sozial-Thema

Sterbehilfe

Bahr und Heinig: Gründliche innerevangelische Debatte zu Sterbehilfe



Die evangelische Theologin Petra Bahr und der Kirchenrechtler Hans Michael Heinig fordern eine "gründliche innerkirchliche Debatte" zur Sterbehilfe. Diese Debatte müsse Perspektiven bieten, die über die theologische Diskussion hinausgingen, und auch andere Disziplinen einbeziehen, schreibt das Ehepaar in einem Gastbeitrag in der "Zeit"-Beilage "Christ & Welt", die am 4. Februar erschien. Medizinerinnen und Einrichtungsleitungen, Juristen, Pflegekräfte und Psychologinnen, Fachvertreter aus der Gerontopsychiatrie und Traumaforschung müssten miteinbezogen werden, fordern sie.

Bahr ist Mitglied des Deutschen Ethikrats, ihr Ehemann ist Professor für Öffentliches Recht, mit Schwerpunkt Kirchenrecht, an der Universität Göttingen. Sie beziehen sich in ihrem Beitrag auf einen Vorstoß mehrerer evangelischer Autoren, darunter auch des Diakonie-Präsidenten Ulrich Lilie und des hannoverschen Landesbischofs Ralf Meister, die sich ebenfalls in einem Gastbeitrag in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" für die Möglichkeit der Suizidassistenz auch in diakonischen und kirchlichen Einrichtungen ausgesprochen hatten.

Ausgelöst wurde die Debatte durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 2020, das das Verbot organisierter - sogenannter geschäftsmäßiger - Hilfe bei der Selbsttötung kippte, das 2015 vom Bundestag beschlossen worden war. Offiziell lehnen die evangelische und die katholische Kirche die Suizidassistenz ab - unabhängig davon, in welcher Einrichtung sie stattfindet.

Garantien für kirchliche Einrichtungen angeregt

Bahr und Heinig kritisieren, dass in der Debatte bislang nicht unterschiedliche Perspektiven aus Theorie und Praxis zusammengeführt würden, sondern "nach Bekenntnissen gefragt" werde: "'Team Lebensschutz' oder 'Team Selbstbestimmung'?" Sie schreiben, sie hätten es befürwortet, wenn schon im vergangenen Sommer eine evangelische, interdisziplinäre Kommission Kernelemente eines Gesetzentwurfs erarbeitet hätte. Sie fordern eine gesetzliche Garantie, "dass Einrichtungen in religiöser Trägerschaft auch die Möglichkeit verbleibt, sich als 'safe spaces' zu definieren, in denen niemand mit Angeboten der Suizidhilfe konfrontiert wird".

Eine kirchliche Positionierung könne nicht bei religiös konnotierten Grundaussagen über Freiheit, Gottesliebe und Würde stehen bleiben. Sie habe sich der ebenso anspruchsvollen wie mühsamen Betrachtung der Details zu stellen, der Lebensumstände, der unterschiedlichen Formen von psychischem und physischem Leidensdruck samt der Bilder vom gelingenden oder nicht mehr gelingenden Leben, die gesellschaftlich und kirchlich eingeübt würden, schreiben Bahr und Heinig.