sozial-Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser,




Dirk Baas
epd-bild/Heike Lyding

die Debatte ist eröffnet: Erste Entwürfe für ein Gesetz zur Neuregelung der Suizidassistenz liegen auf dem Tisch. Mehrere Bundestagsabgeordnete schlagen vor, sie zu erlauben, sofern eine bindende Beratung erfolgt ist. Das stößt erwartungsgemäß auf Kritik. Derweil gehen die innerkirchlichen Debatten weiter. Der Vorstandsvorsitzende und Rektor von Diakoneo, Mathias Hartmann, wirbt für eine differenzierte Haltung in Kirche und Diakonie. Man dürfe Menschen mit dem Wunsch zu sterben nicht aus grundsätzlichen Überlegungen heraus mit ihrer Situation alleine lassen. Die evangelische Theologin Petra Bahr und der Kirchenrechtler Hans Michael Heinig fordern eine "gründliche innerkirchliche Debatte" zur Sterbehilfe, die über die theologische Diskussion hinausgehe, und auch andere Disziplinen einbeziehen.

Nachdem im Dezember der Vermittlungsausschuss einen Kompromiss gefunden hat, gilt ab dem 1. April das "Gesetz zur Verbesserung der Hilfen für Familien bei der Adoption". Es gilt unter Experten als Meilenstein, denn die Begleitung aller an einer Adoption Beteiligten vor, während und nach einer Adoption wird verbessert. Aus der Praxis berichtet Roswitha Göcke im Interview mit epd sozial, was sich wie zum Guten wenden soll.

Die Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche hat sich mit der Gewerkschaft ver.di auf einen Tarifvertrag in der Altenpflege geeinigt. Das könnte ein wichtiges Etappenziel auf dem Weg zu einem flächendeckenden Tarifvertrag sein - und damit vor allem zu merklich höheren Löhnen sein. Die Betonung liegt auf "könnte". Denn Widerstand gegen das aus verschiedenen Gründen höchst umstrittene Vorhaben formiert sich schon. Pflege-Arbeitgeber kündigten Klage gegen den Tarifvertrag an.

Die Mühlen der Bürokratie mahlen bekanntlich langsam. Doch darunter müssen behinderte Menschen, die ein Persönliches Budget nutzen, nun nicht mehr leiden. Das Bundesozialgericht hat entschieden, dass sie die Eingliederungshilfeleistung nur einmal beantragen müssen und dann gilt die Bewilligung ohne jede Befristung.

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Dirk Baas




sozial-Thema

Sterbehilfe

Interview

Diakoneo-Rektor: Assistierten Suizid nicht grundsätzlich ablehnen




Mathias Hartmann
epd-bild/Giulia Iannicelli
Im Interview mit dem epd bekräftigt Diakoneo-Chef Mathias Hartmann seine Position, dass es Suizidassistenz als Regelleistung in seinem diakonischen Unternehmen nicht geben werde. Aber er wirbt auch dafür, stets den Menschen und seine individuellen Bedürfnisse nicht aus den Augen zu verlieren - was in Einzelfällen durchaus zur Suizidhilfe führen könne.

In Kirche und Gesellschaft wird energisch über den assistierten Suizid diskutiert. Der Vorstandsvorsitzende und Rektor von Diakoneo, Mathias Hartmann, warnt dabei vor einer starken Polarisierung der Debatte und wirbt für eine differenzierte Haltung in Kirche und Diakonie. Man dürfe Menschen mit dem Wunsch zu sterben nicht aus grundsätzlichen Überlegungen heraus mit ihrer Situation alleine lassen, betonte der Chef des fünftgrößten evangelischen Sozialunternehmens in Deutschland. Die Fragen stellte Daniel Staffen-Quandt.

epd sozial: Herr Hartmann, seit Wochen wird über den assistierten Suizid debattiert. Wie nehmen Sie die Diskussion wahr?

Mathias Hartmann: In der Debatte wird gerade sehr stark polarisiert - entweder man ist ganz gegen den assistierten Suizid oder ganz dafür. Die Debatte ist aber komplexer, sie braucht sensible und ausgewogene Positionen. Gerade wenn sich die Diakonie dieser Diskussion öffnet, kann ihre Position doch nur eine differenzierte sein. Ich bin Diakonie-Präsident Ulrich Lilie, Reiner Anselm und Isolde Karle dankbar für ihren Anstoß.

epd: Sie haben sich explizit an die Seite der drei genannten Theologen gestellt. Weshalb ist ihnen das wichtig?

Hartmann: Diese differenzierte Sichtweise der drei macht deutlich, dass es in der Gesellschaft einen Bewusstseinswandel über das Lebensende gegeben hat, dem sich Kirche und Diakonie stellen müssen. Wir haben eine Entwicklung in der Medizin, die Leben auch noch unter extrem schwierigen Bedingungen möglich macht - eine tolle Entwicklung, das bezweifle ich nicht. Das wirft jedoch auch die Frage nach der Selbstbestimmung am Ende des eigenen Lebens auf, die viele nicht aus der Hand geben wollen.

epd: Sie sagen, ein "Regelangebot" soll der assistierte Suizid bei Diakoneo nicht sein - möglich sein soll er aber schon. Klingt nach "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass"...

Hartmann: Wir werden sicher nicht mit dem assistierten Suizid als eine Art ganz normaler Dienstleistung werben. Das wäre für mich ein "Regelangebot". Ein assistierter Suizid kann immer nur eine ganz individuelle Entscheidung eines Menschen sein. Da braucht es viele Menschen, die beraten und begleiten - und dann wollen wir ausdrücklich nicht ausschließen, dass das auch in unseren Einrichtungen geschehen kann. Wir wollen diese Menschen, die uns als Diakoneo vertrauen und in unseren Einrichtungen leben, weiter begleiten, auch mit ihrem Sterbenswunsch.

epd: Herr Hartmann, zugespitzt gefragt: Ein Gift-Cocktail im Diakoneo-Seniorenheim, das ist für Sie also denkbar?

Hartmann: Ich kann mir vorstellen, dass in einem Diakoneo-Seniorenheim ein assistierter Suizid zugelassen werden kann - weil das Leben und Sterben vielfältig ist. Der Anstoß von Lilie, Anselm und Karle hat gezeigt, dass solch ein Angebot auch aus christlich-ethischer Perspektive möglich ist. Kirche und Diakonie müssen nach meiner Meinung das Selbstbestimmungsrecht der Menschen in allen Lebensphasen achten. Es bleiben natürlich offene Fragen, die vor allen Dingen der Gesetzgeber jetzt zügig regeln muss: Wer "überprüft" diesen Wunsch? Wer dokumentiert ihn? Wer stellt sich dem Betroffenen helfend zur Seite?

epd: Man hat den Eindruck, dass dieses Thema zu emotional diskutiert wird und eine Annäherung nicht möglich ist. Oder?

Hartmann: Man muss bei diesem Thema schon zulassen, dass Emotionen dabei sind. Jeder hat Angehörige, jeder denkt selbst über seinen Tod nach - dass das ein emotionales Thema ist, steht außerfrage. Wichtig ist nur, dass man nicht polarisiert, sondern dass man eben auch andere begründete Meinungen zulässt. Dass man differenziert diskutiert und gemeinsam eine Lösung sucht.

epd: Jemanden mit der Empörungshaltung "Wie können Sie nur darüber nachdenken" werden Sie so nicht an den Tisch kriegen...

Hartmann: Eine solche Haltung hilft ja keinem weiter, wenn man mal ehrlich ist. Das Bundesverfassungsgericht hat vergangenen Februar nun einmal das bis dahin geltende Verbot organisierter Sterbehilfe gekippt. Sich auf eine Maximalposition zurückzuziehen und alleine eine Debatte über das Thema abzulehnen, hilft weder den Menschen noch ist es aus meiner Sicht theologisch haltbar. Daher finde ich auch die offizielle Haltung der Katholischen Kirche dazu schade.

epd: Lassen Sie uns auf die NS-Vergangenheit der Diakonie blicken. Verbietet die nicht geradezu Ihre Positionierung?

Hartmann: Unsere schuldbeladene Geschichte verbietet keine Positionierung, sie gebietet jedoch eine differenzierte Sichtweise. Wir müssen alles vermeiden, was Menschen unter Druck setzt, einen Suizid tatsächlich ins Auge zu fassen. Wenn Menschen dies aber selbstbestimmt tun - und das muss ganz klar sein -, dann darf von außen keine Beurteilung kommen, ob dieser Wunsch eines Menschen angemessen oder unangemessen ist. Kirche und Diakonie haben hier ganz klar eine Wächterfunktion.

epd: Wie soll das konkret aussehen? Ebnen Sie Sterbehilfe-Organisationen im Einzelfall den Weg in Ihre Einrichtungen?

Hartmann: Zunächst einmal erwarte ich, dass der Bundestag nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zügig zu einer praktikablen Entscheidung kommt. Wir brauchen klare Regeln, wie diese Selbstbestimmungsrecht zu prüfen ist, dass Missbrauch ausgeschlossen ist. Kirche und Diakonie sollten diese staatliche Regelung genau unter die Lupe nehmen, ob sie wirklich einen "Druck von außen" auf die Betroffenen verhindert. Sollte dies gegeben sein, wird es zumindest bei Diakone kein "Schema F" geben, sondern jeweils eine individuelle Begleitung.

epd: Nachgefragt: Sollten Diakoneo-Mitarbeiter den Kontakt zu Sterbehelfern herstellen? Oder sie nur "hineinlassen"?

Hartmann: Unsere Mitarbeiter sollen eine Orientierung erhalten. Aber um es ganz klar zu sagen: Sterbehilfe wird nie eine unserer Dienstleistungen sein - aber wir wollen sie im Einzelfall auch nicht grundsätzlich verhindern. Wir werden Menschen, die in unseren Einrichtungen leben und diesen Wunsch haben, weiter begleiten. Wir werden sie beraten, werden ihnen andere Möglichkeiten und Hilfen für ihre Zukunft aufzeigen. Aber sollte deren Sterbewunsch bestehen bleiben, akzeptieren wir das.

epd: Was ist mit dem Behindertenbereich? Der Jugendhilfe für junge Erwachsene? Gilt Ihre Haltung dort auch?

Hartmann: Einen assistierten Suizid kann es in einer Diakoneo-Einrichtung nur für jene Menschen geben, die ihr Selbstbestimmungsrecht selbst ausüben können. Dies ist zwar grundsätzlich auch bei einer geistigen Behinderung oder psychischen Erkrankung der Fall. Hier ist aber besondere Sorgfalt vonnöten, wenn es zu einem solchen Wunsch kommt.

epd: Was wäre die Alternative zu Ihrer Haltung? Sterbewillige aus Diakoneo-Einrichtungen verweisen?

Hartmann: Nun, diese Frage stellt sich ja bei uns gerade nicht. Aber wenn sie jetzt die klar ablehnende Haltung der Katholischen Kirche nehmen: Dort wird es in katholisch getragenen Heimen diese Möglichkeit eines assistierten Suizids einfach nicht geben. Punkt. Dann müssen die betroffenen Menschen sich anderswo einen Ort und Hilfe suchen. Das halte ich für problematisch. Es ist unser christlicher Auftrag, Menschen in diesen Situationen zu begleiten und nicht alleine zu lassen.



Sterbehilfe

Nationale Suizidprävention kritisiert Vorschlag zur Suizidassistenz



Erste Gesetzentwürfe zur Regelung der Suizidassistenz liegen auf dem Tisch. Sie sehen eine unterschiedlich ausgestaltete Beratungspflicht vor, danach sollen Sterbewillige ein tödliches Medikament bekommen können. Doch der Plan stößt auf Kritik.

Das Nationale Suizidpräventionsprogramm für Deutschland hat den Gesetzesvorschlag der Bundestagsabgeordneten Katrin Helling-Plahr (FDP), Karl Lauterbach (SPD) und Petra Sitte (Linke) zur Suizidhilfe kritisiert. Eine Beratungslösung ähnlich einer Schwangerschaftskonfliktberatung werde dem komplexen Erleben von Menschen mit Suizidgedanken nicht gerecht, sagte Reinhard Lindner, Leiter des Nationalen Präventionsprogramms, am 30. Januar in Kassel. Aus der Suizidforschung sei zudem bekannt, dass die meisten Menschen, die einen Suizid versucht hätten, die dahinter stehenden Probleme nach einem längeren Zeitraum hätten bewältigen konnten.

Die drei Parlamentarier hatten am 29. Januar in Berlin einen Gesetzentwurf vorgestellt, der es Ärzten erlauben soll, Sterbewilligen tödlich wirkende Medikamente zu verschreiben. Zugleich soll über eine Pflichtberatung sichergestellt werden, dass der Sterbewunsch aus freiem Willen erfolgt. "Wir stellen klar, dass jeder ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben hat", sagte Helling-Plahr.

Gericht kippte Gesetz aus dem Jahr 2015

Mit dem Gesetzentwurf reagieren die Abgeordneten auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem vergangenen Jahr. Die Karlsruher Richter kippten das 2015 verabschiedete Verbot der organisierten - sogenannten geschäftsmäßigen - Suizidassistenz, weil nach ihrer Ansicht das Recht auf selbstbestimmtes Sterben das Recht einschließt, sich das Leben zu nehmen und dabei die Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen. Damit scheiterte der Versuch der Politik, die Arbeit von Sterbehilfeorganisationen zu unterbinden.

Reinhard Lindner betonte, es gebe kein wissenschaftlich fundiertes Instrumentarium zur Erfassung von "Freiverantwortlichkeit" und eines "autonom gebildeten Willens" eines Menschen und keine praktisch umsetzbare Möglichkeit, diese sicher festzustellen. Menschen mit Suizidgedanken benötigten Angebote des offenen, akzeptierenden und nicht wertenden Gesprächs in einer vertrauensvollen Beziehung. Diese sei bei einer gesetzlich vorgeschriebenen Beratung für den Zugang zu Suizidmitteln nicht herstellbar.

"Tödliches Mittel ist keine Uterstützung"

Menschen mit Suizidgedanken brauchten Unterstützung durch bewährte und vielfältige Möglichkeiten der Suizidprävention. Diese seien wissenschaftlich evaluiert und müssten weiter ausgebaut und gefördert werden. "Das Angebot eines tödlichen Mittels ist keine Unterstützung", erklärte Lindner.

Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz, die gegen organisierte Suizidassistenz ist, ist unzufrieden. Selbst staatlich legitimierte Beratungsstellen könnten nicht feststellen, ob ein freier Wille autonom gebildet wurde, erklärte Vorstand Eugen Brysch: "Dafür taugen weder Checklisten noch Fristen oder unbestimmte Rechtsbegriffe. Allein der Betroffene selbst hat die Chance, zwischen einer autonomen und nicht autonomen Willensbildung zu unterscheiden. Deshalb kann es durch staatliche Beratung kein Suizid-Siegel geben." Zudem sei es höchst gefährlich, Tötungsmittel abzugeben, die dann unkontrolliert und ungesichert in die Hände Dritter geraten werden. Er forderte, Suizidassistenz gegen Bezahlung unter Strafe zu stellen. Nach Ansicht der Abgeordnetengruppe ist das durch das Verfassungsgerichtsurteil aber nicht mehr möglich.

Corinna Buschow


Sterbehilfe

Hintergrund: Worum es geht



Als Sterbehilfe wird jede Form der Unterstützung beim Sterben verstanden - von der Befreiung von Schmerzen bis zur aktiven Tötung. Meist wird zwischen passiver, indirekter und aktiver Sterbehilfe unterschieden. Der Deutsche Ethikrat hält diese Begriffe allerdings für nicht trennscharf genug. In einer Stellungnahme aus dem Jahr 2006 differenziert er zwischen Sterbebegleitung, Sterbenlassen, Tötung auf Verlangen - und dem Spezialfall assistierter Suizid, um den es in der aktuellen Diskussion geht.

Unter Sterbenlassen wird verstanden, wenn lebensverlängernde Maßnahmen bei todkranken Patienten reduziert oder abgebrochen werden. Das kann das Einstellen der künstlichen Beatmung oder Ernährung sein. Das Sterbenlassen ist straffrei und sogar rechtlich geboten, wenn der Patient dies vorher geäußert oder veranlasst hat.

Tötung auf Verlangen

Unter Sterbebegleitung fasst der Ethikrat alle Therapien, die am Lebensende Schmerzen und Leiden lindern helfen. Darunter fallen auch Therapien, bei der die schmerzlindernde Medikation dazu führt, dass der Kranke schneller stirbt - früher als indirekte Sterbehilfe bezeichnet. Sie gilt als weitgehend zulässig.

Wer einem Sterbewilligen ein Medikament verabreicht, etwa spritzt, begeht Tötung auf Verlangen - und damit aktive Sterbehilfe. Sie ist in Deutschland nach Paragraf 216 strafbar. Tötung auf Verlangen wird mit mindestens sechs Monaten und höchstens fünf Jahren Gefängnisstrafe geahndet.

Beim Sonderfall assistierter Suizid wird einem Sterbewilligen ein todbringendes Mittel überlassen, nicht aber verabreicht. Weil der Betroffene die Handlung selbst begeht und der Suizid in Deutschland nicht strafbar ist, ist auch die Hilfe dabei nicht illegal. Dies stellte das Bundesverfassungsgericht im vergangenen Jahr klar, als es das 2015 verabschiedete Gesetz zum Verbot der "geschäftsmäßigen" Suizidbeihilfe kippte.

Das bis dahin geltende Gesetz zielte auf die auf Wiederholung angelegte Hilfe bei der Selbsttötung durch Sterbehilfeorganisationen. Die Karlsruher Richter urteilten am 26. Februar 2020, das Recht auf selbstbestimmtes Sterben schließe das Recht ein, sich das Leben zu nehmen und dabei die Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen. Sie ließen aber erkennen, dass sie neue Regelungen für sinnvoll halten, etwa um sicherzustellen, dass die Entscheidung für die Selbsttötung wirklich aus freien Stücken erfolgt und nicht Folge einer psychischen Erkrankung oder eines Drucks von außen ist.



Sterbehilfe

Rat der EKD debattiert über Suizidassistenz



Nach der unter anderem von Theologen angestoßen Debatte um die Position der evangelischen Kirche zur Suizidassistenz hat sich der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am 30. Januar mit dem Thema befasst. In der rund dreistündigen Diskussion sei es um ethisch-theologische Überlegungen sowie rechtliche und praktische Fragen gegangen, die durch das Bundesverfassungsgerichtsurteil vom vergangenen Jahr aufgeworfen worden seien, schrieb der Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm anschließend auf seiner Facebook-Seite.

