukturierungen von Trägern
aus dem Bereich der Lebenshilfe"
der BPG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Tel.: 0251/48204-12
www.bpg-muenster.de/seminarangebote-bpg-unternehmensgruppe
11.-12.7. Frankfurt a.M.
Seminar "Junge Geflüchtete in der Jugendarbeit"
des Bildungswerk Bundesverbandes des Paritätischen
Tel.: 069/ 6706272
www.pb-paritaet.de
13.7. Bad Boll:
Tagung "Soziale Vernatwortung im Umgang mit
Bestandsimmobilien. Beste Praxis"
der Akademie Bad Boll mit Kooperationspartnern
Tel.: 0716/4790
www.ev-akademie-boll.de
14.7. Heidelberg:
Seminar "Konfliktmanagement" (Fortsetzung 29.7.)
der Paritätischen Akademie Süd
Tel.: 0711/2155184
www.akademiesued.de
15.7. Karlsruhe:
Kongress "Eltern sein - Eltern bleiben: Rahmenbedingungen für
gemeinsam oder getrennt erziehenden Eltern und die
Rolle der familialen Professionen"
des VAfK-Landesvereins Baden-Württemberg
Tel.: 0170/8004615
www.vaeteraufbruch.de
18.-19.7. Freiburg:
Fachtagung "Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Jung, allein
und auf der Flucht"
der Fortbildungsakademie des Caritasverbandes
Tel.: 0761/200-1700
www.fak-caritas.de