Deutschland will kranke Kinder und unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus den überfüllten griechischen Lagern aufnehmen. Doch nur, wenn auch andere EU-Staaten mitmachen, Stichwort "Koalition der Willigen". Doch die steht noch nicht. Maximal 1.500 Personen sollen auf mehrere Länder verteilt werden und so auch nach Deutschland kommen. Viele Sozialverbände üben Kritik daran, dass Deutschland nicht mit mehr Elan bei der Aufnahme vorangeht. Die Diakonie fordert, deutlich mehr Personen aufzunehmen. Der Bundesverband unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge (BUMF) hat Zahlen vorgelegt, wie viele - oder passender - wenige Mädchen und Jungen tatsächlich kommen dürften. Weitere Hintergründe und Forderungen im Gastbeitrag von BUMF-Referent Tobias Klaus.
Das Bundesverfassungsgericht hat die bestehenden Regelungen zur Sterbehilfe gekippt. Nun sind viele Ärzte verunsichert, ob sie ihren Patienten Hilfe zum Suizid leisten dürfen. Klar ist zwar: Die geltende Musterberufsordnung verbietet es ihnen. Aber inwieweit das Karlsruher Urteil eine Anpassung des ärztlichen Berufsrechts erforderlich macht, wird nach Angaben der Bundesärztekammer (BÄK) in ihren Gremien bereits beraten.
Das Virus lässt sich noch immer nicht stoppen: In der Sozialbranche wächst deshalb die Sorge, nicht alle Gruppen der Bevölkerung gleichermaßen aufklären und auch vor Corona-Infektionen schützen zu können. Dabei ist klar: Menschen mit Behinderungen und Senioren sind wegen oft bestehender Vorerkrankungen besonders gefährdet. Lebenshilfe und Arbeiterwohlfahrt mahnen effektive Hilfen an.
Ehrenamtler, die Häftlinge besuchen, übernehmen eine wichtige Funktion mit Blick auf die Resozialisierung nach dem Haftende. Doch was geschieht, wenn eine Gefängnisleitung nicht genügend Freiwillige hat, die diesen Dienst übernehmen? Und folglich nicht für alle Häftlinge diese Besucher bereitstehen? Darüber hat nun das Bundesverfassungsgericht entschieden und einem Häftling recht gegeben. Bei der Vermittlung ehrenamtlicher Besucher in einer JVA müssen die Häftlinge gleich behandelt werden. Staatliche Stellen dürften in ihrem Handeln nicht willkürlich handeln und bestimmte Gefangene außen vor lassen.
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Dirk Baas
Berlin (epd). Die Bundesregierung will Kinder aus den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln holen - wann, ist allerdings unklar. Der Koalitionsausschuss von CDU, SPD und CSU verständigte sich in der Nacht zum 9. März darauf, auf europäischer Ebene in einer "Koalition der Willigen" die Übernahme von Kindern aus Griechenland zu organisieren. "In diesem Rahmen steht Deutschland bereit, einen angemessenen Anteil zu übernehmen", heißt es im Beschluss. Wann diese Koalition stehen soll, blieb offen. Kirchen, Hilfsorganisationen und Experten drangen darauf, schnell zu handeln.
Sieben EU-Staaten haben sich laut EU-Innenkommissarin Ylva Johansson bereiterklärt, minderjährige Flüchtlinge aus griechischen Lagern aufzunehmen. Sie hätten zugesagt, insgesamt mindestens 1.600 unbegleitete Minderjährige und andere besonders Schutzbedürftige aus Griechenland zu übernehmen, sagte Johansson am 12. März bei einem Besuch in Athen.
Geholt werden sollen laut Bundesregierung Kinder, die wegen einer schweren Erkrankung dringend behandlungsbedürftig oder unbegleitet und jünger als 14 Jahre sind, heißt es im Beschluss weiter. Ob kranke Kinder mit Eltern geholt werden sollen, blieb ebenfalls noch offen. Eine Aufnahme im Familienverband sei aber "wahrscheinlich", sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums.
Nach seinen Angaben liefen bereits am 9. März auf verschiedenen Ebenen Gespräche über eine europäische Initiative. Ob es am 13. März beim Treffen der EU-Innenminister, vielleicht schon davor oder erst später einen konkreten Beschluss geben soll, konnte er noch nicht sagen.
Im Beschlusspapier der Koalition ist von 1.000 bis 1.500 Kindern die Rede. Die Bundesregierung hatte in der vergangenen Woche wiederholt betont, dass sie keinen Alleingang bei der Aufnahme wolle, sondern auf eine europäische Initiative setze.
EU-weit haben sich laut Europäischer Kommission mindestens fünf Länder zur Aufnahme unbegleiteter Minderjähriger von den griechischen Inseln bereiterklärt. Kommissionschefin Ursula von der Leyen sagte, es gebe "positive Antworten" zum Beispiel auch aus Frankreich, Portugal, Luxemburg und Finnland.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) betonte aber auch erneut die Priorität für den EU-Grenzschutz. Ordnung und Begrenzung von Migration seien Voraussetzung für Humanität, erklärte Seehofer: "Zu allererst müssen wir jetzt Griechenland helfen."
Hilfsorganisationen forderten ein schnelles Handeln und eine Ausweitung der Hilfe auf andere Gruppen. Die Aufnahme sollte auch für vulnerable Familien von Minderjährigen gelten, erklärte die Gemeinschaft Sant'Egidio. Die Lage der Flüchtlinge auf den griechischen Inseln sei wirklich dramatisch und verschlimmere sich Tag für Tag.
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, und der Münchner Erzbischof Kardinal Reinhard Marx bezeichneten die europäische Flüchtlingspolitik als erbärmlich. Marx sagte am 10. März: "Es geht nicht um eine unkontrollierte Grenzöffnung, sondern darum, die konkrete Not nicht aus den Augen zu verlieren."
Die Kirchenvertreter verwiesen darauf, dass die muslimisch geprägte Türkei 3,7 Millionen Menschen aufgenommen habe. Dagegen sei es unverständlich, dass sich das christliche Europa weigere, 5.000 Kinder aufzunehmen, hieß es weiter.
Der Geschäftsführer von Unicef Deutschland, Christian Schneider, bezeichnete die Planungen der Bundesregierung als "eine wichtige humanitäre Geste". Allerdings müssten auch die unhaltbaren Zustände in Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln so schnell wie möglich abgestellt werden. In Griechenland leben Unicef zufolge etwa 40.000 geflüchtete und migrierte Kinder, von ihnen sind 5.300 ohne Eltern oder andere Verwandte. Er appellierte an alle beteiligten Regierungen, ihrer Verantwortung nachzukommen und dem Schutz von Kindern jederzeit Priorität einzuräumen.
Der Sprecher von Unicef Deutschland, Rudi Tarneden, sagte dem epd, über kooperierende Hilfsorganisationen sei seine Organisation an der griechischen Grenze im Dauereinsatz, um die Menschen zumindest notdürftig zu versorgen. Er sagte, dort hielten sich rund 16.000 Personen auf, die weit verstreut im Freien kampierten. 40 Prozent davon seinen Frauen und Kinder, so der Sprecher. "Dort gibt es keine strukturierten Hilfen. Alles ist improvisiert. Wir haben für Unicef mobile Teams im Einsatz, die etwa versuchen, Familien mit kleinen Kindern Hilfe, Kleidung, Essen und Wasser anzubieten."
Tarneden forderte eine rasche politische Lösung der dramatischen und vor allem für die Familien gefährlichen Situation. Es gehe darum, individuelles Leid zu lindern, deshalb bleibe Unicef vor Ort und versuche, im Rahmen der Möglichkeiten den Betroffenen Menschen zu helfen. Doch damit lasse sich diese chaotische Situation nicht lösen, so der Sprecher.
Die EU müsse dringend "Grundsätze für ein gemeinsames Handeln finden". Alle EU-Staaten müssten sich ihrer Verantwortung stellen und allen voran die Kinder und Jugendlichen schützen. Deutschland erkenne jetzt immerhin an, dass es ein massives humanitäres Problem gebe. Die jetzt zugesagte Aufnahme von Kindern und Jugendlichen sei deshalb richtig und wichtig, aber auch nicht mehr als ein Symbol: "Da muss künftig noch weit mehr geschehen", forderte Tarneden.
Solange sich die EU nicht einigen kann, wie sie die in Griechenland ankommenden Flüchtlinge auf ihre Mitgliedstaaten verteilt, "müssen pragmatische und flexible Lösungen gefunden werden", sagte Petra Bendel, die Vorsitzende des Sachverständigenrates für Integration und Migration. Deutschland sollte dabei vorangehen und dürfe nicht warten, bis andere Staaten Verantwortung übernehmen.
Die Hilfsorganisation World Vision teilte mit, die Hilfe für unbegleitete Minderjährige sei ein Schritt in die richtige Richtung. Dabei dürfe es aber nicht bleiben. Auch die Vorsitzende des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration, Petra Bendel, sagte, der Beschluss des Koalitionsausschusses könne nur ein Anfang sein.
Die Diakonie befürwortete die Aufnahme von minderjährigen Geflüchteten. Zur Lage im Grenzgebiet zu Griechenland sagte die Direktorin des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Barbara Eschen: "Es ist kein sicherer Aufenthaltsort für Kinder. Vor allem, wenn sie unbegleitet auf der Flucht sind. Die Menschen verbringen die Nächte im Freien, haben weder Decken noch Isoliermatten. Die meisten sind mit kaum mehr gekommen, als sie am Leib tragen." Es fehle an Nahrung, Trinkwasser und Sanitäreinrichtungen.
Drastische Worte fand der niedersächsische Diakonievorstand Hans-Joachim Lemke. Er warb dafür, im Umgang mit den gestrandeten Flüchtlingen das Gebot der Barmherzigkeit nicht unter den Tisch fallen zu lassen: "Es ist beschämend, dass Europa offensichtlich keine Gemeinschaft ist, deren gemeinsame Werte auch zum Handeln führen."
Ähnlich äußerte sich die Diakonie Sachsen. Diakoniechef Dietrich Bauer sagte: "Es kann nicht sein, dass es in diesem reichen Land nur noch so wenig Barmherzigkeit gibt, dass selbst über die Aufnahme von ein paar tausend frierenden und schwer kranken Kindern noch nächtelang verhandelt werden muss." Weiter auf eine europäische Lösung zu warten, dauere viel zu lange.
Berlin (epd). Der Koalitionsausschusses von SPD und Union hat am 8. März in Berlin auch Beschlüsse gefasst, die die Lage in den griechischen Flüchtlingslagern betreffen. Darin geht es auch um die Aufnahme von Flüchtlingskindern aus humanitären Gründen. Der epd dokumentiert die Vereinbarung:
Unterstützung für Griechenland und humanitäre Hilfe für die Region Idlib
Griechenland hat als Land an der Außengrenze Europas die Aufgabe, diese Außengrenze zu schützen. Griechenland hat dabei unsere Unterstützung und Solidarität. Genauso wie bei der Unterbringung und Versorgung der in Griechenland ankommenden Flüchtlinge. Ordnung und Humanität gehören für uns zusammen.
Deswegen wollen wir Griechenland bei der schwierigen humanitären Lage von etwa 1.000 bis 1.500 Kindern auf den griechischen Inseln unterstützen. Es handelt sich dabei um Kinder, die entweder wegen einer schweren Erkrankung dringend behandlungsbedürftig oder aber unbegleitet und jünger als 14 Jahre alt sind, die meisten davon Mädchen.
Auf europäischer Ebene wird in diesen Tagen über eine humanitäre Lösung verhandelt, um in einer „Koalition der Willigen" die Übernahme dieser Kinder zu organisieren. In diesem Rahmen steht Deutschland bereit, einen angemessenen Anteil zu übernehmen.
Der Krieg in Syrien, insbesondere die Kämpfe in Idlib, haben längst zu einer humanitären Katastrophe geführt. Mittlerweile sind 980.000 Menschen auf der Flucht, die meisten davon sind Frauen und Kinder.
Die Vereinbarung einer Waffenruhe in Idlib und die Einrichtung eines Sicherheitskorridors müssen nun genutzt werden, um die dringend benötigte humanitäre Hilfe zu der leidenden Zivilbevölkerung vor Ort zu bringen. Dafür hat die Bundesregierung aktuell 125 Mio. Euro zur Verfügung gestellt, die von den Vereinten Nationen zur Akuthilfe in Idlib genutzt werden.
Berlin (epd). Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) machte Diakoniepräsident Lilie deutlich, dass weit mehr kranke oder unbegleitete minderjährige Flüchtlinge geholt werden könnten. "Die Aufnahme von einigen hundert Personen hier bei uns wird zu keiner wesentlichen Änderung der Situation beitragen." Die Kommunen, aber auch Träger wie die Diakonie seien bereit, hier aktiv zu werden. Sauber geplant und gut vorbereitet, könne Deutschland "sehr viel mehr Menschen aufnehmen, als derzeit in Rede steht". Die Fragen stellte Dirk Baas.
epd sozial: Sieben EU-Staaten wollen als "Koalition der Willigen" Kinder und Jugendliche aus Griechenland aufnehmen, darunter auch Deutschland. Wie bewerten Sie das Vorhaben?