Er bekräftigte dort seine Haltung, wonach der Lebensschutz Vorrang habe. Zugleich räumte er Dilemmasituationen ein, "für deren Bewältigung derzeit keine eindeutigen Antworten und Regelungen bestehen".

Bundesverfassungsgericht kippte Verbot

Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar 2020 das 2015 verabschiedete Verbot der organisierten - sogenannten geschäftsmäßigen - Suizidassistenz gekippt. Nach Ansicht der Richter umfasst das Recht auf selbstbestimmtes Sterben die Freiheit, sich das Leben zu nehmen, und erlaube dabei auch die Hilfe Dritter.

Katholische und evangelische Kirche hatten das Urteil kritisiert. Mit einem Gastbeitrag prominenter Vertreter der evangelischen Kirche in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", in dem gefordert wurde, Suizidassistenz für evangelische Einrichtungen nicht komplett auszuschließen, wurde eine neue Debatte über diese Position entfacht. Die Autoren des Beitrags sind Diakonie-Präsident Ulrich Lilie, der Theologe Reiner Anselm, die Theologin Isolde Karle, der hannoversche Landesbischof Ralf Meister, der Palliativmediziner Friedemann Nauck und der Jurist Jacob Joussen, der dem Rat der EKD angehört.

Gegen assistierten Suizid als "normale Leistung"

An der digitalen Ratssitzung nahmen Bedford-Strohm zufolge Lilie und Anselm teil. Der Ratsvorsitzende betonte im Anschluss, der assistierte Suizid dürfe nicht zu einer normalen Option unter anderen werden. Zugleich müssten Kirche und Diakonie Menschen gerade in Grenzsituationen seelsorgerlich beraten und begleiten. Übereinstimmung habe es in dem Punkt gegeben, dass die Diakonie durch die Bereitstellung palliativer Versorgung, Seelsorge, Beratung und die Arbeit der Hospize Suizide zu verhindern versucht. Eine Beratung in diakonischen und evangelischen Einrichtungen sei "immer eine Beratung zum Leben und kann nicht neutral bleiben", schrieb er.

Die Diskussion innerhalb der evangelischen Kirche ist damit nicht abgeschlossen. Auch in der Politik wird über Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts erneut debattiert. Am 29. Januar wurden erste Gesetzentwürfe veröffentlicht mit konkreten Plänen, wie der Zugang zu tödlich wirkenden Mitteln für die Selbsttötung künftig reguliert werden könnte.



Sterbehilfe

Bahr und Heinig: Gründliche innerevangelische Debatte zu Sterbehilfe



Die evangelische Theologin Petra Bahr und der Kirchenrechtler Hans Michael Heinig fordern eine "gründliche innerkirchliche Debatte" zur Sterbehilfe. Diese Debatte müsse Perspektiven bieten, die über die theologische Diskussion hinausgingen, und auch andere Disziplinen einbeziehen, schreibt das Ehepaar in einem Gastbeitrag in der "Zeit"-Beilage "Christ & Welt", die am 4. Februar erschien. Medizinerinnen und Einrichtungsleitungen, Juristen, Pflegekräfte und Psychologinnen, Fachvertreter aus der Gerontopsychiatrie und Traumaforschung müssten miteinbezogen werden, fordern sie.

Bahr ist Mitglied des Deutschen Ethikrats, ihr Ehemann ist Professor für Öffentliches Recht, mit Schwerpunkt Kirchenrecht, an der Universität Göttingen. Sie beziehen sich in ihrem Beitrag auf einen Vorstoß mehrerer evangelischer Autoren, darunter auch des Diakonie-Präsidenten Ulrich Lilie und des hannoverschen Landesbischofs Ralf Meister, die sich ebenfalls in einem Gastbeitrag in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" für die Möglichkeit der Suizidassistenz auch in diakonischen und kirchlichen Einrichtungen ausgesprochen hatten.

Ausgelöst wurde die Debatte durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 2020, das das Verbot organisierter - sogenannter geschäftsmäßiger - Hilfe bei der Selbsttötung kippte, das 2015 vom Bundestag beschlossen worden war. Offiziell lehnen die evangelische und die katholische Kirche die Suizidassistenz ab - unabhängig davon, in welcher Einrichtung sie stattfindet.

Garantien für kirchliche Einrichtungen angeregt

Bahr und Heinig kritisieren, dass in der Debatte bislang nicht unterschiedliche Perspektiven aus Theorie und Praxis zusammengeführt würden, sondern "nach Bekenntnissen gefragt" werde: "'Team Lebensschutz' oder 'Team Selbstbestimmung'?" Sie schreiben, sie hätten es befürwortet, wenn schon im vergangenen Sommer eine evangelische, interdisziplinäre Kommission Kernelemente eines Gesetzentwurfs erarbeitet hätte. Sie fordern eine gesetzliche Garantie, "dass Einrichtungen in religiöser Trägerschaft auch die Möglichkeit verbleibt, sich als 'safe spaces' zu definieren, in denen niemand mit Angeboten der Suizidhilfe konfrontiert wird".

Eine kirchliche Positionierung könne nicht bei religiös konnotierten Grundaussagen über Freiheit, Gottesliebe und Würde stehen bleiben. Sie habe sich der ebenso anspruchsvollen wie mühsamen Betrachtung der Details zu stellen, der Lebensumstände, der unterschiedlichen Formen von psychischem und physischem Leidensdruck samt der Bilder vom gelingenden oder nicht mehr gelingenden Leben, die gesellschaftlich und kirchlich eingeübt würden, schreiben Bahr und Heinig.



Sterbehilfe

Christliche Ärzte mahnen Schutz psychisch Kranker an



Ein Zusammenschluss christlicher Mediziner mahnt dazu, bei einer gesetzlichen Neuregelung der Suizidbeihilfe psychisch Kranke und besonders verletzliche Menschen ausreichend zu schützen. Es bestehe die große Gefahr, das in der Reaktion des Gesetzgebers auf das Verfassungsgerichtsurteil vom Februar 2020 insbesondere vulnerable Bevölkerungsgruppen, Minderheiten sowie Menschen mit körperlichen und seelischen Einschränkungen und Belastungen nicht ausreichend geschützt werden können, erklärte die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Mediziner am 1. Februar in Marburg.

Am 29. Januar haben Bundestagsabgeordnete erste Gesetzentwürfe veröffentlicht mit konkreten Plänen, wie der Zugang zu tödlich wirkenden Mitteln für die Selbsttötung künftig reguliert werden könnte.

Staat soll Grundrecht auf Leben schützen

Die christlichen Mediziner weisen nach eigenen Angaben in einem Schreiben an alle Abgeordneten darauf hin, dass der Staat die Aufgabe habe, das Grundrecht auf Leben zu schützen. In Deutschland gebe es jährlich rund 100.000 Suizidversuche mit etwa 10.000 vollzogenen Suiziden. Von diesen seien rund 90 Prozent Ausdruck einer akuten Belastung oder psychiatrischen Erkrankung.

"Wir brauchen dringen eine breit und langfristig angelegte Initiative zur nachhaltigen Suizidprävention", sagte der Psychiater und Psychotherapeut Oliver Dodt. In den schweren Ausnahmesituationen psychischer Erkrankungen bräuchten Menschen Begleitung, einen niederschwelligen Zugang zu professionaler Unterstützung und Therapie.

Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Mediziner (ACM) forderte eine deutliche Abgrenzung der Suizidbeihilfe zur Tötung auf Verlangen, die strafbar ist. Zugleich wirbt sie für klare Regelungen zur Sicherstellung einer tatsächlich autonomen Entscheidung zur Suizidbeihilfe, die nicht manipuliert oder aus einer Belastungssituation heraus gefällt werden dürfe. Die ACM gehört zur SMD, einem Netzwerk von Christen in Schule, Hochschule und akademischer Berufswelt.




sozial-Politik

Corona

Sozialverband: "Armutspolitisches Trauerspiel" im Koalitionsausschuss




Viele Bedürftige leben von Hartz IV und sind auf die Tafeln angewiesen, wie hier in Frankfurt am Main. Sie bekommen jetzt eine Einmalzahlung.
epd-bild/Heike Lyding
Sozialverbände und Opposition zeigen sich mit den im Koalitionsausschuss am 3. Februar beschlossenen Corona-Hilfen für Menschen in Armut unzufrieden. Eine Einmalzahlung von 150 Euro für Bezieher der Grundsicherung sei viel zu wenig, kritisieren sie. Doch es gibt auch Zustimmung.

Als absolut unzureichend kritisieren Sozialverbände die vom Koalitionsausschuss am am 3. Februar in Berlin beschlossene Einmalzahlung in Höhe von 150 Euro für Bezieher von Grundsicherung. Nötig wäre stattdessen ein monatlicher Zuschuss für die Dauer der Corona-Krise, um die Mehrbelastungen auch nur annähernd auszugleichen, erklärten der Sozialverband VdK und der Paritätische Wohlfahrtsverband am 4. Februar in Berlin. Zufrieden zeigte sich der Deutsche Kinderschutzbund.

Die Regelsätze in Hartz IV und Altersgrundsicherung reichten nicht einmal aus, um unabhängig von Corona die Grundbedarfe zu decken, so die Kritik. Gemeinsam mit über 30 weiteren bundesweiten Verbänden und Gewerkschaften fordern der Paritätische und der VdK eine Anhebung der Regelsätze auf mindestens 600 Euro und für die Dauer der Krise zusätzlich einen pauschalen Mehrbedarfszuschlag von 100 Euro pro Monat.

Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, sagte der Düsseldorfer "Rheinischen Post": "Sinnvoller wäre ein monatlicher Zuschuss von 100 Euro gewesen, denn die Pandemie und ihre Kosten werden uns alle noch ein paar Monate begleiten." Derzeit beträgt der Regelsatz für einen alleinstehenden Erwachsenen 446 Euro.

Enttäuschung beim Paritätischen

Die beschlossene Einmalzahlung von 150 Euro für Kinder sei gut für Familien über der Armutsgrenze, sagte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Ulrich Schneider. "Für Beziehende von Hartz IV und Altersgrundsicherung bleibt es weit hinter dem zurück, was wirklich Not tut. Die Krisenbewältigung der großen Koalition bleibt ein armutspolitisches Trauerspiel", kritisierte er.

Schneider nannte es beschämend, dass die Bundesregierung die Not der Armen in dieser Krise monatelang ignoriert habe und "die Menschen nun mit 150 Euro abspeist". Er wies außerdem darauf hin, dass die angekündigten Gutscheine für zehn FFP2-Masken bisher nicht bei den armen Menschen angekommen seien.

"Nach der verpassten bedarfsgerechten Anhebung der Regelsätze zum Anfang dieses Jahres und der noch immer fehlenden Verordnung zur Verteilung der angekündigten Gutscheine für zehn kostenlose FFP2-Masken bleibt die große Koalition ihrer armutspolitischen Realitätsverweigerung treu", sagte Birgit Eckhardt, die Vorsitzende des Paritätischen Niedersachsen. Wer in der Krise immer wieder an die Solidarität und den gesellschaftlichen Zusammenhalt appelliere, müsse die unzureichenden Regelsätze und die coronabedingten Mehrbelastungen endlich anerkennen und dürfe die Armen mit ihrer Not und ihren Sorgen nicht allein lassen.

Leichterer Zugang zur Grundsicherung

Bentele begrüßte, dass Selbstständigen und Beschäftigten mit kleinen Einkommen in der Corona-Krise der Zugang zur Grundsicherung erleichtert werde. "Schön wäre, wenn sich die Politik durchringen könnte, den Zugang dauerhaft zu erleichtern", fügte sie hinzu.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hob positiv hervor, dass nun die Jobcenter einspringen, wenn ein Laptop oder ein Internetanschluss fürs Home-Schooling fehlen. "Das hilft den Betroffenen ganz sicher weiter", sagte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel. Zugleich sagte sie aber auch: "Die Höhe dieser Hilfen ist insgesamt viel zu gering, eine einmalige 150-Euro-Hilfe bleibt Lichtjahre hinter den tatsächlichen monatlich wiederkehrenden Mehrkosten in der Corona-Krise zurück. Langfristig braucht es größere Reformen, um Armut abzuwenden."

Kinderschutzbund zeigt sich zufrieden

Der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, begrüßte die Beschlüsse. "Ich bin positiv überrascht. Der Kinderbonus in Höhe von 150 Euro ist eine wichtige Hilfe für alle Familien", sagte er der "Rheinischen Post". Auch den einmaligen Corona-Zuschuss für erwachsene Hartz-IV-Empfänger bewertete er positiv. "Auch die Unterstützung in Höhe von 150 Euro für erwachsene Menschen, die von Grundsicherung leben, ist dringend notwendig. Das wiegt nicht alle Belastungen auf, die durch die Pandemie entstanden sind, ist aber ein guter Beitrag."

Ähnlich äußerte sich die Diakonie Niedersachsen: "Endlich gute Neuigkeiten aus Berlin. Bei vielen Familien hat die Corona-Pandemie zu großen Existenznöten geführt. Mit dem Kinderbonus bekommen Familien mit Kindern nun die finanzielle Unterstützung, die sie akut brauchen", sagte Hans-Joachim Lenke, Vorstandssprecher der Diakonie in Niedersachsen. Gerade für Kinder aus einkommensarmen Familien machten diese 150 Euro einen Unterschied, wenn andere Unterstützungsleistungen, wie zum Beispiel das kostenfreie Mittagessen in der Schule, wegfallen. "Auf lange Sicht muss aber Kinderarmut grundlegender angegangen werden", betonte Lenke.

Die Grünen nannten den Aufschlag für Bezieherinnen und Bezieher von Grundsicherung "mickrig". Die Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt sagte: "Statt eines Trostpflasters brauchen die Erwachsenen und Kinder, die in der Krise von Hartz IV leben müssen, eine Unterstützung, die auch wirklich Sicherheit und Halt gibt."

Linke: Zur Zufriedenheit kein Anlass

Für die Linke sagte Jan Korte, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, für Zufriedenheit bestehe absolut kein Anlass. "Die beschlossenen Einmalzahlungen von jeweils 150 Euro pro Kind für Familien sowie die Sonderzahlung für Hartz-IV-Empfänger sind zwar ein kleiner, aber viel zu später Schritt in die richtige Richtung. Das Ganze ist jedoch meilenweit von den nötigen monatlichen Krisen-Zuschlägen für Geringverdiener und Transferleistungsbezieher entfernt." Denn mit der Einmalzahlung ließen sich eben nur einmal die pandemiebedingten Mehrkosten bestreiten. Und davon, dass die Koalition nun endlich versuche, das Problem grundsätzlich anzugehen, könne auch keine Rede sein.

Für die FDP rügte Pascal Kober, der Koalitionsausschuss habe vergessen, die Bildungschancen von Kindern aus benachteiligten Milieus zu verbessern. "Sie leiden am meisten unter geschlossenen Schulen, wenn das Elternhaus keine oder nur wenig Unterstützung beim Lernen leisten kann. Hier braucht es gezielte Hilfen, ein Bildungsnach- und -aufholprogramm."

Markus Jantzer, Dirk Baas


Corona

Rot-Kreuz-Helferin: Einer der wichtigsten Jobs derzeit




Safia Judith Ghars sitzt an ihrem Arbeitsplatz in der DRK-Leitstelle für mobile Impfteams in Hamburg.
epd-bild/Philipp Reiss
Überall in Deutschland werden Menschen in Pflegeheimen geimpft. Das möglich zu machen, ist ein enormer Aufwand. Safia Judith Ghars arbeitet daran mit – in der Leitstelle des Hamburger Roten Kreuzes: "Ich habe das Gefühl, etwas Wichtiges zu tun."

Manchmal kann sie hören, wie jemand am Telefon erleichtert aufatmet. Die Menschen haben lange auf ihren Anruf gewartet, jetzt ist es endlich soweit. "In vielen Heimen sind Menschen gestorben. Die Mitarbeiter stehen unter extremem Druck. Viele sind wirklich erleichtert, wenn wir anrufen", sagt Safia Judith Ghars. Sie verkündet in Hamburg so etwas wie den Hauptgewinn. Kein Sechser im Lotto, sondern die Aussicht auf sicheren Schutz vor dem Coronavirus: Impftermine für Alten- und Pflegeheime.

26 Jahre ist Safia Judith Ghars alt. Der Job, den sie mit vier weiteren Kollegen macht, ist vielleicht nicht besonders spektakulär - aber zugleich für viele derzeit einer der wichtigsten. Noch sind es nicht viele Menschen, die in Deutschland geimpft werden können. Deswegen sind die Heimbewohner als die am meisten verletzliche aller Gruppen ganz oben auf der Prioritätenliste, gemeinsam mit dem Pflegepersonal in Heimen und Kliniken.

Arbeit unter Hochdruck bis März

In Hamburg will man bis Anfang März jedem dieser Menschen, der das wünscht, seine zwei Impfdosen verabreicht haben. Das DRK Hamburg-Harburg übernimmt das für die Stadt. Damit das klappt, braucht es viele Menschen, die im Hintergrund daran arbeiten. Solche wie Ghars, die in der Leitstelle des Roten Kreuzes die Einsätze koordiniert. Sie bringt Teams und Heime zusammen. An manchen Tagen führt sie dafür 50 Telefonate und beantwortet Dutzende E-Mails.

Bei rund 150 Heimen in Hamburg ist mittlerweile zu jedem zumindest mal Kontakt aufgenommen worden. Doch das ist nur der Anfang: Es muss geklärt werden, wie viele Menschen geimpft werden wollen, wie viele Impfteams dafür in das jeweilige Heim geschickt werden, welche Dokumente beim Termin vorhanden sein müssen, wie der Raum beschaffen sein soll, im dem die Teams arbeiten. "Mindestens 30 Quadratmeter sollten es nach Möglichkeit schon sein - und natürlich gut belüftet."

Ständig gibt es neue Fragen: Ein Dokument ist nicht auffindbar, kann trotzdem geimpft werden? Eine Mitarbeiterin kann am Termin der Zweitimpfung nicht, was soll sie tun? Und immer, immer wieder rufen Angehörige der Heimbewohner an: Wann ist mein Vater, meine Mutter endlich dran? Ist der Impfstoff auch wirklich sicher? "Wenn die Fragen zu kompliziert sind, halte ich Rücksprache mit den Fachleuten. Oder ich versuche, einen geeigneten Ansprechpartner zu nennen", sagt Ghars.

"Lernende Organisation"

Seit dem Jahreswechsel wird geimpft, das bedeutet auch: Erst seit dem Jahreswechsel gibt es Erfahrung damit, wie mobiles Impfen in der Pandemie funktioniert. "Wir sind eine lernende Organisation", bekennt Hamburgs Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD). Habe man anfangs noch ein oder zwei Heime am Tag durchimpfen können, sei man nun bei sechs bis acht.

