Ausgabe 10/2017 - 10.03.2017
Köln (epd). Dabei geht es nicht um die Frage, "ob die Entgelte unangemessen hoch sind, sondern ob die gesetzlichen Vorgaben des Zahlungskontengesetzes zur Bemessung der Entgelte eingehalten werden", teilte vzbv-Rechtsexpertin Jana Brockfeld am 6. März auf Anfrage mit. "Danach müssen die Entgelte angemessen sein. "Diese Voraussetzungen sehen wir in den nun eingeleiteten Verfahren von den Kreditinstituten als nicht hinreichend berücksichtigt."
Weil bis zu einem höchstrichterlichen Urteil Jahre vergehen können, fordern die Verbraucherschützer die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) auf, umgehend zu verhindern, dass Verbrauchern durch die Entgeltgestaltung der Banken der Zugang zum Basiskonto de facto verwehrt werde.
Aus Sicht des vzbv sind die Basiskontoentgelte der Deutschen Bank AG, Deutschen Postbank AG und Sparkasse Holstein zu hoch. "Viele Kreditinstitute halten sich nicht an die gesetzlichen Vorgaben für Basiskontoentgelte", sagte Dorothea Mohn, Leiterin Team Finanzmarkt beim vzbv. Sie rief die BaFin auf, Leitlinien zur Angemessenheit von Basiskontoentgelten zu formulieren. Die Klagen wurden bei den zuständigen Landgerichten Frankfurt, Köln und Lübeck eingereicht.
Die Deutsche Bank reagierte gelassen. Auf Anfrage des epd teilte sie mit, man biete "seit dem 18. Juni 2016 ein Basiskonto nach den Regelungen des Zahlungskontengesetzes an. Der monatliche Grundpreis beträgt 8,99 Euro. Das Entgelt liegt innerhalb der Bandbreite unserer sonstigen Kontoangebote im Privatkundengeschäft." Und: "Auf die Klage des Bundesverbandes werden wir innerhalb der uns gesetzten Fristen reagieren."
Die Sparkasse Holstein hält die Ausgestaltung ihres Basiskontos und dessen Kosten "weiterhin für sachgerecht und an den Vorgaben des Gesetzgebers orientiert". Auf Nachfrage teilte die Bank mit, dass sie derzeit eine Klagerwiderung vorbereite.
Die Postbank teilte dem epd mit, der Gesetzgeber habe im Zahlungskontengesetz vom sogenannten "Meistbegünstigungsgebot" für Basiskonten abgesehen. Das bedeute, dass nicht der Preis für das günstigste Konto einer Bank automatisch für das Basiskonto gesetzt ist. Zudem erkenne er an, dass die Betreuung dieser Konten mit einem höheren Aufwand verbunden ist. Ein Sprecher nannte als Beispiel dafür etwa die manuelle Prüfung der Legitimationsdokumente bei Flüchtlingen und das Risiko der Unerreichbarkeit von wohnsitzlosen Kunden.
"Die Postbank ist der Auffassung, dass diese Aufwendungen das für das Giro-Basiskonto vorgesehene Entgelt von monatlich 5,90 Euro gegenüber 3,90 Euro für das Postbank Giro plus rechtfertigen", hieß es. Zudem liege der Preis für das Basiskonto oft unter dem Durchschnittspreis für Standard-Girokonten von Wettbewerbern.
Es sei nicht möglich, Leitlinien zu den Gebühren vorzugeben, teilte die BaFin auf Anfrage mit. Der Gesetzgeber habe sich entschieden, weder konkrete Entgelte noch Entgeltrahmen für Basiskonten vorzugeben, sondern den Instituten ermöglicht, für die Basiskonten angemessene Entgelte zu erheben, teilte ein Sprecher mit. Er verwies auf die Gesetzesbegründung, nach der den Banken auch ein angemessener Gewinn zugebilligt werde.
Angemessen solle laut Gesetz sein, was marktüblich ist, wobei zudem das Nutzerverhalten der konkreten Kunden berücksichtigt werden muss. Eine Deckelung auf einen bestimmten Betrag ist daher nicht gesetzlich vorgesehen, hieß es.
Die BaFin prüfe bereits aktuell in einigen Fällen, inwieweit die erhobenen Entgelte den genannten Grundsätzen des Zahlungskontengesetzes entsprechen, also marktüblich sind und das konkrete Nutzerverhalten berücksichtigen. "Sollte dies nicht der Fall sein, müssten die Institute ihre Preisstrukturen entsprechend der genannten Vorgaben anpassen", sagte der Sprecher.
Weil mehrere Abmahnungen nicht zum Erfolg führten, haben die Verbraucherschützer jetzt Klage gegen die drei Banken eingereicht. Dazu haben sie "institutsinterne Vergleiche" angestellt. Dabei ergab sich laut Brockfeld etwa bei der Deutschen Bank folgendes Bild: Sie verlangt für das Basiskonto Gebühren von 8,99 Euro im Monat, jede Überweisung mit Beleg kostet 1,50 Euro. Deutlich billiger ist das db AktivKonto, für das 4,99 im Monat fällig werden, die Überweisungen schlagen ebenfalls mit 1,50 Euro zu Buche. Wird das Basiskonto als Onlinekonto geführt, bleibt es bei dem monatlichen Betrag von 8,99 Euro. "Das Nutzerverhalten wirkt sich nicht kostenmindernd aus", kritisierte Brockfeld.
Das Basiskonto sei ein wichtiger Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Es wurde für Verbraucher geschaffen, die wirtschaftlich schwach sind, wie etwa Geringverdiener, Sozialleistungsempfänger, Flüchtlinge und Obdachlose. Diesen Verbrauchern sei nicht zuzumuten, auf ein mögliches höchstrichterliches Urteil mehrere Jahre zu warten, sagte Mohn.
Berlin (epd). Der Parteivorstand beschloss am 6. März einstimmig ein Konzept, das eine längere Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld I vorsieht, um eine Weiterqualifizierung der Betroffenen zu ermöglichen, wie SPD-Generalsekretärin Katarina Barley im Anschluss in Berlin mitteilte. Unter dem Titel "Arbeitslosengeld Q" soll demnach ein bislang nicht vorhandener Rechtsanspruch auf Weiterbildungsmaßnahmen eingeführt werden.
Die Sicherung und Entwicklung von Qualifikationen über das gesamte Erwerbsleben hinweg werde zu einer zentralen arbeitsmarktpolitischen Aufgabe, heißt es im Beschluss des Parteigremiums.
Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD), die an der Erarbeitung des Konzepts maßgeblich beteiligt war, sagte, seit dem Jahr 2000 habe der Anteil qualifizierter Tätigkeiten um 20 Prozent zugenommen, der Anteil einfacher Tätigkeiten dagegen um 18 Prozent abgenommen. Ältere Arbeitnehmer hätten Angst, keine Beschäftigung mehr zu finden, wenn sie ihren Job verlieren.
Konkret will Nahles, dass Arbeitslose, wenn sie innerhalb von drei Monaten keine Beschäftigung finden, von der Bundesagentur für Arbeit ein Angebot zur Qualifizierung erhalten. Dabei soll es nicht nur um Kurzschulungen oder -praktika gehen.
Auch das Nachholen eines Berufsabschlusses oder eine Umschulung sollen möglich sein. Für die Zeit der Weiterbildung soll das "Arbeitslosengeld Q" in Höhe des Arbeitslosengeldes I gezahlt werden. Danach bestünde - auch anders als jetzt - voller Anspruch auf das Arbeitslosengeld, weil die neue Leistung darauf nicht angerechnet werden soll. Die Bezugsdauer des Arbeitslosengelds I liegt - je nach Alter und vorheriger Beschäftigungsdauer des Betroffenen - zwischen sechs und 24 Monaten.
Zudem soll das sogenannte Schonvermögen, das nicht auf die Sozialleistungen angerechnet wird, von bislang 150 auf 300 Euro pro Lebensjahr verdoppelt werden. Außerdem will Nahles den Anspruch auf Arbeitslosengeld I erweitern. Während heute gilt, dass jemand für den Bezug innerhalb von zwei Jahren mindestens zwölf Monate sozialversicherungspflichtig beschäftigt sein muss, soll künftig eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von zehn Monaten innerhalb von drei Jahren reichen. Nahles sagte, dies sei vor allem eine Hilfe für Menschen in prekäre Berufen, für Künstler und viele Beschäftigte in Dienstleistungsberufen. Nahles sagte, das Konzept werde wichtiger Bestandteil des Wahlprogramms.
Begrüßt wurden die Pläne von Gewerkschaften und Sozialverbänden. Gerade ältere Arbeitslose hätten es schwer, wieder in den Arbeitsmarkt zu kommen, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Sie bräuchten mehr Unterstützung. Diakonie-Vorstandsmitglied Maria Loheide begrüßte die "Intention, die Schutzfunktion der Arbeitslosenversicherung auszubauen und Weiterbildung und Qualifizierung zu stärken". Wichtig sei, dass Arbeitslose transparent und umfassend beraten werden und ihre individuelle Situation dabei berücksichtigt werde.
Aus den anderen im Bundestag vertretenen Parteien kam Kritik, vor allem vom Koalitionspartner. CDU-Generalsekretär Peter Tauber sagte, seine Partei setze auf präventive Qualifizierung, die dazu führe, dass Menschen erst gar nicht arbeitslos würden. Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Dienstag), wer das Arbeitslosengeld bis zu 48 Monate zahle, "lädt zur Frühverrentung ein".
Die Arbeitgeber gingen erwartungsgemäß auf Distanz: Präsident Ingo Kramer sagte, sein Verband lehen die Pläne ab. "Weiterbildung und Qualifizierung darf nicht am Arbeitsmarkt vorbeigehen. Grundlage müssen immer die betrieblichen Erfordernisse und keine abstrakten Rechtsansprüche sein." Qualifizierung gehe sonst völlig an der Praxis vorbei und helfe weder den Arbeitslosen noch den Betrieben. "Staatlich geplante, organisierte und pauschale Weiterbildung durch eine staatliche Weiterbildungsbehörde kann daher nicht zielführend sein", sagte Kramer.
De facto will die SPD das Arbeitslosengeld I verlängern. Dass das zu mehr Frühverrentung und zu durchschnittlich längerer Arbeitslosigkeit führen wird, ist absehbar.
Der Opposition gehen die Pläne der SPD dagegen nicht weit genug. Die Linken-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht kritisierte im "Tagesspiegel", es seien nur "punktuelle Verbesserungen". Die Arbeitsmarktexpertin der Grünen, Brigitte Pothmer, bemängelte, die Arbeitslosengeld-II-Bezieher und damit fast zwei Drittel der Arbeitslosen seien von dem Vorhaben ausgeschlossen. Wenn eine Weiterbildungsoffensive nötig wäre, dann aber in diesem Bereich, sagte sie.
Berlin (epd). Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hat sich mit den Vertretern der Koalitionsfraktionen und der Länder auf Maßnahmen zur Verbesserung der Personalsituation in Krankenhäusern verständigt. Er sagte am 7. März in Berlin, es sei "eine weitere wichtige Weichenstellung gelungen, um die Pflege am Krankenbett zu stärken". Sozialverbände begrüßten die Einigung, die Arbeitgeber rügten die Pläne.
Jetzt müsse es darum gehen, "dass die Regelungen, die wir nun auf den Weg bringen werden, fristgerecht von den Krankenhäusern und Krankenkassen mit Leben gefüllt werden", betonte Gröhe. Die Einigung ist der Schlusspunkt von Beratungen der Expertenkommission "Pflegepersonal im Krankenhaus". Danach werden Krankenhausbereiche, in denen das aus Gründen der Patientensicherheit besonders notwendig ist, künftig Pflegepersonaluntergrenzen festgelegt werden, die nicht unterschritten werden dürfen.
Karl Lauterbach, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion der SPD im Deutschen Bundestag, sagte: "Insbesondere begrüße ich, dass Krankenhäuser, die die Mindeststandards beim Personal unterschreiten, künftig öffentlich benannt werden und mit wirtschaftlichen Sanktionen zu rechnen haben."
Maria Michalk, gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion der CDU/CSU, ergänzte, man habe "klare Vorgaben für die Detailaspekte der Personalsicherung in Krankenhäusern gemacht". Verbindliche Untergrenzen seien auch unter Qualitätssicherungsaspekten absolut notwendig.
Jetzt werden die Selbstverwaltungen von Krankenhäusern und Krankenkassen gesetzlich zur Vereinbarung von Personaluntergrenzen in Krankenhausbereichen verpflichtet, in denen das aufgrund der Patientensicherheit besonders notwendig ist, wie beispielsweise in Intensivstationen oder im Nachtdienst. Die Vereinbarung soll bis zum 30. Juni 2018 getroffen und zum 1. Januar 2019 wirksam werden. Sollte bis zum 30. Juni 2018 keine solche Vereinbarung zustande kommen, wird das Gesundheitsministerium selbst bis zum 31. Dezember 2018 die Entscheidung treffen.
Um dauerhaft mehr Personal beschäftigen zu können, werden die Krankenhäuser seit diesem Jahr durch einen Pflegezuschlag unterstützt. Dieser soll ab 2019 um die Mittel des Pflegestellen-Förderprogramms ergänzt werden und damit von bisher 500 Millionen Euro auf bis zu 830 Millionen Euro pro Jahr anwachsen. Krankenhäuser profitieren in Abhängigkeit von ihrer Pflegepersonalausstattung von dem erhöhten Zuschlag und erhalten dadurch einen Anreiz, ausreichend Personal vorzuhalten.
Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe begrüßte die Einigung. "Mit dem Vorhaben wird ein wichtiger Schritt unternommen, um die Versorgungsqualität wieder zu verbessern", sagt Franz Wagner, Bundesgeschäftsführer des Verbandes.
Endlich erkenne die Koalition an, dass den Kliniken verbindliche Personaluntergrenzen vorgegeben werden müssten, weil Markt und Wettbewerb alleine es nicht richten könnten, betonte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler. Auch werde nicht mehr bestritten, dass die Versorgungsqualität von der Personalausstattung abhänge.
Kritik kam indes von der Opposition. Die Grünen sprachen von "Wahlkampfgetöse". "Warum man die Festlegung von Mindestpersonalstandards gerade in die Hände der Akteure legt, die ein finanzielles Interesse daran haben, die Kosten möglichst klein zu halten, erschließt sich nicht", sagte Harald Terpe, Obmann der Grünen im Gesundheitsausschuss. Ebenso bleibt völlig offen, wie der angedachte Pflegezuschlag aussehen soll, damit das Geld auch wirklich in der Pflege ankommt.
"Die von der Politik nun vorgesehenen Anhaltszahlen gehen weit über den akzeptablen Rahmen hinaus", monierte die Deutsche Krankenhausgesellschaft. Das gelte insbesondere für starre Vorgaben im Nachtdienst. "Der Personalbedarf ist nicht schematisch festlegbar. Er ist abhängig von den Erkrankungen der Patienten, dem Alter der Patienten, dem Personalmix und den baulichen Bedingungen in den Häusern", erläuterte Präsident Thomas Reumann.
Zudem müssten solche Vorgaben die Alltagsprobleme des Personaleinsatzes, wie Ausfall durch Krankheiten und vorübergehende Vakanzen berücksichtigen. "Deshalb dürfen Anhaltszahlen auch nicht mit Sanktionen, wie Schließung von Stationen oder Vergütungskürzungen belegt werden."
Zudem ist nach seiner Ansicht zu berücksichtigen, dass die Arbeitsmärkte für Pflegekräfte leer gefegt seien. "6.000 bis 10.000 freie Stellen und eine nahezu deutschlandweite Vollbeschäftigung im Bereich der Pflege machen das deutlich."
Berlin (epd). Bundespräsident Joachim Gauck hat beim Besuch eines Frauenhauses in Berlin darauf hingewiesen, dass der Anteil von Frauen mit Migrationshintergrund in den Zufluchtshäusern zunehme. 2015 hatten nach Angaben von Expertinnen erstmals mehr als 60 Prozent der schutzsuchenden Frauen ausländische Wurzeln. Gauck begründete die Entwicklung am 6. März damit, dass Frauen mit Migrationshintergrund zunehmend selbstbewusster ihre Rechte einforderten.
Wenn Familien mit traditioneller Rollenprägung nach Europa kämen, "dauert es eine Weile, bis das gleichberechtigte Geschlechterverhältnis akzeptiert ist", sagte der scheidende Bundespräsident. Nun gebe es zunehmend mehr Frauen mit Migrationshintergrund, die auf ihre Menschenrechte pochten und sich gegen gewalttätige Männer wehrten.
Gauck informierte sich über die Lebensbedingungen von Frauen, die in Frauenhäusern Schutz vor gewalttätigen Männern suchen. Mit seiner Lebenspartnerin Daniela Schadt besuchte er ein Frauenhaus im Nordosten Berlins, wo ihm Betroffene von ihren Schicksalen berichteten. Im Anschluss traf sich Gauck zu einem Gespräch mit Frauenhaus-Expertinnen aus verschiedenen Bundesländern.
Er gilt als erstes deutsches Staatsoberhaupt, das auf das Thema Gewalt an Frauen öffentlich aufmerksam machte. Vor zwei Jahren tat er dies mit einer gemeinsamen Aktion mit der Frauenrechtsorganisation "Terre des Femmes". Kurz vor Ende seiner Amtszeit rückte Gauck nun die Problematik erneut in den Fokus.
"Gewalt gegen Frauen ist eine Menschenrechtsverletzung", betonte die Geschäftsführerin Frauenhauskoordinierung e.V., Heike Herold. Sie forderte mehr öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema. Bundesweit gibt es den Angaben zufolge rund 350 Frauenhäuser und etwa 40 zusätzliche Schutzwohnungen. Dort finden insgesamt rund 16.000 von familiärer Gewalt betroffene Frauen mit ihren Kindern Schutz. Sie fliehen vor Ehemännern, Lebenspartnern oder Vätern, die sie schlagen, erniedrigen, beschimpfen, isolieren oder bedrohen.
Nach Angaben des Bundeskriminalamtes werden mehr als 127.000 Personen pro Jahr Opfer einer Straftat im häuslichen Umfeld, 82 Prozent von ihnen sind Frauen. Weil viele Opfer schweigen, gehen Experten von einer hohen Dunkelziffer aus.
Zusammen mit den Expertinnen erörterte Gauck die oft unzureichende Finanzierung der Frauenhäuser, die derzeit Ländersache ist. So fehle es insbesondere an Personal. Unter anderem würden mehr Psychologinnen, Sozialarbeiterinnen und Erzieherinnen für die von familiärer Gewalt betroffenen Frauen und ihre Kinder gebraucht. Gauck warb zudem für mehr Engagement von Wohlfahrtsverbänden sowie von Ehrenamtlichen.
Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland, sagte: "Vor allem in ländlichen Gegenden gibt es nicht genügend Frauenhäuser und Fachberatungsstellen. In Städten sind dafür die Wartezeiten lang." Sie kritisierte, dass nicht selten den Frauen in größter Not der Zugang zu Schutz und Hilfe aufgrund ungeklärter Finanzierungsfragen und bürokratischer Hürden erschwert oder gar verwehrt werde. "Häusliche Gewalt ist jedoch kein Kavaliersdelikt, sondern eine schwere Menschenrechtsverletzung. Deutschland ist verpflichtet, aktiv dagegen vorzugehen und wirkungsvolle Maßnahmen zum Schutz der Opfer zu treffen", unterstrich Loheide.
Luxemburg, Berlin (epd). Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs, nach dem EU-Staaten keine humanitären Visa für Flüchtlinge erteilen müssen, ist auf Kritik bei Menschenrechtlern und Sozialverbänden gestoßen. Pro Asyl sprach von einem "traurigen Tag für den Flüchtlingsschutz", die Diakonie von einer "vertanen Chance". Organisationen hatten gehofft, mit der Verpflichtung zur Ausstellung humanitärer Visa Flüchtlingen legale und ungefährliche Wege in die EU zu eröffnen. Diese Verpflichtung hätten die Mitgliedstaaten aber nicht, entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 7. März in Luxemburg. (AZ: C-638/16 PPU) (Weitere Informationen zum Urteil unter der Rubrik Sozial-Recht)
Nach der Entscheidung der Richter steht es den Mitgliedsstaaten weiterhin frei, selbst nach nationalem Recht zu entscheiden, ob sie von Folter und Tod bedrohten Flüchtlingen ein entsprechendes Visum erteilen. Damit scheiterte eine aus Aleppo stammende syrische Familie mit drei minderjährigen Kindern mit ihrer Klage.
Die Diakonie reagierte enttäuscht. Präsident Ulrich Lilie sagte in Berlin, er bedaure sehr, "dass der Gerichtshof nicht dem wegweisenden Votum des Generalanwalts Paolo Mengozzi gefolgt ist".
Lilie rief alle EU-Mitgliedstaaten zum Umdenken auf: "Legale Einreisemöglichkeiten für Schutzsuchende sind für das Menschenrecht auf Asyl unabdingbar." Der Theologe verwies zudem darauf, dass ein solcher legaler Zugang in die EU Menschenleben retten würde: "2016 sind mit über 5.000 Toten so viele Flüchtlinge im Mittelmeer gestorben wie nie zuvor."
Der Verbandspräsident forderte europaweit humanitäre Einreisevisa und den Ausbau von Resettlementprogrammen für Flüchtlinge. "Auch die erfolgreichen Bundes- und Landesaufnahmeprogramme in Deutschland müssen weitergeführt werden", unterstrich Lilie.
Die Grünen im Europaparlament appellierten an die Mitgliedsstaaten, trotz des Urteils solche Visa verstärkt einzusetzen. Das Urteil sei keineswegs eine Absage an humanitäre Visa, sagte die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Ska Keller. Sie forderte die Regierungen der EU-Staaten auf, solche Zugänge im EU-Recht zu verankern.
Die Innenexpertin der CDU/CSU-Gruppe im Europarlament, Monika Hohlmeier (CSU), begrüßte das Urteil. Botschaften und Konsulate wären andernfalls zu "Asylbehörden zweckentfremdet worden", sagte sie. Dennoch räumte sie ein, humanitäre Visa gehörten zu den wichtigen Instrumenten einer modernen Asylpolitik. Eine bessere Umsetzung müsse gewährleistet werden und im Rahmen des Asylpakets festgeschrieben werden.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Patzelt kritisierte dagegen die Entscheidung der Luxemburger Richter. Er halte es für zynisch zu sagen, die Menschen hätten Anrecht auf Asyl, das sie aber nur unter Lebensgefahr und mithilfe krimineller Schlepper geltend machen könnten. Er werde sich dafür einsetzen, dass Deutschland die Möglichkeit humanitärer Visa nutze, sagte er.
Berlin (epd). Das von der Bundesregierung geplante Entgelttransparenzgesetz wird von Sachverständigen unterschiedlich bewertet. In einer Anhörung des Familienausschusses über den von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) vorgelegten Entwurf und Anträge der Linksfraktion und Bündnis 90/Die Grünen bekannten sich am 6. März zwar alle Fachleute zum Grundsatz einer geschlechtergerechten Bezahlung. Allerdings bemängelten vor allem die Arbeitgebervertreterinnen den aus ihrer Sicht großen Bürokratieaufwand des Gesetzes für Betriebe. Den Befürworterinnen der Pläne geht dagegen das Gesetz an verschiedenen Punkten jedoch nicht weit genug.
Christina Boll vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) wies darauf hin, dass Deutschland mit 21 Prozent europaweit eine der größten Lohnlücken aufweise. Etwa 14 Prozent ließen sich statistisch erklären, weil Frauen beispielsweise öfter in Teilzeit und in schlechter bezahlten Berufen arbeiteten oder aufgrund schwangerschaftsbedingter Erwerbsunterbrechungen Karrierenachteile hinnehmen müssten. Die übrigen sieben Prozent, die sogenannte unerklärte oder bereinigte Lohnlücke ließe sich jedoch nicht automatisch mit der Diskriminierung von Frauen erklären, zumindest fehle es dafür an eindeutigen Belegen, erläuterte Boll. Den Gesetzentwurf begrüßte sie dennoch.
Für mehr Transparenz bei den Löhnen sprachen sich neben Monika Arzberger vom Katholischen Deutschen Frauenbund (KDFB) auch Elke Hannack vom Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und Gisela Ludwig vom Deutschen Juristinnenbund aus. Allerdings bemängelten sie, dass die geplanten Engeltüberprüfungsverfahren nur in Betrieben mit mehr als 500 Beschäftigten und auf freiwilliger Basis erfolgen sollen und dass die Messinstrumente nicht vorgeschrieben seien. Der Weg der Freiwilligkeit habe in der Vergangenheit schon zu keinem Erfolg geführt, kritisierte Hannack. Ludwig plädierte dafür, die Prüfverfahren verpflichtend auf alle Betriebe auszuweiten.
Claudia Große-Leege vom Verband deutscher Unternehmerinnen (VdU) und Christina Raab von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) begrüßten ausdrücklich, dass die Prüfungen nicht verpflichtend, sondern freiwillig erfolgen sollen. Die Arbeitgeber hätten gar kein Interesse daran, ihre weiblichen Beschäftigten schlechter zu bezahlen und könnten sich dies "im Kampf um die besten Köpfe" auch gar nicht mehr erlauben.
Löhne würden in der freien Marktwirtschaft nicht abstrakt festgelegt und könnten je nach Branchenentwicklung, Produktivität und Fachkräftenachfrage auch in gleichen Berufen und Tätigkeiten unterschiedlich ausfallen, argumentierte Große-Leege. Christina Raab sagte, das Gesetz verfehle sein berechtigtes Anliegen nach Lohngerechtigkeit. Allerdings gebe es keinerlei wissenschaftlichen Belege für geschlechtsbedingte Lohndiskriminierungen. Das Gesetz belaste umgekehrt die Betriebe mit unverhältnismäßigen Bürokratiekosten. Diese seien im Gesetzentwurf zu niedrig veranschlagt, sagte Raab.
Berlin (epd). Vertreter der Union im Bundestag haben einer schnellen Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare eine Absage erteilt. Bei den Koalitionsverhandlungen mit der SPD habe man sich verständigt, die "Ehe für alle" nicht in dieser Legislaturperiode umzusetzen, sagte der familienpolitische Sprecher der Unionsbundestagsfraktion, Marcus Weinberg (CDU), am 8. März in einer Aktuellen Stunde zum Thema im Parlament. Dazu sollte die SPD stehen, betonte er.