Ulrich Lilie: Die im Koalitionsausschuss jetzt genannte Zahl von 1.000 bis 1.500 Personen, die insgesamt kommen sollen, ist viel zu gering. Die Zahl meint eine europaweite Aufnahme, von der Deutschland lediglich einen angemessenen Anteil übernehmen will. Doch die Aufnahme von nur einigen hundert Personen hier bei uns wird zu keiner wesentlichen Änderung der Situation beitragen.
epd: Was ist zur Altersfestlegung zu sagen?
Lilie: Grundsätzlich ist die Einschränkung der Regierung auf unbegleitete Minderjährige nur bis zum Alter von 14 Jahren nicht akzeptabel. Auch 15- bis 18-jährige Jugendliche gehören zu den besonders vulnerablen Gruppen, die man aus den Lagern holen müsste. Das gilt besonders auch die Mädchen und jungen Frauen.
epd: Schwerkranke Kindern sollen geholt werden. Aber die haben in aller Regel auch Eltern. Dürfen die mitkommen und sind sie in den Zahlen von Personen, die aufgenommen werden sollen, enthalten?
Lilie: Wir gehen davon aus, dass die Eltern und die Geschwister ebenfalls mit aufgenommen werden. Das müsste die Regierung in ihrer Aufnahmeanordnung klären. Unsere Forderung ist, dass Eltern und Geschwister, ebenfalls aufgenommen werden, ohne auf die Quote angerechnet zu werden. Wir haben vernommen, dass auf die deutsche Quote auch noch Familienzusammenführungsfälle angerechnet werden, also Menschen die Deutschland aufnimmt, weil sich hier bereits Angehörige befinden. Das ist nicht zulässig, weil ein Recht auf Familienzusammenführung besteht. Diese Personen dürfen bei einer humanitären Aufnahmeaktion nicht angerechnet werden
epd: Welches sind die nächsten Schritte, die Sie von der Bundesregierung nun erwarten, damit schnell Flüchtlingskinder aus den Auffanglagern geholt werden können?
Lilie: Das Bundesinnenministerium muss in Absprache mit den Ländern eine Aufnahmeanordnung erstellen, die die Anzahl der aufzunehmenden Personen und das Verfahren klärt. Dabei sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass die Unterbringung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge möglichst dort erfolgt, wo aktuell Kapazitäten vorhanden sind und nicht nach dem bundesweiten Verteilungsschlüssel entschieden werden. Hier müssten flexible Lösungen ermöglicht werden. Auch die Einrichtungen der Diakonie verfügen über entsprechende Konzepte und Erfahrungen, aber die Träger brauchen langfristige Planungssicherheit. Dann kann Deutschland sehr viel mehr Menschen aufnehmen, als derzeit in Rede steht.
epd: Wer sollte die Auswahl der Kinder und Jugendlichen in den Lagern vornehmen und wie lange wird es nach Ihrer Prognose noch dauern, bis die ersten Betroffenen Deutschland erreichen?
Lilie: Wir fordern ein schnelles und unbürokratisches Auswahlverfahren durch das UNHCR unter Kooperation mit dem European Asylum Support Office (EASO) und der EU-Kommission. Wie lange das letztlich dauern wird, hängt davon ab, wie aufwendig das Verfahren gestaltet wird. Das ist schwer vorherzusehen und kann durchaus noch Wochen dauern.
epd: Bislang konzentrieren sich alle Hilfszusagen für Griechenland auf die Lager. Doch was ist mit den geschätzten 20.000 Personen, die schon im Grenzgebiet sind. Was soll mit diesen Menschen geschehen?
Lilie: Die EU ist rechtlich verpflichtet, diese Flüchtlinge aufzunehmen. Zunächst müssen sie dringend mit allem Lebensnotwendigen versorgt werden. Dann muss die Lage schnellstmöglich durch eine geordnete Aufnahme deeskaliert werden. Dazu müssen die Rahmenbedingungen mit der Türkei schleunigst geklärt werden, damit sich nicht weitere Flüchtlinge mit falschen Hoffnungen auf den Weg nach Griechenland machen oder an die Grenze gebracht werden.
Berlin (epd). Das Leid von geflüchteten Kindern und Jugendlichen auf den griechischen Inseln ist unvorstellbar - und das nicht erst seit gestern. Kinder und Jugendliche leben in Kälte und Regen in Behelfsunterkünften, sind obdachlos oder in völlig überfüllten Camps untergebracht. Ihnen droht Gewalt, Ausbeutung und Missbrauch, sie haben kaum Zugang zu medizinischer Versorgung oder ausreichend Nahrung.
Der Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BUMF), Equal Rights Beyond Borders und viele weitere Organisationen weisen seit Jahren auf deren dramatische Lage hin und forderten erst im Herbst 2019 in einem dringlichen Appell insbesondere unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aufzunehmen.
Neun Bundesländer, Dutzende Kommunen und Jugendhilfeträger haben sich seither zur Aufnahme bereiterklärt. Doch das Bundesinnenministerium blockiert. Dabei ist Platz genug. Jeden Monat werden rund 1.000 Plätze in betreuten Wohngruppen für geflüchtete junge Menschen frei. Allein in den letzten drei Monaten haben 3.383 junge Menschen, die zwischenzeitlich volljährig geworden sind, die Jugendhilfeeinrichtungen verlassen.
Während die Politik blockiert, müssen Jugendhilfeträger bundesweit qualifiziertes Personal entlassen und Wohngruppen schließen. Von Schulen über Patenschafts- und Vormundschaftsvereinen bis Freizeitangeboten wurden weitere Strukturen für geflüchtete Kinder und Jugendliche aufgebaut, die derzeit zurückgefahren werden.
Das Bundesinnenministerium kann den Bundesländern erlauben, geflüchtete Menschen aufgrund der humanitären Notsituation aufzunehmen. Die Bundesländer können dann gemäß § 23 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes ihre Bereitschaft zur Aufnahme erklären und eine Aufenthaltserlaubnis erteilen.
Laut einem aktuellen Rechtsgutachten, das vom grünen EU-Abgeordneten Erik Marquardt in Auftrag gegeben wurde, darf das Bundesinnenministerium aufnahmebereiten Bundesländern die Zustimmung nicht verweigern, wenn sie "vulnerable Personen" wie unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aufnehmen wollen. Die aufnahmebereiten Bundesländer sollten von dieser Möglichkeit Gebrauch machen.
Die Bundesregierung kann zudem ihr "Selbsteintrittsrecht aus humanitären Gründen" gemäß Dublin III-Verordnung ausüben und auch ohne die Bundesländer Asylsuchende aus Griechenland aufnehmen. Nach der Aufnahme würden die Asylverfahren dann in Deutschland stattfinden.
Nun hat der Koalitionsausschuss beschlossen, im Rahmen einer europäischen "Koalition der Willigen" einen "angemessenen Anteil" geflüchteter Minderjähriger aus Griechenland aufzunehmen. Der Wortlaut des Beschlusses bleibt in vielerlei Hinsicht unklar. Nach Einschätzungen aus politischen Kreisen sollen nicht etwa 1.000 bis 1.500 Personen nach Deutschland kommen, sondern 1.000 bis 1.500 Personen über verschiedenen EU-Staaten verteilt werden.
Ein mutloser und unwürdiger Beitrag unseres Landes angesichts des Elends auf den griechischen Inseln. Rund 40.000 Flüchtlinge, darunter viele Kinder und Jugendliche, kranke, alte und traumatisierte Menschen, leben unter menschenrechtswidrigen Bedingungen auf den Inseln. Die Aufnahme wird laut Koalitionsbeschluss zudem auf wenige Personengruppen beschränkt. Nur schwer kranke Kinder und unbegleitete minderjährige Flüchtlinge unter 14 Jahren - "die meisten davon Mädchen" - sollen einreisen dürfen.
Wer darf nun also kommen? Erst mal noch niemand. Denn erst muss die "Koalition der Willigen" stehen und anschließend ein Aufnahmeverfahren etabliert werden. Und selbst dann wären kaum unbegleitete minderjährige Flüchtlinge betroffen.
Nach letzten vorliegenden UN-Zahlen sind nur 7,5 Prozent der 4.962 Minderjährigen, die ohne ihre Eltern in Griechenland leben, unter 14 Jahren. Das wären 372 unbegleitete Kinder, die insgesamt auf alle aufnahmebereiten EU-Staaten verteilt werden. Der Mädchen-Anteil liegt zudem lediglich bei 6,6 Prozent. Wird auch dieses Kriterium angewendet, bleiben statistisch gesehen 25 Mädchen unter 14 Jahren übrig. Eine traurige Zahl, angesichts des Leids von rund 5.000 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in Griechenland.
Nach Schätzungen von Equal Rights Beyond Borders, die unter anderem Minderjährige auf der griechischen Insel Chios unterstützen, haben zudem 50 Prozent der Kinder und Jugendlichen ohnehin einen Rechtsanspruch in anderen EU-Staaten überstellt zu werden, weil sie dort Angehörige haben. Sie brauchen ein Europa, in dem ihr Recht auf Zusammenführung mit Angehörigen geachtet und nicht länger ausgehebelt wird.
Neben unbegleiteten Minderjährigen sollen wohl auch Familien mit schwer kranken Kinder kommen dürfen. Hier muss sichergestellt werden, dass es nicht zu Familientrennungen kommt. Der gesamte Familienverbund inklusive volljähriger Geschwister, Großeltern und Adoptivkindern muss aufgenommen werden. Auf den griechischen Inseln fehlt es an Medikamenten, medizinischem Personal und Gerät. Für schwer kranke Menschen dürfte es in vielen Fällen kaum möglich sein, eine Diagnose gestellt zu bekommen. Es bleibt ein großes Rätsel, wie der Nachweis einer schweren Erkrankung erbracht werden kann.
Die vielen Menschen, die zuletzt auf die Straße gegangen sind, die aufnahmebereiten Jugendhilfeträger, Kommunen, Abgeordneten und Bundesländer dürfen sich durch diesen Alibi-Beschluss der großen Koalition nicht täuschen lassen. Es muss weiterhin Druck auf die Bundesregierung ausgeübt werden. Dabei macht es Mut, dass so viele Menschen in Europa nicht zusehen wollen, wie aus Europa der Unmenschlichkeit wird. Das gibt uns und vielen anderen Menschen, die sich für geflüchtete Menschen einsetzen, Kraft für unsere Arbeit.
In den vergangenen Wochen und Monaten haben uns viele Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern erreicht, die Kinder und Jugendliche aufnehmen wollen und von der Politik bitter enttäuscht sind. Ihnen müssen wir im Moment leider sagen: Es ist rechtlich nicht möglich Minderjährige aus Griechenland aufzunehmen. Aber: Privatpersonen können Druck auf Bund, Länder und Kommunen ausüben, damit diese sich bereiterklären, geflüchtete Kinder und Jugendliche aufzunehmen. Sie können zum Beispiel ihren Bundestagsabgeordneten vor Ort schreiben und sich an der Kampagne #WirHabenPlatz beteiligen.
Berlin (epd). An der griechisch-türkischen Grenze ereignen sich nach Angaben von humanitären Helfern derzeit massive Rechtsverstöße. Der Einsatz-Koordinator der Hilfsorganisation "Support to Life" (STL), Volkan Pirincci, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Ich habe noch nie ein schlimmeres Szenario gesehen." Es gebe eine große Zahl an "Push-Backs", also Zurückweisungen von potenziell Asylberechtigten. "Sie sind in großer Gefahr, ihr Leben zu verlieren", sagte der Einsatz-Koordinator. Die Organisation STL ist Partner der Diakonie Katastrophenhilfe und verteilt vor Ort Hilfsgüter wie Lebensmittel und Decken.
Pirincci, der in der vergangenen Woche im Grenzgebiet war, sagte, er selbst sei Zeuge von Menschenrechtsverletzungen geworden. So habe er mit Kollegen eine Afghanin aus dem Grenzfluss Evros retten müssen. Griechische Grenzschützer hätten die Waffe auf sie und ihren Mann gerichtet und sie gezwungen, durch den Strom zurück auf die türkische Seite zu gehen. "Als wir sie herausgezogen haben, war sie völlig unterkühlt, ihre Haut war kreidebleich, ihre Lippen lila. Sie wäre fast gestorben." Die Frau sei von einem Notarzt ins Krankenhaus gebracht worden.
Er habe mit zahlreichen Menschen gesprochen, die nach Überquerung des Flusses von griechischen Einsatzkräften aufgegriffen worden seien. "Sie mussten sich bis auf die Unterwäsche ausziehen. Telefone, Geld und auch Schmuck wurden ihnen abgekommen." Dann seien sie über die Grenze zurückgeschickt worden. Pirincci sagte, er habe Dorfvorsteher aus benachbarten Ortschaften interviewt und auch sie berichteten von massenhaften "Push-Backs".
Dramatisch sei auch die Situation in dem improvisierten Camp am Grenzübergang Pazarkule nahe der Stadt Edirne, wo etwa 15.000 Menschen tagtäglich darauf warteten, Zutritt zum Gebiet der Europäischen Union zu bekommen. Wenn einige versuchten, die Grenze zu überwinden, werde mit Tränengas, Gummigeschossen und Wasserwerfern reagiert.
