Ausgabe 10/2016 - 11.03.2016
Mainz (epd). Lächeln, bis das Gesicht wehtut, das hat sich Verena Roth zum Motto gemacht. Der Spruch "Smile till your face hurts" hängt eingerahmt in ihrer kleinen Küche irgendwo am Rand des Rhein-Main-Gebiets. Verena Roth heißt in Wirklichkeit anders, aus verständlichen Gründen möchte sie ihren Namen nicht in der Presse lesen. Aber sie hat eine Geschichte zu erzählen. Vier Jahre lang wurde sie von ihrem damaligen Lebensgefährten fortlaufend brutal misshandelt und gedemütigt. Heute findet sie nur langsam zurück in einen Alltag ohne ständige Angst.
"An schlechten Tagen habe ich gedacht, du kannst nichts mehr verlieren", sagt Verena Roth. Zwei Jahre ist es jetzt her, dass sie den tyrannischen Mann verlassen hat. Aber an so etwas wie Zukunftspläne kann sie erst seit einigen Monaten wieder denken. Berufsunfähig ist die einstige Angestellte bis heute.
Die Hände der jungen Frau zittern etwas, als sie in ihren Unterlagen nach einem orangefarbenen Ordner sucht. Darin steckt eine Liste mit den schwersten Übergriffen und Demütigungen: kaputtes Trommelfell, schwere Verletzungen am Rücken und immer wieder Quetschungen an den Händen: "Das sind die Sachen, die außer der Reihe passiert sind."
Nach den Attacken konnte sie sich vor Schmerzen oft tagelang nicht mehr rühren. Auf Anraten von Ärzten besucht sie mittlerweile eine Rentner-Rückenschule. Dort ist sie die jüngste Teilnehmerin und muss doch oft vor einfachen Aufgaben kapitulieren.
Dass der Mann bei den Attacken keine Waffen oder Gegenstände eingesetzt habe, sei eiskaltes Kalkül gewesen, glaubt sie. Denn falls sie doch einmal zur Polizei gegangen wäre, wäre der vorbestrafte Täter nicht wegen gewöhnlicher, sondern gefährlicher Körperverletzung belangt worden. Dabei hätte er deutlich härtere Strafen befürchten müssen.
Der Entschluss, zu dem älteren Bekannten zu ziehen, war in einer Notsituation gefallen. Verena Roth war von einem Ex-Freund regelrecht gestalkt worden und suchte dringend eine neue Bleibe. Doch das Leben mit dem vermeintlichen Gönner erwies sich schnell als Hölle auf Erden.
Statt sich von dem Täter sofort zu trennen, fiel die Frau in eine Starre. Zu viele Probleme prasselten gleichzeitig auf sie ein: Sie war auf Jobsuche, brauchte eine Wohnung, hatte auch Ärger in der Familie und wusste nicht, mit welcher Herausforderung sie beginnen sollte.
"Die Außenstehenden haben keinen Namen für das", sagt Verena Roth über ihre Erlebnisse. Lange versuchte sie selbst, die Übergriffe zu vertuschen: "Der Kosmetikindustrie sei Dank kann man auch mal einen blauen Fleck übertünchen." Anfangs wollte sie ihre Probleme einfach alleine lösen. Damit niemand Verdacht schöpfen konnte, wechselte sie ständig die Ärzte. Später, als sie sich selbst nach Hilfe sehnte, hätten alle weggeschaut. Die Nachbarn hätten zwar mitbekommen, wie ihr Partner sie auf die Veranda schleifte, aber geschwiegen. Die gemeinsamen Bekannten hätten ebenfalls weggesehen oder ihr die Schuld an der Gewalt gegeben.
Seit mittlerweile 40 Jahren kümmert sich die Opferschutzorganisation "Weißer Ring" um Gewaltopfer wie Roth. Hinter den vermeintlich beschaulichen Fassaden gebe es viel Gewalt und Missbrauch, seufzt die ehrenamtliche Helferin Gabriele Schuster: "Aber das ist einer der heftigsten Fälle, die ich je erlebt habe." Nach Einschätzungen des Bundesfamilienministeriums ist in Deutschland jede vierte Frau im Alter zwischen 16 und 85 Jahren mindestens einmal im Leben Opfer körperlicher oder sexueller Gewalt in einer Beziehung geworden. Das Risiko sei somit höher als bei anderen Gewaltdelikten.
Anzeige hat Verena Roth nicht erstattet, einerseits aus Furcht vor Racheakten des Ex-Partners, andererseits aber auch, weil eine Verurteilung des Mannes nach all den Jahren keineswegs eine ausgemachte Sache gewesen wäre. Eine Aussage vor Gericht kann sie sich ebenfalls kaum vorstellen: "Ich glaube, das würde ich nicht durchstehen, man müsste mich unter Valium dort hinsetzen." Die Entscheidung sei ihr alles andere als leichtgefallen: "Ich weiß, dass es mit einer anderen Frau noch einmal passieren kann."
Berlin (epd). In einem Asylbewerberheim im Berliner Stadtteil Hellersdorf: Eine Frau wird von ihrem Mann geschlagen. Sie wendet sich an die Heimleitung, die dem Mann Hausverbot erteilt. Das Problem: Die Leitung versäumt es, das zuständige Sicherheits-Personal über das Verbot zu informieren. Am Wochenende kommt der Mann unbemerkt zurück und schlägt seine Frau erneut.
Der Fall habe sich vor etwa zwei Jahren ereignet, erzählt Nivedita Prasad. Die Sozialpädagogin engagiert sich seit 2013 in dem Hellersdorfer Flüchtlingsheim. Grundsätzlich würden geflüchtete Frauen in Deutschland nur unzureichend vor Gewalt geschützt. Als potenzielle Täter kämen neben den Heimbewohnern auch das Sicherheits-Personal oder Ehrenamtliche in Frage.
Heike Rabe, Mitarbeiterin am Deutschen Institut für Menschenrechte, sagt, das Thema sei in Deutschland bis vor kurzem noch "vollständig unterbelichtet" gewesen. Im September 2015 hatte die EU-Kommission dann ein Vertragsverletzungs-Verfahren eingeleitet. Der Grund: Deutschland habe die europäische Asylgesetzgebung nicht ausreichend umgesetzt.
Die 2013 erlassene EU-Richtlinie sieht Sicherheitsmaßnahmen für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge vor. Demnach sollen die EU-Mitgliedsstaaten dafür sorgen, dass "Übergriffe und geschlechtsbezogene Gewalt einschließlich sexueller Übergriffe und Belästigung" in den Unterkünften verhindert werden.
Das Ende Februar dieses Jahres von der Bundesregierung verabschiedete zweite Asylpaket umfasst nun eine Auflage, wonach das Personal in den Flüchtlingsheimen künftig ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen muss. Darin ist festgehalten, ob eine Person wegen sexueller Übergriffe vorbestraft ist.
Rabe geht diese Maßnahme nicht weit genug: "Eine vollständige Umsetzung der EU-Richtlinie wäre wichtig." Nach aktuellen Vorgaben der EU-Kommission hat Deutschland bis etwa Mitte April Zeit, die europäischen Maßstäbe umzusetzen. Ansonsten droht eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums teilte dem Evangelischen Pressedienst (epd) mit, die Bundesregierung prüfe derzeit, wie die Richtlinie umgesetzt werden könne.
Wie viele Frauen in deutschen Flüchtlingsheimen Gewalt erfahren, ist laut Rabe kaum erforscht. Eine Befragung der Potsdamer Gesellschaft für Inklusion und Soziale Arbeit Ende 2014 habe aber gezeigt, dass Gewalt stets ein Thema gewesen sei. Die befragten Sozialarbeiter hätten in allen 28 untersuchten Unterkünften gewaltsame Übergriffe gegen Frauen bemerkt. Die Frauen selbst hätten die Vorfälle hingegen verschwiegen.
Inken Stern, Rechtsanwältin für Asylrecht, sieht hier ein grundsätzliches Problem: "Viele Frauen haben Angst davor, dass eine Anzeige Auswirkungen auf ihr Asylverfahren haben könnte." Diese Sorge sei eigentlich unbegründet, und Auswirkungen seien nur in Einzelfällen denkbar. Dennoch wollten die Frauen auf keinen Fall "unbequem" sein und "nicht auffallen".
Rabe zufolge wird die Gewalt gegenüber Frauen durch die Zustände in den Flüchtlingsunterkünften zusätzlich verstärkt. Neben der angespannten Atmosphäre aufgrund der unsicheren Zukunftsperspektiven seien mangelnde Rückzugsorte für Frauen und die männliche Dominanz in den Heimen verantwortlich für das hohe Gewaltpotenzial.
Seit einem halben Jahr hätten zwar viele Bundesländer damit begonnen, Schutzkonzepte für Frauen auszuarbeiten. Allerdings handele es sich dabei nur um Einzelmaßnahmen. Wünschenswerter sei ein "gebündeltes Gesamtschutz-Konzept aller Länder", erklärte Rabe.
Bonn (epd). Langsam schiebt die alte Dame ihren Rollator über die Straße. Als sie mitten auf der Fahrbahn ist, springt die Fußgängerampel auf Rot. Situationen wie diese, in denen Menschen unnötig verunsichert werden, ärgern Helmut Wallrafen immer wieder. Denn es gebe bereits technische Lösungen, die Städte für alte und behinderte Menschen sicherer machten, sagte der Geschäftsführer der Sozial-Holding der Stadt Mönchengladbach: "In Singapur sind Fußgängerampeln so ausgerüstet, dass Ältere oder Behinderte die Grünphase bei Bedarf verlängern können." Nur zwölf Euro koste ein Ampel-Modul, das etwa durch ein Smartphone gesteuert werden könne.
Lösungen dieser Art sind es, die das Bundesforschungsministeriums mit einem Projekt voranbringen will. Mit dem Wettbewerb "Innovationen für Kommunen und Regionen im demografischen Wandel" (InnovaKomm) werden seit Ende vergangenen Jahres bundesweit fünf Städte oder Gemeinden unterstützt beim Umgang mit der wachsenden Zahl an Bewohnern, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind.
Ziel ist es nach Angaben des Ministeriums, technische Angebote zu entwickeln, die Senioren helfen, möglichst lange selbstbestimmt in ihrer gewohnten Umgebung zu leben. Jedes der Projekte wird in den kommenden fünf Jahren mit jeweils fünf Millionen Euro gefördert.
Eines von ihnen ist das Projekt "UrbanLife+" der städtischen Sozial-Holding in Mönchengladbach, das vor allem Straßen und öffentliche Plätze für ältere Menschen sicherer machen soll. "Es geht aber nicht nur um Senioren, sondern auch um andere Menschen mit Handicap", sagt der wissenschaftliche Leiter des Projekts, Wirtschaftsinformatiker Stefan Kirn von der Universität Hohenheim. Die Vision: Menschen mit Handicap erhalten von der Stadt eine App, mit deren Hilfe sie Hindernisse im öffentlichen Raum beseitigen können.
Denkbar sind laut Kirn auch Treppen, die sich per Funksignal in schräge Ebenen verwandeln, oder Bordsteine, die sich absenken lassen. Für Menschen, die schlecht sehen, wäre es auch eine große Hilfe, zusätzliche Beleuchtungen per App einzuschalten. Derzeit identifizieren die Forscher zunächst die problematischen Stellen in der Stadt. "Ziel ist es, am Ende der Projektphase einige gut erprobte Anwendungen zu haben", sagt Kirn. Die sollen dann, so hofft das Ministerium, auch für andere Städte nutzbar werden.
Ganz besondere Probleme haben Menschen, die auf dem Land leben und nicht mehr mobil sind. Oft müssen sie weite Strecken zum Arzt oder ins nächste Geschäft zurücklegen. Alleinstehenden Senioren bleibt oft nur der Umzug ins Heim, wenn keine Angehörigen da sind, die die Fahrten übernehmen. "Es ist aber nicht finanzierbar, dass fast jeder ins Heim geht", sagt Thomas Nerlinger, Geschäftsführer des Vereins Gesundheitsregion Euregio im niedersächsischen Nordhorn und Leiter des ebenfalls geförderten Projektes "Dorfgemeinschaft 2.0".
Nerlinger ist sicher, dass neue Kommunikationsmittel und moderne Technik Älteren die Möglichkeit geben, auch auf dem Land weitgehend selbstständig zu leben. "Das Internet kann helfen, dass wir auf dem Land alle enger zusammenrücken." Kern des Projekts in der Region Grafschaft Bentheim und südliches Emsland soll ein "virtueller Dorfmarktplatz" sein. Die Idee ist, dass Senioren über das Internet nicht nur Lebensmittel bestellen können. Auch ein medizinisches Versorgungskonzept soll entwickelt werden. So könnte künftig mit Hilfe von Telemedizin der ein oder andere Arztbesuch gespart werden. Eine "rollende Praxis" und Pflegedienste könnten das Konzept ergänzen.