Auch die Rechtspolitikerin Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU) unterstrich, sie erwarte, dass sich der Koalitionspartner SPD an diese Absprache halte. Sie argumentierte, die Ehe sei ein "kulturell-religiös vorgeprägter Begriff, der uns nicht alleine gehört". Weinberg sagte, die Möglichkeit, dass aus einer Beziehung zwischen Mann und Frau Kinder erwachsen können, gebe der Ehe ein Alleinstellungsmerkmal in der Verfassung.
Grüne und Linke dringen seit längerem auf die völlige Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften mit der Ehe. Schwule und lesbische Paare sind in vielen Bereichen Eheleuten zwar heute schon gleichgestellt, sie dürfen aber beispielsweise gemeinsam keine Kinder adoptieren.
Auch die SPD ist für die "Ehe für alle", hielt sich bislang aber an den Kompromiss mit der Union, in dieser Wahlperiode keine Änderungen vorzunehmen. Inzwischen haben sich auch prominente Sozialdemokraten dafür ausgesprochen, noch vor dem Sommer die Ehe für Homosexuelle zu öffnen.
Berlin (epd). Frauen leisten täglich 52 Prozent mehr unbezahlte Tätigkeit für andere als Männer. Zu diesem Ergebnis kommt ein am 7. März in Berlin vorgestelltes Gutachten für den zweiten Gleichstellungsbericht. Frauen sind demnach zusätzlich mit der Erziehung von Kindern, mit der Pflege von Angehörigen, mit Ehrenämtern und Hausarbeit beschäftigt.
Den Sachverständigen zufolge ist das Ziel der Gleichstellung von Männern und Frauen in Deutschland noch nicht erreicht. Frauen erzielten pro Stunde und auch über den Lebensverlauf hinweg weniger Einkommen, hieß es. Die Sachverständigenkommission bewertete die sogenannte Lohn- und Sorge-Lücke als Zeichen ungleicher Verwirklichungschancen von Frauen und Männern.
Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig (SPD) wies in diesem Zusammenhang auf notwendige gesetzliche Änderungen hin. Dazu zählten etwa das Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit und eine Aufwertung der sozialen Berufe, vor allem der Pflegeberufe. Es müssten zudem mehr Frauen in den Vorständen und im obersten Management arbeiten sowie eine Familienarbeitszeit mit einem Familiengeld umgesetzt werden, betonte Schwesig.
Den Angaben nach wird derzeit eine Stellungnahme der Bundesregierung zu dem Gutachten in den Ressorts abgestimmt. Nach Abschluss der Ressortabstimmung werden Gutachten und Stellungnahme dem Bundeskabinett vorgelegt.
London (epd). Die skandinavischen Länder bieten im weltweiten Vergleich die besten Job-Bedingungen für Frauen. Dabei liegt Island an der Spitze: Hier haben den Angaben zufolge überdurchschnittlich viele Frauen einen Hochschulabschluss, wie der am 8. März veröffentlichte "Glass-Ceiling-Index 2017" des britischen Magazins "The Economist" ergab. Auch die Zahl von Frauen in Vorstandspositionen und der Frauenanteil im Parlament ist in Island besonders hoch. Die Türkei, Japan und Süd-Korea nehmen die letzten drei Plätze im Ranking der 29 untersuchten Staaten ein.
Der Anteil berufstätiger Frauen hat sich dem Bericht zufolge in den Industriestaaten seit 2005 leicht erhöht. Die Quote stieg um drei Prozentpunkte auf 63 Prozent. Die Männererwerbsquote blieb in dem Zeitraum konstant bei 80 Prozent.
Demnach hat sich auch die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern im Laufe der vergangenen fünf Jahre nicht signifikant verändert. Noch immer verdienen Frauen rund 85 Prozent eines durchschnittlichen Männergehalts.
Deutschland belegt im Ranking Rang 19, hinter Österreich und vor den USA. In der Bundesrepublik liegt demnach der Frauenanteil unter den Erwerbstätigen 9,1 Prozentpunkte unterhalb der Männerquote. In der Bundesrepublik verdienen Frauen zudem 17,1 Prozent weniger als Männer. Nur 29,3 Prozent der Managerposten in Deutschland werden von Frauen bekleidet. Mit diesem Wert reiht sich Deutschland laut "Economist" auf den unteren Rängen ein.
Laut der Autorin des Index, Roxana Willis, zeigen die Daten in diesem Jahr, dass die Gleichberechtigungsprobleme in den OECD-Ländern weiterhin andauern. Die Untersuchung belege, "dass wenige Frauen es geschafft haben, starke Alt-Herren-Netzwerke zu durchbrechen und die Karriereleiter hinaufzusteigen". "The Economist" veröffentlichte den Index zum fünften Mal.
Hannover (epd). Das Land Niedersachsen will bis Ende 2018 knapp 30 Millionen Euro in die haupt- und ehrenamtliche Flüchtlingsarbeit investieren. Allein für die Beratung von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte sollen 2017 und 2018 jeweils 10,825 Millionen Euro ausgegeben werden, teilte das Sozialministerium am 7. März mit.
Die Flüchtlinge sollten landesweit und flächendeckend unterstützt werden, damit sie sich in ihrem neuen Lebensumfeld mit den Herausforderungen des Alltags zurechtfinden und ihre Zukunft planen könnten, sagte Sozialministerin Cornelia Rundt (SPD) zum Abschluss der 4. Integrationskonferenz des Bündnisses "Niedersachsen packt an" vor rund 700 Ehrenamtlichen in Hannover.
Rund zwei Millionen Euro will das Land bis Ende 2018 für Fortbildungsmaßnahmen für Ehrenamtliche aufwenden. Dabei sollen der Ministerin zufolge zahlreiche Fachverbände einbezogen werden, "um ein möglichst breit gestreutes, fachlich gut fundiertes Angebot sicherstellen zu können". Die Koordinierungsstellen für Migration und Teilhabe, die die Integration vor Ort organisieren, sollen in diesem Jahr mit 1,38 Millionen Euro und im nächsten mit 1,41 Millionen Euro gefördert werden.
Elmshorn (epd). Traumatisierten minderjährigen Flüchtlingskindern in Schleswig-Holstein soll geholfen werden, besser mit den erlebten Leiden umzugehen. Dafür stellt das Land jährlich 300.000 Euro bereit. "Professionelle Unterstützung bei der Verarbeitung von Flucht- und Kriegserlebnissen ist wichtig, damit ein Neuanfang für die Kinder und Jugendlichen gelingt", sagte Gesundheitsministerin Kristin Alheit (SPD) am 3. März in Elmshorn.
Das Land fördert im Rahmen eines dreijährigen Modellprojekts ambulante psychiatrische oder psychotherapeutische Beratungsangebote. Sie finden statt an den vier Kinder- und Jugendpsychiatrischen-Einrichtungen Regio Klinikum Elmshorn, ZIP Ambulanz Kiel, Vorwerker-Fachklinik Lübeck und Helios Fachklinik Schleswig. Jeder Standort wird mit jeweils 75.000 Euro pro Jahr gefördert.
Düsseldorf (epd). Die Landesregierung lässt die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Nordrhein-Westfalen durch das Deutsche Institut für Menschenrechte überwachen. "Damit gehen wir einen weiteren Schritt, um das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen in konkrete Landespolitik umzusetzen", erklärte Sozialminister Rainer Schmeltzer (SPD) am 3. März in Düsseldorf.
Das Institut habe Anfang März die Aufgabe als Monitoring-Stelle übernommen. Das Land stellt für die Arbeit der Einrichtung jährlich rund 100.000 Euro zur Verfügung.
Aufgaben der Monitoring-Stelle sind unter anderem die Beratung der Landesregierung bei Gesetzgebungsverfahren, die Auswirkungen auf Menschen mit Behinderungen haben. Die Stelle berät auch Behörden und Gremien, die auf unterschiedlichen Ebenen die Inklusion von Menschen mit Behinderungen organisieren.
Washington (epd). Es war Barack Obamas große Sozialreform: das Krankenversicherungsgesetz "Affordable Care Act" (ACA), das Gesetz für bezahlbare Fürsorge. Obamacare hat rund 20 Millionen Menschen erstmals einen Krankenversicherungsschutz gewährt. Die republikanische Mehrheit im Kongress macht sich nun daran, Obamacare abzuschaffen. Im Wahlkampf hatte Donald Trump eine bessere und kostengünstigere Krankenversicherung für alle versprochen.
Die Parteispitze der Republikaner hat in dieser Woche ihre Pläne vorgestellt. "Wunderbar", lobte US-Präsident Trump via Twitter den 123 Seiten starken Entwurf für eine Reform. Am 8. März fanden im Kongress Anhörungen statt. Der Anti-Obamacare-Plan setzt auf mehr Marktwirtschaft. Die Versicherungspflicht soll aufgehoben werden. Steuernachlässe sollen Beihilfen für ACA-Versicherte ersetzen.
Die Pläne werden selbst unter den Republikanern kontrovers diskutiert. Manchen gehen sie nicht weit genug, andere befürchten negative Konsequenzen für ihre Wähler. Die "New York Times" zitierte Trump-Wähler, die nun Angst vor drastisch steigenden Gesundheitskosten haben.
Vor Obamacare im Jahr 2010 waren rund 48 Millionen Menschen ohne Versicherungsschutz. Heute sind es nur noch 28 Millionen. Die Gesundheitsreform war vor allem für Menschen gedacht, die entweder nicht beim Arbeitgeber versichert sind oder nicht alt genug sind für Medicare, die staatlichen Versicherung für Senioren über 65, oder nicht "arm genug" für Medicaid, die staatliche Versicherung für die Ärmsten. Obamacare zielte vor allem Menschen aus den unteren Einkommensschichten.
Die Konservativen kritisieren an Obamas verhasster Gesundheitsreform insbesondere die Versicherungspflicht: Diese sei ein inakzeptables staatliches Diktat. Zudem begrenze das Gesetz die Arztwahl. Auch seien mit ihr die Versicherungsprämien gestiegen. Trump spricht in diesem Zusammenhang gerne von einer "Todesspirale".
Die Demokraten sind über die Pläne zur Abschaffung von Obamacare empört. Millionen Bürger könnten sich wegen der wegfallenden Beihilfen keine Versicherung mehr leisten, warnte die Chefin der Demokraten im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi. Die Änderungen träfen besonders Geringverdiener, wie das Forschungsinstitut "Kaiser Family Foundation" berechnete. Der Ärzteverband "American Medical Assocation" hat sich gegen "Trumpcare" ausgesprochen.
Um ihre Reform durchzusetzen, müssen die Republikaner bei der schon in wenigen Wochen erwarteten Abstimmung zusammenhalten. Denn alle Demokraten dürften mit Nein stimmen. Doch rund drei Dutzend ultrakonservativen republikanischen Abgeordneten im sogenannten "Freiheitsrat" geht die Reform nicht weit genug. Korrekturen an der Reform reichten nicht. Man müsse "Obamacare" restlos abschaffen, sagte der republikanische Abgeordnete Jason Chaffetz dem Sender CNN.
Kehl (epd). Der Tag von Ali Hazara beginnt früh: Der Weg von der Flüchtlingsunterkunft im badischen Kehl bis zum Industriegebiet in der Vorstadt ist weit, für den Bus hat er kein Geld. Also nimmt er ein Fahrrad, das er geschenkt bekommen hat. Bis zum Nachmittag lernt er den Umgang mit Metall, Fräse und Schutzbrille - oder aber Deutsch, je nach Schulstunde. Ist er fertig, fährt er noch ein bisschen Pizza aus, damit er wenigstens etwas Geld zur Verfügung hat. Am Abend versucht er zu lernen. Im Sechsbettzimmer ist das aber schwierig. "Nur am Sonntag spiele ich zwei Stunden Fußball", sagt der 19-Jährige. Für ihn ist klar: "Aus mir soll etwas werden."
Ali Hazara hat Glück: Er ist einer von sechs Jugendlichen, die an einer preisgekrönten Qualifizierung teilnehmen. Der zehnmonatige Intensivkurs, den er und die anderen Azubis in Deutsch und Metallbearbeitung absolvieren, ist ein Beispiel für das, was möglich ist, wenn Geld investiert wird: 125.000 Euro kostet die Ausbildungsvorbereitung der Geflüchteten, also mehr als 20.000 Euro je Teilnehmer.
Gesammelt hat das Geld die Bürgerstiftung Kehl bei verschiedenen Sponsoren. Für diese Arbeit wird die Stiftung im Mai mit dem begehrten Förderpreis Aktive Bürgerschaft ausgezeichnet. Eine solche "Rundumbetreuung" ist eben nicht der Regelfall.
Schon länger ist die Qualifikation in Kehl auf fremdsprachige Jugendliche zugeschnitten. "In Deutschland gibt es nicht genug junge Menschen, die sich für eine Ausbildung hier interessieren. In Frankreich, wo eine hohe Jugendarbeitslosigkeit herrscht, hingegen schon", sagt Karl Haase von der Bürgerstiftung Kehl. Also sei es von Franzosen zu Flüchtlingen kein großer Schritt gewesen. 70 Bewohner der Unterkunft lud man ein und ließ sie drei Tage probearbeiten. Am Ende wurden die besten sechs ausgewählt.