"Die Menschen riskieren ihr Leben und haben ihre sehr verletzlichen Kinder dabei, weil sie auf ein besseres Leben hoffen", sagte der Helfer. Einige hätten ihm erzählt, dass sie ihr Hab und Gut verkauft hätten, um Geld für einen Neubeginn zu haben. Bei den Menschen an der Grenze handele es sich um alleinstehende Männer wie auch um Familien mit ganz kleinen Kindern. Die meisten seien Afghanen und Iraner, gefolgt von Syrern, Irakern oder Somaliern, Sudanesen und Bürger anderer afrikanischer und asiatischer Länder.
Frankfurt a.M. (epd). Das Sterbehilfeurteil des Bundesverfassungsgerichts und seine Folgen für die Mediziner beschäftigt derzeit intensiv die Ärzteschaft. "Diese Diskussionen werden sicherlich zu einer Grundsatzdebatte auf dem Deutschen Ärztetag im Mai in Mainz führen", teilte die Ärztekammer Nordrhein dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Düsseldorf mit. Inwieweit das Karlsruher Urteil eine Anpassung des ärztlichen Berufsrechts erforderlich mache, wird nach Angaben der Bundesärztekammer (BÄK) in den Gremien der BÄK beraten.
In einer epd-Umfrage hoben die Landesärztekammern vor allem hervor, dass Ärzte auch nach dem höchstrichterlichen Urteil nicht zur Beihilfe zum Suizid verpflichtet sind.
In der Musterberufsordnung der Bundesärztekammer heißt es in Paragraf 16: "Ärztinnen und Ärzte haben Sterbenden unter Wahrung ihrer Würde und unter Achtung ihres Willens beizustehen. Es ist ihnen verboten, Patientinnen und Patienten auf deren Verlangen zu töten. Sie dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten."
Das Bundesverfassungsgericht hatte Ende Februar das Verbot organisierter Sterbehilfe zum Suizid gekippt. Die Richter erklärten die bisherige Regelung in Paragraf 217 Strafgesetzbuch für verfassungswidrig, weil sie das allgemeine Persönlichkeitsrecht einschränke. Damit ebneten sie den Weg dafür, Beihilfe zur Selbsttötung straffrei zu stellen. In der Urteilsbegründung heißt es wörtlich: "Paragraf 217 Strafgesetzbuch verletzt Grundrechte von Personen und Vereinigungen, die Suizidhilfe leisten möchten." Geklagt hatten schwerstkranke Menschen, Sterbehilfevereine und Ärzte, weil sie im bisherigen Recht eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der Berufsfreiheit sehen.
In einer Umfrage des Evangelischen Pressedienstes hoben Landesärztekammern hervor, dass auch zukünftig kein Arzt zur Mitwirkung an einer Selbsttötung verpflichtet werden könne. So hat etwa die Ärztekammer Sachsen-Anhalt "positiv die Feststellung des Gerichts aufgenommen, dass Ärztinnen und Ärzte keine Verpflichtung zur Suizidhilfe trifft".
Die Ärztekammer Nordrhein betonte, die Aufgabe von Ärztinnen und Ärzten sei es, unter Achtung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten Leben zu erhalten, Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen sowie Leiden zu lindern und Sterbenden bis zu ihrem Tod beizustehen. "Die Beihilfe zum Suizid gehört damit auch in Zukunft ganz grundsätzlich nicht zu den Aufgaben von Ärztinnen und Ärzten."
Die Ärztekammer Westfalen-Lippe forderte klarere Regeln des Gesetzgebers. So müsse künftig deutlicher unterschieden werden zwischen dem Sterbewunsch eines nicht kranken Menschen und Situationen, in denen schwer kranke Patienten an der Grenze zwischen Leben und Tod durch Ärzte palliativmedizinisch begleitet würden, erklärte die Kammer auf epd-Anfrage. "Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, hier für Klarheit zu sorgen - auch im Sinne eines klaren Handlungsrahmens für Ärztinnen und Ärzte."
Die Landesärztekammer Niedersachsen sieht nach dem Urteil den Gesetzgeber und die Abgeordneten des Deutschen Bundestags "erneut aufgefordert, das zu regeln, was sie eigentlich regeln wollten: das Verbot der sogenannten Sterbehilfevereine, welche geschäftsmäßig Suizidbeihilfe anbieten". Aus Sicht der sächsischen Ärztekammer sollte der Gesetzgeber "insbesondere Regelungen schaffen, die Sterbehilfeeinrichtungen verhindern". Gemeint seien Einrichtungen, in denen ausschließlich Suizidbeihilfe geleistet und damit Geld verdient werde, hieß es.
Nach der Auffassung der Landesärztekammer Sachsen-Anhalt "legen Patienten fast ausnahmslos ihren Sterbewunsch ab, wenn sie palliativmedizinisch versorgt werden". Daher sei es wichtig, dass eine ausreichende Palliativversorgung aller Patienten gewährleistet werde.
Düsseldorf, Dortmund (epd). Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) dringt nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darauf, die Sterbehilfe noch vor der nächsten Bundestagswahl gesetzlich neu zu regeln. Die Bundestagsabgeordneten seien gefordert, eine neue Regelung zu schaffen, sagte die 54-Jährige am 6. März: "Ich halte es für machbar, dass wir noch in dieser Wahlperiode über Gruppenanträge im Bundestag Regelungen zum Thema Suizidhilfe schaffen." Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warnte indes vor übertriebener Eile beim Entwurf einer neuen Regelung.
Lambrecht betonte, die Entscheidung erlaube es dem Gesetzgeber ausdrücklich, die Sterbehilfe gesetzlich zu regulieren. Auch treffe das Urteil zur möglichen Regelung bereits Aussagen: "Es spricht etwa von Aufklärungs- und Wartepflichten, Erlaubnisvorbehalten und dem Verbot besonders gefahrträchtiger Formen der Suizidhilfe."
Wie das Thema gesetzlich geregelt wird, müsse jedoch eine Gewissensentscheidung frei von Fraktionsdisziplin bleiben, forderte die Ministerin. "Ich bin persönlich davon überzeugt, dass der assistierte Suizid keine gesellschaftliche Normalität werden darf." Alte und pflegebedürftige Menschen dürften keinesfalls das Gefühl haben, dass sie ab einer gewissen Pflegebedürftigkeit die Suizidhilfe in Anspruch nehmen müssten, unterstrich Lambrecht.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz mahnte zu Sorgfalt. Ein neues Gesetz müsse wohlüberlegt sein, erklärte Stiftungsvorstand Eugen Brysch dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Dortmund. "Der Gesetzgeber muss klug handeln, um nicht wieder in Karlsruhe zu scheitern." Es gelte, alte, kranke, pflegebedürftige und schwache Menschen wirksam zu schützen und gleichzeitig die Vorgaben des Urteils zu beachten. Formulierungen wie "Aufklärungs- und Wartepflichten", "Erlaubnisvorbehalte" und "Verbot besonders gefahrenträchtiger Formen der Suizidbeihilfe" hält Brysch für wenig hilfreich. "Jeder versteht darunter etwas anderes."
Die Richter in Karlsruhe hatten das seit 2015 geltende Verbot organisierter Hilfe beim Suizid gekippt. Die Vorschrift sei mit dem Grundgesetz unvereinbar, erklärte das höchste deutsche Gericht. Es sei dem Gesetzgeber aber nicht untersagt, die Suizidhilfe zu regulieren. Geklagt hatten schwerstkranke Menschen, Sterbehilfe-Vereine und Ärzte, weil sie im bisherigen Recht eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der Berufsfreiheit sehen.
Berlin (epd). Der Deutsche Ethikrat befürwortet den Einsatz von mehr Roboter-Technik in der Altenpflege, sofern der Mensch im Mittelpunkt steht. In seiner am 10. März in Berlin vorgestellten Stellungnahme "Robotik für gute Pflege" sprechen die Expertinnen und Experten Empfehlungen aus. Technik dürfe niemals Pflegepersonal oder die zwischenmenschliche Beziehung in der Pflege ersetzen. Sei das gewährleistet könne Robotik pflegebedürftigen Menschen zu einer höheren Lebensqualität verhelfen und die Arbeit von Pflegekräften und Angehörigen erleichtern, erklärt der Ethikrat. Parteien und Verbände sehen das auch so.
Viele Befürchtungen seien berechtigt, es dürften über den Risiken aber nicht die Chancen übersehen werden, erklärte der Ethikrats-Vorsitzende Peter Dabrock: "Menschlichkeit und Technik müssen kein Gegensatz sein." Roboter dürften nicht gegen den Willen der Gepflegten oder der Pflegenden eingesetzt werden und auch nicht, um die Effizienz einer Pflegeeinrichtung zu steigern. Vielmehr bestehe dann die Gefahr einer noch stärkeren Arbeitsverdichtung. Robotik in der Altenpflege sei kein Weg, um Personalengpässe zu beseitigen, stellt der Ethikrat fest.
So könnten Assistenz-Roboter Pflegekräfte und Angehörige bei körperlich anstrengenden Tätigkeiten wie dem Heben von Patienten entlasten und unter Umständen den Umzug in ein Heim hinauszögern. Auch Monitoring-Techniken zur Überwachung von Körperfunktionen oder Sensoren, die einen Sturz melden, könnten dazu beitragen, dass pflegebedürftige Menschen länger zu Hause bleiben können - allerdings nur, wenn dies nicht zu sozialer Isolation führe. Begleit-Roboter in Gestalt von Tieren wie die Robbe "Paro" könnten demenzkranke Menschen aktivieren oder beruhigen. Das sei inzwischen erwiesen, erklärte die Berliner Gerontologin Adelheid Kuhlmey, die der Technik selbst skeptisch gegenüberstand. Es sei aber nicht vertretbar, die emotionalen Bedürfnisse von Menschen durch Maschinen stillen zu lassen.
Der Ethikrat fordert, hilfsbedürftige Menschen und Pflegekräfte in die Entwicklung neuer robotischer Hilfsmittel einzubeziehen. Für eine gute Pflege gehe nicht darum, was technisch machbar sei, sondern was gebraucht werde. Die Finanzierung und der Einsatz von Robotik dürfe nicht dazu führen, dass in anderen Bereichen der Pflege Mittel gekürzt würden. Pflegeeinrichtungen sollten in ihren Leitlinien bestimmen, wo und in welchem Umfang Roboter-Technik zum Einsatz kommen kann - und wo nicht.
Bei der Zulassung zur Finanzierung durch die Kranken- und Pflegekassen müssten der Gesetzgeber und die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen sicherstellen, dass alle Patienten gleichermaßen Zugang zu den neuen technischen Hilfsmitteln erhalten. Pflege-Robotik dürfe die soziale Ungleichheit nicht vergrößern, erklärte der Leiter der Robotik-Arbeitsgruppe, der Heidelberger Gerontologe Andreas Kruse.
Der Deutsche Caritasverband begrüßte die Stellungnahme und erklärte, es müssten konkrete Kriterien für den Einsatz von Robotern in der Pflege entwickelt werden. ". Roboter können dann die Situation von pflegebedürftigen Menschen verbessern, wenn sie Zeit und Raum für menschliche Beziehungen eröffnen", erklärte Caritas-Präsident Peter Neher.
Pflegeroboter könnten die Arbeit möglicherweise effizienter machen. Das dürfe aber nur eins von mehreren Elementen sein in der Entscheidung für oder gegen ihren Einsatz. "Die Anwendung robotischer Systeme muss von den Gepflegten und den Pflegenden gewollt sein, damit sie eine wirkliche Hilfe darstellt", bekräftigte Neher.
Die Linksfraktion im Bundestag forderte die Bundesregierung auf sicherzustellen, dass nicht die Pflegebedürftigen selbst für die Einführung neuer Technik aufkommen müssen. "Niemand darf so tun, als könne mit dem Einsatz von Robotik dem Personalnotstand begegnet werden. Das ist schlicht unmöglich, im Gegenteil ergeben sich neue Arbeitsfelder für Pflegekräfte, auf die diese sich zusätzlich einstellen müssen", sagte Pia Zimmermann als pflegepolitische Sprecherin ihrer Fraktion.
Die Grünen erneuerten ihre Forderung nach einem Innovationsfonds für die Pflege, eine sektorenübergreifende Versorgung und Finanzierung sowie einen Digitalpakt für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen. Außerdem sagte Kordula Schulz-Asche, Sprecherin für Alten- und Pflegepolitik: "Wo sich Prozesse verändern, Tätigkeiten entfallen oder hinzukommen und neue Berufe entstehen, braucht es ein neues Miteinander der Gesundheitsberufe."
In Deutschland leben rund 3,5 Millionen pflegebedürftige Menschen, von denen zwei Drittel von ihren Angehörigen versorgt werden. Bis zum Jahr 2050 wird mit mindestens fünf Millionen Pflegebedürftigen gerechnet. Eine Bestandsaufnahme der bereits verfügbaren Roboter-Technik und ihrer Anwendung in Pflegeheimen und Privathaushalten ist nicht Bestandteil der Expertise des Ethikrats.
