Ausgabe 29/2017 - 21.07.2017
Berlin (epd). Friederike hat zwei Mütter: "Mama" und "Claudi", die sie manchmal "Mami" nennt. Friederike und ihr Zwillingsbruder sind von "Mama". Die 19-Jährige ist in einer Regenbogenfamilie aufgewachsen, also mit gleichgeschlechtlichen Eltern: Ihre Mütter zogen zusammen, als sie ein Jahr alt war, ihre Mutter hatte sich von Friederikes leiblichem Vater getrennt.
Claudi hat in der neuen Partnerschaft zwei Geschwister geboren. Sie sind heute sechs und elf und sind entstanden aus der Samenspende eines schwulen Freundes der Mütter.
Friederike wurde schon oft nach ihrer Kindheit gefragt. "Die war völlig normal", sagt sie. "Meine Eltern lieben sich und waren für uns da." Sie seien "ein stinknormales Paar, jede mit Stärken und Schwächen." Nur eben nicht Mann und Frau, sondern Frau und Frau. "Das macht doch für Kinder keinen Unterschied", meint die Berliner Abiturientin.
Wie viele Kinder in Deutschland in Regenbogenfamilien aufwachsen, dazu gibt es keine amtliche Statistik. Auf 9.000 schätzte sie 2013 das Landesamt für Statistik in Baden-Württemberg. Datenbasis sind die freiwilligen Angaben zum Familienstand aus dem Mikrozensus - doch auch die Statistiker schätzen die Angaben als zu niedrig ein. Es gibt auch Schätzungen mit bis zu 650.000 Regenbogenfamilien, wie sie der Landschaftsverband Westfalen-Lippe Anfang Juli veröffentlichte.
Mit der "Ehe für alle" kommt für gleichgeschlechtliche Paare jetzt das Recht, gemeinsam ein Kind zu adoptieren. Bisher hatten eingetragene Lebenspartner lediglich das Recht, die leiblichen Kinder sowie bereits von einem Partner adoptierte Kinder zu adoptieren.
"Adoption ist aber nur ein Modell von vielen", sagt Constanze Körner, Leiterin des Regenbogenfamilienzentrums in Berlin und die Mama von Friederike. Krabbel- und Spielgruppen, Kinderwunschtreffs und Beratung werden im Zentrum angeboten. "Einen regelrechten Babyboom" sieht Körner hier, "und viele mit Kinderwunsch". Und sehr viele Familienformen: Co-Elternschaften, in denen zum Beispiel schwule und lesbische Paare zu viert Eltern werden, Drei-Eltern-Konstellationen, Patchworkfamilien.
Auch zur Adoption berät Körner viel. Einen Adoptionsboom erwartet sie nicht. "Die Ehe für alle ist ein Symbol der Gleichberechtigung, keine Revolution bei der Familiengründung." Es würden durch sie ja auch nicht mehr Kinder zur Adoption freigegeben.
Auch Andrea Buschner vom Staatsinstitut für Familienforschung in Bamberg erwartet keinen Adoptionsanstieg durch die Ehe für alle. "Vielleicht wird es noch mehr Bewerber geben", sagt die Soziologin. In Deutschland kommen statistisch auf jede Adoption sieben Bewerber. 2015 gab es 3.812 Adoptionen, Tendenz: sinkend.
Laut Buschner gibt es aber einige Rechtsfragen, die für Regenbogenfamilien noch ungeklärt sind: So gelte bei Kindern, die in eine Ehe geboren werden, der Ehemann automatisch als rechtlicher Vater. Bei einem Frauenpaar müsse die nicht-leibliche Mutter das Kind als Stiefkind adoptieren. Eine "Mit-Mutterschaft" hatte der Arbeitskreis Abstammungsrecht der Bundesregierung kürzlich zu dem Thema empfohlen - das würde einige Adoptionen überflüssig machen. "Es werden inzwischen mehr Kinder in lesbische Beziehungen hineingeboren, deshalb ist die Mit-Mutterschaft eine zentrale ungeklärte Frage", sagt auch Constanze Körner vom Regenbogenfamilienzentrum.