Auch über einen Genossenschaftsladen werde diskutiert, in dem Senioren Leistungen tauschen könnten. Bei dem Projekt gehe es nicht nur um die Versorgung, sondern auch darum zu verhindern, dass ältere Menschen vereinsamen, sagt Nerlinger. Die Digitalisierung könne in diesem Fall auch der sozialen Armut entgegenwirken, indem sie neue Kontakte herstelle. "Wir müssen präventiv tätig werden, damit der Rentner nicht alleine vor dem Fernseher sitzt."
Berlin (epd). Menschen, die sich sozial engagieren, leben und sterben einer Studie der Berliner Humboldt-Universität zufolge zufriedener. Für die Studie werteten Wissenschaftler des Instituts für Psychologie die Daten einer Längsschnittuntersuchung von knapp 3.000 verstorbenen Personen aus, die vor ihrem Tod bis zu 27 Mal an der jährlichen Erhebung teilgenommen hatten, teilte die Universität am 8. März mit. Untersucht wurde der Zusammenhang zwischen sozialem Engagement und Wohlbefinden im letzten Lebensabschnitt.
Demnach sind Menschen mit sozialem Engagement und aktivem Sozialleben in ihrer letzten Lebensphase um annähernd zehn Prozent zufriedener. Ist einer der Faktoren nicht vorhanden, nimmt das Wohlbefinden kurz vor dem Tod sogar um etwa 20 Prozent ab. Fehlen beide, verstärkt sich der Effekt erheblich. "Wir fanden es erstaunlich zu sehen, dass die Zusammenhänge von sozialer Teilhabe und Wertschätzung mit dem Wohlbefinden auch am Ende des Lebens so ausgeprägt sind", erklärte Denis Gerstorf, einer der Autoren der Studie.
Als einen der Gründe für das höhere Wohlbefinden sehen die Wissenschaftler, dass durch soziales Engagement "das Selbstwertgefühl steigt ebenso wie das Gefühl, noch etwas bewegen zu können", erklärte Mitautor Gert G. Wagner. Offensichtlich sei dies auch und gerade am Ende des Lebens für das eigene Wohlbefinden von Bedeutung.
Nach Angaben der Universität betrug das Durchschnittsalter der Verstorbenen zum Zeitpunkt des Todes 74 Jahre. Das Verhältnis von Männern und Frauen war ausgeglichen. An der Auswertung der Daten waren auch nordamerikanische Wissenschaftlerinnen der Arizona State University, der Cornell University, der Pennsylvania State University und der University of British Columbia beteiligt.
Duisburg (epd). Nur wenige Hartz-IV-Bezieher schaffen einer Studie zufolge den Ausstieg aus der Langzeitarbeitslosigkeit. Die bessere Arbeitsmarktlage und die steigenden Beschäftigungszahlen gehen an vielen Hartz-IV-Empfängern vorbei, wie das Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen am 9. März mitteilte. Nicht einmal jeder Fünfte habe im vergangenen Jahr den Absprung in einen regulären Job und damit den Weg aus der Hilfsbedürftigkeit geschafft.
Wer hingegen noch das anfängliche Arbeitslosengeld I erhält, schafft der IAQ-Studie zufolge relativ schnell den Wechsel auf den ersten Arbeitsmarkt. Seit 2007 sei hier der Anteil der Rückkehrer in den Job von über 38 Prozent auf knapp 44 Prozent im Jahr 2015 gestiegen. Dagegen fanden in den vergangenen Jahren nie mehr als 20 Prozent der längerfristig Arbeitslosen, die Arbeitslosengeld II oder Hartz IV erhalten, einen regulären Job. Im vergangenen Jahr waren es sogar nur knapp 17 Prozent dieser Gruppe.
Ein Großteil der Hartz-IV-Empfänger fiel sogar aus der Statistik heraus. Über 44 Prozent wechselten im Jahr 2015 in die "Nicht-Erwerbstätigkeit" beziehungsweise gingen in Rente oder Elternzeit und stehen so dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung. Bei dieser Gruppe zeige sich ein starker Zuwachs, hieß es. 2007 waren es noch 32,1 Prozent, die auf diesem Weg aus dem Arbeitsmarkt ausschieden.
Fördermaßnahmen oder Eingliederungszuschüsse an die Betriebe schafften kaum stabile Beschäftigung, lautet ein Fazit. Für manche Arbeitslose wechsele sich die Teilnahme an Maßnahmen mit Phasen der Beschäftigung und erneuter Arbeitslosigkeit ab.
Nürnberg (epd). In deutschen Betrieben wurde im Jahr 2015 so viel gearbeitet wie seit über 20 Jahren nicht mehr. Der Aufwärtstrend am Arbeitsmarkt ging 2015 weiter, das Arbeitsvolumen lag auf dem höchsten Stand seit 1992, wie das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg am 8. März mitteilte. Die Erwerbstätigen arbeiteten insgesamt rund 59 Milliarden Stunden. Das entspricht einem Plus von 1,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Das Wachstum des Arbeitsvolumens ist den Angaben zufolge sowohl auf die Zunahme bei den Erwerbstätigen als auch auf den Anstieg bei der Arbeitszeit zurückzuführen. "Die Arbeitsmarktentwicklung bleibt auch angesichts der aktuellen weltwirtschaftlichen Schwäche ein Stabilitätsanker", erklärte das Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit.
Die Erwerbstätigkeit hat mit 43 Millionen Personen einen neuen Höchststand erreicht. Die durchschnittliche Jahresarbeitszeit der Erwerbstätigen stieg 2015 um 0,3 Prozent und lag bei 1.371 Stunden.
Vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer arbeiteten 2015 durchschnittlich 1.657 Stunden, teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer 692 Stunden. Die durchschnittliche vereinbarte Wochenarbeitszeit der Vollzeitbeschäftigten betrug 38,1 Stunden, die der Teilzeitbeschäftigten 15,9 Stunden.
Die Teilzeitquote ist gegenüber dem Vorjahr um 0,3 Prozentpunkte auf 38,3 Prozent gesunken. Die Zahl der Teilzeitbeschäftigten ist im Jahresdurchschnitt zwar um 0,3 Prozent gestiegen, die Zahl der Vollzeitbeschäftigten hat aber mit 1,6 Prozent deutlich stärker zugenommen. Die Entwicklung der Teilzeitbeschäftigung wurde durch einen Rückgang bei den Minijobs gedämpft.
Berlin (epd). Das Gesetz gegen den Missbrauch von Leiharbeit verzögert sich, während die Zahl der Zeitarbeiter steigt. Aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen Bundestagfraktion geht hervor, dass 2015 insgesamt 50.293 Betriebe in der Arbeitnehmerüberlassung tätig waren. 2013 waren es noch 46.755 Firmen. Die Zahl der Leiharbeiter erhöhte sich um 3,3 Prozent von 867.535 im Jahr 2013 auf 961.162 Beschäftigte im vergangenen Jahr.
Die Anfrage wurde am 4. März vom Bundestag veröffentlicht. Die Bundesregierung bezieht sich darin auf Daten der Bundesagentur für Arbeit. Von den rund 960.200 Beschäftigten waren danach rund 770.900 in Leiharbeitsfirmen und 190.300 in Betrieben beschäftigt, die nicht ausschließlich in der Arbeitnehmerüberlassung tätig sind.
Laut Bundesregierung gingen im Juni vorigen Jahres 219.351 Leiharbeitnehmer einer Beschäftigung in der Lagerwirtschaft und 107.204 in der Metallverarbeitung nach. Auf den weiteren Rängen folgen Tätigkeiten in den Bereichen Maschinenbau- und Vertriebstechnik und im Büro- und Sekretariatswesen. 888.500 Leiharbeitnehmer sind sozialversicherungspflichtig und 72.700 ausschließlich geringfügig beschäftigt gewesen. Von den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten arbeiteten 754.400 in Vollzeit, 134.100 in Teilzeit, heißt es in der Antwort weiter.
Beate Müller-Gemmeke, Sprecherin für Arbeitnehmerrechte der Grünen-Fraktion, erklärte, Leiharbeit führe häufig in die Armut. Zwei Drittel der Leiharbeiter seien binnen neun Monaten wieder arbeitslos. Deshalb profitierten sie nicht von der geplanten gleichen Bezahlung nach neun Monaten im Entleih-Betrieb.
Zur Kontrolle von Firmen, die Leiharbeiter beschäftigen, sagte die Arbeitsmarktexpertin, die meisten Überprüfungen seien angekündigte Regelkontrollen. Das gehe zu Lasten der Leiharbeitskräfte. Der Antwort der Bundesregierung zufolge wurden 2015 rund 4.800 Betriebe kontrolliert und aufgrund von Verstößen knapp 2.200 Verwarnungen und Geldbußen verhängt. Die Zahlen der Prüfungen und der festgestellten Verstöße sind leicht gestiegen.
Das geplante Gesetz gegen den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen liegt zur Zeit auf Eis. Die CSU fordert weitere Abschwächungen zugunsten der Unternehmen, die Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) ablehnt. Dem Entwurf zufolge soll die Dauer von Leiharbeit grundsätzlich auf 18 Monate beschränkt und nach neun Monaten der gleiche Lohn gelten wie für die Stammbelegschaften. Außerdem soll verboten werden, Leiharbeiter als Streikbrecher einzusetzen. Werkverträge sollen stärker reglementiert werden, damit sie nicht anstelle regulärer Anstellungen abgeschlossen werden.
Der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, erklärte, Leiharbeit sei "moderne Sklaverei" und müsse abgeschafft werden. Leiharbeiter erhielten durchschnittlich nur 57 Prozent des mittleren Einkommens aller Beschäftigten, hätten weniger Rechte und ein höheres Risiko, arbeitslos zu werden.
Berlin (epd). Die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern klafft im Verlauf des Berufslebens immer weiter auseinander. Zwischen dem 30. und dem 50. Lebensjahr berufstätiger Frauen wächst sie von neun auf 27 Prozent, wie eine Studie ergibt, aus der das Bundesfamilienministerium am 8. März in Berlin erste Ergebnisse veröffentlichte. Ursachen sind laut der Untersuchung im Auftrag des Ministeriums die traditionellen Rollenbilder und die generell schlechtere Bezahlung in Frauenberufen. Dies führt am Ende der Berufslaufbahn auch zu niedrigen Renten.
Nur jede zehnte Frau hat der Studie zufolge ein eigenes Nettoeinkommen von mehr als 2.000 Euro im Monat - aber 42 Prozent der Männer. Während fast drei Viertel der Männer (71 Prozent) mehr als 1.500 Euro im Monat verdienen, gelingt dies nicht einmal einem Viertel der Frauen (23 Prozent). Damit sei den meisten Frauen weder eine eigenständige Existenzsicherung noch eine eigene Alterssicherung möglich, heißt es in der Studie.
Im Durchschnitt arbeiten Frauen wegen des hohen Teilzeitanteils zehn Stunden weniger in der Woche (26 Stunden) als Männer. Dabei würden die meisten gern mehr arbeiten (31 Stunden), während jeder dritte Mann seine Arbeitszeit gern reduzieren würde. Über alle Branchen und Arbeitsverhältnisse gerechnet, verdienen Frauen im Durchschnitt 22 Prozent weniger als Männer.
Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) hat einen Gesetzentwurf für mehr Lohngleichheit vorgelegt. Es wurde aber bisher nicht vom Kabinett beraten. Die Arbeitgeber lehnen die Regelungen ab, wonach Frauen ein Auskunftsrecht über vergleichbare Löhne männlicher Kollegen erhalten sollen, um gegen schlechtere Bezahlung vorgehen zu können.
Wiesbaden (epd). Deutschland kommt bei der Frauenquote nicht voran. Im Jahr 2014 waren 29 Prozent der Führungspositionen hierzulande von Frauen besetzt. Damit blieb der Anteil im Vergleich zu den beiden Vorjahren nahezu unverändert, wie das Statistische Bundesamt am 7. März mitteilte. Deutschland lag im unteren Drittel aller Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Im EU-Durchschnitt war in Führungsetagen jede dritte Person eine Frau (33 Prozent).
Lettland war nach den Angaben mit einem Frauenanteil in Führungspositionen von 44 Prozent EU-Spitzenreiter. In Ungarn (40 Prozent), Polen und Litauen (jeweils 39 Prozent) gab es ebenfalls relativ hohe Quoten. Schlusslicht war Zypern mit 17 Prozent.
In Deutschland hatte der überwiegende Teil der weiblichen Führungskräfte einen mittleren Bildungsabschluss (48 Prozent, zum Beispiel Abitur) oder einen höheren Bildungsabschluss (45 Prozent, etwa ein abgeschlossenes Hochschulstudium).