DRK-Projektleiter Fabian Gnas hebt hervor, dass viele ehemals Beschäftigte aus der Gastronomie eingestellt worden seien. "Diese Menschen haben oft große Probleme durch die Pandemie. Uns können sie eine große Hilfe sein, denn sie können auf Leute eingehen."

Ghars' Lebenslauf ist ein bisschen anders. Sie war mit zuständig für den Kundenkontakt bei einem Technikhersteller, führte damals schon viele Telefonate, beantwortete E-Mails. Vor einem knappen Jahr verlor sie ihren Job - nicht wegen, aber gleichzeitig mit der ersten Corona-Welle. Ihr Sohn ist zwei Jahre alt. Dass es für sie nicht so schlimm kam, wie es hätte kommen können, und dass sie wieder einen Job hat, liegt paradoxerweise an der Pandemie. "Ich habe das Gefühl, etwas Wichtiges zu machen, dass meine Arbeit eine Rolle spielt: Ich arbeite daran mit, dass so viele Menschen geimpft werden wie möglich", sagt sie.

In wenigen Wochen schon wird ihre wohl Arbeit erledigt sein: Wenn alles läuft, wie es soll, werden die Heimbewohner geimpft sein und der Einsatz mobiler Impfteams wird nicht mehr nötig sein.

Sebastian Stoll


Corona

"Lockdown zwingt Kinder, ureigenste Bedürfnisse zu unterdrücken"



Der Corona-Lockdown mit geschlossenen Kitas und leeren Klassenzimmern schadet langfristig der Entwicklung von Kindern, sagt der Göttinger Hirnforscher Gerald Hüther im epd-Interview.

Noch bis Mitte Februar sind Kitas für den größten Teil der Kinder geschlossen, Schulklassen bleiben weitgehend leer. Der Zwang, die eigenen Sozialkontakte angesichts der Corona-Pandemie drastisch zu reduzieren, bleibt nicht ohne Folgen für die Kinder, sagt der Neurobiologe und Bildungsforscher Gerald Hüther. Er warnt auch vor langfristigen Fehlentwicklungen. Die Fragen stellte Björn Schlüter.

epd sozial: Herr Hüther, was genau verlangt der Corona-Lockdown den Jüngsten gerade ab, wenn sie nicht auf den Schulhof, ins Klassenzimmer oder in die Kita gehen können?

Gerald Hüther: Die betroffenen Kinder müssen ihre ureigensten Bedürfnisse unterdrücken, um diese Situation auszuhalten. Es kann nichts Gutes dabei herauskommen, wenn wir ihnen dauerhaft Zuwendung entziehen, weil wir neben der Aufsicht im Homeoffice arbeiten, das Spielen mit Freunden vorenthalten und die Nähe zur Oma unterbinden.

epd: Was sind denn diese "ureigensten Bedürfnisse" genau?

Hüther: Für die gesunde Entwicklung braucht ein Kind liebevolle und zugewandte Eltern, es braucht den Kontakt zu Freunden und zu gleichaltrigen Kindern. Kinder müssen raus, wollen entdecken, vielleicht mal eine Rauferei wagen und ganz sicher auch ihre Oma und ihren Opa in die Arme schließen. Das ist für sie so wichtig wie Nahrung. Außerdem wollen Kinder zeigen, dass sie was draufhaben - und sei es nur, dass sie am höchsten auf den Baum klettern können.

epd: Bis wir den Kindern das alles wieder bieten können, kann aber noch eine ganze Menge Zeit vergehen.

Hüther: Und genau da liegt die Gefahr. Je länger die Lockdown-Phase andauert, desto wahrscheinlicher bilden sich bei den Kindern hemmende Verschaltungen in den Motivationszentren. Ich selbst erlebe den Lockdown als eine relativ kurze Zeit meines Lebens, aber ich bin fast 70 Jahre alt. Aus der Sicht eines Siebenjährigen würde ein Jahr Lockdown für mich bedeuten, ich müsste mich zehn Jahre in ein Korsett aus Regeln einfügen und mich einschränken. Da entstehen langfristige Folgen der Corona-Pandemie für die Kinder. Ich weiß nicht, ob alles davon in ihrer weiteren Entwicklung wieder weggeht.

epd: Können Sie ihre Befürchtung an einem Beispiel konkret machen?

Hüther: Nehmen wir doch den Kontakt zur Oma. Das Kind war jetzt vielleicht ein halbes Jahr nicht mehr bei ihr. Nun wird der Kontakt wieder ermöglicht und was passiert? Das Kind fremdelt plötzlich mit der ihm eigentlich bisher so vertrauten Person. Vielleicht möchte das Kind auch gar nicht mehr so gerne zur Oma. Am Ende ist die Oma vielleicht keine wichtige Begleitperson mehr für den Rest des Lebens. Angesichts solcher Folgen müssen wir uns doch als Gesellschaft bei der Planung unserer selbstauferlegten Einschränkungen fragen: Wollen wir das?

epd: Dennoch scheinen viele Kinder die Situation gut zu meistern, oder ist das ein Trugschluss?

Hüther: Da sind wir wieder bei den Bedürfnissen. Letztlich fügen sich diese Kinder geräuschlos, und wir zeigen sie noch als vermeintlich gute Beispiele und brave Kinder vor. Doch wer Bedürfnisse unterdrückt, der sucht sich Ersatzbefriedigungen.

epd: Nämlich?

Hüther: Man muss es so drastisch sagen, aber aktuell werden viele Kinder sehr fett. Sie sind sich selbst überlassen, sitzen vor dem Fernseher und futtern ungesunde Snacks oder daddeln im Internet.

epd: Und die Eltern reagieren darauf nicht angemessen?

Hüther: Eltern sind ja noch in der besonderen Zwickmühle, dass sie oftmals irgendwie ihre Arbeit im Homeoffice schaffen müssen. Da bleibt aus ihrer Sicht vielleicht manchmal gar keine Wahl, als die Kinder vor dem Fernseher oder der Spielkonsole zu parken - schlechtes Gewissen inklusive.

epd: Aber wie können die Eltern dieses Hamsterrad verlassen und so langfristig ihren Kindern etwas Gutes tun?

Hüther: Die Eltern müssen liebevoll mit sich selbst umgehen. Wer das beherzigt, der stärkt sich sofort. Das heißt nicht, dass ich dafür meine Kinder wegschieben muss. Jeder sollte in sich hineinhören und sich fragen, was er gerade wirklich braucht. Daraus ergibt sich meist ein natürliches Interesse, das den Kindern gerecht wird und ihnen Aufmerksamkeit schenkt. Möchte ich jetzt etwas essen, was mir schmeckt oder nicht? Möchte ich jetzt zwingend noch eine Überstunde machen, damit das Projekt fertig wird oder will ich vielleicht zu meinem Kind, das mit mir spielen möchte? Es ist nicht gut, immer nur zu versuchen zu funktionieren.



Familien

Bessere Beratung vor, während und nach einer Adoption




Ein neues Gesetz regelt auch die Stiefkindadoption lesbischer Paare.
epd-bild/Heike Lyding
Das neue Adoptionshilfe-Gesetz bringt von Fachleuten lange geforderte Verbesserungen, weil die Vermittlungsstellen Eltern und Kinder deutlich länger als bisher begleiten dürfen. Bis das beschlossen war, war zähes Ringen im Vermittlungsausschuss nötig.

Es war ein zähes Ringen zwischen Bundestag und Bundesrat, doch weil im Dezember im Vermittlungsausschuss ein Kompromiss gefunden wurde, gilt ab dem 1. April das "Gesetz zur Verbesserung der Hilfen für Familien bei der Adoption". Es verbessert die fachliche Beratung und Begleitung aller an einer Adoption Beteiligten - vor, während und nach einer Adoption. Nicht alle Verbände sind vollauf zufrieden, doch die Richtung der Reform stimme, heißt es etwa bei der Caritas. Begrüßt wird vor allem, dass die rund 400 Vermittlungsstellen alle Adoptiveltern ermutigen sollen, mit dem Kind offen über die Tatsache der Adoption zu sprechen.

"Wir verbessern die Beratung, Aufklärung und Vermittlung und wir machen verbindlichere Vorgaben bei Adoptionen", sagte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD), nachdem der Bundesrat am 18. Dezember grünes Licht für die Reform gegeben hatte. Viele Familien und Fachkräfte in der Adoptionsvermittlung warteten seit langem darauf.

SkF begrüßt neue fachliche Vorgaben

Roswitha Göcke, Abteilungsleiterin beim Sozialdienst katholischer Frauen (SkF), leitet die größte Adoptionsvermittlungsstelle im Bistum Münster und begleitet schon lange Familien, die Kinder abgeben und annehmen. "Über Jahre haben wir uns für neue, zeitgemäßere Vorgaben eingesetzt." Die künftigen Standards für die Vermittlungsstellen seien absolut fundiert. Anders als bisher, wo die Begleitung von Adoptionen mit dem Adoptionsbeschluss nach in der Regel nach nur einem Jahr endet, "wird die Beratung der Eltern und das Wissen der Kinder über ihre Herkunft deutlich verbessert".

Erklärtes Ziel sei der viel offenere Umgang mit dem Thema Adoption, erläutert die Diplom-Sozialpädagogin. Das sei sehr wichtig für adoptierte Kinder, die "eigentlich eine lebenslange Begleitung brauchen". Denn bis ins Erwachsenenalter kämen Fragen zur eigenen Herkunft, zu den Gründen der Adoption oder zu den leiblichen Eltern. "Damit schlagen sie sich viele Jahrzehnte lang herum und wurden bisher weitgehend alleine gelassen." Das werde endlich geändert.

Informationsaustausch wird vorab geklärt

Ab April können die Vermittlungsstellen mit den Herkunftseltern und den Adoptionsbewerbern erörtern, wie sie den Informationsaustausch oder auch den Kontakt der Adoptivfamilie mit den Herkunftseltern gestalten wollen. "Herkunftseltern erhalten zudem einen Anspruch auf allgemeine Informationen über das Kind, sofern diese von der Adoptivfamilie freiwillig zur Verfügung gestellt werden", so der Bundesrat.

All diese Ziele sind seit Jahren Konsens. Ein Streit entfachte sich im Vorjahr jedoch an der Neuregelung der Stiefkinderadoption. Eine Mehrheit in der Länderkammer sah eine unzulässige Diskriminierung von lesbischen Zwei-Mütter-Familien mit Kinderwunsch und ließ das Gesetz im Juni durchfallen.

"Lesben sind ohnehin dadurch benachteiligt, dass sie in diesen Fällen einen Antrag auf Stiefkindadoption stellen und ein umständliches familiengerichtliches Verfahren durchlaufen müssen. Bei heterosexuellen Ehen ist das anders: Dort ist der Ehemann automatisch rechtlich Vater, völlig unabhängig von biologischer Vaterschaft", so damals der baden-württembergische Sozialminister Manne Lucha (Grüne). Und, so sagte er im Bundesrat: "Niemand käme auf die Idee, ihn vorher zu einer Adoptionsvermittlungsstelle zu schicken und einen Beratungsschein zur Voraussetzung der Vaterschaft zu machen."

Zwei Ausnahmeregeln

Der Vermittlungsausschuss umschiffte das Problem durch zwei Ausnahmeregelungen. Künftig gilt die verpflichtende Beratung durch die Vermittlungsstelle bei einer Stiefkindadoption nicht für lesbische Paare, deren gemeinsames Wunschkind in ihre Ehe oder eine seit mindestens vier Jahren bestehenden Lebensgemeinschaft hineingeboren wird oder schon wurde. Und: Bei diesen Adoptionen gibt das ohnehin am Verfahren beteiligte Jugendamt die im Gesetz vorgeschriebene fachliche Äußerung ab, so dass eine zusätzliche Beteiligung der Vermittlungsstelle entfällt.

Der Lesben- und Schwulenverband Deutschlands begrüßte zwar den Kompromiss. Doch nun müsse noch die lange versprochene Reform des Abstammungsrechts kommen, forderte Gabriela Lünsmann, Mitglied im Bundesvorstand des Verbandes.

Ein schon im März 2019 vom Justizministerium vorgelegter Diskussionsentwurf zur Reform des Abstammungsrechts würde auch die Situation von Zwei-Mütter-Familien verändern. Dann, so der LSVD, würde ein Kind, das in eine gleichgeschlechtliche Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft hinein geboren wird, automatisch beide Mütter von Geburt an als gleichberechtigte Eltern haben. Lünsmann: "Damit würde das Verfahren der Stiefkindadoption nicht länger erforderlich sein."

Doch das Warten auf veränderte Abstammungsregelungen wird wohl noch weitergehen. Auf eine Anfrage der FDP-Fraktion im Bundestag teilte die Regierung am 15. Januar mit, die Meinungsbildung dazu sei noch nicht abgeschlossen.

Die Regelungen zur Stiefkindadoption sind für Roswitha Göcke bei der Reform "eher eine Facette am Rande". Der Fokus des neuen Gesetzes liege klar auf der besseren Begleitung der Eltern und der Möglichkeit der Biografiearbeit mit adoptierten Kindern: "Das ist mir persönlich wichtiger, als die Fragen, die jetzt noch in einer Reform des Abstammungsrechtes zu regeln sind."

Dirk Baas


Familie

Die Stiefkindadoption - Rechtslage und neue Bestimmungen



Es war eine biologisch nicht auszuräumende Hürde, die der Vermittlungsausschuss im Ringen um ein neues Adoptionshilfe-Gesetz zu überwinden hatte. Denn die Ausgangslage bei der Adoption von Kindern durch lesbische und schwule Paare ist nun mal unterschiedlich. Und so sahen viele Expertinnen und Expertinnen im ursprünglichen Plan der Bundesregierung für eine verpflichtende Beratung bei der Stiefkindadoption eine unzulässige Diskriminierung von lesbischen Zwei-Mütter-Familien, die ein Kind annehmen wollen.

Die ist nun vom Tisch, weil es künftig eine Sonderregelung im Adoptionshilfe-Gesetz gibt, bevor das Problem über eine Reform des Abstammungsrechtes zu lösen, wie von vielen Verbänden seit langem gefordert - und wie von der Bundesregierung immerhin angedacht.

Langwieriges Verfahren

Die Stiefkindadoption ermöglicht die Annahme des leiblichen Kindes der Lebenspartnerin beziehungsweise des Ehegatten. Das muss beim Familiengericht beantragt werden. Im Verfahren wird das örtliche Jugendamt beziehungsweise die zuständige Adoptionsvermittlungsstelle beteiligt. Sie prüft, ob die Adoption dem Wohl des Kindes entspricht. Nach einer Anhörung vor Gericht wird dann über die Stiefkindadoption entschieden.

Das Problem: Die Stiefkindadoption ist eigentlich für eine Familienkonstellation gedacht, in der Kinder aus einer früheren Beziehung in eine neue Partnerschaft eingegliedert werden sollen. Doch seit dem 1. Januar 2005 gibt es durch das neue Lebenspartnerschaftsgesetz eine Gleichstellung bei der Stiefkindadoption zwischen verheirateten Paaren und Paaren in eingetragenen Lebenspartnerschaften. Damit können auch Lesben und Schwule die leiblichen Kinder ihrer Partnerinnen oder Partner adoptieren. Knapp 47.000 gleichgeschlechtliche Ehen sind inzwischen eingetragen.

Es gibt keinen "abgebenden Elternteil"

Eine besondere Konstellation ergibt sich bei Zwei-Mütter-Familien. Hier werden Kinder in die Partnerschaften der Frauen hineingeboren. Folglich gibt es bei verpartnerten und Frauenpaaren keinen "abgebenden Elternteil". Dennoch ist die Stiefkindadoption bis heute für lesbische Paare die einzige Möglichkeit, die gemeinsame rechtliche Elternschaft samt der damit verbundene Absicherung zu erreichen. Denn auch zweieinhalb Jahre nach der Eheöffnung gibt es für sie noch keine Gleichstellung im Abstammungsrecht.

Deshalb wird zunächst laut BGB nur die Frau, die das Kind geboren hat, dessen Mutter. Die Ehefrau der biologischen Mutter muss das gemeinsame Kind als Stiefkind adoptieren, um zweiter rechtlich anerkannter Elternteil werden zu können. Ehelich geborene Kindern haben dagegen von Geburt an zwei Elternteile.

Der Lesben- und Schwulenverband beklagt, dass Zwei-Mütter-Familien die einzigen Eltern sind, "in deren Partnerschaften Kinder hineingeboren werden, die gegenüber dem Jugendamt und dem Familiengericht ihre Eignung als Eltern nachweisen müssen". Das Verfahren der Stiefkindadoption sei langwierig, diskriminierend und nicht im Interesse des Kindeswohls.

Kompromiss durch ausgesetzte Regelungen

Der Vermittlungsausschuss hat für das Adoptionshilfe-Gesetz einen Kompromiss gefunden, dem der Bundesrat im Dezember zugestimmt hat. Das Gesetz führt ab April für das Verfahren der Stiefkindadoption zwar eine neue verpflichtende Beratung durch die Adoptionsvermittlungsstellen ein. Diese Beratungspflicht entfällt jedoch, wenn der annehmende Elternteil zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes mit dem leiblichen Elternteil des Kindes verheiratet ist oder mindestens vier Jahre lang in einer Lebensgemeinschaft in einem gemeinsamen Haushalt lebt. Zudem wird für diese Paare die notwendige zusätzliche Beteiligung der Adoptionsvermittlungsstellen nicht vorgesehen, weil das ohnehin am Verfahren beteiligte Jugendamt die im Gesetz vorgeschriebene fachliche Äußerung abgibt.



Familie

Interview

Expertin: Endlich zeitgemäße Standards für Adoptionsvermittlung




Roswitha Göcke
epd-bild/SkF Ibbenbüren
Roswitha Göcke ist Fachbereichsleiterin beim Sozialdienst katholischer Frauen in Ibbenbüren. Im Interview mit epd sozial bewertet sie das ab April geltende Adoptionshilfe-Gesetz, das erst durch einen Kompromiss im Vermittlungsausschuss zustande kam. Doch der könne sich sehen lassen: "Die Begleitung von Adoptionen wird deutlich verbessert."