Bochum (epd). Jungen suchen sich bei suizidalen Gedanken nach Erkennntnissen des Psychotherapeuten Sören Friedrich weitaus seltener Unterstützung als Mädchen. "Das Thema ist immer noch sehr schambehaftet und die Hürden, sich Hilfe zu holen, sind oftmals sehr hoch", kritisierte Sören Friedrich.Es müsse daher mehr Aufklärung und einen niedrigschwelligen Zugang zu Hilfen geben, sagte der Leiter des Zentrums für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie in Bochum dem Evangelischen Pressedienst (epd).
In Deutschland bringen sich etwa dreimal so viele Jungen im Teenageralter um wie Mädchen – und das obwohl weibliche Jugendliche laut Friedrich deutlich häufiger Suizidgedanken haben und Suizidversuche begehen. Generell seien die Suizidraten bei Männern allen Altersklassen höher - ein Phänomen, das sich weltweit beobachten lasse.
Eine mögliche Erklärung sei, dass Jungen und Männer häufiger zu "harten" Methoden griffen, um sich umzubringen, sagte Friedrich. Dazu gehörten zum Beispiel Erhängen, Sprünge aus tödlicher Höhe oder Suizid durch Waffen, "also Methoden, bei denen die Wahrscheinlichkeit gering ist, dass sie noch gerettet werden können", erklärte der Psychotherapeut für Kinder und Jugendliche. Warum männliche Jugendliche eher diese Methoden wählten, sei noch nicht ausreichend erforscht.
Selbsttötungen unter Jugendlichen seien zwar relativ selten, sagte Friedrich, "trotzdem ist Suizid in der Altersstufe die zweithäufigste Todesursache nach Verkehrsunfällen". In herausfordernden Lebensabschnitten wie der Pubertät häuften sich Selbsttötungen. "In dieser Phase der Identitätsentwicklung gibt es viel Unsicherheit und das belastet die Jugendlichen", erklärte der Psychotherapeut. Weitere Risikofaktoren seien Konflikte in der Familie, in der Beziehung und im Freundeskreis oder Verlusterfahrungen. Psychische Störungen, besonders depressive Störungen spielten ebenfalls eine wesentliche Rolle.
Warnsignale für Eltern, Lehrer und Betreuer können anhaltende Traurigkeit, sozialer Rückzug, Unruhe, Konzentrationsschwäche, starker Alkohol- und Drogenkonsum und Schlafstörungen sein, sagte Friedrich. Bei Jungen äußerten sich Depressionen auch in einer gereizten und aggressiven Stimmung. "Das deutlichste Zeichen, dass ein Jugendlicher Suizidgedanken hat, ist aber, dass er darüber spricht", sagte er. Wichtig sei es dann, den Teenager ernst zu nehmen und offen mit ihm zu sprechen. Auch bei Anzeichen sollten die Bezugspersonen das Gespräch suchen: "Das direkte Ansprechen wird oftmals als Entlastung wahrgenommen und ist ein erster Schritt, Hilfe zu bekommen."
Bremen (epd). Die rot-grün-rote Landesregierung in Bremen lockert die Strafverfolgung im Umgang mit Cannabis und stärkt die Prävention. Ab 1. April könne bei einer Menge von bis zu 15 Gramm Marihuana oder Haschisch für den Eigenverbrauch von Strafverfolgung abgesehen werden, teilte die Bürgerschaftsfraktion der Grünen am 6. März mit. Bei bis zu 10 Gramm seien die Strafverfolgungsbehörden grundsätzlich verpflichtet, das Verfahren einzustellen. Mit diesen Richtlinien des Justizressorts habe Bremen neben Berlin die bundesweit liberalste Regelung für den Umgang mit Cannabis.
Ausgenommen bleiben den Angaben zufolge Fälle mit Anhaltspunkten dafür, dass das Cannabis verkauft oder weitergegeben werden soll. Statt Strafverfolgung habe die Polizei auf Angebote der Suchthilfe hinzuweisen. Sei die betroffene Person einverstanden, stelle die Polizei den Kontakt zu einem Beratungs- oder Interventionsangebot her.
Bisher hätten Polizei und Staatsanwaltschaft im Land Bremen nur bei Cannabismengen von höchstens sechs Gramm von Verfolgung abgesehen - und das auch nur beim ersten Mal, hieß es. Künftig werde der Besitz einer geringen Menge zum Eigenverbrauch selbst dann nicht verfolgt, wenn die betroffene Person bereits zuvor einmal der Polizei als Cannabis-Konsument aufgefallen sei.
Berlin (epd). Die Linksfraktion im Bundestag fordert eine gute Gesundheitsversorgung auch für Menschen ohne Krankenversicherung oder mit Beitragsschulden. Viele Menschen in Deutschland erhielten nur Leistungen unterhalb des Notwendigen oder hätten gar keinen Anspruch auf medizinische Versorgung, heißt es in einem Antrag der Fraktion. Das betreffe vor allem Obdachlose, Wohnungslose, Illegalisierte, Geflüchtete, Asylsuchende sowie erwerbslose Menschen aus EU-Mitgliedsstaaten.
Die Abgeordneten sprechen sich vor diesem Hintergrund in dem Antrag unter anderem einen Härtefallfonds für die Behandlung von Menschen ohne Absicherung im Krankheitsfall aus. Ferner sollten bundeseinheitliche Regelungen für die Einführung eines anonymen Krankenscheins zur Versorgung von Unversicherten oder Illegalisierten im Regelversorgungssystem geschaffen werden, hieß es.
Allen mittellosen Personen mit Beitragsschulden in der Gesetzlichen und Privaten Krankenversicherung sollte der Linken zufolge ein dauerhafter Schuldenerlass gewährt werden. Ferner sollte die Mindestbemessung bei freiwillig Kranken- und Pflegeversicherten, auch Selbstständigen, auf 450 Euro abgesenkt werden, so der Antrag. Der Basistarif der PKV sei perspektivisch in das System der kassenärztlichen Versorgung zu integrieren.
Stuttgart (epd). Das baden-württembergische Sozialministerium will in diesem Jahr in seiner Arbeit einen Schwerpunkt gegen Kinderarmut setzen. Dazu hat Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) am 5. März in Stuttgart die Landesstrategie "Starke Kinder - Chancenreich" vorgestellt. Caritas und Diakonie begrüßen die Initiative und sehen erheblichen Nachholbedarf in der Sozialpolitik.
Lucha beklagte, dass im Südwesten jedes fünfte Kind armutsgefährdet sei. Das Ministerium hat nach eigenen Angaben ein Paket an Maßnahmen geschnürt, das die Situation betroffener junger Menschen verbessern soll. Dazu gehören eine Online-Beratung für Alleinerziehende, bessere Angebote der Schulsozialarbeit, ein Gesellschaftsreport "Kinderarmut und Migrationshintergrund" sowie eine Untersuchung zum kindlichen Wohlbefinden.
Caritas und Diakonie loben in einer gemeinsamen Stellungnahme die Zusage einer Fördersumme von rund fünf Millionen Euro für Initiativen gegen Kinderarmut. Um eine notwendige Flächenwirkung zu entfalten, dürfe die Förderung nicht im Klein-Klein vieler einzelner Projekte verharren, schreiben sie. Die kirchlichen Sozialwerke fordern einen Masterplan gegen schlechte Gesundheit und gesellschaftliche Herabsetzung armutsbedrohter Kinder.
Der Kampf gegen Kinderarmut müsse über politische Ressortgrenzen hinausgehen, fordern Caritas und Diakonie. So sei besonders das Kultusministerium gefragt, da der Bildungserfolg in Baden-Württemberg immer noch stärker als in anderen Bundesländern vom Bildungsniveau der Herkunftsfamilie abhänge. Außerdem sollten betroffene Kinder einheitlich unterstützt werden, damit die Förderung nicht wie bislang vom Wohnsitz der Minderjährigen abhänge.
Berlin (epd). Einer aktuellen DIHK-Umfrage zufolge treffen das Coronavirus und seine wirtschaftlichen Folgen deutsche Gesundheitsbetriebe überdurchschnittlich stark. "Bei einer Reihe von Einschränkungen, die jetzt erlassen oder diskutiert werden, sind gesundheitsrelevante oder sogar lebensnotwendige Dienstleistungen oder Produkte stark beeinträchtigt", warnte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Achim Dercks am 12. März in Berlin. Die Lebenshilfe mahnte besondere Schutzmaßnahmen für Menschen mit Behinderung an, die Arbeiterwohlfahrt nahm alleinlebende Senioren in den Blick.
Dercks sagte, es sei fragwürdig, die wirtschaftliche Betätigung während der Corona-Pandemie zu stark einzuschränken. "Das würde der Gesundheitsversorgung einen Bärendienst erweisen." Er forderte "staatliches Handeln mit Augenmaß".
So treffe zum Beispiel das Exportverbot für Schutzausrüstung auch deutsche Pharmahersteller, die damit ihre Mitarbeiter in ausländischen Produktionsstätten ausrüsten müssen, um dort Medikamente herzustellen.
Aus der DIHK-Analyse geht auch hervor, dass die Unternehmen auch bei den direkten Dienstleistungen für Patienten Engpässe erwarten. So rechnen in der Gesundheitswirtschaft fast die Hälfte der Unternehmen (47 Prozent) mit erheblichen Problemen aufgrund krankheitsbedingter Ausfälle. Der Wert liege damit höher als im Durchschnitt aller Betriebe (34 Prozent).
"Viele Unternehmen der Gesundheitswirtschaft haben die Sorge, dass die Versorgung der Patienten vor Ort etwa mit dringlichen medizinischen Produkten wie Flüssigsauerstoff beeinträchtigt wird, wenn zu viele Mitarbeiter zu Hause bleiben müssen", sagte Dercks.
"Da sich das Corona-Virus immer weiter ausbreitet, müssen wir auf Menschen mit Behinderung in besonderer Weise achten", sagte Ulla Schmidt, die Bundesvorsitzende der Lebenshilfe. Sie hätten in den Einrichtungen, Zuhause, bei der Arbeit und in Schulen wegen Vorerkrankungen häufig ein erhöhtes Risiko schwer zu erkranken. "Ihren Schutz und ihre Versorgung sicherzustellen, ist unsere gemeinsame Aufgabe", mahnte Schmidt.
Deshalb müsse auch bei Schließungen, zum Beispiel von Werkstätten und Schulen, die Finanzierung ebenso gesichert werden wie für Unternehmen. Dazu gehöre auch die Bezahlung von Assistenzkräften wie Schulhelfern.
Familienministerin Franziska Giffey (SPD) sagte in Berlin, ältere Menschen und ihre Familien sollten ihre Gewohnheiten überdenken, beispielsweise Busse und Bahnen meiden und keine größeren Freizeitveranstaltungen besuchen. Besonders schutzbedürftig seien Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeeinrichtungen. Die Pflegekräfte seien gefordert, sie zu schützen und sich zugleich selbst nicht zu gefährden. "Der Spagat wird nicht einfach zu bewältigen sein", sagte Giffey.
Zuvor hatte die bayerische Arbeiterwohlfahrt auf die Gefahren für alleinlebende Senioren in der Corona-Krise hingewiesen. Landesvorsitzender Thomas Beyer sagte, ausgerechnet diese Risikogruppe komme in der Diskussion um Maßnahmen gegen die Coronaverbreitung bislang nicht vor. Die vielen älteren Menschen, die ganz alleine lebten, dürften jedoch in dieser Situation nicht vergessen werden - "sind sie es doch, die bei einer Ansteckung am meisten gefährdet sind", so Beyer. Gefragt sei nun das bayerische Sozialministerium, von dem er sich eine Initiative erwarte.
Sozialministerin Carolina Trautner (CSU) erklärte sich bereit, zeitnah eine Runde mit Vertretern der Wohlfahrtsverbände und der kommunalen Spitzenverbände zu organisieren. Um für die älteren Mitbürger etwas voranzubringen, will Trautner "alle, die hier etwas beitragen können", zu einem offenen Austausch einladen und das weitere Vorgehen beraten. Sie nehme die Sorgen der Menschen wegen Corona sehr ernst, sagte die Ministerin auf Anfrage.
Beyer begrüßte diese Initiative. Denn sich einzig auf eine funktionierende Nachbarschaftshilfe zu verlassen, sei zu wenig. Stattdessen müssten Einkaufshilfen organisiert werden, damit Senioren nicht gezwungen seien, dies selber zu tun - angesichts der Empfehlung, dass sie große Menschenmengen meiden sollen. Auch Besuchsdienste müssen laut Beyer initiiert werden, um den Kontakt zu den alleinlebenden älteren Menschen zu halten oder zu schaffen.
Im Umgang mit dem Coronavirus in ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen fordert Meißner insbesondere die Pflege- und Krankenkassen, die Medizinischen Dienste der GKV und PKV zur aktiven Mithilfe bei der Bekämpfung der sich durch das Coronavirus in der Pflege abzeichnenden Krisensituation auf.