Den niedrigsten Frauenanteil in Leitungspositionen hatte die Baubranche mit 13 Prozent, den höchsten der Bereich Erziehung und Unterricht (62 Prozent). Diese Quoten entsprachen in etwa den jeweiligen Frauenanteilen der betreffenden Branchen (13 beziehungsweise 70 Prozent).
Zu den Führungspositionen nach der internationalen Standardklassifikation der Berufe (ISCO) zählen Vorstände und Geschäftsführer sowie Führungskräfte in Handel, Produktion und Dienstleistungen.
Augsburg (epd). Die Schicksale von Flüchtlingen sind Thema eines Comic-Bandes, den Augsburger Grafikdesign-Studenten erarbeitet haben. In acht Comic-Reportagen erzählen die Studenten der Hochschule Augsburg Geschichten aus dem "Grandhotel Cosmopolis". In dem Augsburger Flüchtlingsmodellprojekt wohnen seit dem Jahr 2013 Künstler, Flüchtlinge, Ehrenamtliche und Hotelgäste unter einem Dach.
Die "Geschichten aus dem Grandhotel", die im März im Augsburger Wißner-Verlag erscheinen, seien in der "Comicwerkstatt" der Hochschule entstanden, sagte Professor Mike Loos dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die aufwendig gezeichneten Bildergeschichten erzählen von der Flucht und dem Leben der Flüchtlinge im Grandhotel, von der Arbeit der Ehrenamtlichen und den Sorgen der Nachbarn, als die Unterkunft startete. Aber auch ihre eigene Scheu, auf Fremde zuzugehen, machten die Studenten zum Thema.
Aus Sicht der jungen Autoren können die "Geschichten aus dem Grandhotel" dabei helfen, Berührungsängste zwischen Einheimischen und Flüchtlingen abzubauen. Loos äußerte sich skeptischer: Ein Comic diene vor allem der Unterhaltung, sagt er. "Wenn wir mit den Geschichten aus dem Grandhotel die Leute zum Nachdenken bringen, das wäre schon viel."
Lebach (epd). In Deutschland sollen ab etwa Mitte des Jahres nur noch registrierte Asylbewerber mit einem speziellen Flüchtlingsausweis Sozialleistungen erhalten und Wohnungen zugewiesen bekommen. Dazu werden bis zur Jahresmitte bundesweit 24 neue Ankunftszentren für Flüchtlinge in allen Bundesländern eingerichtet, wie der Leiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Frank-Jürgen Weise, am 4. März im saarländischen Lebach ankündigte.
Weise nahm in Lebach zusammen mit dem saarländischen Innenminister Klaus Bouillon (CDU) ein modellhaftes neues Ankunftszentrum für Flüchtlinge in Betrieb, in dem die Abwicklung von Asylverfahren innerhalb von 48 Stunden möglich sein soll. Dazu werden die eintreffenden Asylbewerber mit ihren vorhandenen Ausweispapieren, Fotos per Digitalkamera und Fingerabdrücken registriert. Ein ähnliches Zentrum war im Februar in Paderborn in Betrieb genommen worden.
Bislang dauerten die Verwaltungsakte für Asylbewerber in Deutschland im Schnitt 5,6 Monate, im Saarland 2,1 Monate, sagte Bouillon. «Für diejenigen, die aus sicheren Herkunftsländern zu uns kommen, können ebenso schnell aufenthaltsbeendende Maßnahmen herbeigeführt werden», betonte der Innenminister.
Das neue Ankunftszentrum im Saarland sieht ferner vor, dass eintreffende Flüchtlinge künftig schon bei der Ankunft nach ihren beruflichen Qualifikationen und Nachweisen gefragt werden, um sie später leichter in den Arbeitsmarkt integrieren zu können.
Halberstadt (epd). In Sachsen-Anhalt ist am 7. März ein "Ankunftszentrum" für Flüchtlinge zur Beschleunigung der Asylverfahren eröffnet worden. Geplant ist, in der Einrichtung in Halberstadt künftig bis zu 300 Asylanträge pro Tag zu bearbeiten und etwa die Hälfte davon auch zu entscheiden, sagte der Leiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, Frank-Jürgen Weise. Bis Ende April soll die derzeitige Mitarbeiterzahl dort von 32 auf 97 erhöht werden.
In den vergangenen Wochen war dafür auf dem Gelände der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber in Halberstadt eine Containeranlage errichtet worden. Eine frühere Turnhalle dient als Wartezone. Zur offiziellen Eröffnung besichtigte Weise zusammen mit Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff und Innenminister Holger Stahlknecht (beide CDU) den Bereich.
Die Asylverfahren könnten in dem Ankunftszentrum deutlich beschleunigt werden, betonte Haseloff. So sollen neue Asylanträge "tagesaktuell" bearbeitet werden, zudem sei vorgesehen, die seit Monaten offenen Fälle von Flüchtlingen, die in Kommunen leben, bis zum Sommer abzuschließen.
Brüssel (epd). Der neue EU-Türkei-Plan in der Flüchtlingskrise stößt im Europaparlament auf scharfen Gegenwind. Liberale wie auch Linke und Grüne kritisierten am 9. März in einer Plenardebatte in Straßburg die in Aussicht gestellte Regelung, während die Konservativen Zustimmung äußerten.
Auf dem EU-Sondergipfel in der Nacht zum 8. März hatte die Türkei angeboten, von einem bestimmten Zeitpunkt an alle irregulär auf die griechischen Inseln gelangten Migranten und Flüchtlinge zurückzunehmen. Für jeden zurückgenommenen syrischen Flüchtling sollte im Gegenzug ein syrischer Flüchtling direkt aus der Türkei und auf legalem und sicherem Weg nach Europa kommen dürfen. So soll unter anderem den Schleusern das Handwerk gelegt werden.
Die beabsichtigte Regelung sei "höchst problematisch", sagte der Chef der Liberalen im Europaparlament, Guy Verhofstadt: "Wir blockieren kollektiv den Eingang zur Europäischen Union für Syrer und andere, und die Türkei kann auf individueller Basis dann entscheiden: Wer ist jetzt hier Flüchtling, und wer darf rein?" Einem Kurden aus dem Irak beispielsweise könnte der Weg in die EU verweigert werden. Verhofstadt verwies auch auf die Genfer Flüchtlingskonvention, die in der Türkei nur eingeschränkt gilt.
"Was für ein schäbiges Bild geben wir als EU gegenwärtig ab?" urteilte Linken-Chefin Gabi Zimmer: "Wer Flüchtlinge, Asyl- und Schutzsuchende nach nationaler, regionaler Herkunft definiert und gegenseitig tauscht, verstößt gegen internationale Abkommen." Der Grünen-Politiker Philippe Lamberts hieß legale Zugangswege in die EU gut: "Aber dieser Weg darf nicht nur für Syrer existieren." Irak, Jemen und Afghanistan seien ebenfalls Kriegsgebiete, machte er geltend.
Unterstützung bekam der Plan von den Konservativen. Es sei "zum ersten Mal eine konkrete und umfassende Lösung in Sichtweite", sagte ihr Fraktionschef, der deutsche Abgeordnete Manfred Weber (CSU): "Den Schmugglern das Handwerk legen, das Durchwinken zu beenden, die illegale Migration aus der Türkei nach Griechenland zu unterbinden, all das sind richtige Antworten." Gianni Pittella, Chef der Sozialdemokraten, forderte eine Lösung unter Wahrung der Genfer Konvention.
Düsseldorf (epd). Die frühere Bundestagspräsidentin und Bundesfamilienministerin Rita Süssmuth (CDU) hat mehr Freiräume der Schulen bei der Gestaltung von Integration und Inklusion angemahnt. Im Zuge einer "inneren Schulreform" sollte den Schulen weniger Regulierung aufgezwungen werden, sagte Süssmuth auf dem Deutschen Schulleiterkongress am 4. März in Düsseldorf.
Aus Sicht der CDU-Politikerin sollten Lehrer vor Ort stärker entscheiden können, wie sie Eingliederung und den Unterricht von Behinderten und Nichtbehinderten gestalten. Vor dem Hintergrund ihrer praktischen Erfahrung seien die Schulen "zum Teil viel weiter als die Bildungspolitik". Deshalb bedeute mehr Regulierung zugleich "mehr Lähmung", sagte die ehemalige Pädagogik-Professorin.
Süssmuth beklagte zugleich eine "Langsamkeit" bei der Umsetzung von Integration und Inklusion: "Es wird derzeit eher behindert als beschleunigt." Auch fehle es immer noch an der allgemeinen Anerkennung, dass Deutschland längst eine "multikulturelle Gesellschaft" sei. Für eine gelingende Integration sei Bildung der Schlüssel, doch hätten Lehrkräfte nicht die notwendige Wertschätzung, die sie verdienten.
Köln (epd). Rauchen birgt für Frauen nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung größere Gesundheitsrisiken als für Männer. Studien zeigten, dass Frauen sensibler auf die giftigen Substanzen des Tabakrauchs reagierten als Männer, erklärte die Behörde am 3. März in Köln. So hätten sie ein erhöhtes Risiko für Atemwegserkrankungen und Osteoporose. Starke Raucherinnen könnten zudem einer US-Studie zufolge fast zwei Jahre früher in die Wechseljahre kommen als Nichtraucherinnen.
Zwar rauchen nach Angaben des Statistischen Bundesamts nach wie vor mehr Männer als Frauen. Jedoch sei der Raucheranteil bei den Frauen zwischen 1992 (22 Prozent) und 2013 (20 Prozent) fast unverändert geblieben, während er bei Männern von 37 auf 29 Prozent gesunken sei, erklärte die Gesundheitszentrale. "Für Frauen wie Männer gilt: Das Risiko für viele Krankheiten geht nach einem Rauchstopp deutlich zurück."
Positiv sei, dass die Raucherquote bei Jugendlichen bis zum Alter von 17 Jahren im Jahr 2014 bei Mädchen mit neun Prozent und bei Jungen mit rund zehn Prozent historisch niedrig liege, hieß es. Im Jahr 2001 lag sie noch bei rund 28 beziehungsweise 27 Prozent.
Berlin (epd). Die Unterstützungsangebote der gesetzlichen Pflegeversicherung werden nur von wenigen pflegenden Angehörigen genutzt. Leistungen wie der Pflegedienst, die Tages-, Kurz- oder Verhinderungspflege sind zwar der überwiegenden Mehrheit der Pflegenden bekannt, wie aus einer am 7. März in Berlin vorgestellten Befragung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK im Rahmen des Pflege-Reports 2016 hervorgeht. Jeder vierte Pflegehaushalt, in dem zusätzliche Unterstützung nicht in Anspruch genommen wird, gab jedoch an, dass diese dort eigentlich benötigt werde.
Mit 64 Prozent werde der Pflegedienst am stärksten angenommen. Alle anderen Angebote würden nur von jedem Fünften wahrgenommen. Als wichtigsten Grund gaben die Befragten in der Untersuchung an, dass viele Pflegebedürftige nicht von einer fremden Person betreut werden wollten. Auch die Kosten, eine mangelnde Erreichbarkeit sowie schlechte Erfahrungen mit den Angeboten spielten eine Rolle.
Die Mitherausgeberin des Reports und Leiterin des Forschungsbereichs Pflege im Wissenschaftlichen Institut der AOK, Antje Schwinger, sagte, unter den Nutzern der zusätzlichen Angebote sei die Zufriedenheit hoch. Fast 90 Prozent der Befragten stuften das Personal als kompetent ein. Auch die Gepflegten kämen gut mit der Betreuung klar. Bei den Nutzern von Pflegediensten gelte dies für 84 Prozent, bei der Tagespflege immerhin für 87 Prozent.
Damit noch mehr pflegende Angehörige die Angebote nutzten, forderte Schwinger dazu auf, die Bedürfnisse der Betroffenen besser zu verstehen und die Beratung auszuweiten. Die Expertin machte jedoch auch auf "ein tiefsitzendes Selbstverständnis von familiärer Pflege" in der Gesellschaft aufmerksam. Das Pflichtgefühl der Angehörigen gegenüber dem Pflegebedürftigen sei sehr hoch. Ähnliches gelte für die Bereitschaft, die Pflege trotz gefühlter Überlastung alleine zu bewältigen.
Der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Martin Litsch, sprach in diesem Zusammenhang die Bedeutung von Pflegeberatern an. Allein bei der AOK-Pflegekasse seien 700 Berater im Einsatz, die in einem persönlichen Gespräch den Pflegebedarf erfassten. Auf diese Weise könne ein individueller Versorgungsplan erstellt werden, sagte Litsch.
Der Befragung zufolge gaben immerhin drei Viertel der Nutzer von Beratungsgesprächen an, dass ihnen diese geholfen hätten. Litsch betonte, Hilfsangebote sollten nicht als ein Zeichen der Schwäche verstanden werden. Auch über Schamgefühle sollte gesprochen werden, statt einfach über sie hinwegzusehen.