Roswitha Göcke, die die größte Vermittlungssteller im Bistum Münster leitet, nennt die neuen Bestimmungen "absolut fundiert". Seit Jahren hätten die Fachkräfte Regelungen gefordert, die für eine längere Begleitung der abgebenden und annehmenden Familien sorgen. Und, so Göcke: "Es wird Biografiearbeit mit adoptierten Kindern möglich. Das ist ausdrücklich vom Gesetzgeber so gewollt." Die Fragen stellte Dirk Baas.

epd sozial: Frau Göcke, lange hat die Politik um das neue Adoptionshilfe-Gesetz gerungen. Erst der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat fand eine Lösung. Wie bewerten Sie den Kompromiss?

Roswitha Göcke: Die neuen Regelungen sind inhaltlich betrachtet absolut fundiert. Bald gelten zeitgemäße fachliche Standards für die Vermittlungsstellen, die die Begleitung von Adoptionen deutlich verbessern werden, und zwar vor, während und vor allem auch nach einer Adoption. Schon lange haben wir uns für diese Vorgaben eingesetzt.

epd: Wie kam es dazu?

Göcke: Es gab einen Prozess über vier Jahre, in dem Experten, auch vom Deutschen Jugendinstitut, eine umfassende Bestandsaufnahme gemacht haben, wie Adoptionen ablaufen, wie die Vermittlungsstellen eingebunden sind und wie Eltern und Kinder fachlich begleitet werden. Was hat geholfen, was gefehlt? Was ist schädlich für die Entwicklung des adoptierten Kindes? All diese Fragen wurden beantwortet. Daraus wurden fachliche Standards entwickelt, wie eine gute Adoptionsberatung in Zukunft aussehen sollte. Diese inhaltlichen Vorgaben wurden nun ins Gesetz geschrieben, und die sind wirklich gut. Und man hat auch erkannt, dass die abgebenden Eltern oft eine lebenslange Auseinandersetzung über den Verlust ihres Kindes haben. Die Schuld- oder Versagensgefühle bleiben. Auch in diesen Fällen geben wir Unterstützung.

epd: Was genau wird sich künftig ändern?

Göcke: Um das vergleichen zu können, muss man wissen, wie das bisherige Verfahren war. Da endete die fachliche Begleitung und Beratung der Eltern mit dem Adoptionsbeschluss, der in der Regel etwa nach einem Jahr der Adoptions-Pflege als Vorstufe ergeht und auch das Verfahren formell abschließt. Dann waren wir Fachleute draußen, weil die Politik darauf verwies, dass die neuen Eltern den leiblichen Eltern rechtlich gleichgestellt sind und fortan weder Beratung noch Begleitung brauchen. Dadurch endete auch in fast allen Fällen der Kontakt. Ein Jahr ist aber ein viel zu kurzer Zeitraum. Und das wird sich nun ändern. Es gibt eine längere, wenn auch freiwillige Begleitung der aufnehmenden Familien und der Kinder.

epd: Warum ist eine kontinuierliche Begleitung denn nötig?

Göcke: Eigentlich ist eine lebenslange Begleitung der adoptierten Kinder nötig. Das wissen wir aus unzähligen Fällen, die wir auf dem Tisch hatten. Denn bei vielen Kindern, später Jugendlichen oder selbst Erwachsenen, kommen die Fragen zur eigenen Herkunft, zu den Gründen der Adoption, zu den leiblichen Eltern erst im Laufe ihres Lebens. Damit schlagen sich viele Jahrzehnte lang herum und wurden bisher damit weitgehend alleine gelassen. Vor allem dann, wenn die Adoption in der aufnehmenden Familie ein Tabu war. Das wird jetzt geändert, denn es ist überhaupt nicht mehr zeitgemäß. Es wird also sogenannte Biografiearbeit möglich. Das ist ausdrücklich vom Gesetzgeber so gewollt. Denn jedes Kind hat das Recht, seine Herkunft zu kennen. Für die Adoptionseltern kann das zu Konflikten führen, denn sie wissen oft nicht, wie sie sich verhalten sollen, wie man die Herkunft des Kindes angemessen thematisiert. Wir als Vermittlungsstelle haben dazu die passenden Ansätze parat, wir machen das seit 30 Jahren.

epd: Aber all das bleibt doch auch künftig für die Adoptiveltern freiwillig?

Göcke: Ja das stimmt, das ist sicher eine der Lücken im Gesetz. Aber der fachliche Standard ist rechtlich gesetzt und bindend, der sagt, dass Beratung vor der Adoption, während des Verfahrens und auch später erfolgen soll. Alle Beteiligten sollen begleitet und beraten werden. Erklärtes Ziel ist es, einen viel offeneren Umgang mit den Adoptionen zu leben. Eigentlich, ich habe es schon gesagt, gilt das für das ganze Leben der Adoptivkinder. Wir sind und bleiben Ansprechpartner. Das sieht man schon daran, dass wir die Adoptionsakten 100 Jahre lang aufheben müssen.

epd: Wie geschieht das in der Praxis?

Göcke: Wir können nach Vereinbarungen regelmäßig ein bis zwei Mal im Jahr in die Familien. Das war früher überhaupt nicht üblich, es war absolut selten. Heute haben auch die abgebenden Eltern einen Anspruch auf bestimmte allgemeine Informationen über ihr Kind, wenn sie den denn einlösen wollen. Früher kannte man auch schon Biografiearbeit, aber die Appelle dazu gingen leider oft ins Leere. Künftig wird schon bei den ersten Kontakten und Gesprächen mit den abgebenden und den annehmenden Eltern besprochen, wie die Begleitung später aussehen soll, wie man miteinander im Kontakt bleiben will. Das ist ganz wichtig und hat auch bindenden Charakter. So wird eine gute Basis gelegt, auf der auch das Kind später agieren kann. Damit ist eine gute Voraussetzung für die Auseinandersetzung mit der Herkunftsgeschichte und möglichen späteren Kontaktwünschen gelegt. Auch die Herkunftseltern bekommen jetzt ein wenn auch begrenztes Recht, sich für allgemeine Informationen über das Kind an uns zu wenden, die die Adoptiveltern vorher freiwillig geben müssen. Das war bislang nicht so. Es gab keinerlei Recht auf Auskünfte.

epd: Gibt es da Beispiele aus der täglichen Arbeit, wie das funktioniert?

Göcke: Ja, auch wenn das neue Gesetz ja noch nicht offiziell gilt, haben wir schon jetzt Vereinbarungen mit Familien getroffen, die offen für regelmäßige Kontakte sind. Ich habe gerade zwei Familien, wo Adoptionsbeschlüsse da sind, und da haben wir verabredet, dass ich zwei Mal im Jahr die Familien besuche. Da geht es dann auch darum, altersgerecht mit den Kindern Biografiearbeit zu machen. Da nutze ich dann zum Einstieg auch Bilderbücher. Ich sehe das als große Hilfe für die Adoptiveltern an, denn sie haben nach meiner Beobachtung oft erhebliche Schwierigkeiten, offen über das Thema zu sprechen. Es ist wichtig, hier im Kontakt zu bleiben und den richtigen Ton zu treffen. Die meisten Eltern gehen den Weg gerne gemeinsam mit uns mit. Das hat mit Einmischung nichts zu tun. Die Sicherheit der Adoptierten in ihren Familien ist immer gewährleistet, auch wenn man einen Austausch mit den leiblichen Eltern hinbekommt.

epd: Reicht diese Gesetzesreform nun aus oder gibt es noch Aspekte, die geregelt werden sollten?

Göcke: Ja. Im Bereich der Anbietervielfalt gibt es Probleme, vor allem wegen der fehlenden Finanzierung. Private Träger in der Adoptionsvermittlung waren gar kein Thema. Die Adoptionsvermittlungsstellen werden von den Kommunen und damit von der öffentlichen Hand finanziert. Private Träger gehen leer aus, müssen sich also selbst finanzieren. Das ist nicht gut. Da ist das Prinzip der Subsidiarität vergessen worden. Dadurch ist das Wahlrecht der Familien, die sich für eine Adoption entschieden haben, doch stark eingeschränkt. Das hätte man besser machen können.

epd: Meine letzte Frage betrifft das Abstammungsrecht, das mit Blick auf die Adoptionen reformiert werden soll. Wie bewerten Sie die Pläne und betreffen sie Ihre tägliche Arbeit?

Göcke: Sie haben den Kompromiss bei den Stiefkinderadoptionen im Auge? Das war eine nicht unwichtige Frage der Gleichberechtigung. Aber was heißt schon Gleichberechtigung? Männerpaare mit Kinderwunsch sind in die Überlegungen der Politik gar nicht mit einbezogen worden. Natürlich unterscheidet sich die Ausgangslage homosexueller Paare mit Kinderwunsch, denn bei lesbischen Paaren bekommt ja eine Frau ein leibliches Kind. Männern bleibt nur der Weg der Sukzessivadoption. Klar musste da ein Kompromiss gefunden werden, aber für mich ist das bei der Reform eher eine Facette am Rande. Der Fokus des neuen Gesetzes liegt klar auf den besprochenen fachlichen Standards, die die Begleitung und Beratung der Eltern und das Wissen der Kinder über ihre Herkunft verbessern. Das ist mir persönlich wichtiger, als die Fragen, die jetzt noch in einer Reform des Abstammungsrechtes zu regeln sind. Auch für die Stiefkinder-Adoption gibt es jetzt einen fachlichen Standard, nach dem mit allen Beteiligten gesprochen und Biografiearbeit mit den Kindern gemacht werden muss. Alles muss schön und sauber aufgedröselt werden, und das ist gut so.



Bundeskabinett

Alltagserleichterungen für behinderte Menschen beschlossen



Menschen mit Behinderungen können einige Erleichterungen im Alltag erwarten, wenn es um Bewegungsfreiheit, Arbeit und Ausbildung geht. Das Bundeskabinett beschloss am 3. Februar in Berlin einen Gesetzentwurf aus dem Arbeits- und Sozialministerium. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte, eine inklusive Gesellschaft sei das Ziel, "auf das wir hinarbeiten". Sie zu erreichen sei aber auch eine tägliche Aufgabe für den Alltag.

Zu den Änderungen zählt, dass behinderte Menschen ihre Assistenzhunde künftig überallhin mitnehmen können, auch wenn dort Hunde eigentlich verboten sind. Das gilt schon für Blindenhunde und künftig auch für Hunde, die etwa Diabetiker haben, weil diese einen Zuckerschock erkennen und Hilfe holen können.

Auch Menschen in Werkstätten profitieren

Die Ausbildungsförderung wird so erweitert, so dass künftig auch Personen, die schon ein paar Jahre in einer Werkstatt für behinderte Menschen arbeiten, noch eine Ausbildung auf dem ersten Arbeitsmarkt machen können. Bisher geht das nicht. Künftig steht auch ihnen das Budget für Ausbildung zu, was bedeutet, dass nicht ihr Ausbildungsbetrieb ihre Vergütung zahlt, sondern der Staat.

Behinderte Menschen, die eine Reha-Maßnahme machen, sollen in den Jobcentern genauso gefördert werden wie andere Langzeitarbeitslose. Sie erhalten damit auch Zugang zu geförderten Jobs auf dem zweiten Arbeitsmarkt sowie zu Sucht- und Schuldnerberatungsstellen. Bisher sind sie davon ausgeschlossen.

Das Gesetz enthält zahlreiche weitere Detailregelungen und rechtliche Anpassungen. Es wird nun im Bundestag beraten.



Pflege

Petition zählt bereits 190.000 digitale Unterschriften



Es ist die erfolgreichste Onlinepetition an den Bundestag: Die Kampagne für eine bessere Pflege hat 190.000 Unterschriften gesammelt und fordert den Gesundheitsminister heraus. Die Linke nutzt das und fordert eine Pflegekasse, in die alle einzahlen.

Eine Bundestagspetition des "Stern" für eine bessere Pflege haben nach Angaben des Hamburger Magazins bislang 190.000 Menschen online unterschrieben. Es handele sich damit um die bislang erfolgreichste Online-Bundestagspetition, teilte der "Stern" am 3. Februar in Hamburg mit. Die auf stern.de verlinkte Petition kann noch bis zum 11. Februar auf der entsprechenden Internetseite des Parlaments unterzeichnet werden.

"Niemand aus der Politik kommt jetzt mehr an der Tatsache vorbei, dass viele Menschen in Deutschland einen Systemwechsel im Gesundheitswesen wünschen", sagte der Arzt und Reporter Bernhard Albrecht, der die Petition ins Leben rief. Seit 1984 gebe es einen Pflegenotstand in Deutschland, seitdem sei nichts geschehen. "Daher versuchen wir jetzt einen neuen Weg", sagte Albrecht. Am 1. März findet eine öffentliche Anhörung im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags zur Forderung nach einem Systemwechsel in der Pflege statt.

Linke hofft auf "gewaltige Aufmerksamkeit"

Die Linke im Bundestag zeigte sich davon überzeugt, dass diese Anhörung "gewaltige Aufmerksamkeit" erzeugen werde. Noch vor der Anhörung müsse das Bundesgesundheitsministerium auf die Petition antworten.

"Für den Erfolg der Petition und vor allem den Fortgang der dringend erforderlichen Reformen in der Pflege wird es darauf ankommen, den Druck auf die CDU aufrechtzuerhalten", sagte die pflegepolitische Sprecherin der Linksfraktion, Pia Zimmermann, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dreh- und Angelpunkt sei die Finanzierung. Notwendig sei eine solidarische Pflegeversicherung, in die auch Spitzenverdiener einzahlen.

Mehr Zeit für die Pflege gefordert

Die Unterzeichner der Pflege-Petition fordern unter anderem, dass Pflegekräfte mehr Zeit für die Betreuung ihrer Patienten bekommen sowie verlässliche Arbeitszeiten. Außerdem müsse der Beruf eine Aufwertung erfahren durch höhere Gehälter und mehr Entscheidungsmöglichkeiten an Patienten. Schließlich wird eine "konsequente Abkehr von Profitdenken und ökonomischen Fehlanreizen durch eine echte Gesundheitsreform" gefordert.

Der Deutsche Pflegerat unterstützt die Petition. "Es ist wichtig, dass wir als Gesellschaft gemeinsam für bessere Arbeitsbedingungen für die Berufsgruppe der Pflegenden aufstehen, uns melden, an Türen klopfen und jeder Einzelne von uns betont: Wir wollen eine bessere Pflege", sagte Präsident Franz Wagner. Die Grundvoraussetzung hierfür sei das Pflegepersonal, von dem allein in Pflegeheimen heute bereits 120.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu wenig für eine gute Pflege da seien.

Wagner zufolge kann es mit besseren Arbeitsbedingungen für das Pflegepersonal in Krankenhäusern, ambulanten Pflegediensten und in Pflegeheimen gelingen, mehr Menschen für die interessante und vielfältige Arbeit in der Pflege zu begeistern. "Dafür braucht es eine gute Personalausstattung. Diese muss anhand des echten Bedarfs und nicht an einem grünen Tisch in einer Verwaltung festgelegt werden."

Markus Jantzer


Pflege

Fachkräfte: Studie zeigt hohes Potenzial für Rückkehr in den Job



Der Fachkräftemangel in der Pflege scheint vor allem ein Mangel an Pflegefachkräften zu sein, die bereit sind, zu den derzeitigen Bedingungen im Job zu arbeiten. Das ist die Bilanz einer Befragung, die zeigt: In der Pflege muss sich viel ändern.

Unter besseren Arbeitsbedingungen würden viele Pflegekräfte wieder in ihren Job zurückkehren oder Stunden aufstocken. Das ist das Ergebnis einer Befragung der Arbeitnehmerkammer Bremen und des Forschungszentrums Ungleichheit und Sozialpolitik "Socium" der Universität Bremen, die am 3. Februar vorgestellt wurde. Alleine im Land Bremen stünden unter diesen Bedingungen bis zu 1.500 ausgebildete Pflegefachkräfte zusätzlich zur Verfügung, lautet die Bilanz der Studie. Hochgerechnet auf ganz Deutschland ergäbe dies theoretisch ein Potenzial von mehr als 170.000 Vollkräften.

Für die Studie wurden mehr als 1.000 Pflegekräfte vor allem aus Bremen, Bremerhaven und Niedersachsen befragt. Mit Blick auf eine Rückkehr in den Job oder eine Stundenaufstockung komme es ihnen vor allem auf Anerkennung durch ein höheres Gehalt an sowie auf weniger Zeitdruck durch mehr Personal, verdeutlichte Studienleiterin Jennie Auffenberg. Auch verlässliche Arbeitszeiten, Präventionsangebote zum Umgang mit psychischen Belastungen, betriebliche Mitbestimmung und mehr Wertschätzung durch Vorgesetzte seien ihnen wichtig.

Hoher Anteil unter Bedingungen rückkehrwillig

Unter den passenden Bedingungen würden Auffenberg zufolge mehr als 50 Prozent der Teilzeitkräfte ihre Arbeitszeit aufstocken. Knapp 60 Prozent der ausgestiegenen Pflegekräfte würden in ihren Beruf zurückkehren. Der zukünftige Mehrbedarf an Fachkräften werde bundesweit auf mindestens 130.000 Vollkräfte in der Langzeitpflege und 100.000 in der Krankenpflege geschätzt, hieß es.

Die Corona-Pandemie habe die elementare Bedeutung des Pflegepersonals für eine gute Gesundheitsversorgung deutlich vor Augen geführt, sagte Ingo Schierenbeck, Hauptgeschäftsführer der Arbeitnehmerkammer. Dass das Pflegepersonal jedoch trotz stetig steigender Ausbildungszahlen knapp sei, liege hauptsächlich an den hohen Belastungen und der Unzufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen: "Viele Pflegekräfte erkranken, werden frühzeitig verrentet, verringern ihre Arbeitsstunden oder verlassen ihren Beruf."

So führt die Arbeitsbelastung der Untersuchung zufolge im Land Bremen dazu, dass durchschnittlich etwa ein Viertel der Auszubildenden in der Gesundheits- und Krankenpflege sowie in der Altenpflege ihre Ausbildung abbrechen. Weitere knapp 25 Prozent eines Jahrgangs verließen in den ersten fünf Jahren nach der

Auf die Arbeitsbedingungen kommt es an

Verbesserte Arbeitsbedingungen motivierten nicht nur ausgestiegene Fachkräfte und Teilzeitpflegekräfte, sagte Schierenbeck. "Sie werden sich auch für alle anderen Pflegekräfte positiv auswirken und können zum Verbleib im Beruf beitragen." Das setze eine grundlegende Veränderung der Finanzierungsgrundlagen voraus. Auffenberg erwähnte in diesem Zusammenhang eine Rückkehr zum alten System kostendeckender Klinik-Pflegesätze, eine Bürgerversicherung und eine Begrenzung des Eigenanteils in der Pflegeversicherung.