"Die Institutionen des Pflege- und Gesundheitswesens sind in der größten Krise völlig abgetaucht", rügte Thomas Meißner, Vorstandsmitglied des Berliner AnbieterVerbands qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen. Von deren Entscheidungsträgern im Bund und in den Ländern höre man in Sachen Corona nichts, sagte Meißner. Und das, obwohl das Virus "eine ernste Bedrohung der Versorgungssicherheit im Pflege- und Gesundheitsbereich darstellt".
Die ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen hätten große Ängste im Umgang mit dem Virus und den sich daraus ergebenden Folgen. "Die Dienste stehen unter enormem Stress und stellen sich die Frage, wie eine Versorgung auch dann sichergestellt werden kann, wenn Patienten, Pflegebedürftige sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betroffen sind." Mittelständische Unternehmen bangten um ihre Existenz. "Hier braucht es dringend klare, eindeutige, verlässliche und unkomplizierte Regelungen und Strategien", forderte der Vorstand.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz rief guten Taten in der Nachbarschaft auf. "Wenn bei Corona alles kopfsteht, ist gute Nachbarschaft gefragt", sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch dem Evangelischen Pressedienst (epd) am 12. März in Dortmund. "Es gilt, den alten und pflegebedürftigen Menschen von nebenan in den Blick zu nehmen." Denn unter ihnen sei die Verunsicherung besonders groß, wie die Stiftung auch am Patientenschutztelefon merke.
Jeder Bürger kann nach Bryschs Worten einen Beitrag für gefährdete Menschen leisten. "Bei aller gebotener Vorsicht kann sehr viel Gutes getan werden: Ob der Einkauf mitgebracht, ein Rezept vom Arzt abgeholt oder ein Medikament aus der Apotheke besorgt wird, das sind wichtige Zeichen der Hilfsbereitschaft", sagte der Patientenschützer.
München (epd). "Suche preisgünstige Zwei-Zimmer-Wohnung": Solche Mietgesuche finden sich oft an den Laternenmasten im Landkreis Dachau. In München und Umgebung gestaltet sich die Wohnungssuche für Menschen mit kleineren bis mittleren Einkommen als Problem – zum Beispiel für jene in Sozialberufen. Nun kümmert sich eine neue Genossenschaft um Wohnraum für Pflegerinnen und Pfleger. Das Ungewöhnliche: Die Genossen sind die Arbeitgeber. "Wir verstehen das auch als Modellprojekt für andere Regionen", sagt Bernhard Seidenath, Initiator und CSU-Landtagsabgeordneter.
Er sieht in dem von ihm angeschobenen Projekt mit dem Namen "Habt ein Herz für soziale Berufe – Wohnungsvermittlung für Menschen in Sozial- und Gesundheitsfachberufen im Landkreis Dachau" viele Vorteile: Auf diese Weise finden Menschen in Sozialberufen eine bezahlbare Wohnung.
Die Vermieter haben in der Genossenschaft einen verlässlichen Ansprech- und Vertragspartner. Arbeitgeber, die Mitarbeitern Wohnraum bieten, steigern ihre Attraktivität. Und die Region profitiert von den personell gut ausgestatteten Sozialdiensten. Denn das größte Problem bei der Suche nach Arbeitskräften sei das Wohnungsproblem, erklärt der Landtagsabgeordnete. Und das bei etwa 1.800 leerstehenden Wohnungen im Landkreis Dachau.
Die Genossenschaft der Sozialträger versucht also, durch das Angebot bezahlbaren Wohnraums das Problem des Fachkräftemangels zu lösen. In der Landeshauptstadt München gehen die kommunalen Behörden einen ähnlichen Weg und treten als Mieter auf, um Wohnungen für Verwaltungsangestellte zu rekrutieren. In Hamburg hat eine Drogeriemarktkette sogar damit begonnen, Wohnungen für ihre Mitarbeiter zu bauen. Auch die Aufbaugemeinschaft Espelkamp bei Minden will für junge Fachkräfte mit "Wunschwohnungen" in einer extra gebauten Wohnanlage Anreize schaffen, aufs Land zu ziehen.
Für den Landkreis Dachau wurde im vergangenen Juli die Genossenschaft gegründet, die bayerische Staatsregierung gab dazu einen Zuschuss von 55.000 Euro. Die Genossen der Genossenschaft sind drei regionale Arbeitgeber der Sozialbranche: die Helios Amper-Kliniken Dachau und Indersdorf, das Pflegeheim Kursana und der Pflegedienst miCura.
Sabine Appel, Vorstand der (nicht gemeinnützigen) Genossenschaft, erklärt, wie die Genossenschaft funktioniert: Sie tritt gegenüber dem Wohnungsvermieter als Mieter auf und mietet die Räumlichkeiten. Dann überlässt sie ihren Genossen über einen Überlassungsmietvertrag die Wohnungen. Die Genossen, also die Arbeitgeber, schließen mit ihren Mitarbeitern einen Werksmietvertrag ab. Der ist allerdings an das Beschäftigungsverhältnis gebunden. Das heißt: Kündigt die in der Wohnung wohnende Angestellte den Job oder wird ihr gekündigt, muss sie ausziehen.
Inzwischen gibt es laut Appel eine Bestandsaufnahme, was die Arbeitgebergenossen an Wohnraum benötigen: Derzeit sind es acht Ein- und Zweizimmerwohnungen. Und es haben sich auf Zeitungsinserate auch schon Vermieter gemeldet. Ein Angebot betrifft etwa eine Zweizimmerwohnung mit 57 Quadratmetern für rund 1.000 Euro Warmmiete. "Etwas teuer", sagt Appel. Aber, erklärt Seidenath: "Wenn die Miete für die Pflegekraft oder die Krankenschwester zu hoch ist, kann sie auch vom Arbeitgeber gesponsert werden."
Tübingen (epd). Bei Jugendlichen, die eine Depression hatten, besteht ein hohes Risiko, erneut krank zu werden: Die Rückfallquote liegt innerhalb von fünf Jahren bei 70 Prozent. Deshalb möchte der Tübinger Psychologe Stefan Lüttke ein Frühwarnsystem per App entwickeln. Als Grundlage dient eine bereits laufende Studie, mittels der das Smartphone-Verhalten von Jugendlichen Hinweise auf Störungen geben soll.
"Wir möchten herausfinden, ob es einen Zusammenhang zwischen der Smartphone-Nutzung und der Depression bei Jugendlichen gibt", erklärt Lüttke, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Tübinger Universität in der Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie. Laut seinen Berechnungen leiden in Deutschland 450.000 Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren an einer Depression. Ein frühes Anzeichen könne sein, wie oft Jugendliche das Handy einschalten und Nachrichten auf WhatsApp, Instagram oder anderen Sozialen Medien nutzen.
"Unsere Vermutung ist, dass man diese sozialen Kanäle bei Beginn der Krankheit zunächst häufiger als gewohnt einsetzt, um seinen Freunden mitzuteilen, dass es einem nicht so gutgeht. Im fortgeschritteneren Stadium gehen wir davon aus, dass die Betroffenen kaum noch Energie haben und sich deshalb auch weniger in den Sozialen Medien bewegen", erklärt der Psychologe.
Weitere Hinweise könnten GPS-Daten geben, die etwas über die Aktivitäten aussagen. "Wenn man in eine Depression reinrutscht, will man nicht mehr nach draußen, sondern man zieht sich zurück. Im schlimmsten Fall macht man gar nichts mehr und liegt nur noch im Bett."
Drittes Kriterium ist die Wortwahl, die durch eine vom Jugendlichen genehmigte Einsicht in seine Chats offensichtlich werden kann. Meist seien das Chats, in denen man einem Freund schreibt - deren detaillierte Daten von den Forschern jedoch nicht gelesen werden. Die Nachrichten der betroffenen Jugendlichen würden häufig Wörter mit Negationen aufweisen: "Keiner mag mich, alles ist doof". "'Niemals' oder 'nie' sind ebenfalls Wörter, die ein Schwarz-Weiß-Denken zeigen", erläutert Lüttke.
Außerdem erhalten die Betroffenen dreimal täglich über eine Smartphone-App Anfragen zu ihrer aktuellen Stimmung. Damit soll zwischen depressiven Symptomen und Stimmungsschwankungen unterschieden werden, die in der Pubertät üblich sind.
Seit April 2019 läuft die Studie, an der Jugendliche beteiligt sind, bei denen eine Depression diagnostiziert wurde. Eine Woche lang dauert die Beobachtung des Smartphone-Verhaltens. Die Studie versteht sich als Grundlagenforschung, in der Daten gesammelt werden, um später einen Algorithmus zu entwickeln, der Herz einer Frühwarn-App sein soll. "Wir hoffen, mit der App einen Weg zu finden, schneller reagieren zu können, wenn es Anzeichen auf eine erneute Depression gibt", erklärt Lüttke.
Denkbar ist, dass die App Zahlenwerte zwischen 0 und 100 errechnet (wobei Null für keine Anzeichen steht), die sich aus den hinterlassenen Aktivitäten des Smartphone-Nutzers ergeben. Täglich könnten die Betroffen dann sehen, auf welchem Level sie sind. Zeigt die App einen kritischen Wert an, sollten Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. "Man handelt, bevor die Depression einsetzt. Oft helfen schon ein bis zwei Gespräche beim Therapeuten", sagt Lüttke.
Außerdem sollen die Jugendlichen per App Hilfe bekommen, beispielsweise indem ihnen konkrete Vorschläge gemacht werden, was sie Gutes für sich tun können. Diese Eigenaktivität habe bei Jugendlichen einen hohen Stellenwert. "Sie möchten ihre Probleme selbst lösen."
Auch die Anonymität spreche für die App. "Jugendliche holen sich bei psychischen Problemen aus Scham nicht gern Hilfe. Sie möchten nicht in den Ruf geraten, ein 'Psychos' zu sein." Die Signalfunktion könne auch bei Ärzten gute Dienste leisten, etwa indem die Mediziner mitgeteilt bekommen, wenn es ihren Patienten schlechter geht, hofft der Psychologe.
Bremen, Hamburg (epd). Die Deutsche Seemannsmission zieht von Bremen nach Hamburg. Am Dienstag 17. März soll der Möbelwagen des Dachverbandes in der Hafencity eintreffen. Generalsekretär Christoph Ernst (55) und sein kleines Team werden dort ihre neuen Büroräume im Ökumenischen Forum beziehen. Seine vordringliche Aufgabe sieht er darin, die Seemannsmission innerhalb und außerhalb der evangelischen Kirche bekannter zu machen und für ihre Arbeit zu werben. Der offizielle Eröffnungsgottesdienst wird am 29. April im Ökumenischen Forum gefeiert.
Beschlossen wurde der Umzug nach Hamburg vom Vorstand bereits 2018. Der Hafen ist größer, und viele Reedereien haben ihren Sitz in Hamburg. In Bremen war die Seemannsmission nur Untermieter bei der Diakonie.
Ernst ist seit einem Jahr Generalsekretär. Mit der Seeschifffahrt hatte der gebürtige Görlitzer früher wenig zu tun. Nach einer Tischlerlehre, dem Theologie-Studium in Leipzig und Bochum sowie einer Auslandspfarrstelle im kanadischen Ottawa war er zuletzt im EKD-Kirchenamt in Hannover zuständig für die Ökumene in Nord- und Westeuropa.
Zur Deutschen Seemannsmission gehören 32 Stationen im In- und Ausland. Mehr als 700 Haupt- und Ehrenamtliche bieten auf Schiffen, in Seemannsclubs und in Seemannsheimen Gespräche, Freizeitgestaltung und Hilfe in Notlagen an. Die Arbeit wird aus Kirchensteuern, öffentlichen Mitteln, Spenden und Schiffsabgaben der Reeder finanziert.
Vielen Menschen fehle ein Bewusstsein für die schwierige Arbeit der Seeleute, sagt Ernst. Nahezu jeder Kühlschrank oder Fernseher werde mit einem Schiff nach Deutschland transportiert. "Ohne Seeleute geht es nicht." Der "Faire Handel", den auch viele Kirchengemeinden unterstützen, konzentriere sich auf die Kleinbauern und Handwerker in den Entwicklungsländern. Fairer Handel müsste aber auch den Transport mit dem Schiff einbeziehen.
Zweibrücken (epd). Das ehemalige Evangelische Krankenhaus in Zweibrücken hat einen neuen Eigentümer. Das Unternehmen Helexier GmbH wolle zwischen 15 und 20 Millionen Euro in das Gebäude investieren, sagte die Sprecherin Susanne Jüllig am 12. März in Heltersberg im Landkreis Südwestpfalz dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Geplant seien Räume für anspruchsvolles betreutes Wohnen auf vier Etagen, eine Kindertagesstätte sowie ein Verkauf medizinischer Instrumente. Helexier hat Standorte in Heltersberg, Luxemburg und in den Vereinigten Arabischen Emiraten (Dubai).
Zudem plane der neue Eigentümer, weitere Ärzte als Mieter zu gewinnen, sagte die Sprecherin. Die bestehenden Mietverhältnisse sollen verlängert werden. Mieter im ehemaligen Krankenhausgebäude sind das katholische Nardini-Klinikum, ein Medizinisches Versorgungsszentrum sowie eine radiologische und eine psychotherapeutische Praxis. Wann mit dem Umbau begonnen werden könne, solle ein Gespräch mit dem Nardini-Klinikum am morgigen Freitag ergeben, sagte Jüllig. Einen Kaufpreis für das ehemalige Krankenhausgebäude nannte sie nicht.