Deutschlandweit gibt es laut Schwinger derzeit rund zwei Millionen pflegebedürftige Menschen, die zu Hause von ihren Angehörigen gepflegt werden. Für den Report wurden 1.000 pflegende Angehörige befragt.
Eichstätt (epd). Die Diskussion über kirchliche Arbeitsbedingungen hat in den letzten Jahren - sicher vorrangig bedingt durch die Auseinandersetzung über den „Dritten Weg“ - die Betonung auf das Attribut kirchlich gelegt. Hätte die Diskussion hingegen mehr die Arbeitsbedingungen an sich differenziert diagnostiziert, so hätte das erhellend deutlich gemacht, dass sich kirchliche Arbeitsbedingungen jenseits der Frage des kirchlichen Arbeitsrechts, in nichts von den Rahmenbedingungen, Trends und Dynamiken am bundesdeutschen Arbeitsmarkt insgesamt unterscheiden. Die Kritik an manchen Entwicklungen des Arbeitsmarktes, also der Trend zur Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse, zur Verdichtung von Arbeit, zur Armut in Arbeit, zur Verschärfung sozialer Ungleichheit ist zwar immer wieder auch von sozialethisch engagierten Kirchenleuten angeprangert worden. Dies geschah aber weniger unter dem Fokus, dass sich diese Phänomene nicht nur außerhalb, sondern auch innerhalb kirchlicher Arbeitsbedingungen aufweisen lassen.
Mit anderen Worten: Unter Betrachtung der kirchlichen Arbeitsbedingungen lässt sich eine Licht-Dunkel-Typologie, also die Gegenüberstellung von säkularem Schattenleben und kirchlichem Lichtglanz, sicher nicht legitimieren. Das ist kein Vorwurf gegenüber Kirche, Diakonie und Caritas. Es ist nicht die moralin gefärbte Anklage kirchlicher Anstellungsträger, sondern es ist nur ein Hinweis darauf, dass die Dynamiken am Arbeitsmarkt insgesamt keinen Raum aussparen. Es gibt hier zunächst einmal kein kirchliches Entrinnen.
Die Dynamiken der Arbeitsbedingungen sind geprägt von einer insgesamt angebotsorientierten Beschäftigungspolitik, die sich erstens durch die politische Förderung und Akzeptanz einer Niedriglohnstruktur auszeichnet, die zweitens die Ressourcen der Arbeitskräfte verdichtet ausschöpft, die drittens die soziale Sicherungsfunktion von Erwerbsarbeit zunehmend schwächt und die viertens den Arbeitsmarkt in Verlierer und Gewinner spaltet.
Die Zahl der Niedriglohnbeschäftigten, also derer, die einen Stundenlohn haben, der unter zwei Drittel des Median liegt, ist im Zeitraum von 1995 bis 2012 auf 8,4 Millionen gestiegen, was einer Steigerung um 42 Prozent entspricht. Fast unvermindert konstant liegt seit Jahren ihr Anteil an allen Beschäftigten bei fast 25 Prozent.
Über 2,6 Millionen Beschäftigte ergänzten 2013, also bereits in einer bejubelten Hochphase der Arbeitsmarktkonjunktur, ihren Verdienst durch einen Zweitjob, weil ein Job alleine finanziell nicht auskömmlich ist. Zu ergänzen ist der Hinweis auf die Zahl der sogenannten „Aufstocker“, also derer, die zusätzlich zu ihrem Job angewiesen sind auf ergänzende Leistungen nach dem Hartz-IV-Regelsatz. Diese Gruppe macht inzwischen gut 30 Prozent aller Leistungsbezieher aus.
Arbeit, so war es einst gedacht, soll nicht nur der Sicherung des Lebensunterhalts in der Phase der Erwerbstätigkeit dienen, sondern auch der Zukunftssicherung bezogen auf das Leben nach der Arbeit, dem Ruhestand. Der jüngste Armutsbericht des Paritätischen zeigt jedoch alarmierend auf, dass zwischen 2011 und 2014 die Zahl der Menschen, die auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung angewiesen sind, um fast 20 Prozent auf über eine Millionen angestiegen ist. Die Altersarmut wird eines der gravierendsten sozialpolitischen Themen der Zukunft sein - und diese Zukunft ist schon angebrochen.
Eine Dynamik am Arbeitsmarkt ist besonders zu erwähnen. Sie betrifft das abfallende Lohnniveau der Neuzugänge auf den Arbeitsmarkt, das ein Beleg ist für einen deutlichen Wandel der Lohn- und Beschäftigungskultur in Deutschland. So sind die Medianlöhne bei Männern in neuen Beschäftigungsverhältnissen seit 2001 innerhalb von nur fünf Jahren um zwölf Prozent gesunken, bei Frauen um acht Prozent. Es tritt ein Prozess der Dualisierung des Arbeitsmarktes ein, der die Spaltung zwischen den bereits längerfristig Beschäftigten und den neu hinzukommenden betrifft. Das bezieht sich nicht nur auf das Lohnniveau, sondern auch auf Art und Qualität der Beschäftigungsverhältnisse. Die Zahl der befristeten Arbeitsverträge ist ebenso angewachsen wie die der Leiharbeit, überwiegend bei „Neueinsteigern“ oder bei Menschen, die aus der Arbeitslosigkeit heraus einen Wiedereinstieg ins Erwerbsleben vollzogen haben.
Die überwiegend personennahen Dienstleistungen in Kirche, Diakonie und Caritas unterliegen im Grundsatz denselben Dynamiken der „säkularen“ Arbeitsverhältnisse. Allerdings werden sie noch durch weitere Faktoren geprägt. So fällt die Lohnstruktur kirchlicher Arbeitsverhältnisse nach oben wie nach unten keineswegs so gespreizt aus, wie das in manchen gewerblichen Branchen üblich ist. Geht man von der klassischen und im europäischen Kontext üblichen Definition der Armutsrisikoschwelle von 60 Prozent des Medien, also des mittleren Lohnes aus, so liegt je nach Datenbasis dieser Schwelle bei 9,50 Euro. Schaut man sich die ausgehandelten Entgelttabellen beispielsweise der Arbeitsrechtlichen Kommission Rheinland-Westfalen-Lippe und der Bundeskommission für die Arbeitsvertragsrichtlinien an, so muss man bilanzieren, dass selbst in den untersten Lohngruppen, etwa bei Hilfstätigkeiten in der Altenhilfe oder im hauswirtschaftlichen Bereich, diese Marke schon bei Berufseinsteintritt überschritten wird.
Sie liegen bei etwas über 10 Euro. Es ist nicht ausschließen, dass andere Regelungen in Einzelfällen hier und da praktiziert werden. Aber im Grundsatz ist entgegen mancher Vorwürfe deutlich zu sagen, dass es im Rahmen kirchlicher Arbeitsrechtssetzung keine Niedriglohnstruktur gibt. Auch die Lohnspreizung nach oben, also zwischen einer Hilfskraft im hauswirtschaftlichen Bereich und der Geschäftsführung einer Einrichtung, liegt in einem Rahmen, der nicht vergleichbar ist mit der Lohnspreizung privatwirtschaftlicher Branchen.
Andererseits kann nicht die Rede davon sein, dass die Entgeltregelungen kirchlicher Arbeitsverhältnisse durch Angebot und Nachfrage des Marktes geregelt werden. Wenn Unternehmen etwa für Ingenieure, Datenbankadministratorinnen, Physikerinnen oder Betriebswirte je nach Fachkräftebedarf über die Gehaltsstruktur, über Bonuszahlungen oder weitere attraktive Bestandteile und Rahmenbedingungen des Anstellungsverhältnisses dem Mangel an Fachkräften kompensatorisch entgegenwirken können, so gilt diese Möglichkeit für kirchliche Arbeitsverhältnisse weitgehend nicht. Dem Mangel an Pflegekräften durch entsprechend attraktivere Vergütungen zu begegnen, ist im System der Refinanzierung durch Kranken- und Pflegekassen keine wirklich praktikable Variante.
In Kirche, Diakonie und Caritas liegt der Anteil der Lohnkosten an der Gesamtbilanz in der Regel über 80, nicht selten bei über 90 Prozent. Die betriebswirtschaftliche Steuerung in einigermaßen sicheres Fahrwasser gelingt nur über eine zeitnahe Personalsteuerung, die Schwankungen in der Belegung beispielsweise in der stationären Altenhilfe oder im Krankenhaus durch eine möglichst flexible Gestaltung des Personaleinsatzes kompensiert. Hinzu kommt, dass schwarze Zahlen oftmals nur geschrieben werden können, wenn die Auslastung der verfügbaren Betten oder Plätze bei deutlich über 90 Prozent liegt. Die daraus resultierenden Effekte sind u.a. die Ausgründung von Hauswirtschafts- und Cateringdienstleistung in gewerbliche Betriebe mit einer günstigeren Tarifbindung, die Verzögerung von Wiederbesetzungen frei gewordener Stellen, der flexible Einsatz von geringfügig Beschäftigten oder Teilzeitkräften als Springer beispielsweise in der ambulanten Pflege, Zeitkontenbewirtschaftung auf zum Teil hohem Niveau und gelegentlich auch Kurzarbeit.
Loyalität von Beschäftigten wird in allen Branchen erwartet, und der Verweis darauf ist teilweise Bestandteil des Arbeitsvertrages. Bei personennahen Dienstleistungen, ob in den Kitas, der Alten- oder Behindertenhilfe, ob in der Betreuungsarbeit oder den Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften baut sich aber eine weitere, strak intrinsisch motivierte Loyalität auf, die nicht hoch genug einzuschätzen ist. Die Mitarbeitenden sind zusätzlich zur Betriebsloyalität oftmals sehr empathisch, einfühlsam und loyal verbunden mit ihrer Klientel, also mit den Menschen, mit und für die sie arbeiten, oft auch erweitert um deren Angehörige.
Die personale Bindung an die Menschen, die es zu begleiten, zu pflegen, zu betreuen oder zu erziehen gilt, ist einerseits der Grund für die große Erfüllung, die soziale Dienstleistungen bergen und die die Mitarbeitenden hoch motiviert, ihre Arbeit zu versehen. Andererseits sind es aber gerade diese Bindungen, die Mitarbeitende auch in abwägende Konflikte führt, wenn Rahmenbedingungen und Betriebsabläufe drohen, die betroffene Klientel zu belasten. Es kommt nicht selten vor, dass Teilzeitkräfte in der Pflege aus Not an Personal erhebliche Überstunden leisten, die letztlich mit hohen Steuerabgaben versehen ausgezahlt, statt in Freizeitausgleich abgebaut werden.
Unterbesetzungen auf Stationen der Altenhilfe, in den Krankenhäusern oder in Kitagruppen werden irgendwie „durchgezogen“, Anforderungen an flexiblen und nur kurzfristig angefragten Arbeitseinsatz werden um der Betroffenen willen, erfüllt. Man muss deutlich resümieren, dass sich in vielen sozialen Berufsfeldern die Anforderungen an die Mitarbeitenden erhöht haben.
Menschliche Zuwendung in Pflege, Betreuung und Begleitung, in Bildung und Erziehung, in Beratung und Lebensorientierung hat meines Erachtens eine theologische Dignität in sich. Es ist ein theologisches Missverständnis, das da teilweise mit bornierten Untertönen zu Worte kommt, wenn man meint, dass das „Anderssein“ als andere (gemeint sind Beschäftigte in säkularen Sozialunternehmen) ein Wert an sich sei. Die Fragestellung wird sich allerdings möglicherweise noch verschärfen, denn schon längst kann nicht vorausgesetzt werden, dass die Mitarbeitenden der sozialen Berufe in kirchlichen Arbeitsverhältnissen allesamt christlich sozialisiert sind oder überhaupt einer Kirche angehören. Die Problematik des Fachkräftemangels insbesondere in der Pflege wird hier zu großen Veränderungen führen.
Bei der Fachkräfterekrutierung haben Kirche, Diakonie und Caritas eindeutige finanzielle Wettbewerbsnachteile. Die ordnungspolitische Einsicht, dass Fachkräfte in Erziehung, Bildung und Pflege benötigt werden, steht in Konkurrenz zum Einsparungsdruck der öffentlichen Hand und damit der Kostenträger.
Mit aller statistischen Nüchternheit bilanziert das Impulspapier des Rates der EKD „Kirche der Freiheit“ das demografische Szenario 2030 auch mit Blick auf die Anzahl der Kirchenmitglieder. Danach wird sich die Zahl der evangelischen Christinnen und Christen bis 2030 von ehemals 27 Millionen (Stand 2003) auf gut 17 Millionen reduzieren, unter 20 Jahren werden nur noch 2,6 Millionen evangelische Bundesbürger sein, das sind noch gut drei Prozent der Bevölkerung.
