sozial-Recht

Bundesverwaltungsgericht

Flüchtlinge im offenen Kirchenasyl sind nicht "flüchtig"



Flüchtlinge im sogenannten offenen Kirchenasyl gelten als nicht "flüchtig". Sollen sie wegen eines von einem anderen EU-Mitgliedstaat ausgestellten Visums oder eines dort gestellten Asylantrags rücküberstellt werden, muss das innerhalb von sechs und nicht 18 Monaten geschehen, urteilte am 26. Januar das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Bei einer verpassten Überstellungsfrist werde Deutschland für das Asylverfahren zuständig, so das Gericht.

Damit bekam die iranische Klägerin recht, die zusammen mit ihrem Ehemann mit einem von Polen ausgestellten Schengenvisum in Deutschland einreiste und dann hier einen Asylantrag stellte.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hielt das für unzulässig. Das polnische Konsulat habe das Visum ausgestellt, damit sei auch Polen für das Asylverfahren zuständig, so die Behörde. Dazu erklärte sich Polen auch bereit.

Nach gescheitertem Antrag ins Kirchenasyl

Als die Iranerin mit ihrem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz vor Gericht scheiterte, floh sie Ende Januar 2019 aus Angst vor einer Abschiebung in ein Kirchenasyl. Erst nach einem gut zweimonatigen Aufenthalt im Kirchenasyl teilte sie das dann auch den deutschen Behörden mit.

Diese entschieden, dass die Frau wegen der unterbliebenen Mitteilung ihres Aufenthaltsortes als "flüchtig" gelte. Und das hat Folgen: Denn nach den geltenden sogenannten Dublin-III-Regelungen hat in solch einem Fall Deutschland 18 Monate Zeit, um die Frau nach Polen abzuschieben. Bei Kenntnis des Aufenthaltsortes liegt die Überstellungsfrist dagegen bei sechs Monaten. Nach Fristablauf ist dann das Land zuständig, in dem der Flüchtling den letzten Asylantrag gestellt hat. Zwischenzeitlich hatte im Streitfall Polen erklärt, wegen der COVID-19-Pandemie erst einmal niemanden aufnehmen zu wollen.

Klage gegen lange Frist

Gegen die Verlängerung der Überstellungsfrist legte die Frau Rechtsmittel ein und bekam nun vom Bundesverwaltungsgericht recht. Bereits Mitte 2019 sei die Zuständigkeit des Asylverfahrens wegen Ablaufs der Sechsmonatsfrist auf Deutschland übergegangen. Denn die Klägerin sei zum Zeitpunkt der Entscheidung des BAMF, die Überstellungsfrist von sechs auf 18 Monate zu verlängern, nicht mehr "flüchtig" gewesen. Den Behörden sei zu diesem Zeitpunkt der Aufenthalt der Frau im Kirchenasyl bekannt gewesen.

Eine Überstellung war damit rechtlich und tatsächlich wieder möglich, befanden die Leipziger Richter. Daran ändere auch nichts, dass das BAMF und die Kirchen über die Flüchtlinge im offenen Kirchenasyl eine Verfahrensabsprache getroffen haben.

Az.: 1 C 42.20