"Wir können jedem, der die Qualifikation erfolgreich abschließt, einen Ausbildungsplatz garantieren", sagt Ausbildungsleiter Michael Enderle. Damit sei nicht nur den Flüchtlingen geholfen, sondern auch der Wirtschaft. "Dass der Ausbildungsjahrgang nur aus jungen Männern besteht, ist Zufall", sagt Haase. Junge Frauen hätten sich für die Metallarbeit nicht interessiert. Allerdings seien einige von ihnen in einem vergleichbaren Pflege-Projekt untergebracht.
Selten steht für die Qualifikation von Geflüchteten so viel Geld bereit wie in Kehl. Es gibt noch keine aktuellen Zahlen, wie teuer eine Ausbildungsvorbereitung im Schnitt ist - wohl aber eine Prognose aus dem Nationalen Bildungsbericht aus dem Sommer 2016: Für zwischen 66.000 und 88.000 Geflüchtete, die eine Qualifikation absolvierten, wurden Kosten zwischen 644 und 860 Millionen Euro veranschlagt. Das wären knapp 10.000 Euro pro Teilnehmer - also nicht einmal die Hälfte des Kehler Projektes.
Es ist eine komplizierte Situation: Geld ist nicht im Überfluss vorhanden, andererseits schlicht notwendig, um diese Menschen zu integrieren. Vor allem aber kann die Investition hierzulande völlig überflüssig sein, wenn der Flüchtling während der Qualifikation abgeschoben wird. Zwar gibt es seit der Verabschiedung des Integrationsgesetzes im vorigen Sommer eine sogenannte Ausbildungsduldung, die Flüchtlinge in dieser Zeit in der Regel vor Abschiebung bewahrt. Allerdings gilt diese nur für die Dauer einer geregelten Ausbildung, die vorgeschaltete Einstiegsqualifizierung fällt nicht darunter.
Dabei ist diese in vielen Fällen genau das, was die jungen Menschen benötigen: "Wir stemmen hier wirklich eine Intensivbetreuung. Wir haben für einige Teilnehmer Fahrkarten besorgt, für andere Fahrradspenden. Wir organisieren Sprachunterricht und das Lernen in der Werkstatt. Andere junge Menschen sind einfach sich selbst überlassen", sagt Ausbildungsleiter Enderle.
Wenn es nur das wäre. "Mit der neuesten Entscheidung der Bundesregierung, nur noch in Ausnahmefällen Ausbildungsverträge für Flüchtlinge zu genehmigen, die nicht aus Syrien, Iran, Irak, Eritrea oder Somalia kommen, bricht für viele junge Flüchtlinge die Grundlage einer dauerhaften Integration weg", erklärte Sandra Grau vom Christlichen Jugenddorfwerk Deutschlands. Das betreffe vor allem Afghanen. Seit Beginn des Jahres werde Asylbewerbern nur noch in Ausnahmefällen eine Beschäftigungserlaubnis erteilt. Die sei für einen Ausbildungsvertrag jedoch zwingend notwendig.
"Da das Bundesamt für Migration auch keinen subsidiären Schutz mehr zulässt, sind die jungen Afghanen unmittelbar von Abschiebung bedroht." Die ganze Integration durch Sprachkurse, Schulbesuch und andere Maßnahmen sei damit völlig umsonst: "Wir fragen uns schon, wozu wir überhaupt arbeiten." Ali Hazara weiß um sein Glück. Vier seiner Zimmergenossen haben keine Ausbildung und keine Qualifikation. "Es ist schwer, sich auf das Lernen zu konzentrieren, wenn man von Menschen umgeben ist, die zu viel Zeit haben", sagt er. Sie könnten nachts nicht schlafen - und er auch nicht.
Norden (epd). Sorgfältig schiebt Teklu den Hobel über die Leiste. Der 22-jährige Eritreer genießt es, in der Werkstatt mit Holz und Werkzeugen zu hantieren. "Das kann ich gut", sagt er mit Stolz in der Stimme und baut weiter an dem Regal für sein Zimmer. Geert-Walter de Boer nickt zustimmend. Der Praxisanleiter der "Initiative Lernwerkstatt für Flüchtlinge" in Utlandshörn in der Nähe der ostfriesischen Stadt Norden ist zufrieden. Teklu arbeitet nicht nur gewissenhaft, er spricht auch in ganzen Sätzen. Seit einem halben Jahr lernt er Deutsch. Das Ziel des Pilotprojektes: Das im Sprachkurs mühsam Erlernte im Alltag und in der Arbeitswelt anzuwenden.
Gleich hinter dem Nordseedeich leben und arbeiten rund 41 Flüchtlinge in dem Gebäude der früheren Küstenfunkstelle "Norddeich Radio". Jeden Tag kommen mehr als 100 weitere Geflüchtete mit dem Bus als Pendler hinzu, um einen Deutschkurs zu besuchen. Seit Oktober ist die Erstaufnahme-Einrichtung ein Integrationsstützpunkt in Trägerschaft der Kreisvolkshochschule. Es gibt eine Kantine, einen Kindergarten und einen kleinen Supermarkt mit Produkten aus den Heimatländern. "Am besten gehen dicke weiße Bohnen", verrät der aus dem Libanon stammende Berliner Nabha, der den Laden leitet. "Die lieben alle Afrikaner und Araber."
Bundesweit absolvieren Geflüchtete Programme, die sie fit für die Ausbildung machen sollen. Das Bundesbildungsministerium finanziert 10.000 Plätze im "Flüchtlings-Qualifizierungs-Projekt", die bis Ende 2018 besetzt sein sollen. Derzeit stehen laut Zentralverband des Deutschen Handwerks rund 2.000 Plätze im Projekt "Perspektiven für junge Flüchtlinge im Handwerk" bereit, das von der Bundesagentur für Arbeit entwickelt wurde.
Einrichtungsleiter Manfred Lunau erklärt: "Als wir hier vor einem Jahr mit der Arbeit begonnen haben, war uns schnell klar, dass Sprachkurse alleine nicht genügen." Erfahrene Handwerker richteten mit finanzieller Unterstützung des evangelischen Kirchenkreises Norden und der hannoverschen Landeskirche gleich drei Lernwerkstätten ein: je eine Werkstatt für Holz und Metallarbeiten sowie eine Fahrradwerkstatt. Die Kirche stellte insgesamt 20.000 Euro für Werkzeuge und Maschinen zur Verfügung.
Praxisanleiter de Boer ist von dem Konzept überzeugt. "Sprachkurse sind wichtig, aber noch wichtiger ist es, die Sprache auch im Alltag anzuwenden." In seiner Werkstatt darf nur in ganzen Sätzen gesprochen werden. Außerdem entstehe durch die gemeinsame Arbeit eine menschliche Beziehung, die das Lernen einfacher mache. "So entsteht Vertrauen und der Mut, sich auszuprobieren." Mit einem Schmunzeln erinnert er sich an die Anfänge. Als ein altes Metall-Tor repariert werden sollte, musste der nötige Abstand zum Boden gemessen werden. "Da haben die Leute völlig pragmatisch einen kleinen Stock genommen, ihn in der richtigen Höhe abgeknickt und ihn für die spätere Arbeit in der Werkstatt in die Hosentasche gesteckt. Einen Zollstock hatten sie noch nie gesehen."
Die Arbeit in den Werkstätten ist freiwillig. Wer mag, kann wie Teklu vor oder nach dem Sprachunterricht in der Werkstatt etwas für sich oder den Integrationsstützpunkt bauen und dabei grundlegende Fähigkeiten mit Werkzeugen, Werkbänken, Maschinen und Materialien erwerben. "Auf diese Weise können sie anschließend leichter in Ausbildung und Beruf integriert werden", sagt der Handwerkspastor der hannoverschen Landeskirche, Claus Dreier, der das Projekt unterstützt. "Sie erfahren dabei Wertschätzung und erleben Gemeinschaft." Außerdem könnten sie eigene Kompetenzen wahrnehmen und zeigen.
Jane Hruska berät die Bewohner bei ihrer weiteren Entwicklung. Von den Integrationslehrern und den Praxisanleitern erhält sie wöchentliche Berichte, die ihr helfen, die Menschen einzuschätzen. Werden bereits vorhandene Kompetenzen festgestellt oder Talente erkannt, könne die weitere Förderung viel besser geplant werden.
Geert-Walter de Boer hat großen Respekt vor seinen Schützlingen. "Die sind unter Lebensgefahr durch die Wüste und übers Mittelmeer vor dem Krieg geflohen. Das war kein Wandertag." Um in Deutschland zurechtzukommen, bräuchten sie ein wenig Unterstützung. "Aber ein Motivationsproblem haben sie nicht."
Berlin (epd). Das Netzwerk "Unternehmen integrieren Flüchtlinge" hat innerhalb eines Jahres seines Bestehens 2.500 Jobs für Flüchtlinge geschaffen. "Es ist bemerkenswert, wie viel die Betriebe investieren, um die Integration Geflüchteter erfolgreich zu gestalten", sagte DIHK-Präsident Eric Schweitzer am 9. März in Berlin. Für die bundesweite Initiative kooperieren die Industrie- und Handelskammern und das Bundeswirtschaftsministerium.
Eine Umfrage des Netzwerks zeigt, dass 300 Mitgliedsunternehmen 2.500 Beschäftigungsverhältnisse für Geflüchtete geschaffen haben. "Dabei ist der Einstieg oft ein Praktikum: 1.560 Praktikumsstellen wurden geschaffen. Immerhin 271 Geflüchtete haben bereits eine Ausbildung begonnen oder bereiten sich im Rahmen einer Einstiegsqualifizierung auf die Ausbildung vor (332)", hieß es. Ebenso konnten den Angaben nach 40 Fachkraftstellen besetzt werden. Hilfsarbeitertätigkeiten üben derzeit 285 Geflüchtete aus.
Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) dankte allen Unternehmen: "Arbeit und Ausbildung sind eine Brücke hin zu einer erfolgreichen Integration. Das ist ein starkes Signal für andere Unternehmen, sich auch auf diesem Feld zu engagieren."
Das Netzwerk schafft den Rahmen für den Erfahrungsaustausch von Unternehmen, die sich bereits für Flüchtlinge engagieren oder engagieren wollen. Es bietet zudem praxisrelevante Informationen zur Beschäftigung von Flüchtlingen. Zwei Drittel der in der Umfrage antwortenden Unternehmen waren kleine oder mittlere Unternehmen, ein Drittel große Unternehmen. Dabei waren alle Branchen vertreten. Den größten Anteil mit einem Viertel machten Industriebetriebe aus, gefolgt von Handel mit gut elf Prozent sowie Landwirtschaft und Handwerk mit je zehn Prozent.
80 Prozent der Umfrageteilnehmer, die Geflüchtete in ihrem Betrieb beschäftigen, wollen ihr Integrationsengagement in gleicher Weise fortsetzen oder sogar erhöhen. Unternehmen ohne Mitarbeiter mit Fluchthintergrund äußern sich zurückhaltender über ihr künftiges Engagement. Etwas mehr als die Hälfte derer, die Ende 2016 noch keinen Flüchtling eingestellt hatten, plant dies in diesem Jahr zu ändern.
Berlin (epd). Die diakonischen Arbeitgeber haben die Arbeitnehmervertreter in der Arbeitsrechtlichen Kommission (ARK) der Diakonie Deutschland zur Rückkehr an den Verhandlungstisch aufgefordert. Mit dem derzeitigen Stillstand in den Tarifgesprächen "verzögern sich reale Einkommensverbesserungen", schreibt der Vorstandsvorsitzende des Verbandes diakonischer Dienstgeber in Deutschland (VdDD), Christian Dopheide, am 8. März in einem offenen Brief an die Dienstnehmerseite in der ARK. Die Arbeitgeber haben ein Schlichtungsverfahren beantragt.
In der Kommission wird über die Lohnsteigerungen für rund 120.000 Diakoniebeschäftigte entschieden. Außerdem hat dieser Abschluss Signalwirkung für die Löhne der übrigen rund 380.000 Diakoniebeschäftigten, die auf regionaler Ebene verhandelt werden.
Dopheide verweist in seinem Schreiben darauf, dass die Dienstgeber im Herbst 2016 in einem neuen Angebot "beispielhafte Entgelterhöhungen" für 2016 und 2017 vorgeschlagen hätten. Dieses "kleine Gesamtpaket" sah außerdem für Betriebe, die in finanziellen Schwierigkeiten sind, die Möglichkeit für Kürzungen etwa beim Weihnachtsgeld vor.
Die Arbeitnehmerseite begründet ihre Weigerung, an den Tarifgesprächen weiter teilzunehmen, damit, dass die Dienstgeberseite ohne Absprache mit der Dienstnehmerseite den Schlichtungsausschuss angerufen habe. Dabei sei dessen Vorsitzender, der Göttinger Verwaltungsrichter Helmut Prilop, "ohne Beteiligung der Dienstnehmer vom Kirchengerichtshof der EKD eingesetzt worden". Der Schlichter hat in den Verhandlungen ein besonderes Gewicht, da seine Stimme bei einer Patt-Situation über das Tarifergebnis entscheidet und dieses verbindlich festlegt.
Die Dienstnehmer in der ARK werfen Prilop vor, dass er als Vorsitzender des Schlichtungsausschusses "seiner Aufgabe, die strukturell bedingte schwache Verhandlungsposition der Dienstnehmer zu stärken, nicht nachkam". Dazu sei er aber nach dem einschlägigen Urteil des Bundesarbeitsgerichts zum kirchlichen Arbeitsrecht vom November 2012 verpflichtet.