Eine gewisse gegenläufige Entwicklung ist in der Diakonie zu verzeichnen, insbesondere durch die Bedarfe im Bereich der Altenhilfe wird die Zahl der Mitarbeitenden wachsen, von jetzt gut 450.000 auf eher 500.000, wenn auch die Zahl der evangelisch oder kirchlich gebundenen Mitarbeitenden eher sinken wird. Die Gefahr, dass sich die Auseinandersetzung zwischen einer an Gewicht verlierenden Kirche und einer wachsenden, aber säkularer werdenden Diakonie verschärft, ist nicht von der Hand zu weisen.
Es ist unmissverständlich klar, dass wir in der Pflege auf eine gravierenden Fachkräftemangel zulaufen. Es ist eine Gegensteuerung durch politische Mobilisierung aller verbundenen Interessengruppen erforderlich (u.a. Kirchen, Wohlfahrtsverbände und Gewerkschaften), die sowohl die Ursachen der sozialen Misere als auch die drohende Misere der sozialen Berufe angeht. Die sozialstaatliche Konstitution und Konsistenz ist fragil geworden.
Es ist dringend erforderlich, dass wir eine präventive Sozialpolitik betreiben, die sich offensiv um die Rekrutierung sozialer Berufsträger bemüht, die mehr Anreize schafft, sich darauf einzulassen, dieser doch im Grunde sehr sinnstiftenden Arbeit nachzugehen. Die enorme Werthaftigkeit, die die Tätigkeiten in Bildung, Erziehung, Beratung, Betreuung und Pflege für unsere Gesellschaft haben, muss sich auch in einer Anerkennung spiegeln, die sich darin erweist, dass die Entgelte, die personelle Ressourcenausstattung und die Qualität der Arbeitsbedingungen verbessert werden. Die Ursachen der sozialen Misere dürfen nicht um eine drohende Misere der sozialen Berufe ergänzt werden.
Berlin (epd). Marlies Hübner hat ihre Erfahrungen in einem erzählerischen Sachbuch verarbeitet. "Verstörungstheorien - Die Memoiren einer Autistin, gefunden in der Badewanne" ist am 7. März im Berliner Verlag Schwarzkopf und Schwarzkopf erschienen. Wenke Böhm sprach mit Hübner.
epd sozial: Frau Hübner, Autisten berichten vom Phänomen des "Overload". Wie erleben Sie das?
Marlies Hübner: Versuchen Sie sich vorzustellen, dass Sie keine Reize filtern können, dass ihr Gehirn alles permanent wahrnimmt. Wenn dann noch Stress dazu kommt, dann kann es zu einer völligen Reizüberflutung kommen. Das ist, als ob sich ihr Computer aufhängt. Dann kommt es zum "Meltdown", sprich: Man weiß sich nicht mehr anders zu helfen als auch mal wütend zu werden. Wenn das nicht funktioniert, fällt man in einen "Shutdown". Ich kann dann nicht mehr sprechen. Es geht einfach nicht mehr. So was hat man relativ häufig.
epd: Wie ist es dann mit großen Gruppen, Partys, Einkauf?
Hübner: Wenn möglich vermeiden! Der Segen für alleinlebende Autisten ist der Lebensmittel-Lieferservice. Ich gehe privat gern auf Konzerte oder in Museen, aber das funktioniert nicht jeden Monat. Man ist danach lange ziemlich erschöpft. Letztes Jahr wollte ich ins Kino gehen und bin aus Versehen in die Parade des "Christopher-Street-Day" geraten. Das war die Hölle. Alle meine Sinne sind vollkommen offen. Ich kann keine Dinge ausblenden, das ist wahnsinnig anstrengend. Ich war dann nicht im Kino.
epd: Gegen welche Vorurteile kämpfen sie als Autistin?
Hübner: Zum einen kommen Leute in der Regel nicht damit klar, dass man vielen Autisten einfach nichts ansieht, gerade uns hochfunktionalen. Dann hängen ganz viele auf diesem Rain-Man-Klischee fest. Die Figur in dem Oscarfilm war nie ein Autist. Wir sind auch nicht alle hyperintelligent oder haben alle Lernschwierigkeiten. Manche sprechen, andere sprechen nicht. Manche leben selbstständig, andere wieder nicht. Diese extreme Vielfalt, das große Spektrum, ist für viele nicht begreifbar. Man kann nichts pauschalisieren.
epd: Was sind denn Kriterien, nach denen Menschen in das autistische Spektrum einsortiert werden?
Hübner: Da sind zum einem die sozialen Probleme, große Schwierigkeiten im Aufbau und Erhalt von Sozialkontakten. Dann sind es Routinen. Tage haben eine bestimmte Struktur, Dinge laufen immer gleich ab. Es kann schwierig werden, wenn diese Routinen wegbrechen. Außerdem die Kommunikationsprobleme. Ich verstehe bis heute nicht, warum es anderen Menschen so unfassbar wichtig ist, dass Autisten Augenkontakt aufnehmen.
epd: Wie machen sich die Kommunikationsprobleme bemerkbar?
Hübner: Wir kommunizieren fast ausschließlich auf der reinen Informationsebene. Sprachliche Spielereien, Körpersprache und Mimik fallen hinten runter. Viele Autisten haben eine Gesichtsblindheit. Manche Leute sind furchtbar enttäuscht oder beleidigt, wenn man sie auf der Straße nicht wiedererkennt. Man bekommt gern Böswilligkeit oder Ignoranz unterstellt. Dabei ist es so gut wie unmöglich für mich, jemanden wiederzuerkennen, der keine auffällige Frisur oder besondere Brille hat. Mein Partner trägt zum Beispiel eine sehr markante Brille und einen Bart, den erkenne ich wieder. Das ist praktisch. Ich laufe ungern mit jemand anderem mit.
epd: Was hat dazu geführt, dass Sie sich haben testen lassen?
Hübner: Die Diagnose habe ich mit 27 Jahren erhalten, nachdem ich über Jahre hinweg massiv versucht hatte, mich anzupassen. Damals hat mir ein Freund gesagt: "Du wirkst unfassbar autistisch. Wann hast du denn deine Diagnose bekommen?" Ich meinte: "Nee, sicher nicht." Anderthalb Jahre später war ich mit meinen Kräften so am Ende, dass ich in die Diagnostik gegangen bin. Über das Ergebnis freut man sich natürlich nicht, aber ich habe erkannt, dass ich die Möglichkeit habe, mein Leben daran anzupassen.
epd: Wie unterscheiden Sie sich von ihrer Buch-Protagonistin Elisabeth?
Hübner: Ich habe Teile aus meinem Leben genommen, habe aber auch viel hinzugefügt, verschmolzen und dazuerfunden, um das Bild zu erweitern. Elisabeth ist ein Teil von mir, aber ich bin nicht Elisabeth. Sie ist konsequenter als ich, zumindest zum Ende hin. Es ist kein negatives Buch. Sie macht eine durchaus positive Entwicklung durch.
epd: Was würden wie sich von ihrem Umfeld und von der Politik wünschen?
Hübner: Generell halte ich es für dringend notwendig, dass Menschen mit einer Behinderung nicht als Zweite-Klasse-Menschen wahrgenommen werden. Bei der Inklusion wird versucht, uns in ein Schema zu pressen. Man sollte Autisten einfach autistisch sein lassen. Wenn man sie zwingt, sich wie die Mehrheit zu verhalten, beraubt man sie ihrer Persönlichkeit. Man muss uns zuhören. Daran hapert es. Große Verbände sprechen für und über Autisten, aber nicht mit ihnen. Es werden traumatisierende, missbräuchliche Therapien angewandt, um autistische Kinder so neurotypisch wie möglich erscheinen zu lassen. Letztlich geht es aber darum, sie zu brechen. Es ist wirklich kein Spaß, autistisch zu sein.
Rastede (epd). Die Bundesvorsitzende der evangelischen Krankenhausseelsorge, Sabine Hofäcker, hat vor einer dauerhaften Überlastung der Pflegekräfte in den Kliniken gewarnt. "In den vergangenen Jahren ist die Personaldecke immer dünner geworden", sagte die Pastorin aus Homburg an der Saar dem Evangelischen Pressedienst (epd). Zusätzliche Pflegekräfte seien dringend nötig, betonte Hofäcker nach einer Bundeskonferenz evangelischer Krankenhausseelsorger in Rastede bei Oldenburg. In früheren Jahren seien die Seelsorger fast ausschließlich für die Patienten zuständig gewesen. Heute nehme die Begleitung der Beschäftigten im Krankenhaus einen viel größeren Raum ein.
Die Pflegekräfte seien mit Überstunden so sehr belastet, dass viele von ihnen auf Fort- und Weiterbildungen verzichteten, sagte Hofäcker. Das sei verständlich: In der Pflege arbeiteten viele Frauen bewusst in Teilzeit. "Sie wollen auch noch Luft für ihre Familien haben", sagte die Pastorin. Viele Krankenschwestern entwickelten aufgrund des Zeitdrucks einen "Scheuklappenblick". Sie erledigten ihre Arbeit so gut es gehe, verzichteten aber auf Dinge, die ihnen eigentlich wichtig seien wie etwa ein kurzes Gespräch am Krankenbett.
In Gesprächen höre sie immer wieder, dass die Schwestern ihren Beruf gewählt hätten, um Menschen helfen zu können, berichtete Hofäcker. Oft brächten die Schwestern jedoch beispielsweise das Essen auf die Zimmer, ohne zu wissen, ob die Patienten genug Kraft haben, die Verpackungsdeckel vom Joghurt abzuziehen. Auch wüssten viele ältere Patienten nicht, wo der Klingelknopf ist und wie er bedient wird: "Kleinigkeiten, die den Pflegekräften nicht entgehen würden, wenn sie mehr Zeit für die Patienten hätten."
Die Seelsorge an den Krankenhäusern dagegen sieht die Bundesvorsitzende derzeit gut aufgestellt. "Unsere Leute sind gut geschult und haben alle eine spezielle Ausbildung in klinischer Seelsorge absolviert", sagte sie. Die Zeiten seien endgültig vorbei, in denen immer mal wieder Pastoren und Pastorinnen in die Krankenhäuser abgeschoben wurden, weil sie für Kirchengemeinden nicht mehr tragbar waren.
Dortmund (epd). Christian Lüring hat nicht viel Zeit. Gleich muss der Direktor der Orthopädischen Klinik in Dortmund wieder in den Operationssaal zurückkehren. Ein Patient soll ein neues Kniegelenk bekommen. Eigentlich ist das Alltag im Leben eines Chirurgen. In Dortmund gibt es aber einen großen Unterschied zur herkömmlichen OP-Technik: Denn viele Prothesen, die Lüring seinen Patienten implantiert, stammen aus einem 3-D-Drucker. Allein an diesem Wintertag werden zwei Patienten den OP-Saal mit Implantaten aus dem Drucker verlassen.
"Die Idee ist, dass wir das Implantat optimal auf den Patienten anpassen können", sagt Lüring. Er vergleicht die Technik mit "einem Maßanzug", der dem Menschen auf den Leib geschneidert wird. Darin sieht er einen großen Vorteil. Denn jeder Patient ist anders und hat einen anderen Körperbau. Besonders für Patienten mit medizinischen Besonderheiten - für extrem große oder kleine Patienten sei die Technik interessant, sagt der Arzt. Bislang muss der Operateur aus mehreren Standardgrößen auswählen.
Vor der Operation wird dabei das Knie des Patienten im Computertomographen vermessen. Die Daten werden dann zu einer Firma in den USA geschickt, die die Prothese druckt - Schicht auf Schicht entsteht so aus Chrom-Kobalt das Implantat. Mehr als 350 Prothesen aus dem Drucker hat Lüring in den zurückliegenden drei Jahren implantiert. Kostenpunkt: Rund 2.200 Euro pro Implantat und damit etwa 1.000 Euro mehr als eine herkömmliche Prothese.
Die Euphorie über die neue Medizintechnik ist groß. "3-D-Druck in der Medizin hat bereits eine wichtige Position eingenommen und wird diese weiter ausbauen", urteilt Jens Günster von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung in Berlin. Vorteile seien die "individualisierte Fertigung und die Möglichkeit, Teile mit sehr hoher Komplexität zu fertigen". Theoretisch lässt sich aus dem 3-D-Drucker jedes erdenkliche Ersatzteil des menschlichen Körpers herstellen. Auch Massenproduktion sei hier möglich. Verwendet werden sowohl Metalle als auch Keramiken.
Geforscht wird derzeit etwa an Zahnersatz oder Herzklappen aus dem Drucker. Erst vor kurzem hat ein Dresdner Start-up-Unternehmen im 3-D-Druck hergestellte Hand- und Fußprothesen vorgestellt. In Zürich ist es Medizinern inzwischen gelungen, mit Hilfe eines 3-D-Druckers Haut aus körpereigener DNA zu produzieren. Und in Großbritannien haben Ärzte im vergangenen Jahr einem jungen Mann nach einem Autounfall sein Gesicht mit Teilen aus einem 3-D-Drucker rekonstruiert. Ob sich ganze Organe jemals im Drucker reproduzieren lassen, darüber gehen die Meinungen allerdings auseinander.
