Berlin, Bonn (epd). Es war ein zähes Ringen zwischen Bundestag und Bundesrat, doch weil im Dezember im Vermittlungsausschuss ein Kompromiss gefunden wurde, gilt ab dem 1. April das "Gesetz zur Verbesserung der Hilfen für Familien bei der Adoption". Es verbessert die fachliche Beratung und Begleitung aller an einer Adoption Beteiligten - vor, während und nach einer Adoption. Nicht alle Verbände sind vollauf zufrieden, doch die Richtung der Reform stimme, heißt es etwa bei der Caritas. Begrüßt wird vor allem, dass die rund 400 Vermittlungsstellen alle Adoptiveltern ermutigen sollen, mit dem Kind offen über die Tatsache der Adoption zu sprechen.
"Wir verbessern die Beratung, Aufklärung und Vermittlung und wir machen verbindlichere Vorgaben bei Adoptionen", sagte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD), nachdem der Bundesrat am 18. Dezember grünes Licht für die Reform gegeben hatte. Viele Familien und Fachkräfte in der Adoptionsvermittlung warteten seit langem darauf.
Roswitha Göcke, Abteilungsleiterin beim Sozialdienst katholischer Frauen (SkF), leitet die größte Adoptionsvermittlungsstelle im Bistum Münster und begleitet schon lange Familien, die Kinder abgeben und annehmen. "Über Jahre haben wir uns für neue, zeitgemäßere Vorgaben eingesetzt." Die künftigen Standards für die Vermittlungsstellen seien absolut fundiert. Anders als bisher, wo die Begleitung von Adoptionen mit dem Adoptionsbeschluss nach in der Regel nach nur einem Jahr endet, "wird die Beratung der Eltern und das Wissen der Kinder über ihre Herkunft deutlich verbessert".
Erklärtes Ziel sei der viel offenere Umgang mit dem Thema Adoption, erläutert die Diplom-Sozialpädagogin. Das sei sehr wichtig für adoptierte Kinder, die "eigentlich eine lebenslange Begleitung brauchen". Denn bis ins Erwachsenenalter kämen Fragen zur eigenen Herkunft, zu den Gründen der Adoption oder zu den leiblichen Eltern. "Damit schlagen sie sich viele Jahrzehnte lang herum und wurden bisher weitgehend alleine gelassen." Das werde endlich geändert.
Ab April können die Vermittlungsstellen mit den Herkunftseltern und den Adoptionsbewerbern erörtern, wie sie den Informationsaustausch oder auch den Kontakt der Adoptivfamilie mit den Herkunftseltern gestalten wollen. "Herkunftseltern erhalten zudem einen Anspruch auf allgemeine Informationen über das Kind, sofern diese von der Adoptivfamilie freiwillig zur Verfügung gestellt werden", so der Bundesrat.
All diese Ziele sind seit Jahren Konsens. Ein Streit entfachte sich im Vorjahr jedoch an der Neuregelung der Stiefkinderadoption. Eine Mehrheit in der Länderkammer sah eine unzulässige Diskriminierung von lesbischen Zwei-Mütter-Familien mit Kinderwunsch und ließ das Gesetz im Juni durchfallen.
"Lesben sind ohnehin dadurch benachteiligt, dass sie in diesen Fällen einen Antrag auf Stiefkindadoption stellen und ein umständliches familiengerichtliches Verfahren durchlaufen müssen. Bei heterosexuellen Ehen ist das anders: Dort ist der Ehemann automatisch rechtlich Vater, völlig unabhängig von biologischer Vaterschaft", so damals der baden-württembergische Sozialminister Manne Lucha (Grüne). Und, so sagte er im Bundesrat: "Niemand käme auf die Idee, ihn vorher zu einer Adoptionsvermittlungsstelle zu schicken und einen Beratungsschein zur Voraussetzung der Vaterschaft zu machen."
Der Vermittlungsausschuss umschiffte das Problem durch zwei Ausnahmeregelungen. Künftig gilt die verpflichtende Beratung durch die Vermittlungsstelle bei einer Stiefkindadoption nicht für lesbische Paare, deren gemeinsames Wunschkind in ihre Ehe oder eine seit mindestens vier Jahren bestehenden Lebensgemeinschaft hineingeboren wird oder schon wurde. Und: Bei diesen Adoptionen gibt das ohnehin am Verfahren beteiligte Jugendamt die im Gesetz vorgeschriebene fachliche Äußerung ab, so dass eine zusätzliche Beteiligung der Vermittlungsstelle entfällt.
Der Lesben- und Schwulenverband Deutschlands begrüßte zwar den Kompromiss. Doch nun müsse noch die lange versprochene Reform des Abstammungsrechts kommen, forderte Gabriela Lünsmann, Mitglied im Bundesvorstand des Verbandes.
Ein schon im März 2019 vom Justizministerium vorgelegter Diskussionsentwurf zur Reform des Abstammungsrechts würde auch die Situation von Zwei-Mütter-Familien verändern. Dann, so der LSVD, würde ein Kind, das in eine gleichgeschlechtliche Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft hinein geboren wird, automatisch beide Mütter von Geburt an als gleichberechtigte Eltern haben. Lünsmann: "Damit würde das Verfahren der Stiefkindadoption nicht länger erforderlich sein."
Doch das Warten auf veränderte Abstammungsregelungen wird wohl noch weitergehen. Auf eine Anfrage der FDP-Fraktion im Bundestag teilte die Regierung am 15. Januar mit, die Meinungsbildung dazu sei noch nicht abgeschlossen.
Die Regelungen zur Stiefkindadoption sind für Roswitha Göcke bei der Reform "eher eine Facette am Rande". Der Fokus des neuen Gesetzes liege klar auf der besseren Begleitung der Eltern und der Möglichkeit der Biografiearbeit mit adoptierten Kindern: "Das ist mir persönlich wichtiger, als die Fragen, die jetzt noch in einer Reform des Abstammungsrechtes zu regeln sind."