Berlin (epd). Der Deutsche Stiftungstag vom 17. bis 18. Juni in Leipzig wird abgesagt. Das haben die Gremien des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen am 10. März einstimmig entschieden. Der Grund sind die schwer einzuschätzenden Entwicklungen rund um den Coronavirus, heißt es zur Begründung in einer Mitteilung. Die Mitgliederversammlung, die für den 18. Juni geplant war, werde auf den Herbst verschoben.
Durch die frühe Absage wolle der Bundesverband allen Beteiligten Planungssicherheit geben "und zugleich einen konkreten Beitrag dazu leisten, dass sich der Virus nicht weiter verbreiten kann". Zudem solle auch vermieden werden, dass Teilnehmenden, den Referenten, Partnern sowie den beteiligten Dienstleistern unnötig weitere Kosten entstehen.
Der Bundesverband Deutscher Stiftungen hat nach eigenen Angaben mehr als 4.500 Mitglieder. Über Stiftungsverwaltungen sind ihm 8.400 Stiftungen mitgliedschaftlich verbunden.
Dortmund/Münster (epd). Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) hat eine weitere Veranstaltung wegen des sich ausbreitenden Coronavirus abgesagt. Die für kommende Woche geplante LWL-Messe der Inklusionsunternehmen in Dortmund wird um ein Jahr verschoben, wie der Landschaftsverband am 10. März in Münster mitteilte. Die Messe, zu der sich in diesem Jahr auch internationale Besucher angekündigt hatten, soll am 17. März 2021 in der Messe Dortmund stattfinden.
Die Gesundheit aller Messebesucher und Mitarbeitenden habe höchste Priorität, erklärte LWL-Sozialdezernent Matthias Münning. "Zudem nehmen wir mit dieser Maßnahme Rücksicht auf die besonderen Schutzbedürfnisse der Menschen mit Behinderung, die die wichtigste Zielgruppe der Messe sind."
Die LWL-Messe der Integrationsunternehmen sollte am 18. März erstmals in Dortmund stattfinden. Rund 130 Aussteller aus dem In- und Ausland hatten sich in diesem Jahr dazu angemeldet.
Karlsruhe (epd). Sie dienen als "Brücke nach draußen" und unterstützen bei einem Häftling die Resozialisierung in die Gesellschaft: ehrenamtliche Besucher der Straffälligenhilfe. Bei der Vermittlung der ehrenamtlichen Besucher an die Gefangenen müssen die Justizvollzugsanstalten (JVA) aber den Grundsatz der Gleichbehandlung beachten, forderte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am 6. März veröffentlichten Beschluss. Gibt ein Häftling konkrete Hinweise, dass er ohne ausreichenden Grund oder gar willkürlich keine ehrenamtliche Person zugeteilt bekommt, müssen dem Gerichte auch nachgehen, so die Karlsruher Verfassungsrichter.
In den Bundesländern besteht die Möglichkeit, dass ehrenamtliche Personen der Straffälligenhilfe, etwa von Diakonie und Caritas, Häftlinge regelmäßig besuchen. Die jeweilige Leitung der JVA entscheidet, ob sie solche Besuche zur Förderung der Resozialisierung zulässt.
Im Streitfall hatte ein zu neuneinhalb Jahren Haft verurteilter Straftäter seit Jahren erfolglos um die Vermittlung eines ehrenamtlichen Besuchers gebeten. Er habe kaum Sozialkontakte und verfüge über keine persönlichen Kontakte, so der Häftling. Alle zwei Wochen könne er nur mit seinen zu weit entfernt wohnenden Eltern telefonieren. Mit Bekannten bestehe allenfalls Briefkontakt.
Die Gespräche mit einem ehrenamtlichen Besucher könnten die schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzugs entgegenwirken und ihn besser auf das Leben nach der Haft vorbereiten, so der Gefangene. Das Haftende ist am 27. Februar 2021 vorgesehen.
Als dem Häftling am 5. April 2019 zum wiederholten Male mitgeteilt wurde, dass derzeit für ihn kein geeigneter ehrenamtlicher Besucher zur Verfügung stehe und für ihn die Warteliste weiter gelte, sah der Gefangene sein Recht auf Resozialisierung verletzt. Lasse eine JVA ehrenamtliche Besucher zu, müsse deren Vermittlung nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung erfolgen. Hier seien ehrenamtliche Besucher Häftlingen zugeteilt worden, die noch nicht so lange in Haft seien wie er.
Vor dem Landgericht Regensburg hatte die Klage des Mannes keinen Erfolg. Die ehrenamtlichen Besuche seien gesetzlich nicht geregelt. Hier habe die JVA dem Häftling die Vermittlung auch nicht abgelehnt, sondern nur darauf verwiesen, dass er bis zum Vorliegen eines geeigneten Besuchers so lange warten muss. Dies sei gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar. Der Verweis auf andere, bei den Besuchen bevorzugte Häftlinge sei zu pauschal.
Der Häftling legte Verfassungsbeschwerde ein. Das Landgericht habe nicht ausreichend geprüft, ob er in seinem Grundrecht auf Gleichbehandlung verletzt werde, lautete die Begründung. Ohne ehrenamtliche Betreuung seien keine begleiteten Ausgänge möglich und damit keine Resozialisierung, wandte der Häftling ein.
Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass das Landgericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht den vom Gefangenen vorgebrachten Sachverhalt und die gerügte Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes hätte aufklären müssen. Sein Grundrecht auf "effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt" sei verletzt worden.
Mit dem Argument, dass die ehrenamtliche Betreuung allein aus Kapazitätsgründen nicht möglich und der Antrag nicht abgelehnt und damit auch nicht gerichtlich überprüfbar sei, nehme das Landgericht dem Beschwerdeführer die Möglichkeit, das Vermittlungsverfahren der JVA gerichtlich überprüfen zu lassen. Staatliche Stellen dürften in ihrem Handeln nicht willkürlich handeln. Übergehe eine JVA einen Gefangenen bei der Vermittlung ehrenamtlicher Besucher, müsse das auch sachlich begründet werden können, so die Karlsruher Richter.
Hier habe der Häftling plausibel eine mögliche Ungleichbehandlung dargelegt. So sei dem Gefangenen seit Jahren der Wunsch nach ehrenamtlichen Besuchen nicht entsprochen worden. Auch dass andere, noch nicht so lange inhaftierte Gefangene einen Besucher vermittelt erhielten, sei Anlass, um das Vergabeverfahren gerichtlich zu überprüfen. Das Landgericht muss nun neu über den Fall entscheiden.
Sabine Bruns, Referentin für Straffälligenhilfe der Diakonie Rheinland Westfalen Lippe wünscht sich, dass jede JVA Ehrenamtliche auch gut unterstützt. Denn Resozialisierung sei angesichts einer Rückfallquote von 30 bis 40 Prozent wichtiger denn je. Immer wieder komme es vor, dass ehrenamtliche Besucher sehr lange warten müssten oder sie nicht darüber informiert werden, wenn ein Häftling plötzlich in eine andere JVA verlegt wird.
Dabei seien die Außenkontakte für Häftlinge sehr wichtig. "Die oft über viele Jahre Inhaftierten erfahren so, wie das Leben draußen läuft", sagt Bruns. Auch bestehe in den Gesprächen die Gelegenheit, über die begangene Tat zu reden und diese aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Im August 2019 gab es Bruns zufolge allein in NRW rund 2.000 Ehrenamtler, die regelmäßig Gefangene besuchen.
Kai Kupka, Referent für Straffälligenhilfe der Diakonie im Oldenburger Land, sieht hinsichtlich der Unterstützung der JVAs bei den ehrenamtlichen Besuchen noch Luft nach oben. "JVA könnten aktiv mehr Impulse geben und etwa auch Besuchergruppen von sich aus einladen, die mit Inhaftierten zu bestimmten Themen das Gespräch suchen", sagte Kupka. So gebe es beispielsweise mit Caritas und Diakonie auch konkrete Organisationen, mit denen die JVA zusammenarbeiten könnten.
Az.: 2 BvR 1719/19
Karlsruhe (epd). Der Berliner Mietendeckel mit den darin enthaltenen Bußgeldvorschriften für Vermieterinnen und Vermieter ist vorerst weiter gültig. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe lehnte in einem am 12. März veröffentlichten Beschluss einen Eilantrag von Vermietern ab, die im "Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin" enthaltenen Sanktionen bis zur Entscheidung in der Hauptsache außer Kraft zu setzen.
Mit dem am 23. Februar in Kraft getretenen Gesetz sollte die Mietpreisexplosion in Berlin bekämpft werden. Es legt Höchstmieten und Auskunftspflichten für Vermieter fest. So gelten etwa bei Wiedervermietung in Berlin nun die Mieten vom 18. Juni 2019 oder gegebenenfalls die festgelegten Mietobergrenzen. Ab dem 23. November 2020 ist darüber hinaus grundsätzlich in allen Mietverhältnissen eine Miete verboten, die die Höchstgrenzen um mehr als 20 Prozent übersteigt. Bei Zuwiderhandlungen droht Vermietern eine Geldbuße bis 500.000 Euro.
Am 13. Februar hatte das Bundesverfassungsgericht bereits einen Eilantrag von Vermietern gegen das Gesetz zurückgewiesen, da dieses zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Kraft war.
Nun lehnten es die Verfassungsrichter ab, die Bußgeldvorschriften im Gesetz außer Kraft zu setzen. Die Nachteile für Vermieter in Form drohender Bußgelder seien nicht so groß, dass dies eine Aussetzung der Bestimmungen bis zur Entscheidung in der Hauptsache rechtfertigen würde.
So könne auf die Verhängung von Bußgeldern auch verzichtet werden, wenn etwa "erkennbar überforderte Vermieterinnen oder Vermieter" sich nur fahrlässig nicht an den Mietendeckel gehalten haben, hieß es. Bei Neuvermietungen könnten sich Vermieter zudem höhere Mieten versprechen lassen, falls die Vorschriften sich als verfassungswidrig erweisen sollten.
Würden die Bußgeldvorschriften vorerst nicht gelten, bestehe für Mieterinnen und Mieter dagegen die Gefahr, dass viele Vermieter sich nicht an den Mietendeckel halten, erklärten die Richter. Angesichts von 1,5 Millionen vermieteten Wohnungen in Berlin könnten die Behörden ohne Bußgeldvorschriften das Gesetz nur schwer durchsetzen.
Az.: 1 BvQ 15/20
Karlsruhe (epd). Vermieter müssen keine besonders ausführlichen Nebenkostenabrechnungen erstellen. Damit eine Nebenkostenabrechnung formell wirksam ist, muss sie eine Zusammenstellung der Gesamtkosten, den zugrundegelegten Verteilerschlüssel, die Berechnung des Anteils des Mieters und den Abzug der geleisteten Vorauszahlungen enthalten, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am 9. März veröffentlichten Urteil.
Im konkreten Fall wollten die Mieter einer Wohnung in einem Dresdner Gebäudekomplex nach Erhalt ihrer Neben- und Heizkostenabrechnung nicht die geforderte Nachzahlung in Höhe von 1.166 Euro leisten. Im Streit standen die Jahre 2014 und 2015.
Das Landgericht Dresden gab ihnen recht. Die Nebenkostenabrechnung sei bereits formell unwirksam. So habe der Vermieter die Zusammensetzung der im Haus bestehenden gewerblichen Flächen und den regulären vermieteten Wohneinheiten nicht näher erläutert. Auch höhere Verbrauchsabweichungen zu den Vorjahren seien nicht begründet worden.
Doch dies ist in einer Nebenkostenabrechnung auch nicht erforderlich, entschied jetzt der BGH. Letztlich müsse diese eine "geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben" enthalten. Dazu gehöre die Auflistung der Gesamtkosten, der Verteilerschlüssel, die Berechnung des Anteils des Mieters und die geleisteten Vorauszahlungen. Mehr sei für die formelle Wirksamkeit der Nebenkostenabrechnung nicht erforderlich. Den konkreten Fall verwies das Gericht an das Landgericht zurück, das nun die Richtigkeit der einzelnen Nebenkostenpositionen prüfen muss.
Der Deutsche Mieterbund (DMB) kritisierte die Entscheidung. "Durch die stete Herabsenkung der Anforderungen an eine formal korrekte Betriebskostenabrechnung ist es für den Mieter kaum mehr möglich, die Richtigkeit seiner Abrechnung zu überprüfen", sagte DMB-Präsident Lukas Siebenkotten am Montag in Berlin. Häufig bleibe für den Mieter so nur der Weg, vor Ort beim Vermieter die Abrechnungsunterlagen und Belege einzusehen.
Az.: VIII ZR 244/18
München (epd). Bei einem Rechtsstreit vor Gericht um das Kindergeld müssen volljährige Kinder gegen einen Elternteil als Zeugen aussagen. Nach den gesetzlichen Bestimmungen sind sie in diesen Fällen zur "umfassenden Mitwirkung" verpflichtet und haben daher ausnahmsweise kein Zeugnisverweigerungsrecht, entschied der Bundesfinanzhof (BFH) in München in einem am 5. März veröffentlichten Urteil.