In den USA bereiten Herz-Chirurgen komplizierte Operationen mit Hilfe eines 3-D-Modells vor. Inzwischen gibt es auch Projekte, die mit Hilfe des 3-D-Drucks Prothesen möglichst vielen Menschen zugänglich machen wollen. Ein solches Projekt ist das "Open Hand Project". Der Erfinder, Joel Gibbard aus Bristol, hat dabei eine Roboter-Handprothese entwickelt, die sich auch Menschen mit weniger Geld leisten können sollen. Sowohl 3-D-Druck als auch das Kunststoff als Material halten dabei die Kosten verhältnismäßig niedrig.
Eine Unsicherheit gibt es allerdings noch: "Wir haben noch keine Langzeiterfahrungen", räumt Lüring mit Blick auf die Prothesen, die in Dortmund implantiert werden, ein. Dazu ist die Technologie noch zu jung. Erst in zehn bis zwölf Jahren seien hier Ergebnisse zu erwarten, sagt Lüring. Er selbst rechnet nicht damit, dass die gedruckten Implantate weniger lang halten als die herkömmlichen.
Paderborn (epd). Der Ethikrat des Erzbistums Paderborn hat unter dem Titel "Das integrative Modell ethischer Fallbesprechung" Empfehlungen für ethische Konfliktsituationen in Altenheimen und Pflegeeinrichtungen der Caritas veröffentlicht. Der Ethikrat habe dieses Modell in karitativen Einrichtungen selbst entwickelt und mit einigen Einrichtungen praktisch erprobt, wie der Caritasverband des Erzbistums am 8. März mitteilte.
In Fallbesprechungen sei es möglich, in moralischen Konfliktsituationen in einem strukturierten Verfahren das moralische Dilemma zu analysieren, die einschlägigen Werte zu ordnen und zu einer Empfehlung für das weitere Handeln zu kommen, hieß es. Damit könne in einem überschaubaren Zeitrahmen die Frage beantwortet werden, welcher moralische Aspekt Vorrang habe. Solche Besprechungen würden auch nachweisbar die Mitarbeiterzufriedenheit erhöhen.
In den vergangenen Jahren sei die Zahl moralisch schwieriger, konfliktreicher und belastender Entscheidungen deutlich gewachsen, erklärte der Ethikrat. Voraussetzung für ethische Fallbesprechungen sei die Begleitung von gut ausgebildeten Moderatoren. Als Beispiel eines ethischen Konfliktes nannte die Caritas den Fall einer Altenheimbewohnerin, die häufig Essen und Trinken verweigere. Hier stehe die Selbstbestimmung der Frau dem Wunsch der Angehörigen entgegen, Schaden zu vermeiden.
Bremen (epd). In Bremen wollen sich Beschäftigte aus Medizin und Pflege zu einem "Netzwerk Ethikberatung" zusammenschließen. Wie die Initiatorin, Sonja Schäfer, am 7. März mitteilte, beteiligen sich daran kommunale und freigemeinnützige Kliniken sowie Pflegeeinrichtungen, Ethikgruppen und weitere Kooperationspartner.
Der medizinische Fortschritt mache inzwischen vieles möglich, erläuterte die Kranken- und Palliativpflegerin. Doch oft gehe es um die Frage: "Ist alles, was möglich ist, für den Patienten auch sinnvoll?" Typische Themen ethischer Fallbesprechungen seien beispielsweise der Umgang mit Patientenverfügungen oder der Einsatz von Ernährungssonden bei sterbenskranken Menschen.
"Wir wollen alle Berufsgruppen erreichen", sagte die Expertin. Ethische Fragestellungen seien nicht nur in den Krankenhäusern Alltag: "Auch Hausärzte, ambulante Dienste, Hospize, Pflegeheime oder auch beratende Einrichtungen sind wichtige Schnittstellen in der Versorgung unserer Patienten." Denkbar sei, dass es künftig zwei bis drei Mal pro Jahr Veranstaltungen zum Thema Ethik gebe, die von Mitgliedern des Netzwerks organisiert würden.
Nürnberg (epd). Der Fachverband Evangelische Wohnungslosen- und Straffälligenhilfe in Bayern (FEWS) will in fünf Jahren in allen bayerischen Landkreisen und kreisfreien Städten präsent sein. Das stellte der FEWS-Vorsitzende Andreas Kurz am 9. März auf dem Fachtag "Wohnungsnot in Bayern - präventive Hilfen stärken und flächendeckend ausbauen" in Nürnberg in Aussicht. Eine Studie des Instituts für Praxisforschung und Evaluation der Evangelischen Hochschule Nürnberg kommt zu dem Schluss, dass "Fachstellen die große Mehrheit vor Obdachlosigkeit bewahren", sagte Studienleiter Joachim König.
In zwei Dritteln der untersuchten Fälle konnte den Angaben zufolge eine drohende Obdachlosigkeit verhindert werden. Die Klienten konnten in ihrer Wohnung weiter wohnen, konnten eine neue Wohnung finden oder zu Freunden oder Familie ziehen. Bei einem knappen Viertel war zum Studienende der Fallausgang noch nicht bekannt.
König hat in seiner Studie auch ausgerechnet, dass die öffentliche Hand und private Vermieter durch die Arbeit der Fachstellen jährlich einen Millionenbetrag sparen. "Ein Euro Zuschuss an eine Fachstelle spart bis zu 9,46 Euro Kosten für die öffentliche Hand", sagte König. Bayerische Vermieter könnten bis zu sechs Millionen Euro sparen. Für diese Hochrechnung hat die Studie etwa Mahn- und Gerichtskosten sowie Zwangsräumung aber auch Mietausfälle berücksichtigt.
Berlin (epd). Das Berliner "Desert Flower Center" für Opfer von Genitalverstümmlung wird mit der Louise-Schroeder-Medaille des Berliner Abgeordnetenhauses ausgezeichnet. Die Auszeichnung soll bei einer Feierstunde am 21. April überreicht werden, wie das Abgeordnetenhaus am 7. März mitteilte.
Das "Desert Flower Center" unterstützt genitalverstümmelte Frauen medizinisch und psychologisch. Das Zentrum ist am Berliner Krankenhaus Waldfriede angesiedelt. Es wurde im September 2013 eröffnet. Schirmherrin ist die aus Somalia stammende Menschenrechtsaktivistin Waris Dirie, die als Kind selbst Opfer von Genitalverstümmelung wurde.
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO gibt es weltweit 150 Millionen Frauen, die genitalverstümmelt wurden. In Deutschland leben laut "Desert Flower Center" rund 50.000 Opfer von Genitalverstümmlung.
Beschnittene Frauen haben meist Schmerzen beim Toilettengang und beim Geschlechtsverkehr. Die Geburt eines Kindes kann im schlimmsten Fall zum Tod von Mutter und Kind führen.
Karlsruhe (epd). Das Diakonische Werk Baden will den an der griechisch-mazedonischen Grenze festsitzenden Flüchtlingen helfen. Der evangelische Wohlfahrtsverband hat als Soforthilfe 20.000 Euro bereitgestellt und mit der badischen Landeskirche eine Spendensammlung gestartet, teilte er am 9. März in Karlsruhe mit. Ein Spendenkonto ist eingerichtet.
Die Aktion könne sicher "nicht verhindern, dass sich die humanitäre Lage an der Grenze täglich verschärft. Aber sie kann versuchen, die schlimmste Not wenigstens ein bisschen zu lindern", heißt es in dem Spendenaufruf. Die badischen Diakonie unterstützt mit dem Geld die Evangelische Kirche deutscher Sprache in Thessaloniki, deren Mitarbeiter und freiwillige Helfer vor Ort in den Flüchtlingslagern unter anderem in Idomeni sind. Benötigt werde dort "Essen, Wärme, Kleidung, medizinische Unterstützung, Offenheit und Herzlichkeit".
Kassel (epd). Nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) in Kassel vom 9. März darf das Jobcenter von einem Langzeitarbeitslosen, der ein Jahr lang zu Unrecht Arbeitslosengeld II bezogen hat, die Erstattung verlangen und monatlich die Hilfeleistung entsprechend kürzen. Das Existenzminimum werde dann trotzdem weiter gewährleistet, da der Hartz-IV-Bezieher für notwendige Anschaffungen einen Zuschuss beantragen könne.
Geklagt hatte ein Hartz-IV-Bezieher aus Osnabrück. Der 1961 geborene Mann steht seit 2005 im Arbeitslosengeld-II-Bezug. Im Jahr 2007 hatte er allerdings Einkünfte verschwiegen, so dass er eigentlich kein Hartz IV hätte beanspruchen dürfen. Das Amtsgericht Osnabrück verurteilte den Mann deshalb rechtskräftig wegen Betruges.
Das Jobcenter forderte die überzahlte Hartz-IV-Leistung zurück, insgesamt 8.352 Euro. Da der Arbeitslose über keine Mittel verfügte, sollte er drei Jahre lang den Betrag abstottern. Jeden Monat wurde ihm sein Arbeitslosengeld II um 30 Prozent gekürzt. Von monatlich 404 Euro Hartz IV sollte er 121,20 Euro abzahlen.
Der Arbeitslose hielt das für rechtswidrig. Er habe zwar in der Vergangenheit betrogen, trotzdem stehe ihm ein menschenwürdiges Existenzminimum zu. Das Bundessozialgericht indes hält die gesetzlichen Bestimmungen, wonach das Jobcenter im Falle eines Erstattungsanspruchs das Arbeitslosengeld II um 30 Prozent kürzen darf, mit dem Grundgesetz für vereinbar. Die Behörde habe einen Erstattungsanspruch und es liege in der Eigenverantwortung des Hartz-IV-Beziehers, die Kürzung zu vermeiden.
Das Existenzminimum werde auch gewährleistet. Zwar könne der Arbeitslose wegen der Kürzung nichts mehr ansparen. Für besondere Bedarfslagen könne er aber beim Jobcenter einen Zuschuss beantragen.
Az.: B 14 AS 20/15 R
Kassel (epd). Vertrödeln Krankenkassen einen Antrag zur Genehmigung einer Therapie, gilt dieser als genehmigt. Dies hat das Bundessozialgericht in einem am 8. März verkündeten Urteil klargestellt. Die Richter in Kassel billigten damit einem 31-Jährigen aus Saarbrücken die Kostenerstattung für eine Psychotherapie zu. Die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See habe nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von drei Wochen auf den Antrag des Versicherten geantwortet.
Nach den gesetzlichen Bestimmungen gilt ein Antrag auf eine Krankenkassenleistung als genehmigt, wenn die Krankenkasse nicht innerhalb von drei Wochen, bei Einholung eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse innerhalb von fünf Wochen entscheidet. Bei Zahnbehandlungen gelten längere Fristen. Reha-Leistungen sind von diesen Vorschriften ausgenommen.
Im konkreten Fall hatte der Kläger bei seiner Krankenkasse die Genehmigung für 25 Sitzungen einer tiefenpsychologischen Behandlung beantragt. Eine Psychologin hatte dies befürwortet. Eine Kurzzeittherapie war von der Knappschaft-Bahn-See bereits zuvor bewilligt worden.
Doch zur Bewilligung der 25 Psychotherapie-Sitzungen hüllte sich die Kasse in Schweigen. Der Versicherte begann aber die Therapie und zahlte die Therapiekosten in Höhe von 2.200 Euro. Von der Krankenkasse verlangte er die Kostenübernahme.
Nach sechs Wochen lehnte die Knappschaft den Antrag ab. Dass sie zu spät über den Antrag entschieden habe, sei nicht gleichzusetzen mit einer Zustimmung zur Kostenübernahme.
Das Bundessozialgericht sah das anders. Der Antrag des Klägers auf Übernahme der Therapiekosten sei gerechtfertigt. Die Krankenkasse habe erst nach drei Wochen und damit zu spät auf den Antrag reagiert, so dass dieser als "fiktiv genehmigt" gelte.
Az.: B 1 KR 25/15 R
Kassel (epd). Frauen haben allein wegen einer krankheitsbedingt fehlenden Brust keinen Anspruch auf eine von der Krankenkasse bezahlte Brustvergrößerung. Eine Kostenübernahme ist nur bei einer beeinträchtigten Körperfunktion, einer Entstellung oder bei psychischen Belastungen möglich, urteilte am 8. März das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel.