In Zusammenarbeit mit der Arbeitskammer des Saarlandes will die Bremer Arbeitnehmerkammer die Befragung noch in diesem Jahr wiederholen, um dann bundesweite Daten zu erheben. Ergebnisse sollen im nächsten Winter vorliegen.

Dieter Sell



sozial-Branche

Arbeit

Tarifeinigung in der Altenpflege




Blutzuckermessung bei einer Heimbewohnerin
epd-bild/Jürgen Blume
Die Verhandlungen über einen Tarifvertrag für die Altenpflege, der nach dem Willen der Verhandler bundesweit gelten soll, sind abgeschlossen. Die Löhne sollen deutlich steigen. Doch es sind noch Hürden zu nehmen, bis der Tarif in Kraft treten kann.

Die Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP) hat sich mit der Gewerkschaft ver.di auf einen Tarifvertrag in der Altenpflege geeinigt. "Damit ist ein wichtiges Etappenziel auf dem Weg zu einem flächendeckenden Tarifvertrag erreicht", erklärten die Verhandlungspartner am 1. Februar in Berlin. Der Tarifvertrag soll am 1. August in Kraft treten. Allerdings kündigten Pflege-Arbeitgeber bereits Klage gegen den Tarifvertrag an.

Der Tarifvertrag soll von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) auf die gesamte Altenpflege in Deutschland mit rund 1,1 Millionen Beschäftigten erstreckt werden und dann allgemeinverbindlich gelten. Die Regelungen müssten dann auch Arbeitgeber einhalten, die nicht in der Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche organisiert sind. Um den Antrag auf Erstreckung auf die gesamte Branche stellen zu können, müssen allerdings noch die Arbeitsrechtlichen Kommissionen (ARK) der Kirchen zustimmen. Die Kirchen und ihre Sozialverbände Caritas und Diakonie verhandeln die Löhne für die Kirchenbeschäftigten autonom in den ARK.

Die Bundesregierung betonte, dass der Tarifvertrag mit der aktuellen Einigung noch nicht in trockenen Tüchern sei. Eine Sprecherin des Bundesarbeitsministeriums sagte, der Vertrag liege dem Ministerium noch nicht vor. Um ihn auf die ganze Branche zu erstrecken, müsse das beantragt werden. Sie verwies darauf, dass zuvor noch die Entscheidung der Kommissionen der kirchlichen Verbände abgewartet werden müsse.

Diakonie zeigt sich offen

Die Diakonie zeigte sich in einer ersten Reaktion für den Tarifvertrag offen. Der evangelische Sozialverband unterstütze nachdrücklich das gemeinsame Ziel, die Arbeitsbedingungen in der Pflege flächendeckend zu verbessern, hieß es in Berlin. Jörg Kruttschnitt, Vorstand Finanzen Diakonie Deutschland, sagte, die Arbeitsbedingungen in der Pflege müssten flächendeckend verbessert werden. Mögliche Wege dahin seien über den Paragraf 7a des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes oder auch über die Pflegemindestlohnkommission möglich.

"Es ist nun Sache der unabhängigen Arbeitsrechtlichen Kommission der Diakonie zu prüfen, ob der nun erarbeitete Tarifvertrag für die Diakonie zustimmungsfähig ist", so Kruttschnitt. Ende Februar treffe sich das paritätisch aus Dienstnehmern und Dienstgebern besetzte Gremium, um darüber zu entscheiden.

Rolf Cleophas, Pressesprecher der Caritas Mitarbeiterseite, sagte, er begrüße die Einigung zwischen den Arbeitgebern der Pflegebranche und ver.di.: "Diese Mindestbedingungen werden viele in der Pflege besserstellen."

Im Einzelnen sieht der Tarifvertrag vor, die Mindeststundenentgelte für alle Pflegekräfte in der Altenpflege in vier Schritten zu erhöhen und die Schlechterstellung der Beschäftigten in Ostdeutschland zu beenden. Die Lohnerhöhungen erfolgen zum 1. August 2021, zum 1. Januar 2022, zum 1. Januar 2023 und zum 1. Juni 2023. Die Löhne der Pflegehelferinnen und Pflegehelfer werden dann um 25 Prozent über dem aktuellen Mindestlohn in der Pflege von 11,60 Euro liegen. Im Osten, wo der Mindestlohn derzeit 11,20 Euro beträgt, liegt die Lohnsteigerung noch höher.

Stundenentgelte steigen an

Pflegehelferinnen und Pflegehelfer erhalten nach dem Tarifvertrag ab dem 1. August 2021 ein Entgelt von mindestens 12,40 Euro pro Stunde, ab dem 1. Januar 2022 mindestens 13,80 Euro, ab dem 1. Januar 2023 mindestens 14,15 Euro und ab dem 1. Juni 2023 mindestens 14,40 Euro. Pflegehelferinnen und Pflegehelfer mit mindestens einjähriger Ausbildung bekommen ab dem 1. August 2021 mindestens 13,10 Euro pro Stunde; ihre Mindeststundenentgelte erhöhen sich ab 1. Januar 2022 auf 14,50 Euro, ab 1. Januar 2023 auf 15,00 Euro und ab 1. Juni 2023 auf 15,25 Euro.

Die Mindeststundenentgelte für examinierte Pflegefachpersonen liegen demnach ab 1. August 2021 bei 16,10 Euro, ab 1. Januar 2022 bei 17,00 Euro, ab 1. Januar 2023 bei 18,50 Euro und ab 1. Juni 2023 bei 18,75 Euro.

Pflegepersonen in der Altenpflege haben nach dem Tarifabschluss künftig Anspruch auf mindestens 28 Urlaubstage pro Jahr und ein zusätzliches Urlaubsgeld von mindestens 500 Euro. Der Tarifvertrag regelt Mindestbedingungen in der Altenpflege, das heißt, bessere Regelungen bleiben davon unberührt und sind auch weiterhin möglich.

Bündnis als Antreiber

Die BVAP ist ein Zusammenschluss von Pflegeanbietern und Wohlfahrtsverbänden. Das Bündnis wurde unter anderen vom Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), der Arbeiterwohlfahrt (AWO) und der Volkssolidarität (VS) gegründet. Inzwischen schließen sich nach Angaben des BVAP immer mehr gemeinnützige, aber auch private und öffentliche Träger an.

"Ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag bietet den Unternehmen klare Strukturen für Pflegesatzverhandlungen und die notwendige Planungssicherheit bei der Lohnfindung", erklärte der Diakonische Dienstgeberverband Niedersachsen (DNN). Bestehende bessere vertragliche Regelungen in den Unternehmen blieben von den Vereinbarungen des allgemeinverbindlichen Tarifvertrags unberührt, sagte DNN-Vorsitzender und BVAP-Vorstandsmitglied Rüdiger Becker.

Die Vertragsparteien erwarteten in diesem Zusammenhang von Politik und Kostenträgern, die Ziele ihres Tarifvertrags aktiv zu unterstützen und die volle Refinanzierung seiner Leistungen zu gewährleisten, ohne dass die Eigenanteile der Bezieherinnen und Bezieher von Pflegeleistungen oder deren Angehörigen steigen.

Klage beim Landesarbeitsgericht angekündigt

Der Arbeitgeberverband Pflege kündigte an, beim zuständigen Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg beantragen zu wollen, die Tarifunfähigkeit von ver.di in der Altenpflege festzustellen. Der Tarifvertrag mit der BVAP wäre dann nichtig, und die Allgemeinverbindlichkeit wäre gescheitert, erklärte Verbandspräsident Thomas Greiner am 1. Februar in Berlin. Begründet wird die Klage damit, dass nur ein sehr kleiner Teil der Pflegekräfte ver.di-Mitglied sei.

Auch der bpa-Arbeitgeberverband übte deutliche Kritik: "Es bleibt dabei: Miniminderheiten können in unserem Wirtschafts- und Gesellschaftssystem und unserer demokratischen Grundordnung nicht über die Tarifautonomie von Mehrheiten bestimmen", so Präsident Rainer Brüderle. Zudem sei ein Einheitstarifvertrag von Stralsund bis Freiburg jenseits der betrieblichen Wirklichkeit. "Neben der fehlenden Größe zeichnet sich diese Vereinbarung durch Praxisferne aus." Für die Repräsentativität spielten auch Positionierungen von kirchlichen Institutionen keine Rolle, so Brüderle.

Pia Zimmermann, pflegepolitische Sprecherin der Links-Fraktion, sagte, damit die Versorgung der alten Menschen verbessert werden könne, "muss jetzt auch zwingend der Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt werden". Dadurch dürften aber Menschen mit Pflegebedarf nicht noch weiter finanziell belastet werden. Im Gegenteil müssten die finanziellen Belastungen schon jetzt gesenkt werden. "Das ist schlicht eine Frage sozialen Anstands. Dafür gibt es einen einfachen Weg: Die bislang privat Versicherten müssen stärker an den finanziellen Lasten beteiligt werden."

Markus Jantzer, Dirk Baas


Corona

Impfpaten begleiten Senioren




Kleinbus mit ehrenamtlichen Fahrern
epd-bild/Harald Koch
Einen Impftermin zu finden und dann zum Impfzentrum zu kommen, kann für ältere Menschen über 80 eine hohe Hürde sein. Impfpaten sollen ihnen künftig dabei zur Seite stehen.

Fachmännisch mustert Bernd Kühn den Kleinbus, der übersät mit Werbung vor dem Portal der Marktkirche in Hannover geparkt hat. Bis vor einigen Monaten noch hat der 52-Jährige für einen großen Fahrdienstleister hauptberuflich Fahrgäste durch die Stadt chauffiert. Doch wegen Corona ist er nun in Kurzarbeit. Deshalb hat Kühn sich einen ehrenamtlichen Job gesucht: Als "Impfpate" will er mit dem Kleinbus ältere Menschen über 80 zu einem Impfzentrum begleiten. "Ich kenne viele ältere Herrschaften, für die ist so eine Sache ein Abenteuer", erzählt er. "Wenn man da ein bisschen helfen kann, ist das auch für mich eine große Freude."

Aufruf zur Mithilfe

In Niedersachsen gehört Kühn zu den ersten Impfpaten. Denn rechtzeitig zum Start der landesweiten Impftermin-Hotline haben die evangelische Kirche und die Diakonie ein entsprechendes Projekt gestartet. Zunächst im Norden von Hannover haben sie zur Mithilfe aufgerufen - und schon 40 angehende Impfpaten haben sich gemeldet. "Wir erleben gerade, dass es gut ist, wenn alle die Ärmel hochkrempeln, denn der Staat kommt an seine Grenzen", sagte der evangelische Stadtsuperintendent Rainer Müller-Brandes. Auch an anderen Orten bieten erste Impfpaten ihre Dienste an, koordiniert von Sozialverbänden, Kirchen und Kommunen.

Bernd Kühn hat über die sozialen Netzwerke von der Aktion gehört. Bei ihm weckt sie Erinnerungen an seine Mutter, die noch vor der Corona-Zeit schwer krank auf die Intensivstation musste und schließlich starb. Zeitweise wurde sie an ein Beatmungsgerät angeschlossen - ähnlich wie heute die Covid-Patienten. "Das ist supergruselig", erinnert er sich. "Ein Extremszenario, das man keinem alten Menschen zumuten sollte." Deshalb will er seinen Teil dazu betragen, um heute Ältere zu unterstützen. Fahrgäste wird er zu Hause abholen und auch bei den Impfungen im Zentrum begleiten. "Damit sie mit einem guten Gefühl da hingehen."

In Hannover geht der Service über den reinen Fahrdienst hinaus. Die Impfpaten sollen den Senioren auch dabei helfen, überhaupt einen Impftermin zu finden. "Für Menschen über 80 ist es eine hohe Hürde, sich an eine Impf-Hotline zu wenden, die dann erst mal besetzt ist", sagt Stadtsuperintendent Müller-Brandes. In der Tat ist die Terminfindung zurzeit eine höchst knifflige Aufgabe: Sowohl die landesweite Telefon-Hotline als auch das Internet-Portal www.impfportal-niedersachsen.de waren zum Auftakt einem Ansturm an Interessenten ausgesetzt und völlig überlastet.

Flüchtlinge als ehrenamtlichen Fahrer

Damit der Service der Impfpaten möglichst reibungslos läuft, arbeiten Kirche und Diakonie mit der Per Mertesacker Stiftung und dem Volkswagen-Konzern zusammen, die mehrere Fahrzeuge zur Verfügung gestellt haben. Zu den ehrenamtlichen Fahrern gehören auch zwei Geflüchtete: A. Ören (38) und S. Korkmaz (46), die ihre Vornamen nicht in den Medien lesen wollen. Beide machen gerade einen Sprachkurs, und wegen der Pandemie haben sie daneben viel freie Zeit. "Wir wollen den alten Menschen helfen, denn diese Situation ist schrecklich", sagt der gelernte Lehrer Ören. Zum Team gehört auch Wolfgang Hey (70), der selbst schon im Ruhestand ist. Ihm ist wichtig, aktiv mit anzupacken: "Wir brauchen mehr Solidarität und weniger Schimpfen auf die Politik."

Auch anderswo in Niedersachsen werden Impfpaten gesucht. So hat die Stadt Oldenburg eine Hotline für Senioren geschaltet und vermittelt ehrenamtliche Helfer. "Es gibt immer ältere Menschen, die Probleme mit der Technik haben", sagt Stadtsprecher Reinhard Schenke. Und in Neu Wulmstorf bei Hamburg hat die evangelische Kirchengemeinde einen Fahrdienst mit Privatautos aufgebaut. Vier Ehrenamtliche haben sich bislang dort schon gemeldet, berichtet der Vorsitzende des Kirchenvorstands, Wilfried Hochfeld: "Wir lassen die ältere Generation nicht im Stich."

Michael Grau


Corona

Behindertenwerkstätten setzen auf Flexibilität




Alexandra Kleine an ihrem Webstuhl in der Textilwerkstatt "Julia von Bodelschwingh" in Bielefel
epd-bild/Christian Weische/ Bethel
Anders als während des ersten Corona-Lockdowns im Frühjahr 2020 sind die Werkstätten für behinderte Menschen seit Dezember nicht geschlossen. Beschäftigte dürfen in den Einrichtungen arbeiten - wenn sie wollen. Das wird individuell geprüft.

"Übersicht in eine unübersichtliche Situation bringen", sagt Werkstätten-Leiter Daniel Möller über seine Arbeit in den vergangenen Monaten. 700 Menschen mit Behinderungen sind in den Werkstätten der Theodor Fliedner Stiftung in Mülheim an der Ruhr beschäftigt. Zwischen März und Mai letzten Jahres galt auch hier ein Betretungsverbot, danach konnten die Beschäftigten in Etappen wieder an ihre Arbeitsplätze zurück. Bis es Mitte Dezember erneut in den harten Lockdown ging, der nun ein zweites Mal bis 14. Februar verlängert wurde.

Wer will, darf zur Arbeit kommen

Doch im Gegensatz zum Frühjahr 2020 sind die Werkstätten nicht geschlossen. Wenn es die Beschäftigten wollen, dürfen sie arbeiten. Die Werkstätten müssen dabei individuell prüfen, ob eine Teilhabe am Arbeitsleben nun in der Werkstatt, im eigenen Zuhause oder im Wohnheim erfolgen soll.

Seit Mitte September mussten alle Werkstätten in Nordrhein-Westfalen ihre Leistung wieder vollständig vor Ort erbringen, alle Beschäftigten zur Arbeit erscheinen. Damit Hygiene-Auflagen und Abstandsgebote überhaupt eingehalten werden konnten, funktionierten die Fliedner Werkstätten laut Möller zum Beispiel Speisesäle oder Sporthallen zu Arbeitsräumen um. Nur eine geringe Zahl von Beschäftigten sei wegen großer Ängste weggeblieben und vorübergehend abgemeldet worden, sagt der Werkstätten-Leiter.

Als im Spätherbst die Infektionszahlen deutlich stiegen, sei man zwischen NRW-Gesundheitsministerium, Landschaftsverbänden und der Freien Wohlfahrt übereingekommen, dass es kein erneutes Betretungsverbot geben solle, erklärt Referentin Petra Welzel vom Diakonischen Werk Rheinland-Westfalen-Lippe in Düsseldorf: "Auch die Menschen mit Behinderungen haben einen Anspruch auf Teilhabe an der Arbeitswelt." Zudem seien nicht alle Beschäftigten gleich gefährdet.

20 Prozent im Homeoffice

Laut Rundschreiben der Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen-Lippe von Anfang Januar wird die Frage, wie die Arbeit erfolgt, für die Zeit des Lockdowns "stärker in das Ermessen der Beschäftigten und der jeweiligen Werkstätten gestellt". In manchen Werkstätten wollten viele Beschäftigte zu Hause bleiben, bei anderen "greift das nicht so sehr", erklärt Welzel.

In den Mülheimer Fliedner-Werkstätten hat seit der Weihnachtspause gut ein Drittel der Beschäftigten vor Ort gearbeitet, berichtet deren Leiter. Den anderen bringen die Fach- und Betreuungskräfte Arbeit aus dem Betrieb in die Wohnbereiche oder nach Hause, stellen analog oder online Übungsaufgaben bereit. "Wir suchen alle gezielt auf, vor allem die, die ganz allein leben", erläutert Möller.

Im Betheler "pro Werk" gilt die Devise: Wer nicht zur Arbeit kommen möchte, muss es auch nicht. Von dieser Möglichkeit machten in den Behindertenwerkstätten in Bielefeld-Bethel bis zu 20 Prozent der Beschäftigten Gebrauch, sagt "pro Werk"-Geschäftsführerin Michaela Diesen. Unter anderem durch kürzere Arbeitszeiten werde die Anwesenheit in den Arbeitsräumen noch weiter reduziert: "Manche kommen nur halbtags, andere nur drei statt fünf Tage die Woche." Vor allem Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen wollten aufgrund ihrer Ängste vor Ansteckung lieber zu Hause oder im Wohnheim mit Arbeit versorgt werden.

Ausgefeiltes Hygienekonzept

Diesen ist trotz des immensen Mehraufwands für die Absprachen mit den 2.500 Beschäftigten froh, dass die Arbeit weitergeht: "Im Frühjahr waren Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf monatelang zu Hause und hatten keine Beschäftigung." Bisher habe es dank eines ausgefeilten Hygienekonzepts nur eine geringe Zahl an Infektionen in den Werkstätten gegeben. Schnelltests setze man bisher anlassbezogen, aber nicht flächendeckend ein: "Wir haben keine Leute dafür, und diese Tests sind ja auch nicht hundertprozentig sicher."