Im konkreten Fall stritten sich geschiedene Eltern darum, wem das Kindergeld für den volljährigen studierenden Sohn zusteht. Die Mutter hatte angegeben, dass der Sohn weiterhin bei ihr wohnt. Er würde jedes zweite Wochenende und in den Semesterferien zu Hause sein. Weil er noch in ihrem Haushalt lebe, stehe ihr vorrangig das Kindergeld zu, lautete ihre Begründung.
Der Vater sah das anders. Der Sohn habe in der Wohnung der Mutter kein Bett mehr. In seinem Facebook-Profil habe der Sohn zudem angegeben, dass er an seinen Studienort gezogen sei. Ohne Haushaltszugehörigkeit bei der Mutter komme es nun darauf an, wer den höheren Unterhalt zahlt, so der Vater. Weil er das sei, könne er auch das Kindergeld beanspruchen.
Vor Gericht wollte der Sohn aber nicht in den elterlichen Streit hineingezogen werden und den Sachverhalt als Zeuge aufklären. Muss er aber, urteilte jetzt der BFH. Zwar seien nach der Finanzgerichtsordnung grundsätzlich Angehörige zur Verweigerung einer Aussage berechtigt. Eine Ausnahme bestehe aber für volljährige Kinder beim gerichtlichen Streit über das Kindergeld. Der Sohn müsse daher aufklären, ob er tatsächlich noch bei der Mutter wohnt oder nicht.
Az.: III R 59/18
Münster (epd). Ein Ehepaar haftet nach einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster für die missglückte Adoption eines Kindes aus Thailand. Die Adoptiveltern trügen das Risiko bei Auslandsadoptionen und müssten für die Unterbringung des Mädchens in einer Wohneinrichtung im Kreis Euskirchen aufkommen, heißt es in dem am 4. März veröffentlichten OVG-Urteil. Das Gericht bestätigte damit eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf und wies die Klage des Paares gegen einen Kostenbescheid der Stadt Dormagen in Höhe von 38.000 Euro ab.
Das Ehepaar aus Dormagen hatte das Mädchen, das von seiner Mutter kurz nach der Geburt in ein Heim gegeben worden war, im Jahr 2014 nach Deutschland geholt. Im Vorfeld hatten die Eheleute beim zuständigen Jugendamt eine erforderliche beurkundende Erklärung abgegeben, dass sie bereit seien, die damals Fünfjährige anzunehmen.
Damit verpflichteten sie sich, auch im Fall des Scheiterns der Adoption dem Staat sämtliche entstehenden Kosten für das Kind über einen Zeitraum von sechs Jahren ab dem Zeitpunkt ihrer Einreise zu erstatten.
Schon beim Kennenlernen in Thailand hatte sich das Kind den Angaben nach verhaltensauffällig gezeigt. Einige Wochen nach der Rückkehr entschieden die Adoptiveltern, das Kind doch nicht anzunehmen, weil sie sich mit der Erziehung überfordert fühlten. Sie wollten es zurück in seine Heimat schicken. Das kam für das Jugendamt aus Gründen des Kindeswohls nicht in Betracht. Das Mädchen wurde stattdessen in einer Einrichtung untergebracht. Die Eheleute erhielten einen Kostenbescheid für den Zeitraum von Juli 2014 bis Februar 2015 in Höhe von insgesamt 38.000 Euro für Wohnplatz, Krankenversicherung und Dolmetscher.
Dagegen legten sie Klage ein. Das Ehepaar argumentierte, vom Jugendamt nicht umfassend über mögliche Kostenrisiken aufgeklärt worden zu sein. Sie hätten angenommen, bei einer erfolglosen Adoption höchstens sechs Monate für die Kosten einstehen zu müssen. Auch in zweiter Instanz lehnte das Oberlandesgericht Köln eine Amtshaftung der beteiligten öffentlichen Stellen ab. (AZ: 7 U 151/18). Das Düsseldorfer Verwaltungsgericht entschied in einem weiteren Verfahren ebenfalls zugunsten der Stadt Dormagen.
Der 12. Senat des Oberverwaltungsgericht Münster schloss sich dem an. Mit der beurkundeten Erklärung hätten die Kläger die Haftung für das Adoptivkind übernommen, teilten die Richter mit. Für mögliche Verstöße gegen die Belehrungs- und Aufklärungspflichten der Behörde könnten allenfalls Schadensersatzansprüche wegen Amtshaftung geltend gemacht werden. Das liege in diesem Fall aber nicht vor. Der OVG-Beschluss, mit dem die Berufung gegen das Düsseldorfer Urteil abgelehnt wurde, ist unanfechtbar.
Az.: 12 A 1353/17
Münster/Köln (epd). Das Oberverwaltungsgericht Münster hat der Stadt Köln untersagt, eine obdachlos gewordene fünfköpfige Familie in zwei kleinen Hotelzimmern mit einer Größe von insgesamt 30 Quadratmetern einzumieten. Die Unterbringung genüge nicht den rechtlichen Anforderungen, entschied das Gericht am 6. März per Eilverfahren. So sollte eine Mindestwohnfläche etwa neun Quadratmetern pro Person betragen.
Die Stadt müsse der alleinerziehenden Mutter und ihren vier Kindern eine Obdachlosenunterkunft zur Verfügung stellen, die entsprechend groß sei, befanden die Richter. Außerdem sollte sie über mehrere getrennte Räume verfügen, um Rückzugsmöglichkeiten zu ermöglichen. Der Beschluss ist unanfechtbar.
In erster Instanz hatte das Verwaltungsgericht Köln noch zugunsten der Stadt entschieden und erklärt, mit der Unterbringung im Hotel sei die Familie nicht mehr obdachlos. Die Mutter und ihre Töchter, zwei davon minderjährig, leben seit dem Verlust ihrer Wohnung vor sechs Monaten in der Pension eines gewerblichen Betreibers, der seine Zimmer an die Stadt Köln für Obdachlose vermietet. Die Mietkosten für die fünfköpfige Familie betragen demnach rund 4.000 Euro im Monat, die vom zuständigen Sozialleistungsträger - Sozialamt oder Jobcenter - übernommen werden.
Der 9. Senat des Oberverwaltungsgerichts hält die Situation der Familie für nicht zumutbar. Eine menschenwürdige Unterbringung für Obdachlose sei zwar grundsätzlich darauf ausgerichtet, dass Schutz vor den Unbilden der Witterung und Raum für die notwendigsten Lebensbedürfnisse geboten werden, heißt es in dem Beschluss. Dabei müssten die Betroffenen auch wohntechnisch weitgehende Einschränkungen hinnehmen. Allerdings stehe dem Unterzubringenden eine Mindestfläche von etwa neun Quadratmetern zu.
Az.: 9 B 187/20
München (epd). Häftlinge müssen bei der Aufnahme in eine Justizvollzugsanstalt zwingend einen Bluttest über mögliche ansteckende Krankheiten wie HIV oder Hepatitis B und C hinnehmen. Denn die damit verbundene Beeinträchtigung des Rechtes auf körperliche Unversehrtheit ist wegen des Schutzes von Gefängnispersonal und von Mitgefangenen gerechtfertigt, entschied das Bayerische Oberste Landesgericht in München in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss vom 4. Dezember 2019.
Konkret ging es um einen Gefangenen, der seine neuneinhalbjährige Haftstrafe zuletzt in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Straubing in Bayern verbüßt. Als er bei dem Amtsarzt den Wunsch äußerte, bei ihm einen HIV-Schnelltest durchführen zu lassen, erhielt er die Antwort, dass er "bereits auf Aids getestet" worden sei. Weil bei der Aufnahme in der JVA immer eine Blutuntersuchung stattfinde, sei er schon auf ansteckende Krankheiten hin getestet worden.
Der Häftling hielt die ohne sein Einverständnis erfolgten Tests für rechtswidrig. Sein allgemeines Persönlichkeitsrecht und sein Recht auf körperliche Unversehrtheit sei verletzt worden, lautete die Begründung.
Die Gefängnisverwaltung verwies dagegen darauf, dass nach dem Infektionsschutzgesetz Gefangene bei der Aufnahme in einer JVA eine "ärztliche Untersuchung auf übertragbare Krankheiten einschließlich einer Röntgenaufnahme der Lunge" dulden müssen. Der Häftling habe zudem ein Hinweisblatt darüber erhalten.
Das Bayerische Oberste Landesgericht bestätigte nun die Auffassung der JVA-Leitung. Auch wenn mit der Untersuchung ein körperlicher Eingriff einhergehe, müsse der Staat die übrigen Gefangenen und das Gefängnispersonal vor Beeinträchtigungen ihrer körperlichen Unversehrtheit schützen. Verfassungsrechtliche Bedenken dagegen bestünden nicht, befanden die Richter.
Wegen der im Grundgesetz geschützten Einhaltung der körperlichen Integrität kämen - mit Ausnahme von Notwehrsituationen - zwar grundsätzlich nur "wenig belastende Eingriffe in Betracht", so die Münchener Richter. Bei der Untersuchung einer Blutprobe auf HIV handele es sich aber um einen solchen "wenig belastenden Eingriff".
Az.: 203 StObWs 1159/19
München (epd). Sozialhilfeleistungen für schwerst behinderte Menschen beinhalten keine Kostenübernahme für eine "erotische Ganzkörpermassage mit sexueller Komponente". Auch wenn Sexualität zu einem Grundbedürfnis eines Menschen gehört, durfte der Gesetzgeber die Dienstleistung einer Prostituierten ebenso wenig beim zu gewährleistenden menschenwürdigen Existenzminimum berücksichtigen, wie Alkoholkonsum oder Glücksspiele, entschied das Bayerische Landessozialgericht (LSG) in München in einem am 28. Februar veröffentlichten Urteil.
Vor Gericht war ein schwerst behinderter Rollstuhlfahrer gezogen, der nur noch eingeschränkt seinen linken Arm bewegen konnte. Der Mann war auf Grundsicherungsleistungen sowie auf ambulante Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen angewiesen.
Ab Januar 2012 hatte er vom zuständigen Sozialhilfeträger die Kostenübernahme für eine "erotische Ganzkörpermassage mit sexueller Komponente" zweimal pro Woche beantragt. Er sei hypersexuell, lautete seine Begründung. Sein gesteigertes sexuelles Verlangen könne er aber aufgrund seiner Behinderung nicht selbst befriedigen. Sein "intimes Bedürfnis" gehöre zum "notwendigen Lebensunterhalt", befand der Mann.
Nur aus dem Erhöhungsbetrag für sein zuerkanntes Merkzeichen G könne er etwas Geld beiseitelegen, um so alle drei Monate eine sexuelle Dienstleistung zu finanzieren. Die Sozialhilfe müsse daher für die Kosten in Höhe von 200 Euro pro Erotikmassage aufkommen.
Diese Kostenübernahme steht dem Rollstuhlfahrer jedoch nicht zu, urteilte das LSG. Weder die Grundsicherung, noch die "Hilfe zur Pflege" oder die "Hilfe in sonstigen Lebenslagen" böten eine Anspruchsgrundlage. Das sei wegen des gesetzgeberischen Einschätzungsspielraums nicht zu beanstanden.
Eine Berücksichtigung im Rahmen der Hilfe zur Pflege scheide ebenfalls aus, so die Richter. Die beantragten Ganzkörpermassagen zählten nicht zur Hilfe zur Pflege, weil weder eine pflegerische Zielrichtung damit einhergehe noch sie einen Betreuungscharakter habe.
Az.: L 8 SO 163/17
Osnabrück (epd). Städte und Landkreise dürfen einem Asylbewerber nach einem Urteil des Sozialgerichts Osnabrück Geldleistungen kürzen, wenn er bereits in einem anderen Land einen Asylantrag gestellt hat. Es habe die Klage eines Sudanesen gegen die Leistungskürzung durch den Landkreis Osnabrück abgelehnt, teilte das Sozialgericht am 10. März mit.
Der hatte zuerst in Frankreich Asyl beantragt. Entscheidend sei, dass der in Deutschland gestellte Asylantrag unzulässig sei, da nach dem sogenannten Dublin-Verfahren das Ersteinreiseland zuständig sei. Die Leistungskürzung könne als Anreiz für die freiwillige Ausreise nach Frankreich betrachtet werden.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge habe den Asylantrag des 2019 eingereisten Mannes Ende Dezember abgelehnt, weil er bereits 2017 einen Asylantrag in Frankreich gestellt hatte, hieß es. Daraufhin habe der Landkreis Osnabrück ihm die Zahlungen gekürzt, die ihm nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zustanden. Der Mann habe nur noch Geld für Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege bekommen.
Das Gericht urteilte, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom November 2019 zu Sanktionen bei Hartz-IV-Empfängern treffe auf diesen Fall nicht zu. Danach wären Kürzungen von mehr als 30 Prozent des Regelsatzes nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Das Bundesverfassungsgericht habe sich nur mit der Leistungskürzung zur Wiedereingliederung in Arbeit befasst. Hier gehe es aber um einen Anreiz zur freiwilligen Ausreise nach Frankreich. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Sie kann mit der Beschwerde zum Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen angegriffen werden.
