sozial-Recht

Landessozialgericht

Gericht erkennt Schockschaden nach Axtmord an



Mehr als 16 Jahre nach einem Gewaltverbrechen hat die Angehörige des Opfers vor Gericht eine Entschädigung für den erlittenen Schock erstritten. Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen gab der Klage einer Frau aus Bremen auf Zahlung einer Opferrente statt, das Urteil wurde am 1. Februar bekanntgegeben.

Der Vater der Klägerin war zu Weihnachten 2004 von ihrem psychisch kranken Bruder mit einer Axt erschlagen worden. Die Frau erfuhr während eines Urlaubs auf Lanzarote telefonisch von der Tat. Sie erlitt einen schweren Schock mit Burn-out, ging aber zunächst nicht zum Arzt.

Opferrente erst Jahre danach beantragt

Erst sechs Jahre später beantragte die Frau eine Opferrente. Sie habe sich nicht behandeln lassen, weil sie sich aus Scham mit dem Ereignis nicht auseinandersetzen wollte und versucht habe, das Trauma zu verbergen. Sie habe sich jedoch aus Angst und Minderwertigkeitsempfinden aus ihrem sozialen Umfeld zurückgezogen. Aus Furcht vor einem ähnlichen Ereignis habe sie ihre Wohnung in eine regelrechte Festung verwandelt.

Das Versorgungsamt lehnte den Antrag ab, weil keine psychischen Störungen mit Tatbezug dokumentiert seien und keine adäquate ärztliche und psychotherapeutische Behandlung erfolgt sei. Außerdem gäbe es keinen Nachweis für einen unmittelbar durch die Gewalttat ausgelösten Schock. Ein Schockschaden und eine posttraumatische Belastungsstörung lägen daher nicht vor.

Schockschaden nachgewiesen

Das Landessozialgericht erkannte die posttraumatische Belastungsstörung hingegen jetzt an. Zur Begründung führte es aus, dass auch sogenannte Sekundäropfer in den Schutzbereich des Opferentschädigungsrechts einbezogen würden, wenn die psychischen Auswirkungen eng mit der Gewalttat verbunden seien. Das sei im Falle der Klägerin anzunehmen.

Das Gericht holte ein umfassendes medizinisches Gutachten ein. Die Frau habe auf die Mordnachricht mit Angst, Hilflosigkeit und Entsetzen reagiert. Sie erlebe das Ereignis immer wieder und zeige ein typisches Vermeidungsverhalten, befanden die Experten. Dass die Frau sich lange nicht behandeln ließ, spreche nicht gegen eine posttraumatischen Belastungsstörung, sondern sei vielmehr deren Ausdruck.

Az.: L 10 VE 79/17