Auf die Verantwortlichen in den Werkstätten kommt indes weitere Arbeit zu: Laut neuer Vorschriften darf eine Mindestfläche von zehn Quadratmetern für jede Person im Raum nicht unterschritten werden und Arbeitgeber müssen mindestens medizinische Gesichtsmasken (OP-Masken) an die Beschäftigten ausgeben.

Thomas Krüger


Corona

Verbände: "Auch Wohnungslose und Asylbewerber brauchen kostenlose Masken"




FFP2-Schutzmasken werden jetzt auch an Hartz-IV-Bezieher umsonst abgegeben.
epd-bild/Friedrich Stark
Das Bundesgesundheitsministerium will auch ALG II-Beziehern kostenlose FFP2-Masken zukommen lassen. Verbände begrüßen das als überfällig. Doch zugleich mahnen sie Nachbesserungen für weitere bedürftige Menschen an, die bei der Reform vergessen worden seien.

Sozialverbände begrüßen zwar die Pläne des Bundesgesundheitsministerium, den Personenkreis für kostenfreie FFP2-Masken auf die ALG II-Bezieher auszuweiten, kritisieren aber zugleich das begrenzte Vorhaben. Ganze Gruppen, die ebenfalls bedürftig seien, habe man vergessen, rügte der VdK. Die Caritas sprach sich dafür aus, auch Wohnungslose und Menschen in der Illegalität umsonst mit Masken zu versorgen. Kritik an dem Vorhaben kam auch von den Grünen.

Der Sozialverband VdK kritisierte, der Verordnungsentwurf des Ministeriums zur Änderung der Corona-Schutzmasken-Verordnung sehe Menschen mit Grundsicherung oder knapp über der Bedarfsgrenze nicht als Bezieher der Masken vor. Und: "Jüngere Empfänger von Grundsicherung oder Erwerbsminderungsrentner mit kleiner Rente gehen leer aus." Gerade psychische Erkrankungen seien ein häufiger Grund für eine Erwerbsminderung und diese Menschen seien häufig auch jünger als 60 Jahre. Bentele: "Sie wurden im Entwurf einfach vergessen. Hier muss nachgebessert werden."

Jüngere Grundsicherungsbezieher berücksichtigen

Während Menschen mit Grundsicherung im Alter schon jetzt zum berechtigten Personenkreis für kostenlose FFP2-Masken gehörten, sei das bei jüngeren Menschen in Grundsicherung noch nicht vollständig der Fall. Zwar können den Angaben nach Personen mit Grundsicherung wegen Erwerbsminderung zu den Berechtigten mit Vorerkrankungen gehören, jedoch erfasse dieser abschließende Katalog bei weitem nicht alle Vorerkrankungen. Zum Beispiel ist laut Bentele keine einzige psychische Erkrankung in diesem Katalog aufgeführt.

"Gerade Menschen mit einer Erwerbsminderungsrente haben oft ein Einkommen an der Grenze zur Grundsicherung. Die durchschnittliche Erwerbsminderungsrente der Deutschen Rentenversicherung betrug zuletzt 806 Euro", so Bentele. Das liege geradeso über der durchschnittlichen Grenze für die Grundsicherung. Und viele Menschen mit anderen kleinen Einkommensarten betrifft dies ebenso. "Für sie alle bedeutet die ständige Anschaffung von Masken eine stetige und große finanzielle Anforderung."

Caritas bietet Verteilung der Masken an

Der Deutsche Caritasverband rügte ebenfalls, dass viele Menschen am Rande der Gesellschaft bei der Verteilung der Masken vergessen worden seien. Neben Wohnungslosen und Menschen mit sehr geringen Einkommen seien das zum Beispiel viele Menschen mit psychischen Erkrankungen oder Behinderung, Geflüchtete und die vielen Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus in der Bundesrepublik. "Sie nicht zu bedenken, verletzt den Gleichbehandlungsgrundsatz", betonte Caritas-Präsident Peter Neher am 1. Februar.

Er schlug vor, die Masken über soziale Einrichtungen und Dienste zu verteilen. Gerade Menschen, die auf der Straße lebten, seien schwer zu erreichen, wenn sie etwa nicht krankenversichert sind. Das gleiche gelte für Menschen ohne Papiere. "Das darf aber kein Grund sein, sie nicht mit zu bedenken. Die Einrichtungen und Dienste, die diesen Menschen im Alltag zur Seite stehen, bieten sich gerne an, die Masken weiterzureichen", sagte Präsident Peter Neher.

NRW verteilt 8,7 Millionen Masken

In NRW übernehmen die Wohlfahrtsverbände die Verteilung von kostenlosen Masken an Bedürftige aus Landesbeständen. "Persönlicher Corona-Schutz kostet Geld, das einige Menschen einfach nicht haben. Da braucht es Solidarität", sagte Frank Johannes Hensel, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtspflege NRW (LAG FW). Er würdigte, dass die Verteilung der medizinischen Masken schnell und unbürokratisch und ohne individuelle Prüfungen oder Nachweispflichten geschehen solle. Dennoch setze sich die Freie Wohlfahrtspflege auch für einen pauschalen Mehrbedarfszuschlag von 100 Euro für Beziehern von Hartz IV und Grundsicherung während der Dauer der Krise ein.

Die Freie Wohlfahrtspflege werde über ihr Netzwerk die Masken für obdachlose Menschen direkt verteilen und darüber hinaus die Kommunen bei der Abgabe an Hartz-IV-Empfänger und Asylbewerber unterstützen. Das Land liefert diese Kontingente über die Krisenstäbe der Kreise und kreisfreien Städte aus. Darüber hinaus geben die Tafeln Masken aus Landesbeständen aus. Nach Angaben des Finanzministeriums werden zunächst 8,7 Millionen Masken ausschließlich für bedürftige Menschen abgegeben.

Grünen rügen zögerliches Verhalten

Maria Klein-Schmeink, stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Sprecherin für Gesundheitspolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, warf der Bundesregierung zögerliches Verhalten beim Verteilen der Masken vor. "Es reicht nicht aus, nun nur lediglich denjenigen einen Anspruch einzuräumen, die sich aufgrund ihres SGB II- Leistungsbezug in den Karteien der Krankenkassen und Krankenversicherer befinden." Es brauche ebenso dringend Hilfen für diejenigen, die ohnehin immer wieder durchs Raster fallen. Dazu gehörten etwa Asylbewerber, Menschen in der Illegalität, Menschen mit geringen Einkommen, Wohnungslose und Nichtversicherte sowie Menschen mit Erwerbsminderung.

Unabhängig von der Verordnung braucht es den Grünen zufolge zudem einen Zuschlag auf den Regelsatz für Transferleistungsempfänger in Höhe von 100 Euro für Erwachsene und 60 Euro für Kinder, weil aufgrund pandemiebedingter Mehrausgaben und wegfallender Hilfsangebote wie etwa den Tafeln das Geld am Ende des Monats nicht mehr reichte.

Dirk Baas


Corona

AWO weist Kritik von Scholz an Pflegeheimen zurück



Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) hat die Kritik von Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) am Umgang der Pflegeheime mit Corona zurückgewiesen. Der Finanzminister richte seine Worte an die falschen Adressaten, so der Verband am 1. Februar. Die Kritik müsse sich eher an den Gesundheitsminister zu richten.

Scholz hatte in einem Interview den Heimen unter anderem vorgeworfen, trotz vermeintlich ausreichender Unterstützung der Bundesregierung zu lange keine Teststrategien umgesetzt zu haben. Derartige Aussagen seien "ein Schlag in das Gesicht eines Berufsfeldes an der Grenze zum Zusammenbruch", sagte Jens M. Schubert, der Vorstandsvorsitzender des AWO Bundesverbandes.

Fachkräftemangel seit Jahren beklagt

"Seit Jahren warnt die freie Wohlfahrtspflege vor dem Fachkräftemangel, der geringen Wertschätzung und der unangemessenen Entlohnung in der Pflege", doch ohne Erfolg. Die Personalsituation sei vielerorts schon vor der Pandemie angespannt gewesen.

Seit Anfang letzten Jahres weisen die Wohlfahrtsverbände darauf hin, dass es unter anderem einer soliden Finanzierung der Mehrausgaben und qualifizierten Personals bedarf, um eine Teststrategie in den Heimen tatsächlich umsetzen zu können.

"Die Maßnahmen der Bundesregierung kamen zu spät oder missachteten schlicht die angespannten Bedingungen vor Ort", so Schubert. Es sei nicht hinnehmbar, jetzt den Einrichtungen die Schuld in die Schuhe zu schieben, statt sich der eigenen politischen Verantwortung zu stellen.



Corona

Immer mehr Jugendliche nutzen Online-Beratung



Der Bedarf an Online-Beratung in der Pandemie ist im vergangenen Jahr bei Jugendlichen offenbar gestiegen. Der Anbieter der "JugendNotmail" registrierte 2020 einen Anstieg um rund 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr, auf nunmehr mehr als 2.750 Einzelberatungen, wie der Trägerverbund Kinder-, Jugend- und Soziale Hilfen (KJSH) am 1. Februar in Berlin mitteilte. Zwischen Ratsuchenden und Beratenden seien im vergangenen Jahr mehr als 15.000 Nachrichten bei der Online-Beratung ausgetauscht worden. Dies sei eine Steigerung um 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Der Anstieg der geschriebenen Mails je Beratung verweise auf die komplexe Problemlage der Jugendlichen in Corona-Zeiten, erklärte Ina Lambert, Fachleiterin bei "JugendNotmail". Online-Beratungsangebote hätten sich bewährt, "weil sie einen niedrigschwelligen Zugang bieten und rund um die Uhr erreichbar sind". "JugendNotmail" habe deshalb das Angebot ausgebaut und biete seit Mitte November nun dreimal wöchentlich zusätzlich eine vertrauliche Einzelchat-Beratung an. Insgesamt stünden rund 160 Beratende zur Verfügung.

Die Themen seien dabei breit gestreut: Angefangen bei Liebeskummer und Streit mit den Eltern reichten sie über Mobbing bis hin zu Depressionen und Suizidgedanken. 2020 dominierten in der Beratung demnach die Themen Familie (18,5 Prozent), Depression (14,6 Prozent), Angst (11,6 Prozent) und Selbstverletzungen (9,2 Prozent). Um das Beratungsangebot zu nutzen, müssen sich junge Menschen auf der Internetseite "www.jugendnotmail.de" registrieren.



Verbände

DRK: Einstimmige Tarifempfehlung beendet Schlichtung




Viele Beschäftigte des Deutschen Rotes Kreuzes verfolgen gespannt die tarifliche Auseinandersetzung.
epd-bild/ DRK/ Günter Wicker
Die Schlichtung brachte ein einstimmig angenommes Ergebnis: Die BTG des Rotes Kreuzs und ver.di sind auf dem guten Weg zu einem neuen Tarifabschluss.

Nach einer zweitägigen Online-Schlichtung in den Tarifverhandlungen zwischen der Bundestarifgemeinschaft (BTG) des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) und der Gewerkschaft ver.di haben die Schlichter, Professor Martin Henssler und Andrea Nahles, ihre Einigungsempfehlung vorgestellt. Sie schlagen lineare Steigerungen in Höhe von mindestens 3,4 Prozent bei einer Laufzeit von 30 Monaten sowie eine Corona-Sonderzahlung von bis zu 600 Euro für alle Beschäftigten.

Der Schlichterspruch wurde von der Schlichtungskommission, in der die Tarifvertragsparteien paritätisch vertreten sind, einstimmig befürwortet, heißt es in einer Mitteilung vom 29. Januar.

"Wir sind insgesamt zufrieden, dass wir nun eine tragfähige Lösung erreicht haben, die auf der einen Seite eine langfristige Planungssicherheit für die Arbeitgeber und auf der anderen Seite deutliche Verbesserungen für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit sich bringt", sagte der Vorsitzende der BTG, DRK-Generalsekretär Christian Reuter.

Zweigeteilte Erhöhung der Einkommen

Der Schlichterspruch beinhaltet insbesondere eine Erhöhung der Entgelte zum 1. April um 1,5 Prozent (mindestens 50 Euro) sowie eine Erhöhung ein Jahr später um 1,9 Prozent bei einer Laufzeit von 30 Monaten bis zum 31. März 2023. Zudem sind den Angaben nach erhebliche Verbesserungen über das TVöD-Niveau hinaus für Auszubildende sowie für Schülerinnen und Schüler vorgesehen.

Ebenso ist eine Corona-Sonderzahlung je nach Entgeltgruppe von bis zu 600 Euro für alle Beschäftigten Bestandteil des jetzt vorgelgten Schlichterspruches. Inhalt ist darüber hinaus auch die Erhöhung der Wechselschichtzulage auf 155 Euro für alle Beschäftigten, inklusive des Rettungsdienstes.

Weitere Inhalte sind die Erhöhung der Zulagen für die Leitung der Rettungswache um jeweils 40 Euro, die Erhöhung der Gruppenleiterzulage in der Kita um 20 Euro sowie die Einführung einer gestaffelten Pflegezulage bis auf 150 Euro im Monat.

Neu eingeführt wird auch eine nach Tätigkeitsdauer gestaffelte, monatliche Zulage für die Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter. Zudem wird der Urlaub für alle Beschäftigten auf 30 Tage erhöht.

Erklärungsfrist bis zum 22. Februar

Die Mitgliederversammlung der BTG und die Tarifkommission von ver.di werden nun über die Einigungsempfehlung beraten, weil der Spruch unter dem Vorbehalt der bei ver.di und der BTG jeweils zuständigen Gremien steht. Die Tarifvertragsparteien haben eine Erklärungsfrist bis zum 22. Februar vereinbart.

Die Bundestarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes ist eine Arbeitgebervereinigung im Sinne des § 2 Tarifvertragsgesetz und vertritt Arbeitgeber des DRK mit rund 38.600 Beschäftigten. Mittelbar sind darüber hinaus ca. 21.000 Rotkreuzschwestern erfasst. Beim Deutschen Roten Kreuz arbeiten insgesamt rund 150.000 Menschen, doch nur ein Drittel ist über die Bundestarifgemeinschaft DRK tarifgebunden. Die Beschäftigten beim Deutschen Roten Kreuz arbeiten in den Bereichen Senioren; Gesundheit und Prävention; Kinder, Jugend und Familie, Behindertenhilfe, existenzsichernde Hilfen, Migration, Integration und Teilhabe, Erste Hilfe und Notfallrettung; Bevölkerungsschutz und der Bildungsarbeit.

"Das Gesamtpaket kann sich sehen lassen. Eine besondere Herausforderung war, den Beruf Notfallsanitäter wesentlich attraktiver zu machen. Das haben wir aufgrund der großen Unterstützung aus den Belegschaften geschafft. Zwischendurch sah es so aus, als würde an dem Punkt die Schlichtung scheitern," sagte Frank Hutmacher, der ver.di-Verhandlungsführer.

Dirk Baas


Nordrhein-Westfalen

Verbände fürchten durch neue Bauordnung Nachteile für Behinderte



Sozialverbände in NRW schlagen Alarm. Sie fürchten bei der anstehenden Novellierung der Landesbauordnung eine Verwässerung der Vorgaben für barrierefreies Bauen - und damit massive Nachteile für Menschen mit Behinderungen und Senioren.

Mehrere Sozialverbände in Nordrhein-Westfalen haben die geplante Änderung der Landesbauordnung kritisiert. "Zu viele ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen in NRW leben in Wohnungen, die nicht auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind", teilten Vertreter des SoVD NRW, des VdK NRW und der LAG Wohnberatung NRW am 2. Februar in einer gemeinsamen Erklärung mit. Sie forderten von der Landesregierung "endlich ein klares Bekenntnis zur Barrierefreiheit im Wohnungsbau". NRW hinke beim Bau der erforderlichen Wohnungen "hinterher".

"Behinderte Wohnungssuchende sollten sich endlich darauf verlassen können, dass, wo barrierefreie Wohnung draufsteht, auch eine barrierefreie Wohnung drin ist", sagte Michael Spörke, Leiter der Abteilung Sozialpolitik und Kommunales beim Sozialverband Deutschland (SoVD) in NRW. Die geplante Änderung der Bauordnung lasse jedoch eher Gegenteiliges befürchten.

Die Verbände rufen die Landesregierung in der Erklärung dazu auf, den barrierefreien Wohnungsbau "im Eiltempo und mit Entschlossenheit" voranzutreiben, um den Bedarf an solchen Wohnungen zumindest perspektivisch zu decken. Laut der geplanten Novellierung der Landesbauordnung sollen Wohnungen künftig nur noch "im erforderlichen Umfang" barrierefrei sein. Die Einfügung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs würde zu erheblicher Unsicherheit führen, da unklar sei, was mit dem Begriff gemeint ist, hieß es.

Abkehr nicht nachvollziehbar

Ein Absenken des Standards auf einen "erforderlichen Umfang" wäre eine offenkundige Abkehr vom Ziel des barrierefreien Wohnungsbaus auf dem frei finanzierten Wohnungsmarkt, monierten die Verbände. "Es ist für uns nicht hinnehmbar, dass zukünftig nur noch 'wesentliche Barrieren' im Wohnungsbau vermieden werden sollen. Eine Abstufung zwischen wesentlichen und weniger wesentlichen Barrieren würde der Lebensrealität von behinderten Menschen nicht gerecht werden." Die Folge wäre eine weitere Verschlechterung bei der Wohnungssuche für all diejenigen, die barrierefreie Wohnungen benötigen.

Die Verbände verwiesen vor dem Hintergrund der aktuellen Wohnungsmarktprognose des Landes NRW darauf, dass bis 2040 über 672.000 altersgerechte Wohnungen neu entstehen müssen, um den Bedarf zu decken. Gemessen am gesamten Neubaubedarf von knapp über einer Million Wohnungen wären dies zwei Drittel aller Wohnungen. Laut dem Mikrozensus von 2018 seien seit 2011 aber nur 18 Prozent aller Wohnungen altersgerecht errichtet worden.

Kritik an unbestimmtem Rechtsbegriff

Am 5. Dezember soll in einer gemeinsamen Sitzung von Bau- und Sozialausschuss im Düsseldorfer Landtag eine Sachverständigenanhörung zur Änderung der Landesbauordnung stattfinden. In Paragraf 49 zum "Barrierefreien Bauen" ist in der derzeit gültigen Fassung der Landesbauordnung davon die Rede, dass in Mehrparteienhäusern Wohnungen barrierefrei und eingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbar sein müssen. In den geplanten Änderungen ist von Wohnungen die Rede, die "im erforderlichen Umfang barrierefrei" sein müssen. Der Entwurf verweist im Anhang auf rechtliche Konkretisierungen von Begriffen wie "barrierefrei" oder "öffentlich zugänglich".

