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Sterbehilfe

Nationale Suizidprävention kritisiert Vorschlag zur Suizidassistenz



Erste Gesetzentwürfe zur Regelung der Suizidassistenz liegen auf dem Tisch. Sie sehen eine unterschiedlich ausgestaltete Beratungspflicht vor, danach sollen Sterbewillige ein tödliches Medikament bekommen können. Doch der Plan stößt auf Kritik.

Das Nationale Suizidpräventionsprogramm für Deutschland hat den Gesetzesvorschlag der Bundestagsabgeordneten Katrin Helling-Plahr (FDP), Karl Lauterbach (SPD) und Petra Sitte (Linke) zur Suizidhilfe kritisiert. Eine Beratungslösung ähnlich einer Schwangerschaftskonfliktberatung werde dem komplexen Erleben von Menschen mit Suizidgedanken nicht gerecht, sagte Reinhard Lindner, Leiter des Nationalen Präventionsprogramms, am 30. Januar in Kassel. Aus der Suizidforschung sei zudem bekannt, dass die meisten Menschen, die einen Suizid versucht hätten, die dahinter stehenden Probleme nach einem längeren Zeitraum hätten bewältigen konnten.

Die drei Parlamentarier hatten am 29. Januar in Berlin einen Gesetzentwurf vorgestellt, der es Ärzten erlauben soll, Sterbewilligen tödlich wirkende Medikamente zu verschreiben. Zugleich soll über eine Pflichtberatung sichergestellt werden, dass der Sterbewunsch aus freiem Willen erfolgt. "Wir stellen klar, dass jeder ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben hat", sagte Helling-Plahr.

Gericht kippte Gesetz aus dem Jahr 2015

Mit dem Gesetzentwurf reagieren die Abgeordneten auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem vergangenen Jahr. Die Karlsruher Richter kippten das 2015 verabschiedete Verbot der organisierten - sogenannten geschäftsmäßigen - Suizidassistenz, weil nach ihrer Ansicht das Recht auf selbstbestimmtes Sterben das Recht einschließt, sich das Leben zu nehmen und dabei die Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen. Damit scheiterte der Versuch der Politik, die Arbeit von Sterbehilfeorganisationen zu unterbinden.

Reinhard Lindner betonte, es gebe kein wissenschaftlich fundiertes Instrumentarium zur Erfassung von "Freiverantwortlichkeit" und eines "autonom gebildeten Willens" eines Menschen und keine praktisch umsetzbare Möglichkeit, diese sicher festzustellen. Menschen mit Suizidgedanken benötigten Angebote des offenen, akzeptierenden und nicht wertenden Gesprächs in einer vertrauensvollen Beziehung. Diese sei bei einer gesetzlich vorgeschriebenen Beratung für den Zugang zu Suizidmitteln nicht herstellbar.

"Tödliches Mittel ist keine Uterstützung"

Menschen mit Suizidgedanken brauchten Unterstützung durch bewährte und vielfältige Möglichkeiten der Suizidprävention. Diese seien wissenschaftlich evaluiert und müssten weiter ausgebaut und gefördert werden. "Das Angebot eines tödlichen Mittels ist keine Unterstützung", erklärte Lindner.

Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz, die gegen organisierte Suizidassistenz ist, ist unzufrieden. Selbst staatlich legitimierte Beratungsstellen könnten nicht feststellen, ob ein freier Wille autonom gebildet wurde, erklärte Vorstand Eugen Brysch: "Dafür taugen weder Checklisten noch Fristen oder unbestimmte Rechtsbegriffe. Allein der Betroffene selbst hat die Chance, zwischen einer autonomen und nicht autonomen Willensbildung zu unterscheiden. Deshalb kann es durch staatliche Beratung kein Suizid-Siegel geben." Zudem sei es höchst gefährlich, Tötungsmittel abzugeben, die dann unkontrolliert und ungesichert in die Hände Dritter geraten werden. Er forderte, Suizidassistenz gegen Bezahlung unter Strafe zu stellen. Nach Ansicht der Abgeordnetengruppe ist das durch das Verfassungsgerichtsurteil aber nicht mehr möglich.

Corinna Buschow