Der VdDD-Vorsitzende Dopheide bezeichnet hingegen in seinem Brief das Schlichtungsverfahren als "eine reguläre Methode, um zu Lösungen zu gelangen. Das verbindliche Schlichtungsverfahren in der Diakonie wurde zudem vom Bundesarbeitsgericht als probates Mittel des Interessensausgleichs bestätigt", schreibt er in seinem Appell an die Vertreter der Arbeitnehmer.
Eichstätt (epd). Die evangelische Kirche findet auch vier Jahre nach dem wegweisenden Urteil des Bundesarbeitsgerichts zum kirchlichen Arbeitsrecht vom November 2012 keinen gemeinsamen Nenner. Dies wird besonders in Hessen deutlich, wo die zuständigen Gremien teilweise gar nicht mehr arbeitsfähig sind. Für die Diakonie in Kurhessen-Waldeck ist noch nicht einmal eine Arbeitsrechtliche Kommission oder eine Tarifkommission existent, wie der juristische Referent der Evangelischen Kirche Hessen-Nassau, Jo Hanns Lehmann, am 6. März auf einer Fachtagung zum kirchlichen Arbeitsrecht in Eichstätt berichtete. Trotz der Verschmelzung der beiden diakonischen Verbände in Hessen sollte es für Kurhessen-Waldeck und für die Diakonie in Hessen-Nassau jeweils eigenständige Tarifkommissionen geben.
In Hessen scheint die Situation aus verschiedenen Gründen besonders schwierig. Dort gibt es nicht nur zwischen den beiden "Lagern" Arbeitgeber und Arbeitnehmer die üblichen Kontroversen um angemessene Lohnerhöhungen. Hier sind auch die jeweiligen Seiten untereinander heftig zerstritten. In Eichstätt zeigte sich eine MAV-Vertreterin, die sich selbst als "Verdianerin" bezeichnete, entsetzt über den jüngsten Abschluss, den der Verband kirchlicher Mitarbeiter (VKM) in der Arbeitsrechtlichen Kommission für Hessen-Nassau vereinbart hat. Dort steigen nun die Löhne in den unteren Entgeltgruppen um 2,5 Prozent, während die übrigen Beschäftigten vier Prozent mehr Lohn erhalten. Eine VKM-Vertreterin hielt der Kritik entgegen, dass "Verdianer" überhaupt keine Lohnsteigerungen herausholten, weil sie sich Verhandlungen auf dem Dritten Weg komplett verweigerten.
Uneinigkeit bescheinigte Oberkirchenrat Lehmann, der seit 2004 regelmäßig an den Lohnverhandlungen teilnimmt, aber auch den diakonischen Dienstgebern. Nach seiner Darstellung signalisierten einige Arbeitgeber Bereitschaft, den kirchenspezifischen Dritten Weg zu verlassen und stattdessen mit Arbeitnehmervertretern nach annähernd weltlichem Tarifrecht Löhne auszuhandeln. Und zwar nach dem sogenannten kirchengemäßen Tarifrecht, also unter Ausschluss eines Streikrechts, wie das die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bereits im November 2013 ausdrücklich zugelassen hat. Für andere Arbeitgeber ist dies aber offenbar Teufelszeug. Sie zeigten sich bisher noch nicht einmal bereit, für einzelne Branchen - wie etwa die Pflege - diesen Weg zu gehen. Offen bleibt dabei, wie sie ohne deutliche Lohnerhöhungen dem sich verschärfenden Pflegekräftemangel begegnen wollen.
Die Fusion der Diakonischen Werke in Hessen-Nassau und Kurhessen-Waldeck, die bei gleichzeitiger Beibehaltung der beiden Gliedkirchen im Sommer 2013 vollzogen wurde, hat die Lage offenbar zusätzlich erschwert. Etablierte Strukturen wurden dadurch abgebaut, und bei dem ohnehin durch Konflikte belasteten Fusionsprozess wurde das Thema kirchliches Arbeitsrecht viel zu lange ausgeklammert, wie es auf der Tagung in Eichstätt hieß.
Für den Kirchenjuristen Lehmann ist völlig offen, in welche Richtung sich Kirche und Diakonie in Hessen bewegen werden: Bleibt es beim Dritten Weg mit Arbeitsrechtlichen Kommissionen oder kommt doch ein kirchengemäßer Tarifvertrag? In Niedersachsen reifte vor wenigen Jahren auch bei den Arbeitgebern die Entscheidung für eine Abkehr vom Dritten Weg: Dies geschah jedoch erst, nachdem die Sozialpartner durch eine jahrelange Blockade zermürbt waren.
Für Hessen hat Lehmann die Hoffnung auf Fortschritte noch nicht aufgegeben. Er erwartet immerhin noch "kleine Schritte". Eine Einigung, die von allen akzeptiert wird, das können sich nicht einmal die größten Optimisten vorstellen.
Flensburg (epd). Inklusion - das ist nicht der einfache Weg, weder für Kostenträger und Landesbehörden, noch für die Unternehmenssteuerung und schon gar nicht für die Mitarbeitenden. Wer Inklusion ernst nimmt, muss sich und die anderen immer wieder neu erfahren, muss ausprobieren. Und auszuprobieren bedeutet, dass Grenzen verschwinden könnten. Das lässt Unsicherheiten wachsen. So produziert die Forderung nach Inklusion Unsicherheiten und Ängste.
Mit Blick auf die notwendige und längst überfällige Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ist es nicht opportun, etwas gegen Inklusion zu sagen. Dennoch höre ich mittlerweile an zu vielen Stellen, die Inklusion sei gescheitert.
Im Gegensatz zur Integration sieht Inklusion keine Vorhaltung von besonderen Institutionen wie Sonderkindergärten, Sonderschulen oder Förderzentren neben den Regeleinrichtungen vor. Das bisherige Regelsystem soll sich vielmehr so verändern, dass jeder aufgenommen werden kann. Das bedeutet einen Systemwechsel dahingehend, dass Menschen mit besonderen Bedarfen auch überall dabei sein können. Sie werden nicht mehr separiert.
Ausgehend von der unterzeichneten UN-Charta 2009 ist Inklusion in der Bundesrepublik keine Frage mehr, sie ist vorgegeben. Das Ideal sieht in Inklusion die Gleichberechtigung. Doch gleiche Chancen zu geben, wird in diesem Zusammenhang häufig missverstanden. Ein schwer traumatisierte Kind, das körperlich behinderte Kind, ein besonders verhaltensoriginelles Kind, sie alle werden nicht durch Inklusion geheilt, körperlich gesund oder automatisch nicht mehr auffällig. Sie sind natürlich darauf angewiesen, dass wir ihrem individuellen Bedürfnissen Rechnung tragen - aber außerdem auch ihrem Recht auf Gleichberechtigung.
An vielen Stellen haben wir versäumt die Beteiligten auf den Weg zum Paradigmenwechsel mitzunehmen, wir haben versäumt, den Begriff Inklusion einheitlich zu klären. Wir haben unter dem Druck "jetzt sind wir inklusiv" versäumt, die bestehenden Systeme an veränderte Voraussetzungen anzupassen. Wir können die notwendigen Ressourcen wie etwa Räume, Fachkräfte und Hilfsmittel nicht einfach übernehmen. Uns fehlt es an personeller wie sächlicher Ausstattung und viele in Bildung und Betreuung Tätige haben sich frustriert von der Idee der Inklusion abgewendet.
Weitere Stolpersteine sind die unterschiedlichen, gesetzlichen Grundlagen für Bildungs- und Betreuungsangebote. Kommunen und Träger gehen mit unterschiedlichen Finanzierungsmodellen aus unterschiedlichen gesetzlichen Vorgaben um. Im Regelbereich richtet sich unsere Bezahlung nach dem SGB VIII. Für die Integrationshilfe gibt SGB XII den Rahmen vor. Hier werden Kinder mit besonderen Förderbedarfen bereits an der Basis "besondert". Wie können wir nun Modelle schaffen, in denen diese Besonderung nicht weiter in den Alltag getragen wird? Als kreativer Träger probieren wir mit unseren Kooperationspartnern neue Wege aus.
Wir setzen seit sechs Jahren mit Erfolg auf Modellklassen. Es gibt 28 von ihnen, seit 2016 sogar in der Sekundarstufe 1. Die involvierten Lehrkräfte und Schulleitungen geben ausschließlich positive Rückmeldungen. Die Fachkräfte auch. Die Maßnahme ist unter Umständen sogar bedeutend preiswerter, wenn wir nicht die Eingliederungshilfe und die Sonderpädagogik des Schulsystems differenziert bewerten wollen.
Ein zweites Beispiel ist das Flensburger Modell für den landesweiten Modellversuch der inklusiven Kita. Auch hier begegnen sich die beiden Sozialgesetzbücher, aus denen sich die Vergütung für den Träger einer Kita ableitet. Dennoch: Wir nehmen jedes Kind in unsere Kita auf, egal, ob verhaltensoriginell, ob mit Behinderung mit besonderem Bedarf, ob überbegabt oder auch ohne Status, ein sogenanntes "Regelkind".
Bei uns arbeiten gewöhnliche Pädagoginnen und Pädagogen, auch Heil- und Sonderpädagogen. Sie betreuen Lerngruppen mit jeweils 15 Kindern, deren Zusammensetzung unsere Mitarbeitenden in der Kita jeden Tag neu situativ anpassen können. Bedarf es einer Verkleinerung der einen Gruppe, können andere Gruppen vergrößert werden. Das ist so in einer Regelkita oder einer Sonderpädagogischen Kita aufgrund der Betriebsgenehmigungen durch die Heimaufsicht nicht vorgesehen. Auch hier sind wieder die zusätzlichen und besonders qualifizierten Pädagogen für alle Kinder da.
Inklusion betrifft alle Menschen, egal, was sie brauchen und welche Bedarfe sie an Bildungseinrichtungen stellen. Ich provoziere gerne mit der Aussage "Inklusion kann keine Grenzen kennen"! Wenn inklusives Handeln aus sächlichen Gründen beginnt, Einzelne zu exkludieren, ist sie das Gegenteil. Was brauchen wir, wenn wir inklusiv werden wollen? Die Gleichbehandlung aller Menschen erfordert eine Veränderung unseres Denkens. Sie bedeutet einen Struktur- sowie Kulturwandel in allen gesellschaftlichen Bereichen. Besonders in unseren Bildungseinrichtungen, denn sie sind die Keime für unsere zukünftige Gesellschaft.
Für uns bei Adelby 1 bedeutet Inklusion, alle gleichberechtigt zu behandeln. Inklusion geht nicht einfach mit mehr Personal. Keine Einrichtung wird durch räumliche Umbauten inklusiver. Inklusion ist eine Haltungsfrage, eine Auseinandersetzung mit unseren Werten. Das erleben wir jüngst im Inklusionsprozess unseres Unternehmens. Es geht dabei auch um lebenslanges Lernen und das lernende Unternehmen, um den Mut zur Offenheit. Als Träger mit sonderpädagogischer Historie und sehr hoher Fachlichkeit sowie intensiv inklusiver Erfahrung mussten wir auf unserem Weg einige unschöne Erlebnisse wegstecken und auch mal eine Schleife drehen. Wir nehmen den Prozess in Richtung Inklusion sehr ernst und das ist gut so.
Als Träger müssen wir bereit sein, ein Stück Zeit - ich spreche hier von kostbaren Personalstunden - einzubringen. Ans Ziel kommen wir nur gemeinsam: Einen Teil des Aufwandes müssen auch wir Träger leisten, wenn wir authentisch weiter zur Inklusion stehen wollen. Der Kostenträger sollte ganz bestimmt auch Mittel bereithalten. Aber warum auch nicht? Inklusion rechnet sich für Kommunen. In Flensburg haben wir mit der Stadtverwaltung für vier Einrichtungen eine Basisvergütung konstruiert. In ihr sind alle Kinder gleichgestellt. Auf den ersten Blick werden die Förderkinder anfangs - im Verhältnis zu vorher - schlechter gestellt. Doch Inklusion bedeutet folgerichtig: "Keine Besonderung und keine Bevorteilung - für alle die gleichen Rahmenbedingungen".
In einem zweiten Schritt werden alle Kinder individuell betrachtet und Bedarfe werden, insofern vorhanden, in vier Stufen bewertet. Diese Einstufung erfolgt durch die gemeinsame Begutachtung von zum Beispiel jugendärztlichem Dienst und Pädagogen in der Einrichtung, dicht dran am tatsächlichen Bedarf. Die Stufen lösen unterschiedliche und zusätzliche Personalressourcen aus. Aber Vorsicht, auch hier gilt: keine Besonderung! Unsere Heilpädagogen sind nicht exklusiv für ein Förderkind zuständig, sondern für die Gruppe und die Situation der Gruppe.
Ein weiterer Durchbruch ist es, dass wir Lerngruppen variabel gestalten können. Wir dürfen situativ gestalten. Das ist im Zusammenspiel mit der Genehmigungsbehörde (Heimaufsicht) nicht immer einfach. Wir hatten zwischendurch starke Frustrationsphasen. Doch als ich in Aussicht stellte, "Was soll’s, wir gehen zurück", waren sich alle Pädagogen einig: "Alles andere, nur nicht das." Die Entbehrungen und Unsicherheiten, die vielen zusätzlichen Besprechungen, die bis heute nach 2 Jahren anhalten, wiegen doch nicht so schwer, wie der Zugewinn durch das wirklich konsequente inklusive Leben.