Gabriele Fritz


Kirchen

Bank will Digitalisierung von Sozialunternehmen fördern



Corona hat das digitale Arbeiten in vielen Bereichen vorangebracht. Für die Gesundheits- und Sozialwirtschaft gibt es offenbar noch Bedarf. Die Evangelische Bank will hier unterstützend aktiv werden.

Die Evangelische Bank will die Gesundheits- und Sozialwirtschaft stärker beim digitalen Wandel unterstützen. Dazu wurde am 3. Februar in Berlin ein sogenannter Change Hub zur Beratung von Unternehmen eröffnet. Der Geschäftsführer des Change Hub der Evangelischen Bank, Malte Frederik Möller, erklärte, Ziel sei es, eine Plattform für kreative Lösungen zu bieten und in Workshops Transformationsprojekte von Kunden zu begleiten.

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie nannte in einem Online-Chat zur Eröffnung des Beratungsunternehmens die Digitalisierung nicht nur eine technische, sondern auch eine soziale Herausforderung. "Nur wenn dieser Wandel teilhabeorientiert verankert und von allen Bevölkerungsgruppen mitgestaltet wird, werden wir sozialen Zusammenhalt und halbwegs gleichwertige Lebensverhältnisse ermöglichen können", sagte Lilie. Die Digitalisierung könne etwa bei der Kundenzentrierung der sozialen Dienste helfen.

Caritas: Digitalisierung ist kein Selbstzweck

Caritas-Präsident Peter Neher nannte als Beispiele der Digitalisierung den Einsatz "digitaler Tools bei der Biographiearbeit mit dementen Menschen oder die Angebote der Online-Beratung angesichts der Pandemie". Allerdings sei Digitalisierung weder ein Allheilmittel, noch Selbstzweck, so Neher.

Der Zukunftsforscher Tristan Horx erklärte mit Blick auf die Erwartungen an die Digitalisierung: "Das Netz löst Verbindungsfragen, aber keine Beziehungsfragen." Er sehe eine Re-Humanisierung als Gegentrend zur bisherigen Digitalisierung. Die zunehmende Überforderung der Menschen durch digitale Medien bereite den Weg zu einer neuen "digitalen Achtsamkeit", so Horx. Digitalisierung sei "ein Tool, aber ich warne davor, sich auf das Digitale zu fixieren".

Technik schnell zu den Menschen bringen

Die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, Jutta Allmendinger, erklärte, die Akzeptanz digitaler Unterstützung sei bei älteren Menschen nach anfänglicher Ablehnung massiv gestiegen. Jetzt gehe es darum, technologische Entwicklungen schneller zu den Menschen zu bringen. Die Pandemie habe dabei gezeigt, dass die Sozial- und Gesundheitswirtschaft teilweise noch großen Nachholbedarf habe, sagte Allmendinger.

Die Change Hub GmbH mit Sitz in Berlin wurde 2019 als Tochtergesellschaft der Konzernfamilie Evangelische Bank eG mit Sitz in Kassel gegründet. Das Tochterunternehmen sitzt in einem ehemaligen Bankgebäude in der Berliner City-West.

Lukas Philippi



sozial-Recht

Bundessozialgericht

Persönliches Budget für behinderte Menschen gilt unbefristet




Der Rechtsanspruch auf ein Persönliches Budget, das behinderten Menschen ein möglichst selbstbestimmtes Leben ermöglichen soll, besteht seit 2008.
epd-bild/Uwe Lewandowski
Selbstbestimmter Leben mit einem Persönlichen Budget: Behinderte und psychisch kranke Menschen müssen die Eingliederungshilfeleistung nur einmal beantragen. Für eine Befristung des Persönlichen Budgets fehlt es an der gesetzlichen Grundlage, urteilte das Bundessozialgericht.

Das für behinderte und psychisch kranke Menschen als Eingliederungshilfe gewährte Persönliche Budget darf nicht befristet werden. Zwar kann alle zwei Jahre der tatsächliche Hilfebedarf überprüft werden, eine generelle Befristung des Budgets ist aber gesetzlich nicht vorgesehen, urteilte am 28. Januar das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel. Damit muss die Hilfeleistung nicht immer wieder neu beantragt werden.

Seit 2008 besteht ein Rechtsanspruch für behinderte und psychisch kranke Menschen auf ein Persönliches Budget. Betroffene sollen mit der Geldleistung ihre notwendigen Hilfen selbst "einkaufen" können, indem sie etwa selbst Assistenzkräfte anstellen. Dahinter steht der Gedanke, dass sie selbst oft besten wissen, welche Hilfen sie im Haushalt, der Pflege oder auch bei Arztbesuchen benötigen.

Müssen sich mehrere Träger, etwa Krankenkasse, Rentenversicherung oder auch das Jugendamt die Kosten für das Persönliche Budget teilen, kann dennoch nur bei einem Kostenträger der Antrag gestellt werden. Ziel ist die Leistung aus einer Hand. Bei einem trägerübergreifenden Budget müssen sich die beteiligten Kostenträger zur Aufteilung der Leistung untereinander einigen.

Klage gegen behördliche Befristung

Im Streitfall hatte sich der Kläger aus dem Landkreis Bodenseekreis dagegen gewehrt, dass der damals zuständige Sozialhilfeträger sein Persönliches Budget befristet hatte. Ursprünglich hatte er als Eingliederungshilfe 600 Euro monatlich bewilligt bekommen. Davon bezahlte er eine Putzhilfe, aber auch Telefon, Eintrittsgelder oder auch Reparaturen an seinem E-Bike.

Als der psychisch kranke Mann auf Grundsicherung im Alter angewiesen war, kürzte der Sozialhilfeträger das Persönliche Budget auf 196 Euro, später stieg es auf 388 Euro monatlich. Die Bewilligung wurde befristet, so dass der Mann nach Ablauf erneut einen Antrag stellen musste. Es müsse schließlich überprüft werden, ob der behinderungsbedingte Mehrbedarf noch besteht, lautete die Begründung.

Doch für die Befristung gibt es keine Rechtsgrundlage, urteilte jetzt das BSG. Der Kläger müsse deshalb auch nicht immer neue Anträge für ein Persönliches Budget stellen, nur weil der zuvor festgelegte Befristungszeitraum abgelaufen ist. Allerdings könne der bestehende Bedarf alle zwei Jahre neu geprüft werden, so dass sich die Höhe der Hilfen nach unten oder oben entwickeln könne.

Nachzahlungen werden noch geprüft

Ob der Kläger wegen eines zu geringen Budgets in der Vergangenheit nun Nachforderungen stellen kann, muss noch das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg prüfen. Der Sozialhilfeträger sei nur dann zur Nachzahlung verpflichtet, wenn der Kläger in der Vergangenheit tatsächlich auch Ausgaben für seinen behinderungsbedingten Bedarf getätigt hat, befand das BSG.

Das Bundesverfassungsgericht hatte mit Beschluss vom 12. September 2016 entschieden, dass Behörden bei einem Streit um die Höhe des Persönlichen Budgets im Zweifel erst einmal auch mehr bezahlen sollten. Das gelte zumindest dann, wenn behinderte Menschen mit der Geldleistung ihre Hilfs- und Assistenzkräfte finanzieren, wegen einer erhaltenen geringeren Zahlung aber nicht mehr die Sozialversicherungsabgaben für die Beschäftigten begleichen können.

Budget ist nicht nach oben offen

Die Finanzierung "besonderer Pflegekräfte" mit Hilfe des Persönlichen Budgets in solch einem sogenannten Arbeitgebermodell ist aber nicht noch oben offen. So entschied das LSG Stuttgart am 25. September 2019, dass behinderte Menschen aus dem Persönlichen Budget keinen Lohn für die Pflege durch Angehörige bezahlen dürfen. Der behinderte Mensch dürfe zwar Pflegehilfen "einkaufen" und so "fremde" Pflegekräfte beschäftigen, nicht aber eigene Familienangehörige.

Nach dem Willen des Gesetzgebers gebe es für die Angehörigenpflege nur Pflegegeld. Zusätzlich könnten noch Aufwendungen für die Beiträge einer Pflegeperson für eine angemessene Alterssicherung erstattet werden, "soweit diese nicht anderweitig sichergestellt ist", entschied das LSG.

Auch können behinderte Arbeitgeber kein so hohes Persönliches Budget verlangen, dass ihre beschäftigten Assistenzkräfte nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) entlohnt werden, urteilte bereits das Sozialgericht Dortmund am 26. März 2012. Hier sei der Sozialhilfeträger wegen des Wirtschaftlichkeitsgebotes nicht verpflichtet, die Pflege- und Assistenzkräfte auf der Grundlage des TVöD zu finanzieren.

Az.: B 8 SO 9/19 R (Bundessozialgericht Befristung)

Az.: 1 BvR 1630/16 (Bundesverfassungsgericht)

Az.: L 7 SO 4668/15 (LSG Stuttgart Angehörigenpflege)

Az.: S 62 SO 5/10 (Sozialgericht Dortmund)

Frank Leth


Bundesverwaltungsgericht

Flüchtlinge im offenen Kirchenasyl sind nicht "flüchtig"



Flüchtlinge im sogenannten offenen Kirchenasyl gelten als nicht "flüchtig". Sollen sie wegen eines von einem anderen EU-Mitgliedstaat ausgestellten Visums oder eines dort gestellten Asylantrags rücküberstellt werden, muss das innerhalb von sechs und nicht 18 Monaten geschehen, urteilte am 26. Januar das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Bei einer verpassten Überstellungsfrist werde Deutschland für das Asylverfahren zuständig, so das Gericht.

Damit bekam die iranische Klägerin recht, die zusammen mit ihrem Ehemann mit einem von Polen ausgestellten Schengenvisum in Deutschland einreiste und dann hier einen Asylantrag stellte.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hielt das für unzulässig. Das polnische Konsulat habe das Visum ausgestellt, damit sei auch Polen für das Asylverfahren zuständig, so die Behörde. Dazu erklärte sich Polen auch bereit.

Nach gescheitertem Antrag ins Kirchenasyl

Als die Iranerin mit ihrem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz vor Gericht scheiterte, floh sie Ende Januar 2019 aus Angst vor einer Abschiebung in ein Kirchenasyl. Erst nach einem gut zweimonatigen Aufenthalt im Kirchenasyl teilte sie das dann auch den deutschen Behörden mit.

Diese entschieden, dass die Frau wegen der unterbliebenen Mitteilung ihres Aufenthaltsortes als "flüchtig" gelte. Und das hat Folgen: Denn nach den geltenden sogenannten Dublin-III-Regelungen hat in solch einem Fall Deutschland 18 Monate Zeit, um die Frau nach Polen abzuschieben. Bei Kenntnis des Aufenthaltsortes liegt die Überstellungsfrist dagegen bei sechs Monaten. Nach Fristablauf ist dann das Land zuständig, in dem der Flüchtling den letzten Asylantrag gestellt hat. Zwischenzeitlich hatte im Streitfall Polen erklärt, wegen der COVID-19-Pandemie erst einmal niemanden aufnehmen zu wollen.

Klage gegen lange Frist

Gegen die Verlängerung der Überstellungsfrist legte die Frau Rechtsmittel ein und bekam nun vom Bundesverwaltungsgericht recht. Bereits Mitte 2019 sei die Zuständigkeit des Asylverfahrens wegen Ablaufs der Sechsmonatsfrist auf Deutschland übergegangen. Denn die Klägerin sei zum Zeitpunkt der Entscheidung des BAMF, die Überstellungsfrist von sechs auf 18 Monate zu verlängern, nicht mehr "flüchtig" gewesen. Den Behörden sei zu diesem Zeitpunkt der Aufenthalt der Frau im Kirchenasyl bekannt gewesen.

Eine Überstellung war damit rechtlich und tatsächlich wieder möglich, befanden die Leipziger Richter. Daran ändere auch nichts, dass das BAMF und die Kirchen über die Flüchtlinge im offenen Kirchenasyl eine Verfahrensabsprache getroffen haben.

Az.: 1 C 42.20



Bundesgerichtshof

Kein Schadensersatz für Mieter wegen unwirksamer Mietpreisbremse



Mietern steht wegen einer vom Land erlassenen fehlerhaften Mietpreisbremse kein Schadensersatz zu. Es gibt keinen Amtshaftungsanspruch einzelner Mieter bei abstrakten Gesetzen und Verordnungen, die sich an die Allgemeinheit richten, urteilte am 28. Januar der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe zu einer vom Land Hessen festgelegten fehlerhaften Mietpreisverordnung.

Das Land hatte die Mietpreisbremse am 17. November 2015 per Verordnung. Danach sollten in angespannten Wohnungsmärkten die Mietsteigerungen gedeckelt werden. Doch die Verordnung hatte vor dem Landgericht Frankfurt/Main keinen Bestand. Diese sei wegen einer fehlenden Begründung unwirksam.

Amtspflichten verletzt

Ein Mieter aus Frankfurt, der im Februar 2017 für seine Wohnung 11,50 Euro pro Quadratmeter als Kaltmiete zahlen sollte, konnte wegen der fehlerhaften Verordnung nicht wie vorgesehen die Miete senken. Die ortsübliche Vergleichsmiete lag bei 7,45 Euro. Laut Mietpreisbremse darf bei einer Neuvermietung die Miete höchstens zehn Prozent darüber liegen. Hier wären das 8,20 Euro gewesen.

Weil er nun weiterhin die hohe Miete zahlen musste, verlangte er vom Land Hessen Schadensersatz. Das Land habe seine Amtspflichten verletzt, weil es fehlerhaft die Verordnung nicht begründet habe, so der Kläger.

Doch einen Schadensersatzanspruch hat der Mieter nicht, urteilte der BGH. Ein Amtshaftungsanspruch setze voraus, dass ein Amtsträger gegenüber einem geschädigten Dritten seine Amtspflichten verletzt hat. Verordnungen und Gesetze seien bis auf wenige Einzelfallgesetze durchweg generell und abstrakt gehalten, ihnen fehlt "die Richtung auf bestimmte Personen oder Personenkreise". Hier war die Verordnung auf die Wahrung des Interesses der Allgemeinheit und nicht auf die eines Einzelnen gerichtet gewesen, so dass kein Schadensersatzanspruch besteht, entschied der BGH.

Az.: III 25/20



Landessozialgericht

Gericht erkennt Schockschaden nach Axtmord an



Mehr als 16 Jahre nach einem Gewaltverbrechen hat die Angehörige des Opfers vor Gericht eine Entschädigung für den erlittenen Schock erstritten. Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen gab der Klage einer Frau aus Bremen auf Zahlung einer Opferrente statt, das Urteil wurde am 1. Februar bekanntgegeben.

Der Vater der Klägerin war zu Weihnachten 2004 von ihrem psychisch kranken Bruder mit einer Axt erschlagen worden. Die Frau erfuhr während eines Urlaubs auf Lanzarote telefonisch von der Tat. Sie erlitt einen schweren Schock mit Burn-out, ging aber zunächst nicht zum Arzt.

Opferrente erst Jahre danach beantragt

Erst sechs Jahre später beantragte die Frau eine Opferrente. Sie habe sich nicht behandeln lassen, weil sie sich aus Scham mit dem Ereignis nicht auseinandersetzen wollte und versucht habe, das Trauma zu verbergen. Sie habe sich jedoch aus Angst und Minderwertigkeitsempfinden aus ihrem sozialen Umfeld zurückgezogen. Aus Furcht vor einem ähnlichen Ereignis habe sie ihre Wohnung in eine regelrechte Festung verwandelt.

Das Versorgungsamt lehnte den Antrag ab, weil keine psychischen Störungen mit Tatbezug dokumentiert seien und keine adäquate ärztliche und psychotherapeutische Behandlung erfolgt sei. Außerdem gäbe es keinen Nachweis für einen unmittelbar durch die Gewalttat ausgelösten Schock. Ein Schockschaden und eine posttraumatische Belastungsstörung lägen daher nicht vor.

Schockschaden nachgewiesen

Das Landessozialgericht erkannte die posttraumatische Belastungsstörung hingegen jetzt an. Zur Begründung führte es aus, dass auch sogenannte Sekundäropfer in den Schutzbereich des Opferentschädigungsrechts einbezogen würden, wenn die psychischen Auswirkungen eng mit der Gewalttat verbunden seien. Das sei im Falle der Klägerin anzunehmen.

Das Gericht holte ein umfassendes medizinisches Gutachten ein. Die Frau habe auf die Mordnachricht mit Angst, Hilflosigkeit und Entsetzen reagiert. Sie erlebe das Ereignis immer wieder und zeige ein typisches Vermeidungsverhalten, befanden die Experten. Dass die Frau sich lange nicht behandeln ließ, spreche nicht gegen eine posttraumatischen Belastungsstörung, sondern sei vielmehr deren Ausdruck.

Az.: L 10 VE 79/17



Landessozialgericht

Klage auf vorzeitige Impfung scheitert



Nach Ansicht des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen ist bei den Impfungen gegen das Coronavirus eine Bevorzugung nach dem Lebensalter nicht zu beanstanden. Das Gericht in Celle entschied im Eilverfahren eines 73-jährigen Oldenburgers, der an einer chronischen Herzkrankheit leidet, wie ein Sprecher mitteilte. Sein behandelnder Hausarzt bescheinigte ihm deshalb ein erheblich erhöhtes Risiko eines schweren Covid-Verlaufs. Eine frühzeitige Impfung sei daher zwingend. Dem folgte das Gericht mit seinem Beschluss vom 2. Februar nicht.

Der Mann hatte den Angaben zufolge über die zentrale Impfhotline erfahren, dass eine Impfung in der ersten Gruppe für ihn ausgeschlossen sei. Daraufhin stellte er den Eilantrag. Er beanstandete, dass die Bundesregierung die Impfgruppen ausschließlich nach dem Alter eingeteilt hat und nicht nach anderen Risiken wie Vorerkrankungen. Weil seine Frau Grundschullehrerin sei und mit Schülern Kontakt habe, könne er sich nur begrenzt selbst schützen. Außerdem habe er zwei jugendliche Kinder.

Keinen Anspruch auf höchste Priorität

Das Gericht sah keinen Anspruch auf die höchste Priorität. Der Mann gehöre zur Priorisierungsstufe zwei. Impfstoffe seien knapp und es sei überzeugend, zunächst Menschen im Alter über 80 zu impfen. So könnten viele schwere Erkrankungen und Todesfälle verhindert werden. Dies diene auch dem Schutz vor einer Überlastung der Versorgungssysteme.

Auch wenn sich seine Frau als Grundschullehrerin Kontakten außerhalb des eigenen Haushalts nicht vollständig entziehen könne, trage der Mann kein atypisches Risiko. Denn gleiches gelte auch für Mitarbeiter in Lebensmittel- und Drogeriemärkten, Erzieher und Erzieherinnen oder Angestellte in Apotheken und Arztpraxen.

