Ausgabe 10/2017 - 10.03.2017
Berlin (epd). Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hat sich mit den Vertretern der Koalitionsfraktionen und der Länder auf Maßnahmen zur Verbesserung der Personalsituation in Krankenhäusern verständigt. Er sagte am 7. März in Berlin, es sei "eine weitere wichtige Weichenstellung gelungen, um die Pflege am Krankenbett zu stärken". Sozialverbände begrüßten die Einigung, die Arbeitgeber rügten die Pläne.
Jetzt müsse es darum gehen, "dass die Regelungen, die wir nun auf den Weg bringen werden, fristgerecht von den Krankenhäusern und Krankenkassen mit Leben gefüllt werden", betonte Gröhe. Die Einigung ist der Schlusspunkt von Beratungen der Expertenkommission "Pflegepersonal im Krankenhaus". Danach werden Krankenhausbereiche, in denen das aus Gründen der Patientensicherheit besonders notwendig ist, künftig Pflegepersonaluntergrenzen festgelegt werden, die nicht unterschritten werden dürfen.
Karl Lauterbach, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion der SPD im Deutschen Bundestag, sagte: "Insbesondere begrüße ich, dass Krankenhäuser, die die Mindeststandards beim Personal unterschreiten, künftig öffentlich benannt werden und mit wirtschaftlichen Sanktionen zu rechnen haben."
Maria Michalk, gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion der CDU/CSU, ergänzte, man habe "klare Vorgaben für die Detailaspekte der Personalsicherung in Krankenhäusern gemacht". Verbindliche Untergrenzen seien auch unter Qualitätssicherungsaspekten absolut notwendig.
Jetzt werden die Selbstverwaltungen von Krankenhäusern und Krankenkassen gesetzlich zur Vereinbarung von Personaluntergrenzen in Krankenhausbereichen verpflichtet, in denen das aufgrund der Patientensicherheit besonders notwendig ist, wie beispielsweise in Intensivstationen oder im Nachtdienst. Die Vereinbarung soll bis zum 30. Juni 2018 getroffen und zum 1. Januar 2019 wirksam werden. Sollte bis zum 30. Juni 2018 keine solche Vereinbarung zustande kommen, wird das Gesundheitsministerium selbst bis zum 31. Dezember 2018 die Entscheidung treffen.
Um dauerhaft mehr Personal beschäftigen zu können, werden die Krankenhäuser seit diesem Jahr durch einen Pflegezuschlag unterstützt. Dieser soll ab 2019 um die Mittel des Pflegestellen-Förderprogramms ergänzt werden und damit von bisher 500 Millionen Euro auf bis zu 830 Millionen Euro pro Jahr anwachsen. Krankenhäuser profitieren in Abhängigkeit von ihrer Pflegepersonalausstattung von dem erhöhten Zuschlag und erhalten dadurch einen Anreiz, ausreichend Personal vorzuhalten.
Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe begrüßte die Einigung. "Mit dem Vorhaben wird ein wichtiger Schritt unternommen, um die Versorgungsqualität wieder zu verbessern", sagt Franz Wagner, Bundesgeschäftsführer des Verbandes.
Endlich erkenne die Koalition an, dass den Kliniken verbindliche Personaluntergrenzen vorgegeben werden müssten, weil Markt und Wettbewerb alleine es nicht richten könnten, betonte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler. Auch werde nicht mehr bestritten, dass die Versorgungsqualität von der Personalausstattung abhänge.
Kritik kam indes von der Opposition. Die Grünen sprachen von "Wahlkampfgetöse". "Warum man die Festlegung von Mindestpersonalstandards gerade in die Hände der Akteure legt, die ein finanzielles Interesse daran haben, die Kosten möglichst klein zu halten, erschließt sich nicht", sagte Harald Terpe, Obmann der Grünen im Gesundheitsausschuss. Ebenso bleibt völlig offen, wie der angedachte Pflegezuschlag aussehen soll, damit das Geld auch wirklich in der Pflege ankommt.
"Die von der Politik nun vorgesehenen Anhaltszahlen gehen weit über den akzeptablen Rahmen hinaus", monierte die Deutsche Krankenhausgesellschaft. Das gelte insbesondere für starre Vorgaben im Nachtdienst. "Der Personalbedarf ist nicht schematisch festlegbar. Er ist abhängig von den Erkrankungen der Patienten, dem Alter der Patienten, dem Personalmix und den baulichen Bedingungen in den Häusern", erläuterte Präsident Thomas Reumann.
Zudem müssten solche Vorgaben die Alltagsprobleme des Personaleinsatzes, wie Ausfall durch Krankheiten und vorübergehende Vakanzen berücksichtigen. "Deshalb dürfen Anhaltszahlen auch nicht mit Sanktionen, wie Schließung von Stationen oder Vergütungskürzungen belegt werden."
Zudem ist nach seiner Ansicht zu berücksichtigen, dass die Arbeitsmärkte für Pflegekräfte leer gefegt seien. "6.000 bis 10.000 freie Stellen und eine nahezu deutschlandweite Vollbeschäftigung im Bereich der Pflege machen das deutlich."