Frankfurt a.M. (epd). Das Sterbehilfeurteil des Bundesverfassungsgerichts und seine Folgen für die Mediziner beschäftigt derzeit intensiv die Ärzteschaft. "Diese Diskussionen werden sicherlich zu einer Grundsatzdebatte auf dem Deutschen Ärztetag im Mai in Mainz führen", teilte die Ärztekammer Nordrhein dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Düsseldorf mit. Inwieweit das Karlsruher Urteil eine Anpassung des ärztlichen Berufsrechts erforderlich mache, wird nach Angaben der Bundesärztekammer (BÄK) in den Gremien der BÄK beraten.
In einer epd-Umfrage hoben die Landesärztekammern vor allem hervor, dass Ärzte auch nach dem höchstrichterlichen Urteil nicht zur Beihilfe zum Suizid verpflichtet sind.
In der Musterberufsordnung der Bundesärztekammer heißt es in Paragraf 16: "Ärztinnen und Ärzte haben Sterbenden unter Wahrung ihrer Würde und unter Achtung ihres Willens beizustehen. Es ist ihnen verboten, Patientinnen und Patienten auf deren Verlangen zu töten. Sie dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten."
Das Bundesverfassungsgericht hatte Ende Februar das Verbot organisierter Sterbehilfe zum Suizid gekippt. Die Richter erklärten die bisherige Regelung in Paragraf 217 Strafgesetzbuch für verfassungswidrig, weil sie das allgemeine Persönlichkeitsrecht einschränke. Damit ebneten sie den Weg dafür, Beihilfe zur Selbsttötung straffrei zu stellen. In der Urteilsbegründung heißt es wörtlich: "Paragraf 217 Strafgesetzbuch verletzt Grundrechte von Personen und Vereinigungen, die Suizidhilfe leisten möchten." Geklagt hatten schwerstkranke Menschen, Sterbehilfevereine und Ärzte, weil sie im bisherigen Recht eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der Berufsfreiheit sehen.
In einer Umfrage des Evangelischen Pressedienstes hoben Landesärztekammern hervor, dass auch zukünftig kein Arzt zur Mitwirkung an einer Selbsttötung verpflichtet werden könne. So hat etwa die Ärztekammer Sachsen-Anhalt "positiv die Feststellung des Gerichts aufgenommen, dass Ärztinnen und Ärzte keine Verpflichtung zur Suizidhilfe trifft".
Die Ärztekammer Nordrhein betonte, die Aufgabe von Ärztinnen und Ärzten sei es, unter Achtung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten Leben zu erhalten, Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen sowie Leiden zu lindern und Sterbenden bis zu ihrem Tod beizustehen. "Die Beihilfe zum Suizid gehört damit auch in Zukunft ganz grundsätzlich nicht zu den Aufgaben von Ärztinnen und Ärzten."
Die Ärztekammer Westfalen-Lippe forderte klarere Regeln des Gesetzgebers. So müsse künftig deutlicher unterschieden werden zwischen dem Sterbewunsch eines nicht kranken Menschen und Situationen, in denen schwer kranke Patienten an der Grenze zwischen Leben und Tod durch Ärzte palliativmedizinisch begleitet würden, erklärte die Kammer auf epd-Anfrage. "Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, hier für Klarheit zu sorgen - auch im Sinne eines klaren Handlungsrahmens für Ärztinnen und Ärzte."
Die Landesärztekammer Niedersachsen sieht nach dem Urteil den Gesetzgeber und die Abgeordneten des Deutschen Bundestags "erneut aufgefordert, das zu regeln, was sie eigentlich regeln wollten: das Verbot der sogenannten Sterbehilfevereine, welche geschäftsmäßig Suizidbeihilfe anbieten". Aus Sicht der sächsischen Ärztekammer sollte der Gesetzgeber "insbesondere Regelungen schaffen, die Sterbehilfeeinrichtungen verhindern". Gemeint seien Einrichtungen, in denen ausschließlich Suizidbeihilfe geleistet und damit Geld verdient werde, hieß es.
Nach der Auffassung der Landesärztekammer Sachsen-Anhalt "legen Patienten fast ausnahmslos ihren Sterbewunsch ab, wenn sie palliativmedizinisch versorgt werden". Daher sei es wichtig, dass eine ausreichende Palliativversorgung aller Patienten gewährleistet werde.