sozial-Branche

Corona

Impfpaten begleiten Senioren




Kleinbus mit ehrenamtlichen Fahrern
epd-bild/Harald Koch
Einen Impftermin zu finden und dann zum Impfzentrum zu kommen, kann für ältere Menschen über 80 eine hohe Hürde sein. Impfpaten sollen ihnen künftig dabei zur Seite stehen.

Fachmännisch mustert Bernd Kühn den Kleinbus, der übersät mit Werbung vor dem Portal der Marktkirche in Hannover geparkt hat. Bis vor einigen Monaten noch hat der 52-Jährige für einen großen Fahrdienstleister hauptberuflich Fahrgäste durch die Stadt chauffiert. Doch wegen Corona ist er nun in Kurzarbeit. Deshalb hat Kühn sich einen ehrenamtlichen Job gesucht: Als "Impfpate" will er mit dem Kleinbus ältere Menschen über 80 zu einem Impfzentrum begleiten. "Ich kenne viele ältere Herrschaften, für die ist so eine Sache ein Abenteuer", erzählt er. "Wenn man da ein bisschen helfen kann, ist das auch für mich eine große Freude."

Aufruf zur Mithilfe

In Niedersachsen gehört Kühn zu den ersten Impfpaten. Denn rechtzeitig zum Start der landesweiten Impftermin-Hotline haben die evangelische Kirche und die Diakonie ein entsprechendes Projekt gestartet. Zunächst im Norden von Hannover haben sie zur Mithilfe aufgerufen - und schon 40 angehende Impfpaten haben sich gemeldet. "Wir erleben gerade, dass es gut ist, wenn alle die Ärmel hochkrempeln, denn der Staat kommt an seine Grenzen", sagte der evangelische Stadtsuperintendent Rainer Müller-Brandes. Auch an anderen Orten bieten erste Impfpaten ihre Dienste an, koordiniert von Sozialverbänden, Kirchen und Kommunen.

Bernd Kühn hat über die sozialen Netzwerke von der Aktion gehört. Bei ihm weckt sie Erinnerungen an seine Mutter, die noch vor der Corona-Zeit schwer krank auf die Intensivstation musste und schließlich starb. Zeitweise wurde sie an ein Beatmungsgerät angeschlossen - ähnlich wie heute die Covid-Patienten. "Das ist supergruselig", erinnert er sich. "Ein Extremszenario, das man keinem alten Menschen zumuten sollte." Deshalb will er seinen Teil dazu betragen, um heute Ältere zu unterstützen. Fahrgäste wird er zu Hause abholen und auch bei den Impfungen im Zentrum begleiten. "Damit sie mit einem guten Gefühl da hingehen."

In Hannover geht der Service über den reinen Fahrdienst hinaus. Die Impfpaten sollen den Senioren auch dabei helfen, überhaupt einen Impftermin zu finden. "Für Menschen über 80 ist es eine hohe Hürde, sich an eine Impf-Hotline zu wenden, die dann erst mal besetzt ist", sagt Stadtsuperintendent Müller-Brandes. In der Tat ist die Terminfindung zurzeit eine höchst knifflige Aufgabe: Sowohl die landesweite Telefon-Hotline als auch das Internet-Portal www.impfportal-niedersachsen.de waren zum Auftakt einem Ansturm an Interessenten ausgesetzt und völlig überlastet.

Flüchtlinge als ehrenamtlichen Fahrer

Damit der Service der Impfpaten möglichst reibungslos läuft, arbeiten Kirche und Diakonie mit der Per Mertesacker Stiftung und dem Volkswagen-Konzern zusammen, die mehrere Fahrzeuge zur Verfügung gestellt haben. Zu den ehrenamtlichen Fahrern gehören auch zwei Geflüchtete: A. Ören (38) und S. Korkmaz (46), die ihre Vornamen nicht in den Medien lesen wollen. Beide machen gerade einen Sprachkurs, und wegen der Pandemie haben sie daneben viel freie Zeit. "Wir wollen den alten Menschen helfen, denn diese Situation ist schrecklich", sagt der gelernte Lehrer Ören. Zum Team gehört auch Wolfgang Hey (70), der selbst schon im Ruhestand ist. Ihm ist wichtig, aktiv mit anzupacken: "Wir brauchen mehr Solidarität und weniger Schimpfen auf die Politik."

Auch anderswo in Niedersachsen werden Impfpaten gesucht. So hat die Stadt Oldenburg eine Hotline für Senioren geschaltet und vermittelt ehrenamtliche Helfer. "Es gibt immer ältere Menschen, die Probleme mit der Technik haben", sagt Stadtsprecher Reinhard Schenke. Und in Neu Wulmstorf bei Hamburg hat die evangelische Kirchengemeinde einen Fahrdienst mit Privatautos aufgebaut. Vier Ehrenamtliche haben sich bislang dort schon gemeldet, berichtet der Vorsitzende des Kirchenvorstands, Wilfried Hochfeld: "Wir lassen die ältere Generation nicht im Stich."

Michael Grau