Geklagt hatte eine 31-jährige Frau aus Sachsen-Anhalt, die wegen einer Erberkrankung keine Brust entwickelt hatte. Lediglich die Brustwarzen waren vorhanden. Auch eine Hormonbehandlung führte nicht zu einer weiblich aussehenden Brust. Von der AOK Sachsen-Anhalt verlangte sie die Kostenübernahme für eine Brustvergrößerung. Schließlich würde auch Brustkrebspatientinnen ein Brustaufbau bezahlt. Intersexuelle Menschen würde ebenfalls eine Brustvergrößerung bezahlt, wenn sie auch mit einer Hormonbehandlung nicht Körbchengröße A erreichen.
Die AOK lehnte die Kostenübernahme jedoch ab. Die fehlende Brust habe bei der Frau keine entstellende Wirkung, welche eine Brustvergrößerung rechtfertigen könne. Im bekleideten Zustand sei die fehlende weibliche Brust nicht erkennbar.
Auch das BSG lehnte die Kostenübernahme ab. Die Brustvergrößerung würde bei der Klägerin keine "beeinträchtigte Körperfunktion" wiederherstellen. Auch liege mit der fehlenden Brust keine Entstellung vor, die eine Kostenübernahme rechtfertigen könne. Dies könne erst dann der Fall sein, wenn "quasi im Vorbeigehen" die fehlende Brust erkannt wird.
Schließlich habe die fehlende Brust bei der Klägerin auch nicht zu psychischen Belastungen geführt, so das BSG. Der Gleichbehandlungsgrundsatz sei ebenfalls nicht verletzt worden. Bei Brustkrebspatientinnen würde mit dem Brustaufbau ein früherer Zustand wiederhergestellt, bei der Klägerin sei dies aber nicht der Fall.
Az.: B 1 KR 35/15 R
Karlsruhe (epd). Bleibt bei einem unverheirateten Paar ein Partner wegen der Betreuung des gemeinsamen Kindes zu Hause, steht ihm Betreuungsunterhalt zu. Dieser Unterhalt hat Vorrang vor der Zahlung von Elternunterhalt für die eigenen pflegebedürftigen Eltern, urteilte der Bundesgerichtshof am 9. März in Karlsruhe.
Konkret ging es um einen 1941 geborenen Vater aus dem fränkischen Kelheim, der seit Anfang 2010 von einem Pflegedienst in der eigenen Wohnung betreut wird. Das Sozialamt zahlte dem Mann Hilfe zur Pflege. Die Behörde verlangte von dem Sohn des Pflegebedürftigen, dass dieser ab 2012 Elternunterhalt zahlen müsse.
Der in einer Partnerschaft lebende Sohn verwies darauf, dass er für seine Patchwork-Familie mit seinem Einkommen aufkommen müsse. Seine Partnerin sei extra wegen der Betreuung der gemeinsamen Tochter zu Hause geblieben. Zwei weitere minderjährige Kinder der Frau lebten ebenfalls in dem Haushalt. Verheiratete Paare könnten dann einen erhöhten Familienselbstbehalt beanspruchen, so dass sich der Elternunterhalt für die pflegebedürftigen eigenen Eltern verringert oder sogar ganz wegfällt.
Das Oberlandesgericht Nürnberg ließ das nicht gelten. Der Sohn sei nicht verheiratet und sei seiner Partnerin daher auch nicht zum Unterhalt verpflichtet.
Der Bundesgerichtshof hob diese Entscheidung auf und verwies den Fall zur weiteren Prüfung zurück. Zwar könne der unverheiratete Sohn nicht die völlige Gleichstellung mit verheirateten Paaren verlangen und einen Familienselbstbehalt beanspruchen. Allerdings könne die Partnerin Betreuungsunterhalt beanspruchen, wenn sie das gemeinsame Kind betreut. Das Oberlandesgericht muss nun prüfen, ob der Sohn überhaupt zur Zahlung von Elternunterhalt für seinen pflegebedürftigen Vater verpflichtet ist.
Az.: XII ZB 693/14
Kassel (epd). In seinem Urteil vom 24. Februar entschied das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel darüber hinaus, dass die kommunale Sozialbehörde im Einzelfall prüfen müsse, inwieweit tatsächlich ein Bedarf wegen altersbedingter Schwierigkeiten vorliegt. Geklagt hatte ein 1940 geborener, schwerbehinderter Mann aus Wiesbaden. Dieser erhält seit Juli 2007 Grundsicherung im Alter. Er lebt mit seiner Ehefrau und seinem Enkel in einer häuslichen Gemeinschaft.
Zusätzlich zu seiner Sozialhilfe beantragte er die sogenannte Altenhilfe. Um diese nach dem Gesetz erhalten zu können, sei einzige Voraussetzung, dass man alt ist, argumentierten seine Rechtsvertreter. Der Gesetzgeber wolle so besondere altersbedingte Aufwendungen abmildern. So könnten einsamen alten Menschen Verwandten-Besuche ermöglicht werden.
Er wolle regelmäßig das Grab seiner Eltern in Oberfranken pflegen, Verwandte und kulturelle Veranstaltungen besuchen. Monatlich würden dadurch rund 1.000 Kilometer Fahrtkosten anfallen. Ihm müssten daher 200 Euro pro Monat zusätzlich an Altenhilfe gewährt werden. Die Stadt gewährte lediglich für die Besuche zur behinderten Nichte knapp 150 Euro pro Jahr.
Das Hessische Landessozialgericht (LSG) lehnte jegliche Altenhilfe ab. Begründung: Bei der Altenhilfe handele es sich nur um Leistungen, die nicht von der regulären Sozialhilfe umfasst sind. Grab- und Verwandtenbesuche seien aber Bedürfnisse, die auch jüngere Menschen haben könnten. Der Besuch kultureller Veranstaltungen sei ebenfalls vom Regelsatz abgedeckt.
Dieser Begründung folgte das BSG nicht, lehnte aber ebenfalls den Anspruch des Klägers auf Altenhilfe ab. Die Altenhilfe solle alten Menschen die Möglichkeit geben, am Leben in der Gemeinschaft teilzuhaben und nicht zu vereinsamen, erklärten die Bundesrichter. Ob ein altersbedingter Bedarf besteht, müsse die Kommune immer im Einzelfall prüfen. Anders als das LSG meint, könne die Altenhilfe auch Bedarfe umfassen, die bereits im Regelsatz berücksichtigt sind und bei Jüngeren bestehen.
Im konkreten Fall habe der Kläger aber keine altersbedingte Schwierigkeiten. Er lebe mit Ehefrau und Enkel zusammen und sei in ein soziales Netz eingebunden. Eine Isolation drohe nicht. Auch der Aufwand zum Besuch des Elterngrabes gehöre allein noch nicht zu altersbedingten Schwierigkeiten.
Az.: B 8 SO 11/14 R
Mainz (epd). Die Rentenversicherungen müssen zur Abwendung einer Erwerbsminderung präventive Maßnahmen bezahlen. Dies hat das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz in Mainz am 2. März klargestellt und einem Rentenversicherungsträger verpflichtet, einem Arbeitnehmer einen elektrisch höhenverstellbaren Schreibtisch zu bezahlen.
Der 1,96 Meter große Kläger litt an degenerativen Veränderungen an der gesamten Wirbelsäule. Laut Betriebsarzt benötigte der Mann einen höhenverstellbaren Schreibtisch. Der Arbeitgeber wollte sich an den Anschaffungskosten jedoch nicht beteiligen. Daher beantragte der Arbeitnehmer den höhenverstellbaren elektrischen Schreibtisch bei der Rentenversicherung. Diese meinte, dass eine Erwerbsminderung bei dem Kläger noch nicht vorliege, und wollte daher die Kosten nicht übernehmen.
Das LSG entschied, dass der Arbeitnehmer zur "Abwendung einer drohenden Minderung der Erwerbsfähigkeit" darauf angewiesen sei, seinen Schreibtisch mehrmals am Tag in der Höhe verstellen zu können. Dies habe auch ein Gutachter so bestätigt.
Az.: L 6 R 504/14
Aachen (epd). Stürzt ein Patient in der Kantine einer Rehaklinik, gilt das in der Regel nicht als Arbeitsunfall. Die Nahrungsaufnahme betreffe eigene Belange und stehe in keinem unmittelbaren Zusammenhang zu dem ansonsten über die Berufsgenossenschaft versicherten Aufenthalt in der Klinik, erläuterten die Richter des Aachener Sozialgerichts am 9. März ein entsprechendes Urteil. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass dem Patienten der Besuch der Kantine von der Klinikleitung ausdrücklich wegen der Teilnahme am sozialen Leben empfohlen worden war.
Eine Anerkennung als Arbeitsunfall sei laut Gericht erst dann möglich, wenn beispielsweise die Einnahme der Mahlzeiten in der Kantine ärztlich zwingend vorgeschrieben oder aus medizinischen Gründen erforderlich sei. Das sei etwa der Fall bei spezieller Krankenkost in einer auf Leiden im Magen-Darm-Bereich ausgerichteten Klinik. Eine allein aus sozialen Gründen motivierte Teilnahme am gemeinsamen Mittagessen reiche für eine Anerkennung als Arbeitsunfall nicht aus.
Die Aachener Richter wiesen damit die Klage eines Versicherten gegen die zuständige Berufsgenossenschaft ab. Der Mann war in der Kantine einer Rehaklink in der Nähe der Essensausgabe aus seinem Elektrorollstuhl gestürzt und hatte sich das Sprunggelenk gebrochen.
Az.: S 6 U 284/14
Speyer (epd). Besuchen Hartz-IV-Grundschüler in den Ferien eine mehrtägige Freizeit eines Schülerhortes, können sie sich die Kosten vom Jobcenter oder der zuständigen Kommune erstatten lassen. Denn bei der Hort-Freizeit handelt es sich um ein Bildungsangebot, bei dem die Aufwendungen zu übernehmen sind, entschied das Sozialgericht Speyer in einem am 3. März bekanntgegebenen Urteil.
Damit muss die Stadt Landau zwei Grundschülern eine viertägige Hort-Freizeit während der Osterferien bezahlen. Der Schülerhort ist an ihrer Grundschule angeschlossen.
Die im Hartz-IV-Bezug stehende Mutter beantragte bei der Stadt die Kostenübernahme in Höhe von jeweils 55 Euro. Doch die Kommune lehnte ab. Das Budget der Kinder für die soziale und kulturelle Teilhabe in der Gemeinschaft in Höhe von jeweils zehn Euro monatlich sei ausgeschöpft. Es werde bereits die Mitgliedschaft in einem Turnverein bezahlt. Um eine Bildungsmaßnahme, bei der die tatsächlichen Kosten zu übernehmen sind, handele es sich hier nicht. Denn die Freizeit finde ja in den Ferien statt.
Dies sah das Sozialgericht anders. Werde die Freizeit von einem Schülerhort für dessen reguläre Besucher veranstaltet, handele es sich um ein Bildungsangebot. Damit seien ohne weitere Prüfung - ähnlich wie bei Klassenfahrten - die Kosten zu übernehmen.
Az.: S 15 AS 857/15
Berlin (epd). Können sich Arbeitgeber und Betriebsrat bei geplanten Massenentlassungen nicht auf die Höhe der Abfindungen einigen, muss dies die eingeschaltete Einigungsstelle entscheiden. Sie darf dies nicht dem Arbeitgeber überlassen, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg in einem am 1. März verkündeten Urteil in Berlin. Es erklärte damit einen Sozialplan für die Fluggastabfertigung am Flughafen Tegel für unwirksam.
In einem Schiedsspruch der Einigungsstelle wurde zwar ein Topf für Abfindungen bestimmt. Wie dieses Geld verteilt werden sollte, sollte aber eine mit dem Arbeitgeber verbundene Gesellschaft festlegen. Dies akzeptierte das LAG nicht, denn damit habe die Einigungsstelle "ihren gesetzlichen Regelungsauftrag nicht erfüllt". Die Einigungsstelle muss daher neu über den Sozialplan entscheiden.
Az.: 9 TaBV 1519/15
Karlsruhe (epd). Die Zusatzversorgung von bis zu 1,7 Millionen Angestellten im öffentlichen Dienst unter 55 Jahren ist teilweise gleichheitswidrig und muss neu geregelt werden. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) am 9. März in Karlsruhe entschieden.
Die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) mit Sitz in Karlsruhe organisiert eine Altersversorgung für Angestellte im öffentlichen Dienst. Beteiligt sind der Bund, die Länder sowie zahlreiche kommunale und andere öffentliche Arbeitgeber. Versichert sind insgesamt 4,4 Millionen Arbeitnehmer, an 1,2 Millionen Ruheständler zahlt die VBL Leistungen aus. Zudem orientieren sich die kirchlichen Versorgungsträger an der VBL.
Hintergrund der jetzt vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fälle war eine Umstellung des VBL-Systems weg von einer Gesamtversorgung der Angestellten hin zu einem auf einem Punktemodell beruhenden beitragsorientierten Betriebsrentensystem. Die 2002 beschlossene Systemumstellung galt rückwirkend zum 31. Dezember 2001.