In der Schule sind unsere Modellklassen ein Erfolg. Der angrenzende Kreis Schleswig-Flensburg möchte das Flensburger Konzept gerne übertragen. Aber wir legen auch großen Wert auf Qualität in der Schulbegleitung. Fachberatung, pädagogische Ausbildung, Fortbildungen, feste Anstellungsverhältnisse, Verlässlichkeit der Bezugsperson sind hier nur einige wenige unserer Qualitätskriterien. Ich erzähle nun nicht auch noch von Partizipation, sowohl für Kinder und Jugendliche, als auch für deren Eltern. Nur so viel: Gelebte Partizipation ist Voraussetzung für Inklusion.
Was ist der Mensch? Ja, tatsächlich, diese philosophische Frage stellen wir uns. Wir alle sind gleich und sind es dann auch wieder nicht. Jeder hat seine individuelle Persönlichkeit. Niemanden gibt es doppelt. So sind wir also alle Menschen und zugleich individuell und völlig unterschiedlich. Diesem großen Geschenk des Lebens wollen wir mit Wertschätzung begegnen.
Und: Was ist eigentlich normal? Was liegt denn in der "Norm" - also in dem üblichen Durchschnitt - unserer sich verändernden, zusehends alternden, kleiner und multikultureller werdenden Gesellschaft? Was heute besonders zu sein scheint - eine dunkle Hautfarbe vielleicht, der Blindenstock oder Männer in weiten Kaftans - wird angesichts von Zuwanderung und demografischem Wandel morgen schon völlig normal sein.
Wir möchten dem Gebot einer toleranten Lebenshaltung folgen - auch im Umgang mit uns selbst, denn: Niemand kann alles können. Es zu versuchen, ist anstrengend und unnötig, weil ja jeder etwas kann. Die Kunst besteht darin herauszufinden, wo die eigenen Fähigkeiten liegen. Wenn jeder weiß, welche Talente er hat und wenn er die eigenen und fremden Defizite ohne Wertung anerkennt, kann er sein Können zum Wohle aller einbringen. Dafür wird er dann auch die Möglichkeiten anderer nutzen. So vernetzt wären wir als Gesellschaft wirklich stark.
Osnabrück, Bonn (epd). Christian (15) und Felix (35) sind Freunde. Dabei wollte Christian den so viel Älteren eigentlich gar nicht kennenlernen. Erwachsene seien uncool, fand er damals, vor fünf Jahren. Mit einem unmissverständlichen "Du kannst wieder gehen", hat er Felix an der Wohnungstür abgefertigt. Seine Mutter ist alleinerziehend und fand, ein wenig männliche Unterstützung täte ihrem Sohn gut. Felix ging nicht und wurde sein Mentor.
"Heute bin ich froh darüber", sagt Christian. Mit gekreuzten Beinen sitzt er auf dem Sofa in der Wohnung seines großen Freundes in Osnabrück und wiegt ziemlich routiniert Felix Sohn Kasimir (drei Monate) auf seinem Schoß.
Felix Weber und Christian Holste waren Teilnehmer des Mentorenprogramms "Balu und Du". Ein Jahr lang trafen sie sich einmal pro Woche, gingen Schwimmen oder Schlittschuhlaufen, kochten gemeinsam, bauten einen Bumerang, fuhren freihändig Fahrrad oder sahen sich Filme im Kino an. Felix war damals Student, Christian besuchte die Grundschule - eine typische Kombination.
Seit dem Start des Programms 2002 sind bundesweit mehr als 8.600 Balu-und-Du-Gespanne vermittelt worden. Seinen Namen hat das Programm vom Bären Balu aus dem Dschungelbuch von Rudyard Kipling, der sich um das Menschenkind Mogli kümmert. Erfunden haben es damals Wissenschaftler in Osnabrück und Köln.
Vor allem benachteiligte Kinder sollen von der ungeteilten Aufmerksamkeit profitieren, die ihnen ein junger, ehrenamtlich engagierter Erwachsener entgegenbringt. Forscher haben jetzt herausgefunden: "Das Programm kann ungleiche Startchancen bei Kindern ausgleichen und die Kluft zwischen Arm und Reich verringern", sagt Fabian Kosse, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Bonn.
Kosse und Projektleiter Professor Armin Falk gehen davon aus, dass Gesellschaften besser funktionieren, wenn die Individuen besonders "prosozial" sind. "Das heißt, sie vertrauen anderen, sind empfindsam und uneigennützig", erklärt Kosse. Auch die Menschen selbst, so haben sie gemessen, sind umso glücklicher je prosozialer sie sind. Kosse und Falk folgern, dass Prosozialität auch die Erfolgschancen in der Schule und später auf dem Arbeitsmarkt erhöht.
Im Rahmen einer Studie haben die Forscher das prosoziale Verhalten von mehr als 700 Kindern untersucht. Das Besondere war, dass ein zufällig ausgewählter Teil der Kinder einen Mentor zugewiesen bekam, die anderen nicht. Erstes Ergebnis: Bevor sie einen Mentor bekamen, waren Kinder aus sozial benachteiligten Familien deutlich weniger prosozial als Kinder aus bevorzugten Familien.
Zweites Ergebnis: Nach einem Jahr Mentorenprogramm hatten die benachteiligten Kinder den Rückstand komplett aufgeholt. Und es kommt noch besser: "Dieser Effekt ist auch nach mehreren Jahren noch genau so groß." Deshalb fordern die Forscher, dass in ganz Deutschland viel mehr Grundschulkinder einen Mentor bekommen sollten.
Auch Christian hat von Balu und Du profitiert - sagt jedenfalls sein Balu Felix. Der Familienvater ist stolz, dass Christian sein Leben jetzt so gut "im Griff" hat. "Der ist ja schon ein richtiger junger Mann." Christian protestiert: "Ich hatte mein Leben eigentlich schon immer im Griff", weist er den Älteren grinsend zurecht. Der 15-Jährige findet es vor allem cool, "dass man mit Felix ganz viel Blödsinn machen kann". Außerdem habe der ihn drauf gebracht, dass er statt Polizist ja auch Tischler werden könnte. "Das war, als wir das Gewürzregal gebaut haben", erinnert sich Christian.
Heute gehören Felix und Christian schon fast zur Familie des jeweils anderen. Das Mentorenprogramm ist längst zu Ende. Doch mindestens einmal im Vierteljahr treffen die beiden sich noch immer. Felix wurde im vergangenen Jahr Christians Taufpate. Kürzlich half er, als Christians Mutter den Keller entrümpelt hat. Christian wiederum hat Felix neues Smartphone eingerichtet. Und im vergangenen Jahr haben sie gemeinsam eine einwöchige Städtetour unternommen - nach Berlin und dann mit dem Flugzeug von dort nach Frankfurt. "Das war mein erster richtiger Urlaub und meine erste Flugreise", schwärmt Christian.
Neuendettelsau (epd). Christliche Pflegeheime und Krankenhäuser passen nach Meinung des Patientenbeauftragten der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann, "sehr wohl in unsere zunehmend säkulare Gesellschaft". Gerade in solch einer Gesellschaft sei das Bedürfnis "nach mehr Nähe, Zusammenhalt und auch nach Spiritualität zu spüren", sagte der CDU-Politiker am 5. März in Neuendettelsau zum Auftakt der diesjährigen Fastenpredigt-Reihe des evangelischen Sozialwerks. Den christlichen Krankenhäusern gehe es laut dem Krankenhausreport 2016 auch wirtschaftlich besser als den kommunal geführten, sagte er.
Am besten gehe es den privat geführten Kliniken, räumte Laumann ein. Der Erfolg sei aber unter anderem darauf zurückzuführen, dass "die OP-Säle nach dem Prinzip der Fließbänder des Autobauers Henry Ford gebaut werden und Personal vielfach outgesourct wird", sagte er laut einer Mitteilung der Diakonie Neuendettelsau vom Montag. Es liege auf der Hand, dass es Alternativen zu Pflegeheimbetreibern geben müsse, die aktiennotiert sind und deren Leitung in Paris sitze.
Christlich geführte Häuser seien näher am Menschen und die Rendite stehe nicht an erster Stelle. Gleichwohl wisse er, dass das nicht immer einfach sei und auch "christliche Einrichtungen ökonomischem Druck" ausgesetzt seien, sagte Laumann.
Frankfurt a.M. (epd). Die Beratungsstelle MIA für notleidende EU-Zuwanderer in Frankfurt am Main hat im ersten Jahr ihres Bestehens einen unerwartet starken Zulauf erfahren. Gerechnet habe man mit 550 Klienten bis Ende vergangenen Jahres, tatsächlich seien aber rund 1.150 Personen gekommen, sagte die Direktorin des Caritasverbands Frankfurt, Gaby Hagmans, am 7. März. Die Beratungsstelle in Trägerschaft des Diakonischen Werks und des Caritasverbands Frankfurt kläre die Hilfesuchenden in ihrer Muttersprache auf und vermittle sie an Hilfseinrichtungen weiter.
Drei Viertel der Ratsuchenden sind nach Hagmanns Angaben wohnsitzlos, knapp drei Viertel sind arbeitslos. Bulgaren (39 Prozent) und Rumänen (26 Prozent) machten zusammen zwei Drittel der Klienten aus. Die klassische Hilfekette für Wohnsitzlose und Arme greife für sie nicht, erklärte der Leiter des Diakonischen Werks für Frankfurt, Michael Frase. Die Klienten hätten keine rechtlichen Ansprüche auf Sozialleistungen und könnten sich meist sprachlich nicht verständigen. 80 Prozent der Obdachlosen, die Tagestreffs in Frankfurt nutzten, kämen inzwischen aus Osteuropa.
Die "Multinationale Informations- und Anlaufstelle für neuzugewanderte EU-Bürger/innen" (MIA) vereint sieben Sozialarbeiterinnen und Sozialhelferinnen auf 4,8 Personalstellen, die zwölf Sprachen sprechen. Die meisten der Ratsuchenden seien erst vor kurzem in die Stadt gekommen und suchten Arbeit, sagte Vesela Zaharieva. Manche hätten ihr gesamtes Geld an kriminelle "Vermittlungsfirmen" in ihrer Heimat gezahlt in der Hoffnung auf eine Arbeitsstelle, würden aber in Frankfurt aus dem Bus heraus auf die Straße geworfen. Die meisten von ihnen wollten jedoch nicht zurückkehren.
MIA wird auf drei Jahre finanziert vom Bundessozialministerium und dem Europäischen Hilfsfonds mit 860.000 Euro. Die Stadt Frankfurt steuert 45.000 Euro bei.
Hamburg (epd). Gute Sozialarbeit braucht offenbar Fachkräfte, die einen Sinn für das Religiöse haben. Es gehe in der Kinder- und Jugendhilfe oft um eine grundlegende Lebensorientierung, sagte Wilfried Knorr, Vorsitzender des Evangelischen Erziehungsverbandes. Rund 250 Experten aus dem Bundesgebiet waren am 7. März zur Tagung "Glauben als Ressource" der Diakonie Deutschland nach Hamburg gekommen. Es war nach eigenen Angaben der erste Fachkongress dieser Art.
Religiöse Fragen ziehen sich nach den Worten Knorrs durch alle Bereiche der Sozialen Arbeit. In der Suchthilfe gehe es oft um eine grundlegende Sehnsucht, in der Altenhilfe um Trauer und in der Wohnungslosenhilfe um innere Beheimatung. Vor allem minderjährige unbegleitete Jugendliche würden von Sozialarbeitern heute eine deutliche Position zur eigenen Religion herausfordern.
In den 70er und 80er Jahren sei das Thema Religion von der Sozialarbeit "fast schon feindlich" ausgeblendet worden, sagte Michael Tüllmann, langjähriger Leiter der Kinder- und Jugendhilfe in der Hamburger Stiftung "Das Rauhe Haus". Es sei wichtig, mit den Jugendlichen in einen Dialog zu treten und zu hören, was sie glauben. Gefordert sei dabei vor allem Authentizität. Es sei aber auch Aufgabe von Erziehern zu beurteilen, welche Art von Religion für einen Jugendlichen schädlich sein könnte.
In nahezu allen Bereichen der Sozialen Arbeit gehe es um eine "Resonanz" in der Außenwelt, sagte der Soziologe Hartmut Rosa von der Universität Jena. Menschen suchten Resonanz in der Familie, der Arbeit, der Kunst und der Religion. Die eigene Stimme hörbar zu machen, sei eine Grundhaltung zum Leben. Religion dürfe nicht dazu missbraucht werden, das Leben wirtschaftlich effizienter zu machen.
Fachkräfte in der Sozialen Arbeit benötigten eine Sensibilität für das Religiöse, forderte der Hamburger Sozialwissenschaftler Matthias Nauerth. Damit sei keine bestimmte Religion gemeint. Wenn es einem Menschen dauerhaft gut tue, könne auch Esoterik hilfreich sein.
