Karlsruhe (epd). Sie dienen als "Brücke nach draußen" und unterstützen bei einem Häftling die Resozialisierung in die Gesellschaft: ehrenamtliche Besucher der Straffälligenhilfe. Bei der Vermittlung der ehrenamtlichen Besucher an die Gefangenen müssen die Justizvollzugsanstalten (JVA) aber den Grundsatz der Gleichbehandlung beachten, forderte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am 6. März veröffentlichten Beschluss. Gibt ein Häftling konkrete Hinweise, dass er ohne ausreichenden Grund oder gar willkürlich keine ehrenamtliche Person zugeteilt bekommt, müssen dem Gerichte auch nachgehen, so die Karlsruher Verfassungsrichter.
In den Bundesländern besteht die Möglichkeit, dass ehrenamtliche Personen der Straffälligenhilfe, etwa von Diakonie und Caritas, Häftlinge regelmäßig besuchen. Die jeweilige Leitung der JVA entscheidet, ob sie solche Besuche zur Förderung der Resozialisierung zulässt.
Im Streitfall hatte ein zu neuneinhalb Jahren Haft verurteilter Straftäter seit Jahren erfolglos um die Vermittlung eines ehrenamtlichen Besuchers gebeten. Er habe kaum Sozialkontakte und verfüge über keine persönlichen Kontakte, so der Häftling. Alle zwei Wochen könne er nur mit seinen zu weit entfernt wohnenden Eltern telefonieren. Mit Bekannten bestehe allenfalls Briefkontakt.
Die Gespräche mit einem ehrenamtlichen Besucher könnten die schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzugs entgegenwirken und ihn besser auf das Leben nach der Haft vorbereiten, so der Gefangene. Das Haftende ist am 27. Februar 2021 vorgesehen.
Als dem Häftling am 5. April 2019 zum wiederholten Male mitgeteilt wurde, dass derzeit für ihn kein geeigneter ehrenamtlicher Besucher zur Verfügung stehe und für ihn die Warteliste weiter gelte, sah der Gefangene sein Recht auf Resozialisierung verletzt. Lasse eine JVA ehrenamtliche Besucher zu, müsse deren Vermittlung nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung erfolgen. Hier seien ehrenamtliche Besucher Häftlingen zugeteilt worden, die noch nicht so lange in Haft seien wie er.
Vor dem Landgericht Regensburg hatte die Klage des Mannes keinen Erfolg. Die ehrenamtlichen Besuche seien gesetzlich nicht geregelt. Hier habe die JVA dem Häftling die Vermittlung auch nicht abgelehnt, sondern nur darauf verwiesen, dass er bis zum Vorliegen eines geeigneten Besuchers so lange warten muss. Dies sei gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar. Der Verweis auf andere, bei den Besuchen bevorzugte Häftlinge sei zu pauschal.
Der Häftling legte Verfassungsbeschwerde ein. Das Landgericht habe nicht ausreichend geprüft, ob er in seinem Grundrecht auf Gleichbehandlung verletzt werde, lautete die Begründung. Ohne ehrenamtliche Betreuung seien keine begleiteten Ausgänge möglich und damit keine Resozialisierung, wandte der Häftling ein.
Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass das Landgericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht den vom Gefangenen vorgebrachten Sachverhalt und die gerügte Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes hätte aufklären müssen. Sein Grundrecht auf "effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt" sei verletzt worden.
Mit dem Argument, dass die ehrenamtliche Betreuung allein aus Kapazitätsgründen nicht möglich und der Antrag nicht abgelehnt und damit auch nicht gerichtlich überprüfbar sei, nehme das Landgericht dem Beschwerdeführer die Möglichkeit, das Vermittlungsverfahren der JVA gerichtlich überprüfen zu lassen. Staatliche Stellen dürften in ihrem Handeln nicht willkürlich handeln. Übergehe eine JVA einen Gefangenen bei der Vermittlung ehrenamtlicher Besucher, müsse das auch sachlich begründet werden können, so die Karlsruher Richter.
Hier habe der Häftling plausibel eine mögliche Ungleichbehandlung dargelegt. So sei dem Gefangenen seit Jahren der Wunsch nach ehrenamtlichen Besuchen nicht entsprochen worden. Auch dass andere, noch nicht so lange inhaftierte Gefangene einen Besucher vermittelt erhielten, sei Anlass, um das Vergabeverfahren gerichtlich zu überprüfen. Das Landgericht muss nun neu über den Fall entscheiden.
Sabine Bruns, Referentin für Straffälligenhilfe der Diakonie Rheinland Westfalen Lippe wünscht sich, dass jede JVA Ehrenamtliche auch gut unterstützt. Denn Resozialisierung sei angesichts einer Rückfallquote von 30 bis 40 Prozent wichtiger denn je. Immer wieder komme es vor, dass ehrenamtliche Besucher sehr lange warten müssten oder sie nicht darüber informiert werden, wenn ein Häftling plötzlich in eine andere JVA verlegt wird.
Dabei seien die Außenkontakte für Häftlinge sehr wichtig. "Die oft über viele Jahre Inhaftierten erfahren so, wie das Leben draußen läuft", sagt Bruns. Auch bestehe in den Gesprächen die Gelegenheit, über die begangene Tat zu reden und diese aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Im August 2019 gab es Bruns zufolge allein in NRW rund 2.000 Ehrenamtler, die regelmäßig Gefangene besuchen.
Kai Kupka, Referent für Straffälligenhilfe der Diakonie im Oldenburger Land, sieht hinsichtlich der Unterstützung der JVAs bei den ehrenamtlichen Besuchen noch Luft nach oben. "JVA könnten aktiv mehr Impulse geben und etwa auch Besuchergruppen von sich aus einladen, die mit Inhaftierten zu bestimmten Themen das Gespräch suchen", sagte Kupka. So gebe es beispielsweise mit Caritas und Diakonie auch konkrete Organisationen, mit denen die JVA zusammenarbeiten könnten.
Az.: 2 BvR 1719/19