Angestellte, die bis dahin Rentenanwartschaften erworben hatten, erhielten mit dem neuen System sogenannte Startgutschriften, die die bis dahin gesammelten Anwartschaften berücksichtigen sollten. Am 14. November 2007 hatte der Bundesgerichtshof die Systemumstellung im Grundsatz zwar gebilligt. Erst spät in den öffentlichen Dienst eingetretene Angestellte seien aber bei der Ermittlung der Startgutschriften gleichheitswidrig benachteiligt worden, monierte das Gericht. Die VBL änderte daraufhin ihre Satzung, so dass "rentenferne Versicherte" unter 55 höhere Startgutschriften erhalten sollten.
Doch auch diese Änderung hatte vor dem BGH keinen Bestand. Die Rentenanwartschaften für alle Angestellten, die zum Zeitpunkt der Systemumstellung höchstens 55 Jahre alt waren, würden auch mit der Satzungsänderung nicht verbindlich festgelegt. Die Neuregelung würde immer noch eine Vielzahl Versicherter ungleich behandeln. Damit muss die Versorgungsanstalt ihre Satzung noch einmal ändern und die Startgutschriften verbindlicher festlegen.
Az.: IV ZR 9/15 und IV ZR 168/15 (BGH-Urteile vom 9. März 2016)
Az.: IV ZR 74/06 (BGH-Urteil vom 14. Novenmber 2007)
Hildesheim (epd). Der Diplom-Pädagoge und Sozialmanager hat dann eine doppelte Aufgabe zu bewältigen: Er leitet den größten Bereich des Mutterunternehmens und außerdem auch noch eine der Töchter, die Diakonische Wohnheime Himmelsthür gGmbH. Zu beiden Bereichen gehören insgesamt rund 700 stationäre und ambulante Wohn- und Assistenzangebote sowie knapp 300 Beschäftigungsplätze in der Tagesförderung, alle in Stadt und Landkreis Hildesheim gelegen.
Im April kann der bisherige Geschäftsführer der Diakonischen Wohnheime, Burghard Guschel, vollständig in den Ruhestand treten, nachdem er bereits vor einigen Monaten seine übrigen Geschäftsführungsaufgaben abgegeben hatte.
Wirges wird den 2009 begonnenen Konversionsprozess fortführen und steht mit seiner Person für Kontinuität: Seit 25 Jahren ist er in der Eingliederungshilfe und seit 17 Jahren in der Diakonie Himmelsthür tätig.
Kirsten Heisig (1961-2010), Jugendrichterin und Autorin, ist Namensgeberin eines Platzes in Berlin-Neukölln. Heisig habe nicht nur ein Herz für ihre Klientel gehabt, "sondern wusste auch Grenzen zu setzen", begründete das Neuköllner Bezirksamt die Entscheidung. Heisig war ab 2008 als Jugendrichterin am Amtsgericht Tiergarten für Neukölln zuständig. Die Juristin hatte sich im Sommer 2010 im Alter von 48 Jahren das Leben genommen. Bundesweit bekannt wurde sie durch das "Neuköllner Modell". Bei dem umstrittenen Verfahren kommen jugendliche Straftäter auch bei kleinen Delikten möglichst rasch vor Gericht. Damit soll die erzieherische Wirkung erhöht werden. Heisigs Lebensgeschichte wurde vor zwei Jahren von der ARD mit Martina Gedeck in der Hauptrolle verfilmt.
Walter Meng, der frühere Leiter der Stadtmission der Evangelischen Gesellschaft (eva) in Stuttgart, ist tot. Der Diakon starb im Alter von 89 Jahren am 7. März. Meng ließ sich nach dem Zweiten Weltkrieg auf der Ludwigsburger Karlshöhe zum Diakon und Gemeindehelfer ausbilden. Nach einer Station bei der Diakonischen Bezirksstelle in Schorndorf wechselte er als theologischer Referent zum Diakonischen Werk der EKD. Von 1974 bis zu seiner Pensionierung 1989 war er Leiter der Stadtmission. Meng gehört zu den Initiatoren der Telefonseelsorge in Deutschland.
Frieder Grau (65), Pfarrer und Theologischer Vorstand der Stiftung Karlshöhe Ludwigsburg, ist nach 14 Jahren im Amt in den Ruhestand getreten. In seiner Amtszeit wuchs die diakonische Stiftung von 480 auf fast 600 Mitarbeiter. Grau kam im Jahr 2002 zur Karlshöhe. Zehn Jahre war er im Verbandsrat des Diakonischen Werkes in Württemberg, dem gewählten Leitungsorgan des Verbandes, und in bundesweiten Gremien zum Diakonat. Seine Nachfolgerin auf der Karlshöhe wird ab 1. Juni die promovierte Theologin Dörte Bester (43), geschäftsführende Pfarrerin der Evangelischen Kirchengemeinde Aich-Neuenhaus (Kreis Esslingen).
Christian Weiß, Diplom-Betriebswirt, verstärkt als Landesreferent das Team der bpa-Landesgeschäftsstelle Bayern. Zuletzt war er in der Alten- und Behindertenhilfe tätig. Parallel dazu läuft seine Promotion an der Universität Bremen. Weiß war Mitautor der Studie "Rolle der privaten Anbieter in der Pflegeversorgung Deutschland", die im Vorjahr erschien.
Juliane von Krause, Frauenrechtlerin aus München, hat das Bundesverdienstkreuz am Bande erhalten. Die Auszeichnung wurde am 7. März von Bundespräsident Joachim Gauck vergeben. Juliane von Krause setze sich seit Jahrzehnten für die Belange und Rechte von Frauen und Mädchen vor allem in den Bereichen Menschenhandel, Zwangsverheiratung und Genitalverstümmelung ein. Sie ist Geschäftsführerin der ökumenischen Organisation "Stop dem Frauenhandel", die die Beratungsstelle JADWIGA für Opfer von Frauenhandel in München trägt. Außerdem engagiert sich von Krause in der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes.
Inge Danielzick (58) ist "Bremer Frau des Jahres". Die kirchliche Sozialexpertin erhielt die Auszeichnung für ihr Engagement für gleiche Rechte und Teilhabe für Frauen in allen Lebensbereichen. Danielzick leitet den Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt der Bremischen Evangelischen Kirche. Sie engagiert sich vor allem für alleinerziehende Frauen. Danielzick sagte, solange das Einkommen von Frauen in Bremen 23 Prozent unter dem der Männer liege, sei noch einiges zu tun. Der Titel "Bremer Frau des Jahres" wird vom Bremer Frauenausschuss vergeben.
Renate Krüger (81), Schweriner Schriftstellerin und Kunsthistorikerin, ist am 3. März in Neubrandenburg mit dem Siemerling-Sozialpreis der Dreikönigsstiftung ausgezeichnet worden. Krüger habe sich Zeit ihres Lebens für ihre Heimat und die katholische Kirche eingesetzt, sagte Justizstaatssekretärin Birgit Gärtner (CDU). Sie habe sich weder von der Schikane des DDR-Unrechtssystems noch von ausweglos erscheinenden Lebenslagen beirren lassen. Der Siemerling-Sozialpreis ist mit 10.000 Euro dotiert und wird seit 1994 vergeben. Damit ehrt die Neubrandenburger Dreikönigsstiftung "Menschen, die sich im besonderen Maße um christlich-humanistische, kulturelle oder soziale Werte verdient gemacht haben".
Michael Sommer (64), ehemaliger DGB-Vorsitzender, ist neu im ZDF-Verwaltungsrat. Der Fernsehrat wählte ihn in das Gremium, das den Haushalt des ZDF überwacht. Im Fernsehrat sitzt Sommer seit 2004, seit vier Jahren ist er stellvertretender Vorsitzender. Von 2002 bis 2014 war Sommer Bundesvorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB).
März
15.3. Münster:
Seminar "Abschluss von Vereinbarungen nach §§ 75 ff. SGB XII für Einrichtungen der Eingliederungshilfe"
der BPG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Tel.: 0251/48204-12
http://www.bpg-muenster.de/seminarangebote-bpg-unternehmensgruppe
16.3. Münster:
Weiterbildung "Jenseits von Fernsehkrimis - der Beitrag der Rechtsmedizin in Fällen der von Kindeswohlgefährdung"
der Fachhochschule Münster
Tel.: 0251/8364090
www.fh-muenster.de/weiterbildung-sozialwesen
16.-17.3. Berlin:
Fachtag "Europa in der Krise, Europa als Chance für jungen Menschen mit erhöhtem Förderbedarf"
der Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelischer Jugendsozialarbeit in Zusammenarbeit mit der EuropaBeratungBerlin
Tel.: 0711/1648922
www.bagejsa.de
17.-18.3. Berlin:
Kongress "Armut und Gesundheit"
des Vereins Gesundheit Berlin-Brandenburg
Tel.: 030/44319073
April
4.-6.4. Hannover:
Tagung "Unterstützung für Eltern mit Behinderung - Elternassistenz und Begleitete Elternschaft als Hilfen der Eingliederungshilfe und Jugendhilfe"
des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge
Tel.: 030/629800
www.deutscher-verein.de
4.-8.4. Freiburg:
Seminar "Konfliktmanagement als Führungsaufgabe"
der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes
Tel.: 0761/2001700
6.-8.4. Bergisch-Gladbach:
Fachtagung "Stabilisierung in unstabilen Zeiten: mit traumatisierten Menschen stabilisierend arbeiten"
des SkF-Gesamtvereins
Tel.: 0231/55702613
www.skf-zentrale.de
7.4. Bamberg:
Fortbildung "SGB II: Urteile aus dem Sozialrecht"
des Caritasverbandes für die Erzdiözese Bamberg
Tel.: 0951/8604406
www.caritas-bamberg.de
8.4. Neumünster:
Seminar "Sexualität in der Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz"
des Kompetenzzentrums Demenz
Tel.: 040/60926420
www.demenz-sh.de
8.-9.4. Dresden:
Interprofessioneller Gesundheitskongress "Viele Professionen - ein Patient!"
der Springer Medizin Verlag GmbH
www.gesundheitskongresse.de
9.4. Berlin:
Symposium "Pflegequalität in der Notfallpflege"
des DBfK Nordost
Tel.: 030/208987260
www.dbfk.de
11.4. Hamburg:
Seminar "Einführung ins Online-Fundraising"
der Paritätischen Akademie Nord
Tel.: 040/41520166
www.paritaet-hamburg.de
12.-13.4. Fulda:
Fachtagung "Trauma Flucht. Erziehungsberatung im Netzwerk der Hilfen"
der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung
Tel.: 0911/977140
wwwbke.de
13.4. Frankfurt a.M.:
Fachtagung "Integration von minderjährigen unbegleiteten Jugendlichen in der Kinder- und Jugendhilfe"
des Instituts für Sozialarbeit und Sozialpädagogik
Tel.: 069/95789-153
www.iss-ffm.de
14.-15.4. Berlin:
Fachtagung "Flüchtlingsfamilien im Schatten der Hilfe? Geflüchtete Minderjährige und ihre Familien in Deutschland"
des Deutschen Instituts für Urbanistik
Tel.:03039001139
www.fachtagung-jugendhilfe.de
14.-16.4. Kassel:
Christlicher Gesundheitskongress "Zeichen setzen - heilen und begleiten in Gesundheitswesen und Gemeinde"
Tel.: 04104/9170934
www.christlicher-gesundheitskongress.de
15.4. Berlin:
Fortbildung "Rechtliche Aspekte der Pflegedokumentation"
des DBfK Nordost
Tel.: 030/208987260
19.4. Berlin:
Fortbildung "Transkulturalität in der Pflege- Kompetenzerwerb oder Bedienungsanleitung für Menschen aus anderen Kulturen"
des DBfK Nordost
Tel.: 030/208987260
20.-21.4. Frankfurt a.M.:
Messe und Kongress "Zukunft Lebensräume"
der Messe Frankfurt Exhibition GmbH
Tel.: 069/75750
www.zukunft-lebensraeume.de
26.4. Kassel
Fachtag "Die Pflegestärkungsgesetze - Ambulant und stationär, statt ambulant vor stationär!"
der diakonischen Fachverbände DEVAP und VdDD
Fax: 030/83001-25277
www.devap.info
27.4. Berlin
Strategieworkshop Krankenhaus "Stark aufgestellt für die Zukunft"
der Evangelischen Bank eG
Tel.: 0431/6632-1321
www.eb.de
28.-29.4. Eichstätt:
Fachtagung "Ökonomie und Management der Sozialimmobilie"
der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt
Tel.: 08421/9321673
www.ku.de/swf/ncs
Mai
17.-20.5. Hamburg:
Suchttherapietage "Diagnose - Hilfe oder Etikett?"
des Zentrums für Interdisziplinierte Suchtforschung
Tel.: 040/741054203
www.suchttherapietage.de