sozial-Branche

Nordrhein-Westfalen

Verbände fürchten durch neue Bauordnung Nachteile für Behinderte



Sozialverbände in NRW schlagen Alarm. Sie fürchten bei der anstehenden Novellierung der Landesbauordnung eine Verwässerung der Vorgaben für barrierefreies Bauen - und damit massive Nachteile für Menschen mit Behinderungen und Senioren.

Mehrere Sozialverbände in Nordrhein-Westfalen haben die geplante Änderung der Landesbauordnung kritisiert. "Zu viele ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen in NRW leben in Wohnungen, die nicht auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind", teilten Vertreter des SoVD NRW, des VdK NRW und der LAG Wohnberatung NRW am 2. Februar in einer gemeinsamen Erklärung mit. Sie forderten von der Landesregierung "endlich ein klares Bekenntnis zur Barrierefreiheit im Wohnungsbau". NRW hinke beim Bau der erforderlichen Wohnungen "hinterher".

"Behinderte Wohnungssuchende sollten sich endlich darauf verlassen können, dass, wo barrierefreie Wohnung draufsteht, auch eine barrierefreie Wohnung drin ist", sagte Michael Spörke, Leiter der Abteilung Sozialpolitik und Kommunales beim Sozialverband Deutschland (SoVD) in NRW. Die geplante Änderung der Bauordnung lasse jedoch eher Gegenteiliges befürchten.

Die Verbände rufen die Landesregierung in der Erklärung dazu auf, den barrierefreien Wohnungsbau "im Eiltempo und mit Entschlossenheit" voranzutreiben, um den Bedarf an solchen Wohnungen zumindest perspektivisch zu decken. Laut der geplanten Novellierung der Landesbauordnung sollen Wohnungen künftig nur noch "im erforderlichen Umfang" barrierefrei sein. Die Einfügung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs würde zu erheblicher Unsicherheit führen, da unklar sei, was mit dem Begriff gemeint ist, hieß es.

Abkehr nicht nachvollziehbar

Ein Absenken des Standards auf einen "erforderlichen Umfang" wäre eine offenkundige Abkehr vom Ziel des barrierefreien Wohnungsbaus auf dem frei finanzierten Wohnungsmarkt, monierten die Verbände. "Es ist für uns nicht hinnehmbar, dass zukünftig nur noch 'wesentliche Barrieren' im Wohnungsbau vermieden werden sollen. Eine Abstufung zwischen wesentlichen und weniger wesentlichen Barrieren würde der Lebensrealität von behinderten Menschen nicht gerecht werden." Die Folge wäre eine weitere Verschlechterung bei der Wohnungssuche für all diejenigen, die barrierefreie Wohnungen benötigen.

Die Verbände verwiesen vor dem Hintergrund der aktuellen Wohnungsmarktprognose des Landes NRW darauf, dass bis 2040 über 672.000 altersgerechte Wohnungen neu entstehen müssen, um den Bedarf zu decken. Gemessen am gesamten Neubaubedarf von knapp über einer Million Wohnungen wären dies zwei Drittel aller Wohnungen. Laut dem Mikrozensus von 2018 seien seit 2011 aber nur 18 Prozent aller Wohnungen altersgerecht errichtet worden.

Kritik an unbestimmtem Rechtsbegriff

Am 5. Dezember soll in einer gemeinsamen Sitzung von Bau- und Sozialausschuss im Düsseldorfer Landtag eine Sachverständigenanhörung zur Änderung der Landesbauordnung stattfinden. In Paragraf 49 zum "Barrierefreien Bauen" ist in der derzeit gültigen Fassung der Landesbauordnung davon die Rede, dass in Mehrparteienhäusern Wohnungen barrierefrei und eingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbar sein müssen. In den geplanten Änderungen ist von Wohnungen die Rede, die "im erforderlichen Umfang barrierefrei" sein müssen. Der Entwurf verweist im Anhang auf rechtliche Konkretisierungen von Begriffen wie "barrierefrei" oder "öffentlich zugänglich".

Gabriele Fritz