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Corona

Sozialverband: "Armutspolitisches Trauerspiel" im Koalitionsausschuss




Viele Bedürftige leben von Hartz IV und sind auf die Tafeln angewiesen, wie hier in Frankfurt am Main. Sie bekommen jetzt eine Einmalzahlung.
epd-bild/Heike Lyding
Sozialverbände und Opposition zeigen sich mit den im Koalitionsausschuss am 3. Februar beschlossenen Corona-Hilfen für Menschen in Armut unzufrieden. Eine Einmalzahlung von 150 Euro für Bezieher der Grundsicherung sei viel zu wenig, kritisieren sie. Doch es gibt auch Zustimmung.

Als absolut unzureichend kritisieren Sozialverbände die vom Koalitionsausschuss am am 3. Februar in Berlin beschlossene Einmalzahlung in Höhe von 150 Euro für Bezieher von Grundsicherung. Nötig wäre stattdessen ein monatlicher Zuschuss für die Dauer der Corona-Krise, um die Mehrbelastungen auch nur annähernd auszugleichen, erklärten der Sozialverband VdK und der Paritätische Wohlfahrtsverband am 4. Februar in Berlin. Zufrieden zeigte sich der Deutsche Kinderschutzbund.

Die Regelsätze in Hartz IV und Altersgrundsicherung reichten nicht einmal aus, um unabhängig von Corona die Grundbedarfe zu decken, so die Kritik. Gemeinsam mit über 30 weiteren bundesweiten Verbänden und Gewerkschaften fordern der Paritätische und der VdK eine Anhebung der Regelsätze auf mindestens 600 Euro und für die Dauer der Krise zusätzlich einen pauschalen Mehrbedarfszuschlag von 100 Euro pro Monat.

Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, sagte der Düsseldorfer "Rheinischen Post": "Sinnvoller wäre ein monatlicher Zuschuss von 100 Euro gewesen, denn die Pandemie und ihre Kosten werden uns alle noch ein paar Monate begleiten." Derzeit beträgt der Regelsatz für einen alleinstehenden Erwachsenen 446 Euro.

Enttäuschung beim Paritätischen

Die beschlossene Einmalzahlung von 150 Euro für Kinder sei gut für Familien über der Armutsgrenze, sagte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Ulrich Schneider. "Für Beziehende von Hartz IV und Altersgrundsicherung bleibt es weit hinter dem zurück, was wirklich Not tut. Die Krisenbewältigung der großen Koalition bleibt ein armutspolitisches Trauerspiel", kritisierte er.

Schneider nannte es beschämend, dass die Bundesregierung die Not der Armen in dieser Krise monatelang ignoriert habe und "die Menschen nun mit 150 Euro abspeist". Er wies außerdem darauf hin, dass die angekündigten Gutscheine für zehn FFP2-Masken bisher nicht bei den armen Menschen angekommen seien.

"Nach der verpassten bedarfsgerechten Anhebung der Regelsätze zum Anfang dieses Jahres und der noch immer fehlenden Verordnung zur Verteilung der angekündigten Gutscheine für zehn kostenlose FFP2-Masken bleibt die große Koalition ihrer armutspolitischen Realitätsverweigerung treu", sagte Birgit Eckhardt, die Vorsitzende des Paritätischen Niedersachsen. Wer in der Krise immer wieder an die Solidarität und den gesellschaftlichen Zusammenhalt appelliere, müsse die unzureichenden Regelsätze und die coronabedingten Mehrbelastungen endlich anerkennen und dürfe die Armen mit ihrer Not und ihren Sorgen nicht allein lassen.

Leichterer Zugang zur Grundsicherung

Bentele begrüßte, dass Selbstständigen und Beschäftigten mit kleinen Einkommen in der Corona-Krise der Zugang zur Grundsicherung erleichtert werde. "Schön wäre, wenn sich die Politik durchringen könnte, den Zugang dauerhaft zu erleichtern", fügte sie hinzu.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hob positiv hervor, dass nun die Jobcenter einspringen, wenn ein Laptop oder ein Internetanschluss fürs Home-Schooling fehlen. "Das hilft den Betroffenen ganz sicher weiter", sagte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel. Zugleich sagte sie aber auch: "Die Höhe dieser Hilfen ist insgesamt viel zu gering, eine einmalige 150-Euro-Hilfe bleibt Lichtjahre hinter den tatsächlichen monatlich wiederkehrenden Mehrkosten in der Corona-Krise zurück. Langfristig braucht es größere Reformen, um Armut abzuwenden."

Kinderschutzbund zeigt sich zufrieden

Der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, begrüßte die Beschlüsse. "Ich bin positiv überrascht. Der Kinderbonus in Höhe von 150 Euro ist eine wichtige Hilfe für alle Familien", sagte er der "Rheinischen Post". Auch den einmaligen Corona-Zuschuss für erwachsene Hartz-IV-Empfänger bewertete er positiv. "Auch die Unterstützung in Höhe von 150 Euro für erwachsene Menschen, die von Grundsicherung leben, ist dringend notwendig. Das wiegt nicht alle Belastungen auf, die durch die Pandemie entstanden sind, ist aber ein guter Beitrag."

Ähnlich äußerte sich die Diakonie Niedersachsen: "Endlich gute Neuigkeiten aus Berlin. Bei vielen Familien hat die Corona-Pandemie zu großen Existenznöten geführt. Mit dem Kinderbonus bekommen Familien mit Kindern nun die finanzielle Unterstützung, die sie akut brauchen", sagte Hans-Joachim Lenke, Vorstandssprecher der Diakonie in Niedersachsen. Gerade für Kinder aus einkommensarmen Familien machten diese 150 Euro einen Unterschied, wenn andere Unterstützungsleistungen, wie zum Beispiel das kostenfreie Mittagessen in der Schule, wegfallen. "Auf lange Sicht muss aber Kinderarmut grundlegender angegangen werden", betonte Lenke.

Die Grünen nannten den Aufschlag für Bezieherinnen und Bezieher von Grundsicherung "mickrig". Die Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt sagte: "Statt eines Trostpflasters brauchen die Erwachsenen und Kinder, die in der Krise von Hartz IV leben müssen, eine Unterstützung, die auch wirklich Sicherheit und Halt gibt."

Linke: Zur Zufriedenheit kein Anlass

Für die Linke sagte Jan Korte, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, für Zufriedenheit bestehe absolut kein Anlass. "Die beschlossenen Einmalzahlungen von jeweils 150 Euro pro Kind für Familien sowie die Sonderzahlung für Hartz-IV-Empfänger sind zwar ein kleiner, aber viel zu später Schritt in die richtige Richtung. Das Ganze ist jedoch meilenweit von den nötigen monatlichen Krisen-Zuschlägen für Geringverdiener und Transferleistungsbezieher entfernt." Denn mit der Einmalzahlung ließen sich eben nur einmal die pandemiebedingten Mehrkosten bestreiten. Und davon, dass die Koalition nun endlich versuche, das Problem grundsätzlich anzugehen, könne auch keine Rede sein.

Für die FDP rügte Pascal Kober, der Koalitionsausschuss habe vergessen, die Bildungschancen von Kindern aus benachteiligten Milieus zu verbessern. "Sie leiden am meisten unter geschlossenen Schulen, wenn das Elternhaus keine oder nur wenig Unterstützung beim Lernen leisten kann. Hier braucht es gezielte Hilfen, ein Bildungsnach- und -aufholprogramm."

Markus Jantzer, Dirk Baas