Ausgabe 10/2017 - 10.03.2017
Eichstätt (epd). Die evangelische Kirche findet auch vier Jahre nach dem wegweisenden Urteil des Bundesarbeitsgerichts zum kirchlichen Arbeitsrecht vom November 2012 keinen gemeinsamen Nenner. Dies wird besonders in Hessen deutlich, wo die zuständigen Gremien teilweise gar nicht mehr arbeitsfähig sind. Für die Diakonie in Kurhessen-Waldeck ist noch nicht einmal eine Arbeitsrechtliche Kommission oder eine Tarifkommission existent, wie der juristische Referent der Evangelischen Kirche Hessen-Nassau, Jo Hanns Lehmann, am 6. März auf einer Fachtagung zum kirchlichen Arbeitsrecht in Eichstätt berichtete. Trotz der Verschmelzung der beiden diakonischen Verbände in Hessen sollte es für Kurhessen-Waldeck und für die Diakonie in Hessen-Nassau jeweils eigenständige Tarifkommissionen geben.
In Hessen scheint die Situation aus verschiedenen Gründen besonders schwierig. Dort gibt es nicht nur zwischen den beiden "Lagern" Arbeitgeber und Arbeitnehmer die üblichen Kontroversen um angemessene Lohnerhöhungen. Hier sind auch die jeweiligen Seiten untereinander heftig zerstritten. In Eichstätt zeigte sich eine MAV-Vertreterin, die sich selbst als "Verdianerin" bezeichnete, entsetzt über den jüngsten Abschluss, den der Verband kirchlicher Mitarbeiter (VKM) in der Arbeitsrechtlichen Kommission für Hessen-Nassau vereinbart hat. Dort steigen nun die Löhne in den unteren Entgeltgruppen um 2,5 Prozent, während die übrigen Beschäftigten vier Prozent mehr Lohn erhalten. Eine VKM-Vertreterin hielt der Kritik entgegen, dass "Verdianer" überhaupt keine Lohnsteigerungen herausholten, weil sie sich Verhandlungen auf dem Dritten Weg komplett verweigerten.
Uneinigkeit bescheinigte Oberkirchenrat Lehmann, der seit 2004 regelmäßig an den Lohnverhandlungen teilnimmt, aber auch den diakonischen Dienstgebern. Nach seiner Darstellung signalisierten einige Arbeitgeber Bereitschaft, den kirchenspezifischen Dritten Weg zu verlassen und stattdessen mit Arbeitnehmervertretern nach annähernd weltlichem Tarifrecht Löhne auszuhandeln. Und zwar nach dem sogenannten kirchengemäßen Tarifrecht, also unter Ausschluss eines Streikrechts, wie das die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bereits im November 2013 ausdrücklich zugelassen hat. Für andere Arbeitgeber ist dies aber offenbar Teufelszeug. Sie zeigten sich bisher noch nicht einmal bereit, für einzelne Branchen - wie etwa die Pflege - diesen Weg zu gehen. Offen bleibt dabei, wie sie ohne deutliche Lohnerhöhungen dem sich verschärfenden Pflegekräftemangel begegnen wollen.
Die Fusion der Diakonischen Werke in Hessen-Nassau und Kurhessen-Waldeck, die bei gleichzeitiger Beibehaltung der beiden Gliedkirchen im Sommer 2013 vollzogen wurde, hat die Lage offenbar zusätzlich erschwert. Etablierte Strukturen wurden dadurch abgebaut, und bei dem ohnehin durch Konflikte belasteten Fusionsprozess wurde das Thema kirchliches Arbeitsrecht viel zu lange ausgeklammert, wie es auf der Tagung in Eichstätt hieß.
Für den Kirchenjuristen Lehmann ist völlig offen, in welche Richtung sich Kirche und Diakonie in Hessen bewegen werden: Bleibt es beim Dritten Weg mit Arbeitsrechtlichen Kommissionen oder kommt doch ein kirchengemäßer Tarifvertrag? In Niedersachsen reifte vor wenigen Jahren auch bei den Arbeitgebern die Entscheidung für eine Abkehr vom Dritten Weg: Dies geschah jedoch erst, nachdem die Sozialpartner durch eine jahrelange Blockade zermürbt waren.
Für Hessen hat Lehmann die Hoffnung auf Fortschritte noch nicht aufgegeben. Er erwartet immerhin noch "kleine Schritte". Eine Einigung, die von allen akzeptiert wird, das können sich nicht einmal die größten Optimisten vorstellen.