Az.: L 5 SV 1/21 B ER



Landesarbeitsgericht

Klinik-Betriebsrat darf bei Corona-Besuchskonzept mitbestimmen



Krankenhäuser dürfen den Betriebsrat bei der coronabedingten Einführung von Besuchskonzepten nicht übergehen. Denn will eine Klinik mit Besuchsregelungen die Ansteckungsgefahr mit dem SARS-CoV-2-Virus verringern, gilt diese Verpflichtung zum Gesundheitsschutz auch gegenüber den Beschäftigten, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln mit Beschluss vom 22. Januar.

Im konkreten Fall hatte ein Krankenhausbetreiber ein Konzept eingeführt, mit dem der Zutritt betriebsfremder Personen dokumentiert und der Zutritt und Aufenthalt beschränkt wurde. So sollte die Ansteckungsgefahr mit dem Corona-Virus verringert werden. Der Betriebsrat wurde dazu jedoch im Vorfeld nicht befragt.

Der sah deshalb seine gesetzlichen Mitbestimmungsrechte verletzt. Das Arbeitsgericht Siegburg setzte daraufhin eine Einigungsstelle ein, die das Besuchskonzept unter Beteiligung des Betriebsrates regeln sollte.

Gesundheitsschutz ist mitbestimmungspflichtig

Zu Recht, befand nun auch das LAG. Dem Betriebsrat stehe ein Mitbestimmungsrecht bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz zu, die sich auf Maßnahmen des Arbeitgebers zur Verhütung von Gesundheitsschäden beziehen. Nach der Coronaschutzverordnung des Landes müsse ein Krankenhaus "die erforderlichen Maßnahmen" ergreifen, um den Eintrag von Coronaviren zu erschweren. Dazu gehöre auch ein Besuchskonzept. Die entsprechende Verpflichtung zum Gesundheitsschutz beziehe sich dabei auch auf die Beschäftigten der Klinik - und erfordere folglich die Mitwirkung der Arbeitnehmervertretung.

Für die Umsetzung der Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts bestehe - anders als bei konkreten ordnungsbehördlichen Regelungen - ein Gestaltungsspielraum, so dass auch ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats eröffnet sei, befanden die Richter.

Az.: 9 TaBV 58/20



Oberverwaltungsgericht

Abschiebungen nach Griechenland vorerst gestoppt



Flüchtlinge müssen bei einer Abschiebung nach Griechenland mit "extremer materieller Not" rechnen. Weil dort die Gefahr besteht, dass sie "ihre elementarsten Bedürfnisse für einen längeren Zeitraum nicht befriedigen können", dürfen vorerst keine Abschiebungen stattfinden, entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen in zwei am 26. Januar in Münster bekanntgegebenen Urteilen.

Geklagt hatte ein eritreischer und ein aus Syrien stammender palästinensischer Flüchtling. Ihre in Deutschland gestellten Asylanträge hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) als unzulässig abgelehnt. Sie hätten bereits in Griechenland internationalen Schutz erhalten. Ihnen wurde daher die Abschiebung dorthin angedroht.

Anträge hätten nicht scheitern dürfen

Das OVG urteilte, dass die Asylanträge nicht hätten abgelehnt werden dürfen. Denn den Flüchtlingen drohe derzeit "für den Fall ihrer Rückkehr nach Griechenland die ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung". Sie würden unabhängig von ihrem Willen dort in eine Situation "extremer materieller Not" geraten.

So würden nicht genug Wohnungen oder Obdachlosenunterkünfte zur Verfügung stehen. In Aufnahmeeinrichtungen für Asylbewerber könnten sie auch nicht unterkommen. Sozialhilfeleistungen gebe es frühestens ab einem zweijährigen dauerhaften Aufenthalt, der durch Steuererklärungen nachzuweisen sei. Angesichts der derzeitigen Wirtschaftslage in Griechenland und einer Arbeitslosenquote von 20 Prozent gebe es auch keine Aussicht auf eine Beschäftigung. Hinzu kämen noch die mangelnde Beherrschung der griechischen Sprache und das Fehlen einer beruflichen Qualifikation der Flüchtlinge, erläuterten die Richter.

Die Flüchtlingshilfeorganisation Pro Asyl bewertete die Urteile als "wegweisend". "Die Urteile aus Münster stehen in einer Reihe von positiven Gerichtsentscheidungen, die die Verelendung und Gefährdung von Flüchtlingen in Griechenland adressieren. Alle Abschiebungen von Flüchtlingen nach dorthin müssen gestoppt werden", sagte Karl Kopp, Leiter der Europaabteilung bei Pro Asyl.

Az.: 11 A 1564/20.A und 11 A 2982/20.A



Gerichtshof für Menschenrechte

Behörden gingen Missbrauchsvorwürfen mangelhaft nach



Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Bulgarien verurteilt, weil es Hinweisen auf sexuellen Missbrauch von Kindern nicht genügend nachgegangen ist. Das Straßburger Gericht entschied am 2. Februar in einem Fall, bei dem drei italienische Adoptivkinder schwere Vorwürfe wegen ihres vorherigen Aufenthalts in einem bulgarischen Waisenhaus erhoben hatten. Ihnen wurden je 12.000 Euro Entschädigung zugesprochen.

Die drei Kinder wurden laut dem Gerichtshof für Menschenrechte 2012 im Alter von neun, zehn und zwölf Jahren von einem italienischen Paar adoptiert. Einige Monate später informierten die Eltern demnach die italienischen Behörden, dass die Kinder in dem Waisenhaus Opfer schweren sexuellen Missbrauchs geworden seien. Es solle auch ein organisierter Ring von Kriminellen involviert gewesen und andere Kinder ebenfalls missbraucht worden sein.

Akten schnell geschlossen

Die später eingeschalteten bulgarischen Behörden führten demnach zwei Untersuchungen durch, schlossen dann aber die Akten, da es keine Beweise für die Vorwürfe gebe.

Der Gerichtshof für Menschenrechte befand nun, dass die bulgarischen Behörden mehr hätten tun müssen. Die Vorwürfe der Kinder waren demnach so substanziell und detailliert, dass Bulgarien von Italien zum Beispiel Hilfe für Befragungen der Kinder oder zumindest Aufzeichnungen italienischer Befragungen sowie medizinische Untersuchungen hätten erbeten können. Weiterhin hätten die Ermittler in Bulgarien investigative Ermittlungen wie das Abhören von Telefonen zumindest erwägen sollen.

Az.: 22457/16




sozial-Köpfe

Führungswechsel

Ralph Grevel neuer Geschäftsführer von Leben mit Behinderung Hamburg




Ralph Grevel
epd-bild/Leben mit Behinderung Hamburg Sozialeinrichtungen gGmbH
Ralph Grevel ist neuer Geschäftsführer von Leben mit Behinderung Hamburg Sozialeinrichtungen gGmbH. Er tritt die Nachfolge von Stephan Peiffer an, der in den Ruhestand getreten ist.

Ralph Grevel (49), Betriebswirt und bisher Bereichsleiter Wirtschaft und IT und stellvertretender Geschäftsführer, hat am 1. Februar das Amt des Geschäftsführer von Leben mit Behinderung Hamburg Sozialeinrichtungen gGmbH. Bereits 2019 hatte sich der Vorstand von Leben mit Behinderung Hamburg Elternverein e.V. als Gesellschafter für Grevel als Nachfolger von Stephan Peiffer entschieden. Peiffer geht zum 31. Januar 2021 in den Ruhestand. Gemeinsam mit der Elternvereins Geschäftsführerin Kerrin Stumpf wird Grevel zukünftig die Organisation mit rund 1.000 Beschäftigten steuern.

Mit Grevel rückt ein bekanntes Gesicht an die Spitze des Trägers. Eingestellt wurde der Controller aus dem Ruhrgebiet 2001. Von 2009 an war er als Bereichsleitung Wirtschaft und IT unter anderem für das Controlling und die Finanzbuchhaltung verantwortlich. Im April 2018 übernahm Grevel zusätzlich die stellvertretende Geschäftsführung. Der Diplom-Betriebswirt studierte zudem Soziale Arbeit und schloss auch dieses Studium mit einem Diplom ab.

Leben mit Behinderung Hamburg Elternverein e.V. ist der Zusammenschluss von mehr als 1.500 Familien mit einem behinderten Angehörigen. Der Elternverein hat eine Tochtergesellschaft: Leben mit Behinderung Hamburg Sozialeinrichtungen gGmbH. Diese Gesellschaft steht behinderten Menschen und ihren Familien zur Seite: Mit Wohnraum, Arbeit, Assistenz und Beratung.



Weitere Personalien



Ernst Gottfried Mahrenholz, früherer Bundesverfassungsrichter, ist tot. Mahrenholz starb am 28. Januar im Alter von 91 Jahren in Hannover. Der Jura-Professor war von 1981 bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand 1994 Richter am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. 1987 wurde er Vizepräsident des höchsten deutschen Gerichts und zugleich Vorsitzender des zweiten Senats, dem er von Beginn an angehörte. Zeitlebens blieb Mahrenholz der Kirche eng verbunden. Ab 1959 war er Referent am Kirchenrechtlichen Institut derEvangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Ehrenamtlich arbeitete Mahrenholz im Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentages mit.

Norbert Klusen ist erneut zum Kuratoriumsvorsitzenden der Stiftung Gesundheit berufen worden. Er ist Honorarprofessor für internationale Gesundheitspolitik und Gesundheitssysteme an der Leibniz Universität Hannover sowie Honorarprofessor für Gesundheitsökonomie und Gesundheitspolitik an der Westsächsischen Hochschule Zwickau. Klusen ist seit August 2015 Vorsitzender des Kuratoriums und tritt nun für fünf Jahre seine zweite volle Amtsperiode an. Vorher war er Mitglied im Stiftungs-Rat. Zuvor war er in verschiedenen leitenden Positionen und als Vorstand in Unternehmen der Industrie tätig. Ab 1993 war er Geschäftsführer der Techniker Krankenkasse und von 1996 bis 2012 deren Vorstandsvorsitzender. Die Stiftung Gesundheit setzt sich seit nunmehr 25 Jahren für mehr Transparenz im Gesundheitswesen ein.

Özlem Türeci und Ugur Sahin, die Gründer des Mainzer Biotechnologieunternehmens Biontech, erhalten den zum ersten Mal vergebenen Akademiepreis des Landes Rheinland-Pfalz für innovative und zukunftsweisende Forschung. Die Mediziner würden für ihre Verdienste auf dem Gebiet der Immunologie und vor allem bei der Entwicklung eines Corona-Impfstoffs geehrt, heißt es in einer Mitteilung vom 28. Januar. Der Preis ist undotiert und wird im Herbst verliehen. Türeci und Sahin hätten mit ihrem neuartigen mRNA-Impfstoff "einen maßgeblichen Schlüssel zur Bekämpfung des Corona-Virus" gefunden, lobte die Akademie. Er ermögliche die Antikörperbildung über die Codierung ausgewählter Proteine. Darüber hinaus ermögliche dieser Ansatz künftig auch Erfolge in der Krebstherapie oder bei Autoimmunerkrankungen wie der Multiplen Sklerose.

Gaye Tanriöver (33), Tübinger Alzheimer-Forscherin, ist mit dem Helga-Steinle-Preis der Alzheimer Forschung Initiative (AFI) ausgezeichnet worden. Sie untersucht am Universitätsklinikum Tübingen und dem Hertie-Institut für klinische Hirnforschung die Entwicklung von Alzheimer unter Einfluss bestimmter Immunzellen im Gehirn, wie die in Düsseldorf ansässige Initiative am 28. Januar mitteilte. Das Preisgeld in Höhe von 30.000 Euro komme ihrem zweijährigen Forschungsprojekt zugute, zudem unterstützt die AFI das Vorhaben mit weiteren 20.000 Euro, hieß es. Gaye Tanriöver arbeitet mit sogenannten induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS-Zellen). Dabei werden menschliche Hautzellen gentechnisch zu Stammzellen verändert, bei denen ein erhöhtes Alzheimer-Risiko besteht. Durch Zugabe von Wachstumsfaktoren können diese iPS-Zellen zu organähnlichen Gewebestrukturen wachsen. So entsteht ein Modell aus menschlichen Zellen, an dem sich Alzheimer erforschen lässt. Auf diese Weise könnten neue Therapieansätze erschlossen werden, sagte Tanriöver.

Jana Luntz ist Pflegemanagerin des Jahres. Schahin Fallah Shirazi wurde zum Nachwuchs-Pflegemanager des Jahres gekürt. Der Preis wurde vom Bundesverband Pflegemanagement ins Leben gerufen. Jana Luntz, Pflegedirektorin und Leiterin des Geschäftsbereichs Pflege, Service und Dokumentation am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, gilt als Vorreiterin ihrer Profession. Sie denke stets "über den Tellerrand hinaus", heißt es in der Laudatio. Schahin Fallah Shirazi, Bereichsleiter einer internistischen Intensivstation sowie der operativen Intensivstation und dem Schwerbrandverletztenzentrum am Sana Klinikum in Offenbach, entwickelte als Corona- Krisenmanager mit der Pflegedirektion ein Eskalationsstufenmodell sowie ein Schulungskonzept für allgemeine Pflegefachpersonen, das in über 50 weiteren Kliniken zum Einsatz kam, wie es in der Laudatio heißt.

Oliver Husser wird zum 1. Juni Chefarzt der Abteilung Kardiologie und Intensivmedizin in der Augustinum Klinik München. Er übernimmt die Nachfolge von Michael Block, der die Herzabteilung der Augustinum Klinik im Münchner Westen seit 1998 geführt hat und Ende Mai in den Ruhestand geht. Als langjähriger stellvertretender Ärztlicher Direktor war Professor Block auch an der Entwicklung der anderen Bereiche der Fachklinik des Augustinum beteiligt. Professor Husser ist interventioneller Kardiologe und außerplanmäßiger Professor an der Technischen Universität München. Ursprünglich am Deutschen Herzzentrum München ausgebildet, ist er derzeit noch als Leitender Oberarzt am St.-Johannes-Hospital in Dortmund tätig, einer der größten kardiologischen Kliniken in Deutschland.

Walther Specht, Honorarprofessor für Erziehungswissenschaften an der Universität Tübingen und Mitgründer der Mobilen Jugendarbeit Stuttgart, ist am 29. Januar im Alter von 82 Jahren gestorben. "Er war leidenschaftlich davon überzeugt, dass man jungen Menschen, die durch riskantes und gewaltbereites Verhalten auffällig werden, mit Zuwendung statt Ausgrenzung begegnen sollte", so die Evangelische Gesellschaft (eva) in einer Würdigung. Specht wurde 1967 als junger Sozialarbeiter von der eva gefragt, ob er bereit wäre, in dem gerade neu entstehenden Stuttgarter Stadtteil Freiberg eine offene Form evangelischer Jugendhilfe im Stadtteil zu beginnen. In der damaligen deutschen Jugendhilfepraxis war der Begriff Streetwork weitgehend unbekannt, es gab keine professionell ausgewiesene Streetwork-Praxis. Sein Ziel sei es dann gewesen, "Gefallene wieder aufzurichten und andere vor dem Fallen zu bewahren." Aus diesen Ansätzen entwickelte sich später die Mobile Jugendarbeit Stuttgart, die heute von der Caritas Stuttgart, der eva sowie der evangelischen und katholischen Kirche getragen wird. Specht war von 1988 bis 2002 Direktor im Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und von 1997 bis 2001 auch Sprecher der bundesdeutschen Nationalen Armutskonferenz.




sozial-Termine

Veranstaltungen bis März



Wir haben Tagungen, Seminare, Workshops und Webinare aufgelistet, die aktuell geplant sind. Wegen der Corona-Epidemie sagen Veranstalter allerdings Termine auch kurzfristig ab. Wir bitten unsere Leserinnen und Leser, dies zu beachten.

Februar

17.2.:

Online-Seminar "Stabübergabe im Verein - wie der Wechsel im Vorstand gelingt"

der Paritätischen Akademie Süd

Tel.: 0711/25298-920

17.-19.2.:

Online-Seminar: "Sozialräumliches Arbeiten in migrantisch geprägten Quartieren"

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 030/48837-488

18.-19.2.:

Online-Seminar: "Mit Mitarbeiter/Innen sprechen 2.0"

der Fortbildungsakademie der Caritas

Tel.: 0761/200-1700

22.-24.2.:

Online-Seminar: "Der Offene Dialog als wertebasierte Kommunikation - Die harte Realität der weichen Organisationsentwicklung

der Fortbildungsakademie der Caritas

Tel.: 0761/200-1700

24.2.:

Online-Fortbildung: "Die Herausforderungen und Chancen für die Führungskraft bei der Realisierung der Selbststeuerung"

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 030/48837-488

25.2.:

Online-Fortbildung: "Der 'Worst Case'-Fall - anzeigepflichtige Straftaten und Suizidankündigung in der Online-Beratung"

der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes

Tel.: 0761/200-1700

März

4.-10.3.:

Online-Kurs: "Meetings per Video oder Telefon moderieren: online miteinander im Kontakt sein und effektiv arbeiten"

der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes

Tel.: 0761/200-1700

9.3.:

Online-Seminar: "Der digitale Jugendclub Chancen und Potenziale für die Jugendarbeit"

der Paritätischen Akademie Berlin

Tel.: 030/275828227

9.3.:

Online-Seminar "Wichtige Kennzahlen für ambulante Pflegedienste in der Krise - und danach"

der BFS Service GmbH

Tel.: 0221/97356-159

9.-10.3.:

Online-Seminar: "Die Schnittstelle Eingliederungshilfe - Pflege gestalten"

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 0172/301 28 19

18.3.:

Online-Seminar: "IT-Strategie für Verbände (4.0)"

der BFS Service GmbH

Tel.: 0221/97356-159

22.3.:

Online-Kurs: "Praktischer Datenschutz und IT-Sicherheit für kleinere Organisationen"

der BFS Service GmbH

Tel.: 0221/97356-159

22.-24.3.:

Online-Kurs: "Erfolgreiche Lobbyarbeit im politischen Raum"

der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes

Tel.: 0761/200-1700

23.-25.3.:

Online-Fortbildung: "Psychisch kranke Wohnungslose zwischen den Hilfesystemen - Aspekte bedarfsgerechter Hilfen"

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 0172/301 28 19

24.-25.3.:

Online-Seminar: "Team auf Distanz - Team in Balance"

der AWO Bundesakademie

Tel.: 030/26309-139