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Frauenhäuser

Gauck: Gewalt gegen Frauen eindämmen




Bundespräsident Joachim Gauck
epd-bild / Jürgen Blume
In Deutschland suchen rund 16.000 Frauen in Frauenhäusern Schutz vor gewalttätigen Männern. Doch die Zahl der Betroffenen dürfte weit höher sein. Bundespräsident Gauck will deshalb mehr öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema.

Bundespräsident Joachim Gauck hat beim Besuch eines Frauenhauses in Berlin darauf hingewiesen, dass der Anteil von Frauen mit Migrationshintergrund in den Zufluchtshäusern zunehme. 2015 hatten nach Angaben von Expertinnen erstmals mehr als 60 Prozent der schutzsuchenden Frauen ausländische Wurzeln. Gauck begründete die Entwicklung am 6. März damit, dass Frauen mit Migrationshintergrund zunehmend selbstbewusster ihre Rechte einforderten.

Wenn Familien mit traditioneller Rollenprägung nach Europa kämen, "dauert es eine Weile, bis das gleichberechtigte Geschlechterverhältnis akzeptiert ist", sagte der scheidende Bundespräsident. Nun gebe es zunehmend mehr Frauen mit Migrationshintergrund, die auf ihre Menschenrechte pochten und sich gegen gewalttätige Männer wehrten.

Lebensbedingungen näher kennenlernen

Gauck informierte sich über die Lebensbedingungen von Frauen, die in Frauenhäusern Schutz vor gewalttätigen Männern suchen. Mit seiner Lebenspartnerin Daniela Schadt besuchte er ein Frauenhaus im Nordosten Berlins, wo ihm Betroffene von ihren Schicksalen berichteten. Im Anschluss traf sich Gauck zu einem Gespräch mit Frauenhaus-Expertinnen aus verschiedenen Bundesländern.

Er gilt als erstes deutsches Staatsoberhaupt, das auf das Thema Gewalt an Frauen öffentlich aufmerksam machte. Vor zwei Jahren tat er dies mit einer gemeinsamen Aktion mit der Frauenrechtsorganisation "Terre des Femmes". Kurz vor Ende seiner Amtszeit rückte Gauck nun die Problematik erneut in den Fokus.

"Gewalt gegen Frauen ist eine Menschenrechtsverletzung", betonte die Geschäftsführerin Frauenhauskoordinierung e.V., Heike Herold. Sie forderte mehr öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema. Bundesweit gibt es den Angaben zufolge rund 350 Frauenhäuser und etwa 40 zusätzliche Schutzwohnungen. Dort finden insgesamt rund 16.000 von familiärer Gewalt betroffene Frauen mit ihren Kindern Schutz. Sie fliehen vor Ehemännern, Lebenspartnern oder Vätern, die sie schlagen, erniedrigen, beschimpfen, isolieren oder bedrohen.

82 Prozent der Gewaltopfer sind Frauen

Nach Angaben des Bundeskriminalamtes werden mehr als 127.000 Personen pro Jahr Opfer einer Straftat im häuslichen Umfeld, 82 Prozent von ihnen sind Frauen. Weil viele Opfer schweigen, gehen Experten von einer hohen Dunkelziffer aus.

Zusammen mit den Expertinnen erörterte Gauck die oft unzureichende Finanzierung der Frauenhäuser, die derzeit Ländersache ist. So fehle es insbesondere an Personal. Unter anderem würden mehr Psychologinnen, Sozialarbeiterinnen und Erzieherinnen für die von familiärer Gewalt betroffenen Frauen und ihre Kinder gebraucht. Gauck warb zudem für mehr Engagement von Wohlfahrtsverbänden sowie von Ehrenamtlichen.

Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland, sagte: "Vor allem in ländlichen Gegenden gibt es nicht genügend Frauenhäuser und Fachberatungsstellen. In Städten sind dafür die Wartezeiten lang." Sie kritisierte, dass nicht selten den Frauen in größter Not der Zugang zu Schutz und Hilfe aufgrund ungeklärter Finanzierungsfragen und bürokratischer Hürden erschwert oder gar verwehrt werde. "Häusliche Gewalt ist jedoch kein Kavaliersdelikt, sondern eine schwere Menschenrechtsverletzung. Deutschland ist verpflichtet, aktiv dagegen vorzugehen und wirkungsvolle Maßnahmen zum Schutz der Opfer zu treffen", unterstrich Loheide.

Christine Xuân Müller

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