In der Geschichte der Diakonie sei christlicher Glaube immer als "Hilfe zum Leben" verstanden worden, sagte Pastor Friedemann Green, Vorsteher des Rauhen Hauses. Heute sei die Soziale Arbeit von einer Vielfalt der Religionen geprägt. Nicht jeder Sozialarbeiter müsse religiös sein, aber er müsse ein Verständnis für Religiöses entwickeln. Wenn ein alter Menschen etwa nach dem "Abendmahl" frage, gehe es nicht darum, ihm "ein Brot zu schmieren".
Kassel (epd). Die Bewerbungsfrist für den diesjährigen Sozialpreis innovatio läuft noch bis zum 30. April. Ausgezeichnet werden Initiativen, die benachteiligten Menschen neue Perspektiven eröffnen, die sich für andere stark machen oder mit Kreativität und Mut nach sozialen Lösungen suchen, teilten die Versicherer im Raum der Kirchen am 8. März in Kassel mit.
Zehn Projekte werden von einer Jury nominiert und erhalten eine Prämie von 2.000 Euro. Der Gewinner des Sozialpreises innovatio erhält zusätzlich 8.000 Euro. Der Gewinner des neuen Publikumspreises in Höhe von 2.000 Euro wird per Online-Voting ermittelt. Die Preisverleihung findet am 29. November 2017 in Berlin statt.
Der Sozialpreis innovatio wird alle zwei Jahre verliehen. Gestiftet von den Versicherern im Raum der Kirchen, Bruderhilfe - Pax - Familienfürsorge, und gefördert durch chrismon: Das evangelische Magazin. Schirmherren sind die Präsidenten des Deutschen Caritasverbandes und der Diakonie Deutschland - Evangelischer Bundesverband, Prälat Peter Neher und Pfarrer Ulrich Lilie.
Frankfurt a.M. (epd). Die Schauspielerin Christine Urspruch kann verstehen, wenn Menschen befangen auf ihre geringe Körpergröße reagieren. "Ich würde das auch so gerne bei mir selber abstellen, dass ich gleich diese Bewertungen im Kopf habe", sagte Urspruch in der Jubiläumsausgabe zum 150. Bestehen der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel des Magazins "chrismon": "Ich mache mir schon viele Gedanken, wie andere mich sehen. Muss ich mich mit einem verstehen, der nur ein Bein hat?"
Wenn sie wegen ihrer Größe von 1,32 Metern beleidigt werde, falle ihr spontan meist ein Spruch ein. "Aber nicht immer. Dann schalte ich auf Durchzug", sagte die 46-Jährige, die als Darstellerin der "Alberich" im Münster-"Tatort" bekannt wurde. Am schlimmsten sei es wenn man sie Zwerg nenne, oder sage: "Du siehst so niedlich aus." Das sei so, als ob ihr jemand über den Kopf streichelt, sagte Urspruch: "Ich fühle mich dann entmenschlicht. Und entfraulicht."
Die Arbeit Bethels begann im Jahr 1867 in Bielefeld mit der Fürsorge für epilepsiekranke Jugendliche. Maßgeblich geprägt wurde die Einrichtung von Friedrich von Bodelschwingh (1831-1910). Er gab den Anstalten den biblischen Namen Bethel ("Haus Gottes"). Rund 230.000 Menschen hat das diakonische Werk nach Angaben des Vorstands im vergangenen Jahr behandelt, betreut oder ausgebildet.
Leipzig (epd). Schwer und unheilbar kranken Patienten kann dem Gericht zufolge unter ganz bestimmten Umständen der Zugang zu einem Betäubungsmittel nicht verwehrt werden, das eine schmerzlose Selbsttötung ermöglicht. Das entschied das Leipziger Gericht für den Fall extremer Ausnahmesituationen. Die Richter begründeten ihr Urteil mit Hinweis auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Artikel 2 des Grundgesetzes. Kirchenvertreter und Patientenschützer reagierten entsetzt. Auch aus der Politik wurden besorgte Stimmen laut. Jetzt muss das das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bereits über einen Fall entscheiden.
Dem Urteil zufolge könne sich im extremen Einzelfall ergeben, dass der Staat den Zugang zu einem Betäubungsmittel nicht verwehren dürfe, das dem Patienten eine würdige und schmerzlose Selbsttötung ermöglicht. Das Bundesverwaltungsgericht hob damit Urteile der Vorinstanzen aus Münster und Köln auf (OVG Münster 13 A 1299/14, Urteil vom 19. August 2015 und VG Köln 7 K 254/13 - Urteil vom 13. Mai 2014).
Im konkreten Fall war die Ehefrau des Klägers seit einem Unfall im Jahr 2002 vom Hals abwärts gelähmt, musste künstlich beatmet werden und war auf ständige medizinische Betreuung und Pflege angewiesen. Wegen dieser von ihr als unerträglich und entwürdigend empfundenen Leidenssituation hatte sie im November 2004 beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Erlaubnis zum Erwerb einer tödlichen Dosis eines Betäubungsmittels beantragt.
Das Bundesinstitut lehnte dies unter Hinweis auf den Zweck des Betäubungsmittelgesetzes ab. Im Februar 2005 seien der Kläger und seine Frau schließlich in die Schweiz gereist, wo sich die Frau mit Unterstützung eines Vereins für Sterbehilfe das Leben nahm.
Zwar ist es nach Überzeugung der Leipziger Richter nach den Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes grundsätzlich nicht möglich, den Erwerb eines Betäubungsmittels zum Zweck der Selbsttötung zu erlauben. Hiervon sei in Extremfällen aber eine Ausnahme für schwer und unheilbar kranke Patienten zu machen, wenn sie wegen ihrer unerträglichen Leidenssituation frei und ernsthaft entschieden haben, ihr Leben beenden zu wollen und ihnen keine zumutbare Alternative zur Verfügung steht.
Deshalb hätte das BfArM prüfen müssen, ob hier ein solcher Ausnahmefall gegeben war. Eine Feststellung, ob das BfArM die Erlaubnis hätte erteilen müssen, sei damit aber nicht verbunden.
Jetzt muss das Amt erneut entscheiden: Es gebe einen Antrag, in dem die Erlaubnis zum Erwerb einer tödlichen Dosis Natrium-Pentobarbital beantragt worden sei, sagte ein Sprecher der Behörde dem Berliner "Tagesspiegel" am 8. März. Noch sei «keine Festlegung» getroffen worden, wann über den Antrag entschieden werde. Angaben zu Alter, Geschlecht und Erkrankungen machte die Behörde mit Rücksicht auf den Patienten nicht. Vermutlich werde sie die schriftliche Urteilsbegründung abwarten, hieß es.
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) warnte vor einem Tabubruch. "Staatliche Behörden dürfen nicht zum Handlanger der Beihilfe zur Selbsttötung werden", erklärte der Minister am 3. März. Das untergrabe "unser Bemühen, Selbsttötung durch Hilfe und Beratung zu verhindern".
Es könne nicht sein, "dass der Staat dazu verpflichtet wird, die Hand zum Suizid zu reichen", erklärte der Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp. Nichts anderes sei es, wenn das Gericht dem Staat die Entscheidung darüber abverlange, ob im Einzelfall das Leben eines Menschen noch erträglich und zumutbar ist. Damit müsse eine Behörde "ein Werturteil über die Zumutbarkeit des Lebens abgeben, das ihr bisher aus guten Gründen verwehrt ist", sagte Kopp. Die Werteordnung des Grundgesetzes verbiete eine solche Entscheidung durch den Staat.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz rügte, die Bundesrichter hätten den Staat verpflichtet, in bestimmten Fällen "die Selbsttötung für Bürger zu organisieren". Aber "was objektives Leiden ist, wie das zu messen ist, wie das allgemeingültig zu definieren ist für Juristen, das hat das Bundesverwaltungsgericht nicht gesagt", stellte Vorstand Eugen Brysch fest.
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) will zu dem Fall erst dann Stellung nehmen, wenn der Text des Urteils vorliegt. Generell wies eine Sprecherin darauf hin, dass die evangelische Kirche das menschliche Lebens als Gabe Gottes betrachte, das auch bei starken Einschränkungen und Leiden seine Würde nicht verliere. Wichtig sei zudem, die palliativmedizinische Versorgung von schwer kranken und sterbenden Menschen zu verbessern. Auch die Kirche stehe vor der Herausforderung, die "Seelsorge an Schwerkranken und Sterbenden zu verstärken".
Der umstrittene Mediziner und Buchautor Matthias Thöns verwies auf die nach dem Urteil bestehende "kuriose Rechtslage" in Deutschland. Das unter Umständen bestehende Recht auf die selbstbestimmte Tötung kollidiere mit dem 2015 neu gefassten Strafrechtsparagraf 2017. Danach machen sich Ärzte schuldig, die todbrindende Medikamente verschreiben.
Gegen diesen Paragrafen klagt Thöns gemeinsam mit einem Kollegen vor dem Bundesverfassungsgericht. "In unserer Verfassungsbeschwerde haben wir genau diese Fälle aufgeführt, die nun die Leipziger Richter aufgegriffen haben. Wir sind optimistisch, dass das Bundesverfassungsgericht den § 217 nun für verfassungswidrig erklären wird."
Az: BVerwG 3 C 19.15
Karlsruhe (epd). Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Stiefkindadoption bei nicht verheirateten Paaren beschränkt. Wenn ein Partner das Kind seiner Lebensgefährtin adoptiert, verliert damit die Mutter sämtliche Elternrechte, entschied der BGH in Karlsruhe in einem am 6. März veröffentlichten Beschluss. Das Verwandtschaftsverhältnis zu ihr erlischt. Nur bei verheirateten oder verpartnerten Paaren ist es dem Urteil zufolge möglich, dass beide Partner ihre Elternrechte und -pflichten gemeinsam ausüben können.
Im konkreten Fall war ein nicht verheiratetes Paar aus Westfalen vor Gericht gezogen. Die Frau war Mutter zweier minderjähriger Kinder, der leibliche Vater war 2006 verstorben. Der neue Partner wollte beide Kinder adoptieren und damit gemeinschaftlich mit der Mutter für sie einstehen.
Doch bei nicht verheirateten Paaren kann nur einer allein die Kinder annehmen, entschied der BGH. Wolle der Partner das Stiefkind adoptieren, führe das zwingend dazu, dass das Verwandtschaftsverhältnis der Mutter zu ihrem Kind erlischt.
Nur bei Ehepaaren oder eingetragenen Partnerschaften sei es nach dem Gesetz möglich, dass diese gemeinschaftlich ein Kind annehmen. Lebt der andere leibliche Elternteil noch, muss er einer beabsichtigten Stiefkindadoption zustimmen.
Diese unterschiedlichen Rechte bei verheirateten und nicht verheirateten Paaren seien verfassungsgemäß, befand der XII.-BGH-Zivilsenat. Das Familiengrundrecht sei bei unverheirateten Paaren nicht verletzt, weil es keinen Anspruch der Familienmitglieder auf Adoption umfasst. Der Gesetzgeber habe zudem verheirateten Paaren mehr Rechte bei der Stiefkindadoption einräumen dürfen, weil er zugunsten des Kindeswohls den "anzunehmenden Kindern eine stabile Elternbeziehung" gewährleisten wollte.
Zwar erlaube das Europäische Adoptionsabkommen den Vertragsstaaten, die Stiefkindadoption zuzulassen, wenn ein Paar "in einer stabilen Beziehung" lebt. Ein genereller Anspruch von nicht verheirateten Paaren darauf bestehe aber nicht. Die deutschen Vorschriften stünden zudem auch im Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention, entschied der BGH.
Az: XII ZB 586/15
Luxemburg (epd). Flüchtlingen bleibt eine geregelte legale Einreise nach Europa mittels sogenannter humanitärer Visa weiterhin verwehrt. Wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Dienstag in Luxemburg urteilte, steht es den EU-Mitgliedsstaaten weiterhin frei, selbst nach nationalem Recht zu entscheiden, ob sie von Folter und Tod bedrohten Flüchtlingen ein entsprechendes Visum erteilen. Sie seien nach EU-Recht nicht zur Erteilung humanitärer Visa verpflichtet.
Damit scheiterte eine aus Aleppo stammende syrische Familie mit drei minderjährigen Kindern mit ihrer Klage. Sie war infolge des Bürgerkrieges nach Beirut in den Libanon geflohen. In der belgischen Botschaft beantragte sie im Oktober 2016 erfolglos ein humanitäres Visum, welches zum 90-tägigen Aufenthalt in Belgien berechtigt hätte.
Die Familie hatte angegeben, dass sie Asyl beantragen wolle. Sie würden in Syrien als orthodoxe Christen verfolgt. Der Vater sei bereits von einer bewaffneten Gruppe entführt, geschlagen und gefoltert worden. Erst gegen Lösegeld hätten ihn seine Entführer freigelassen. Im Libanon selbst durfte die Familie nicht bleiben.
Die Familie berief sich in ihrem Visa-Antrag auf die EU-Grundrechte-Charta und die europäische Erklärung der Menschenrechte. Danach hätten die Mitgliedstaaten die Verpflichtung, das Asylrecht zu gewährleisten und müssten ein humanitäres Visum zur Asylantragstellung erteilen.
Die belgischen Behörden erklärten, das gewünschte Visum sei auf 90 Tage begrenzt und nicht für das Stellen eines Asylantrages gedacht. EU-Mitgliedstaaten seien nicht verpflichtet, Menschen, die eine besonders katastrophale Situation erlebt haben, ein humanitäres Visum auszustellen.
