Ausgabe 10/2017 - 10.03.2017
Hamburg (epd). Gute Sozialarbeit braucht offenbar Fachkräfte, die einen Sinn für das Religiöse haben. Es gehe in der Kinder- und Jugendhilfe oft um eine grundlegende Lebensorientierung, sagte Wilfried Knorr, Vorsitzender des Evangelischen Erziehungsverbandes. Rund 250 Experten aus dem Bundesgebiet waren am 7. März zur Tagung "Glauben als Ressource" der Diakonie Deutschland nach Hamburg gekommen. Es war nach eigenen Angaben der erste Fachkongress dieser Art.
Religiöse Fragen ziehen sich nach den Worten Knorrs durch alle Bereiche der Sozialen Arbeit. In der Suchthilfe gehe es oft um eine grundlegende Sehnsucht, in der Altenhilfe um Trauer und in der Wohnungslosenhilfe um innere Beheimatung. Vor allem minderjährige unbegleitete Jugendliche würden von Sozialarbeitern heute eine deutliche Position zur eigenen Religion herausfordern.
In den 70er und 80er Jahren sei das Thema Religion von der Sozialarbeit "fast schon feindlich" ausgeblendet worden, sagte Michael Tüllmann, langjähriger Leiter der Kinder- und Jugendhilfe in der Hamburger Stiftung "Das Rauhe Haus". Es sei wichtig, mit den Jugendlichen in einen Dialog zu treten und zu hören, was sie glauben. Gefordert sei dabei vor allem Authentizität. Es sei aber auch Aufgabe von Erziehern zu beurteilen, welche Art von Religion für einen Jugendlichen schädlich sein könnte.
In nahezu allen Bereichen der Sozialen Arbeit gehe es um eine "Resonanz" in der Außenwelt, sagte der Soziologe Hartmut Rosa von der Universität Jena. Menschen suchten Resonanz in der Familie, der Arbeit, der Kunst und der Religion. Die eigene Stimme hörbar zu machen, sei eine Grundhaltung zum Leben. Religion dürfe nicht dazu missbraucht werden, das Leben wirtschaftlich effizienter zu machen.
Fachkräfte in der Sozialen Arbeit benötigten eine Sensibilität für das Religiöse, forderte der Hamburger Sozialwissenschaftler Matthias Nauerth. Damit sei keine bestimmte Religion gemeint. Wenn es einem Menschen dauerhaft gut tue, könne auch Esoterik hilfreich sein.
In der Geschichte der Diakonie sei christlicher Glaube immer als "Hilfe zum Leben" verstanden worden, sagte Pastor Friedemann Green, Vorsteher des Rauhen Hauses. Heute sei die Soziale Arbeit von einer Vielfalt der Religionen geprägt. Nicht jeder Sozialarbeiter müsse religiös sein, aber er müsse ein Verständnis für Religiöses entwickeln. Wenn ein alter Menschen etwa nach dem "Abendmahl" frage, gehe es nicht darum, ihm "ein Brot zu schmieren".