Az.: S 44 AY 76/19 ER
Hannover (epd). Nadya Klarmann leitet einen ambulanten Pflegedienst in Hannover. Sie ist Fachkraft für Gerontopsychiatrie und tritt die Nachfolge von Sandra Mehmecke an. Mehmecke war zuvor aufgrund langanhaltender Proteste gegen die Kammer und eines Misstrauensvotums gegen sie persönlich zurückgetreten.
Zur stellvertretenden Präsidentin wählte die Kammerversammlung Nora Wehrstedt, die das Amt bereits von August 2018 bis Januar 2020 innehatte. Weiterhin wurden Felix Berkemeyer, Ulrike Mewing, Benjamin Schiller und Kerstin Stammel in den Vorstand gewählt. Sascha Sandhorst hat sein Mandat behalten.
"Ich sehe mich schwerpunktmäßig als Vertreterin der ambulanten Altenpflege. Dabei ist es mir sehr wichtig, möglichst allen Mitgliedern der Pflegekammer Niedersachsen ein Mitspracherecht einzuräumen", sagte die neue Präsidentin. Hierfür wolle sie möglichst viele Mitglieder zur Mitarbeit motivieren. Ihr sei es wichtig, in die Fläche zu gehen und so viele Meinungen wie möglich einzuholen.
Die Pflegekammer Niedersachsen ist die dritte und bislang größte Pflegekammer Deutschlands. Sie soll der größten Berufsgruppe im Gesundheitswesen eine Stimme geben und sie berufspolitisch vertreten. Ihr gehören obligatorisch mehr als 90.000 Pflegefachkräfte an.
Mehmecke wurde im August 2018 zur Gründungspräsidentin der Pflegekammer gewählt. Neben ihr haben nun auch zwei Vorstandsmitglieder ihre Mandate zur Verfügung gestellt. Mehmecke hatte im Februar eine von ihr selbst initiierte Vertrauensfrage knapp verloren. Im Januar waren bereits drei von sieben ehrenamtlichen Vorstandsmitgliedern zurückgetreten.
Steffen Krollmann (56) und Gerhard Romen (63) sind die neuen Interimsvorstände der skandalgebeutelten Arbeiterwohlfahrt Frankfurt am Main. Petra Rossbrey, die Vorsitzende des Präsidiums der Frankfurter AWO, stellte am 9. März die beiden Vorstände für den Übergang vor. Beide sollen den Kreisverband so lange führen, bis ein neur hauptamtlicher Vorstand gefunden ist. Krollmann ist Finanzexperte und ließ sich eigens für die Aufgaben bei der AWO von seinem Job bei der Volksbank Braunschweig freistellen. Er ist ehrenamtlich bei der Lebenshilfe tätig und verfügt auch über Erfahrung im sozialen Bereich. Romen arbeitete nach einem BWL-Studium in der IT- und Telekommunikationsbranche und gilt als Experte für die Restrukturierung und Reorganisation von Unternehmen. Er ist gebürtiger Frankfurter und hat seinen Ruhestand für diese befristete Aufgabe vorübergehend aufgegeben.
Dagmar Pruin (49), evangelische Pfarrerin und promovierte Alttestamentlerin, wird zum 1. März 2021 neue Präsidentin der Hilfswerke "Brot für die Welt" und Diakonie Katastrophenhilfe. Sie tritt die Nachfolge von Cornelia Füllkrug-Weitzel an, die dann in den Ruhestand tritt. Pruin leitet seit sieben Jahren als Co-Geschäftsführerin die Aktion Sühnezeichen Friedensdienste mit 40 Mitarbeitenden, 180 Freiwilligen und Büros in 13 Ländern. Füllkrug-Weitzel (64) steht seit dem Jahr 2000 an der Spitze von "Brot für die Welt" und Diakonie Katastrophenhilfe, die beide zum Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung mit Sitz in Berlin gehören.
Frank Remus ist der neue Vetreter des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen in Deutschland. In Berlin hat Repräsentant die Geschäfte aufgenommen, wie der UNHCR am 9. März Remus ist damit Ansprechpartner für Bundesregierung, Parlament und Zivilgesellschaft. Er hat die Aufgabe, den Flüchtlingsschutz im Sinne der Genfer Konvention zu stärken und die Bemühungen der Bundesregierung zu unterstützen, die Verantwortung für Flüchtlinge international gerechter aufzuteilen. Der bisherige Vertreter, Dominik Bartsch, leitet den Angaben zufolge die Operation des Flüchtlingshilfswerks in Jordanien.
Annette Limke (31), Düsseldorfer Biologin und Alzheimer-Forscherin, erhält den mit 10.000 Euro dotierten Kurt Kaufmann-Preis der Alzheimer Forschung Initiative (AFI). Die Wissenschaftlerin vom Leibniz Institut für umweltmedizinische Forschung werde für ihre Arbeit zu den Auswirkungen von Ultrafeinstaub auf das Alzheimer-Risiko geehrt, heißt es in einer Miitteilung der AFI. "Menschen, die in der Nähe von vielbefahrenen Straßen wohnen, haben ein höheres Risiko vorzeitig an Alzheimer zu erkranken", sagte Limke. Für Auspuffgase typischer Ultrafeinstaub sei im menschlichen Gehirn nachweisbar.
Anja Nordmann, Geschäftsführerin des Deutschen Frauenrates, ist vom Bundestag erneut in das Kuratorium des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIMR) gewählt worden. Nordmann ist promovierte Erziehungswissenschaftlerin, studierte Psychologie und Soziologie. Bevor sie Ende 2014 die Geschäftsführung des Frauenrates übernahm, arbeitete sie in verschiedenen Organisationen mit wissenschaftlichen, feministischen, wirtschaftsnahen und geschlechtertheoretischen Zusammenhängen. Das DIMR setzt sich unter anderem mit Nachdruck für die Umsetzung der Konvention gegen Gewalt an Frauen, der IstanbulKonvention, ein.
Gisela Petersen aus Darnstadt und der Emstaler Verein aus Wolfhagen sind mit dem Walter-Picard-Preis 2020 des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen (LWV) ausgezeichnet worden. Der Preis ist mit insgesamt 5.000 Euro dotiert. Gisela Petersen ist seit 2005 Vorsitzende des Ortsverband Darmstadt der Angehörigen psychisch Kranker e.V. Sie ist unter anderem auch im Vorstand des Vereins Psychiatrischer Notdienst Darmstadt aktiv. Der Emstaler Verein ist Träger gemeindepsychiatrischer Angebote und arbeitet mit anderen in einem Netzwerk zusammen und bietet Betroffenen aufsuchende Hilfen, Teilhabe an Arbeit sowie Teilhabezentren mit tagesstrukturellen Angeboten.
Anja Erndtmann (36) und Barbara Scherdi (36) sind seit Februar neben Wilfried Knorr die neuen Geschäftsführerinnen der Kinderhilfe Oberland gGmbH mit Sitz in Peiting. Sie lösten ihre Vorgängerin Sigrid Klasmann ab, die das gemeinnützige Unternehmen zwölf Jahre lang zusammen mit dem Geschäftsführer der Diakonie Herzogsägmühle, Wilfried Knorr, geleitet hat und im Sommer ausscheidet. Erndtmann ist Diplom-Psychologin, systemische Beraterin sowie Einzel-, Paar- und Familientherapeutin. Sie war seit 2018 Bereichsleiterin und stellvertretende Geschäftsführerin der Kinderhilfe Oberland. Scherdi studierte nach ihrer Banklehre Soziale Arbeit. Anschließend absolvierte sie ein berufsbegleitendes Masterstudium "Master Mental Health". Sie war vorher bei verschiedenen Tochterfirmen der Diakonie Herzogsägmühle im Bereich Arbeit für Menschen mit seelischer Behinderung tätig und konnte dort Erfahrungen im Bereich Organisationsentwicklung sowie Personalführung sammeln.
Stephan Theo Reichel ist neuer Vorsitzender des kirchennahen Vereins "matteo - Kirche und Asyl. Reichel ist der frühere Kirchenasyl-Beauftragte der bayerischen Landeskirche. Zweite Vorsitzende ist Monika Hoenen (Helferkreisleiterin aus Dinkelsbühl). Mit dem in Nürnberg neu gewählten Vorstand habe matteo nun ein schlankeres professionelles Team an der Spitze, sagte Vorsitzender Reichel.
Dagmar Lavi ist neue Heimleiterin der Seniorenstifte Hohenwald und Kronthal sowie Geschäftsbereichsleitung der Seniorenstifte der Stiftung Hospital zum Heiligen Geist mit Sitz in Frankfurt am Main. Die Stellvertretung der Einrichtungsleitung übernimmt Claudia Richter-Neidhart, die bisher im Sozialdienst beider Einrichtungen tätig war. Lisa Wilson hat bereits im Dezember vergangenen Jahres ihre Position als Pflegedienstleitung im Seniorenstift Kronthal angetreten, wo sie seit 2004 als Wohnbereichsleitung beschäftigt war. Heike Riebel übernimmt die Pflegedienstleitung in Hohenwald. Sie hat ihre neue Tätigkeit Anfang Februar angetreten.
20.3. Leipzig:
Kongress "Aufarbeitung von DDR-Unrecht, Zwangsadoption und Säuglings-/ Kindstod in der ehemaligen DDR"
der Interessengemeinschaft gestohlene Kinder der DDR
Tel.: 0176/20144406
24.3. Ludwigsburg:
Fachtag "Herausforderung Digitalisierung"
der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg
Tel.: 0170/6117483
24.3. Berlin:
Seminar "Rechtliche Grundlagen der Dienstplangestaltung"
der Paritätischen Akademie Berlin
Tel.: 030/2758282 17
24.-25.3 Berlin:
Seminar "Digitalisierung täglicher Arbeitsprozesse erfolgreich vorbereiten"
der Paritätischen Akademie Berlin
Tel.: 030/2758282-15
24.-26.3. Hannover:
Messe "Altenpflege 2020 - Wir arbeiten wir in der Zukunft?"
von Vincentz Network
Tel.: 0511/9910-175
26.-27.3. Berlin:
Seminar "EU-Förderprogramme strategisch einsetzen"
des Deutschen Vereins für öffentliche und privaten Fürsorge
Tel.: 030/62980 606
27.-28.3. Neudietendorf:
7. Thüringer Arbeitszeitkonferenz "Die Transformation gestalten. Bildung und Qualifizierung im digitalen Wandel"
der Evangelischen Akademie Thüringen
Tel.: 036202/984-11
April
20.4. Köln:
Seminar "Die neue Generation von Quartierszentren"
der BFS Service GmbH
Tel.: 0221.97356.159
20.4. Mainz:
Seminar "Einführung in die ICF (Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit) - Die Chancen der ICF in der Hilfeplanung erkennen und nutzen!"
der Paritätischen Akademie Süd
Tel.: 0711/25298921
20.-21.4. Berlin:
Aufbauschulung "Das deutsche Asyl- und Aufenthaltsrecht"
Tel.: 030/26309-0
23.4. Berlin:
Fachveranstaltung "Update für die Pflege - Mit digitalen Hilfen Pflegebedürftigen den Alltag erleichtern"
des Verbraucherzentrale Bundesverbandes
Tel.: 030/258 00-520
27.-28.4. Berlin:
Fachveranstaltung "Aktuelle Fragen der Grundsicherung für Arbeitssuchende"
Tel.: 030/62980 606
28.4. Berlin:
Betreuungsgerichtstag "Eingliederungshilfe vs. Rechtliche Betreuung – Mittel zur Herstellung der rechtlichen Handlungsfähigkeit?"
des Deutschen Sozialgerichtstages und Partnern
Tel.: 0234/6406572
Mai
4.-5.5. Berlin:
Seminar "Kinderarmut als Herausforderung für den Kita-Alltag"
Tel.: 030/26309-0
4.-6.5. Berlin:
Seminar "Werte, Haltung und Grenzen in der Beratungsarbeit - Qualifizierung für Migrationsfachdienste"
Tel.: 030/26309-0
5.-6.5. Hannover:
Seminar "Die Schnittstelle Eingliederungshilfe - Pflege gestalten
der Bundesakademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 030/48837-495
6.5. Köln:
Seminar "Treasury in der Sozialwirtschaft - Finanzmittel bedarfsgerecht bereitstellen"
der BFS Service GmbH (https://www.bfs-service.de/Seminare/finanz-und-liquiditaetsplanung-in-sozialwirtschaftlichen-einrichtungen.html)
Tel.: 0221.97356.160
14.5. Berlin:
Fachsymposium "360° Pflege - Qualifikationsmix für den Patienten - in der Praxis"
des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung
Tel.: 0221/46861-30
19.-20.5. Berlin:
Workshop "... und plötzlich bin ich Leitung! - Gut vorbereitet von der Fach- zur Führungskraft"
der Bundesakademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 030/48837-388
29.-30.5. Hannover:
Seminar "Kooperation von Migrant*innenorganisationen und etablierten sozialen Organisationen" (1. Modul)
der Bundesakademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 030/48837-388