Dem folgte auch der EuGH. Die Familie habe ein kurzfristiges Visum beantragt, habe aber tatsächlich mit der beabsichtigten Asylantragstellung länger bleiben wollen. Der EU-Gesetzgeber habe aber keine Regelungen erlassen, unter welchen Voraussetzungen Nicht-EU-Bürger langfristige Visa aus humanitären Gründen erhalten können. Da EU-Recht nicht greift, zähle allein das nationale, in diesem Falle also das belgische Recht.
Az: C-638/16 PPU
Rom (epd). Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof (EGMR) hat Italien in einem Fall schwerer häuslicher Gewalt zu Schadenersatz verurteilt. Die Straßburger Richter befanden Italien laut der römischen Tageszeitung "La Repubblica" (Online-Ausgabe) vom 2. März für schuldig, eine Frau und ihren Sohn nicht ausreichend vor der Gewalt ihres Mannes geschützt zu haben. Der hatte nach einer Anzeige der Frau den gemeinsamen Sohn umgebracht und versucht, auch sie zu töten.
Indem sie nicht umgehend auf die Anzeige der Frau wegen häuslicher Gewalt reagierten, hätten die Behörden die Anzeige wirkungslos gemacht, argumentierten die Straßburger Richter. Dieses Vorgehen habe "de facto eine Situation der Straflosigkeit geschaffen, die zur Wiederholung der Gewaltakte beitrug". Das Urteil wird rechtskräftig, falls keine Seite binnen einer Frist von drei Monaten Berufung einlegt.
Das Gericht sah im vorliegenden Fall das Recht auf Leben sowie die Verbote unmenschlicher Behandlung und Diskriminierung missachtet. Neben der Anzeige der Frau lagen auch mehrfache Hinweise der Nachbarn bei den Polizeibehörden vor.
Der mittlerweile inhaftierte Ehemann hatte 2013 in Remanzacco bei Udine in Norditalien zunächst den gemeinsamen 19-jährigen Sohn umgebracht und dann versucht, seine Frau zu töten. Die Richter erkannten der Frau eine Entschädigung in Höhe von 30.000 Euro sowie die Erstattung der Gerichtskosten in Höhe von 10.000 Euro zu.
Berlin (epd). Thomas Mähnert (56) ist zum Mitglied des Bundesvorstandes der Johanniter-Unfall-Hilfe ernannt worden. Er hat das Amt am 1. März übernommen und wird in dem Führungsgremium unter anderem für das Ressort Finanzen zuständig sein. Mähnert führt JUH gemeinsam mit Wolf-Ingo Kunze und Jörg Lüssem.
Der Diplom-Kaufmann und Diplom-Verwaltungswirt ist den Johannitern seit vielen Jahren eng verbunden. Seine berufliche Laufbahn in der Johanniter-Unfall-Hilfe begann er im Jahr 1995 als Kaufmännischer Leiter im Landesverband Niedersachsen-Bremen. Von November 1995 bis Februar 2017 war Mähnert hauptamtliches Mitglied des dortigen Landesvorstandes.
Arnold von Rümker, Präsident der Johanniter-Unfall-Hilfe, sagte: "Thomas Mähnert ist eine hervorragende Wahl. Bereits als Mitglied des Landesvorstandes hat er über lange Jahre seine herausragende Kompetenz und sein außerordentliches Engagement zum Wohl der Johanniter eingesetzt."
Die Johanniter-Unfall-Hilfe ist seit über 60 Jahren in den unterschiedlichsten sozialen und karitativen Bereichen aktiv. Mit mehr als 20.000 hauptamtlichen Mitarbeitern und über 30.000 ehrenamtlichen Aktiven ist sie nach eigenen Angaben eine der größten Hilfsorganisationen in Deutschland und zugleich ein großes Unternehmen der Sozialwirtschaft.
Rainer Freyer und Bernhard Udri haben am 1. März die Geschäftsführung der Dienste für Menschen gGmbH übernommen und leiten nun zusammen mit Geschäftsführer Peter Stoll den diakonischen Altenhilfeträger. Freyer begann 1992 als Trainee der Paul-Lempp-Stiftung. Von 1997 bis 2001 übernahm er die Bereichsleitung EDV und Organisation und war Mitarbeiter der Paul-Lempp-Stiftung Marketing GmbH. Von 2002 bis 2011 war er auch zuständig für das Facility Management in den Zentralen Diensten. Seit 2005 stand der Diplom-Betriebswirt als Prokurist dem Bereich Allgemeine Dienste bei DfM vor. Bernhard Udri trat über die Paul-Lempp-Stiftung in die damalige Unternehmensgruppe ein. Bis 1999 war der gelernte Krankenpfleger Pflegedienstleitung in der Geriatrischen Klinik Esslingen-Kennenburg, bis 2005 als Regionalleitung für die Einrichtungen am Pflegezentrum Stuttgart-Münster tätig. Seitdem leitete Udri den Bereich Chancen- und Risikomanagement sowie Kommunikation in den Zentralen Diensten mit Prokura.
Ulrike Kostka, Direktorin des Caritasverbandes für das Erzbistum Berlin, ist als Vertreterin des Deutschen Caritasverbandes neue Vorsitzende der Katholischen Arbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe. Neben ihrem Leitungsamt ist sie auch außerplanmäßige Professorin für Moraltheologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster. Sie tritt die Nachfolge von Hartmut Fritz an. Er war sechzehn Jahre lang Caritaschef in Frankfurt in trat 2014 in den Ruhestand.
Michael Hibler ist am 3. März nach 30 Jahren in der Leitung des Diakonischen Werks Hochtaunus in den Ruhestand verabschiedet worden. Seine Nachfolgerin ist Stefanie Limberg, die bisherige stellvertretende Leiterin des Diakonischen Werks und Bereichsleiterin des Tagesstättenteams. "Michael Hibler hat sich stets für ausgegrenzte Menschen eingesetzt und sie dazu ermutigt, ihre Stärken zu entdecken und eigene Wege zu finden", sagte Diakonievorstand Wilfried Knapp. Er überreichte ihm das Goldene Kronenkreuz der Diakonie. "Von ehemals vier Mitarbeitenden ist das Diakonische Werk Hochtaunus unter dem scheidenden Leiter auf ein Zentrum mit mehr als 50 hauptamtlich und etwa 250 ehrenamtlich Helfenden gewachsen.
Ulrike Hahn ist ab April im Vorstand der Diakone Baden für die Einrichtungen und Werke zuständig. Sie tritt die Nachfolge von Jürgen Rollin an, der in den Ruhestand wechselt. Hahn ist Ergotherapeutin und Rehabilitationstherapeutin. Sie leitete zuletzt die Abteilung für Soziale Dienste beim Caritasverband für die Erzdiözese Freiburg.
Thomas Schwarz ist Mitglied im Vorstand des Diözesancaritasverbandes für die Erzdiözese München und Freising geworden. Er ist verantwortlich für die Ressorts Geschäftsbereiche und Wirtschaft. Schwarz ist Betriebswirt und löst Klaus Weißbach ab, der in den Ruhestand getreten ist. Er kommt von der Diakonie in Schweinfurt, wo er seit 2013 das Finanz- und Rechnungswesen der Stiftung Niederramstädter Diakonie leitete.
Christoph Grätz ist neuer Pressesprecher der Caritas im Bistum Essen. Er übernimmt das Amt am 10. März. Grätz löst Michael Kreutzfelder ab, der zur Caritas Oberhausen wechselt und dort eine neue Aufgabe übernimmt.
Cornelia Spachtholz bleibt Vorsitzende des Verbandes berufstätiger Mütter. Sie wurde am 4. März in ihrem Amt bestätigt. Spachtholz steht seit elf Jahren an der Spitze des Vereins mit Sitz in Köln. Doro Engel bleibt stellvertretende Vorsitzende, Martina Drope gehört als Finanzreferentin ebenfalls weiter dem Führungsgremium an. Neu gewählt wurden Pia Schmück und Nadine Koch.
März
24.3. Bamberg:
Fortbildung für Kita-Beschäftigte "Das Leben als Geschenk erfahren"
des Caritasverbandes für die Diözese Bamberg
Tel.: 0951/8604402
www.caritas-bamberg.de
27.3. Köln:
Seminar "Strategieentwicklung für Träger von ambulanten Pflege- und Betreuungsdiensten: Erfolgreiche Dienste zukunftsorientiert entwickeln - mit bewährten und neuen Ideen"
der BFS Service GmbH
Tel.: 0221/97356-159
www.bfs-service.de
28.3. Bamberg:
Fortbildung "Konfrontative Pädagogik"
des Caritasverbandes für die Erzdiöses Bamberg
Tel.: 0951/8604120
www.caritas-bamberg.de
29.-31.3. Freiburg:
Seminar "BWL in der Cariats - Einführung in das Rechnungswesen"
der Fortbildungs-Akademie des Deutschen Caritasverbandes
Tel.: 0761/200-1700
www.fak-caritas.de
30.3. Frankfurt a.M.
Fachtagung "Integration von Flüchtlingen in die Pflege"
des Deutschen Caritasverbandes
Tel.: 0761/200-722
http://bit.ly/2iPmHVM
30.-31.3. Filderstadt:
Seminar "Umgang mit Trauma-Folgen: Traumaspezifische Handlungskompetenz in der psychosozialen Arbeit"
der Bundesakademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 030/48837-495
www-ba-kd.de
April
3.-4.4. Berlin:
Seminar "Suchtbelastete Familien und ihre Kinder"
der AWO Bundesakademie
Tel.: 030/263090
www.awo-bundesakademie-org
3.-5.4. Freiburg:
Seminar "Die Eingliederungshilfe nach dem Bundesteilhabegsetz"
der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes
Tel.: 0761/200-1700
www.fak-caritas.de
4.4. Berlin:
Tagung "Kommunen in der alternden Gesellschaft. Erkenntnisse des Siebten Altenberichts der Bundesregierung"
des Deutschen Zentrums für Altersfragen
Tel.: 030/26074086
https://www.bmfsfj.de/
4.4. Münster:
Seminar "Organhaftung bei gemeinnützigen Vereinen und Stiftungen, Einführung von Risikomanagementsystemen"
der Unternehmensberatung BPG
Te.: 0251/4820412
www.bpg-muenster.de/seminarangebote
4.-5.4. Frankfurt am Main:
Seminar "Kosten- und Leistungsrechnen - Das Denken in 'Kosten' in der Sozialwirtschaft"
der Paritätischen Akademie Süd
Tel.: 07961/959881
www.akademiesued.org
4.-5.4. Fulda:
Tagung "Für alle - Inklusive Beratung"
der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung
Tel.: 0911/9771411
www.bke.de
6.4. Münster:
Seminar "GEPA NRW: Grundlagenseminar Neuregelung der Investitionskostenfinanzierung"
der BPG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Tel.: 0251/48204-12
www.bpg-muenster.de/seminarangebote-bpg-unternehmensgruppe
10.4. Ludwigsburg:
Fortbildungsreihe "45plus - Selbstständig machen mit Erfahrung" (Auftakt)
der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg"
Tel.: 07141/9745282
www.eh-ludwigsburg.de/weiterbildung
10.-12.4. Freiburg:
Kursreihe: "Unternehmen wirksam führen" (Auftakt)
der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes
Tel.: 0761/20017006
www.fak-caritas.de
26.4. Münster:
Fachtag "Werkstätten"
der Beratungsgesellschaft Curacon
Tel.: 0251/92208-0
www.curacon.de/fachtagungen
26.-27.4. Köln:
Seminar "Grundlagen des Arbeits- und Tarifrechts für kirchliche Einrichtungen und Dienste"
des Lambertus Verlages
Tel.: 0761/36825
www.lambertus.de
26.-28.4. Berlin:
Seminar "Hilfe- und Teilhabeplanung nach Smart"
der Bundesakademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 030/48837495
www-ba-kd.de
27.-28.4. Witten/Herdecke:
Tagung "Together everyone achieves more - zusammen mehr erreichen"
der Universität Witten/Herdecke
Tel.: 02302/926-360
http://www.uni-wh.de/
27.-28.4. Magdeburg:
Zukunftskongress der Sozialwirtschaft "Die vernetzte Gesellschaft sozial gestalten"
der BAGFW und Partnern
Tel.: 030/81899487
www.sozkon.de
27.-28.4. Eichstätt:
5. Eichstätter Fachtagung "Ökonomie und Management der Sozialimmobilie"
der Katholischen Universität Eichstätt
Tel.: 08421/9321594
www.ku.de
27.-29.4. Berlin:
Seminar "Traumasensible Beratung erwachsener Flüchtlinge"
der Bundesakademie für Kirche und Diakonie
Tel.:030/48837470
Mai
2.-3.5. Bergisch Gladbach:
Seminar "Krisen-PR in Verbänden und Einrichtungen - vorbereitet sein und glaubwürdig bleiben"
des Deutschen Caritasverbandes
Tel.: 0761/200-1706
www.fak-caritas.de
3.5. Frankfurt a.M.
Tagung "Populismus macht sprachlos - schlagfertig antworten!"
der Demografie-Initiative im Deutschen Caritasverband
Tel.: 0761/200-524
www.caritas.de/initiative
9.-10.5. Berlin:
Seminar "Was glaubst du eigentlich? - Flüchtlinge verstehen, Flüchtlingen begegnen"
der Bundesakademie für Kirche und Diakonie
www.fa-kd.de