Sie und ihre Partnerin haben die leiblichen Kinder der jeweils anderen nicht adoptiert, "wir haben funktionierende Absprachen mit den Vätern". Ihre Kinder hatten regelmäßig Kontakt zu anderen Regenbogenfamilien, das stärke die Kinder gegen Alltagsdiskriminierung. "Sie wissen dann, dass sie nicht die Einzigen sind."
Ihre Tochter Friederike sagt, sie habe keine schlechten Erfahrungen gemacht: "Meine Mitschüler fanden das höchstens interessant." Sie selbst hat seit drei Jahren einen Freund, will irgendwann heiraten und Kinder kriegen. "Eine normale Familie, wie ich sie als Kind auch hatte."
Frankfurt a.M. (epd). Die Zahl der Adoptionen in Deutschland geht seit Jahren zurück: 3.812 Adoptionen gab es im Jahr 2015, das ist die aktuellste verfügbare Zahl des Statistischen Bundesamtes. Im Vergleich zu 2004 sind das 25 Prozent weniger, und die Zahlen nehmen in der Tendenz immer weiter ab.
Über die Hälfte dieser Adoptionen sind Stiefkindadoptionen: Der Partner adoptiert das leibliche Kind des anderen Partners. Das ist rechtlich in einer Ehe und auch in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft möglich. Außerdem können Ehepaare und auch eingetragene Partner das vom jeweiligen Partner bereits adoptierte Kind adoptieren - eine sogenannte Sukzessivadoption. Für ein Männerpaar ohne Kinder aus vorangegangenen Heterobeziehungen war das bislang die einzige Möglichkeit, zu zweit im rechtlichen Sinne Väter zu sein.
Auch die Zahl der Auslandsadoptionen ist im Vergleich zu 2004 um die Hälfte gesunken: 2015 gab es insgesamt 264 internationale Adoptionen. Die geringen Zahlen hängen auch mit dem Haager Adoptionsabkommen zusammen, das Kinderhandel und das Auseinanderreißen von Familien verhindern soll. Länder, die es ratifizieren, verpflichten sich, nur dann Kinder für die internationale Adoption freizugeben, wenn es keine Lösung im eigenen Land gibt.
Die "Ehe für alle" könnte gleichgeschlechtlichen Paaren Auslands-Adoptionen noch schwerer machen. "Es gibt Länder wie zum Beispiel Bulgarien, die Kinder an alleinstehende Ausländer oder Ausländerinnen vermitteln, deren Rechtssystem aber keine Ehe für gleichgeschlechtliche Paare kennt", sagt Elke Jansen, die Eltern und Paare mit Kinderwunsch für den Lesben- und Schwulenverband Deutschland berät.
Auf jedes zur Adoption freigegebene Kind kommen statistisch sieben Adoptionsbewerber. Bei der Adoption eines fremden Kindes seien vor allem Säuglinge von den Bewerbern gewünscht, sagt Gisela Rust von der gemeinsamen Zentralen Adoptionsstelle der Länder Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein.
"Es geht bei Adoptionen aber nicht darum, den Bewerbern die passenden Kinder zu suchen, sondern für verlassene Kinder passende Eltern." Allein deshalb wird es durch die "Ehe für alle" nach Einschätzung der Sozialpsychologin nicht mehr Adoptionen geben. "Es gibt ja nicht mehr Kinder, die zur Adoption freigegeben sind." Dies zeige aber eben auch, "dass Jugendhilfe es schafft, vielen Familien in schwierigen Lebenslagen so zu helfen, dass es Alternativen zur Adoption gibt."
Mit einer Adoption geben die leiblichen Eltern ihre Elternschaft komplett ab: Unumkehrbar und für immer werden die Adoptiveltern rechtliche Eltern. Pflegeeltern dagegen werden von Jugendämtern händeringend gesucht - und müssen für eine gemeinsame Erziehung nicht verheiratet sein.
Auch Alleinstehende dürfen adoptieren. Als ideale Umgebung für ein Adoptivkind gilt aber eine gemeinsame Elternschaft, "und wir wählen unter den Bewerbern die beste für ein bestimmtes Kind aus", sagt Gisela Rust. "Es ist immer eine Einzelfallentscheidung." Sie gibt ein Beispiel: Spricht die leibliche Oma, die Kontakt halten will, nur Spanisch, hat das Paar einen Vorteil, das auch die Sprache spricht.
Regenbogenfamilien könnten es unter Umständen etwas schwerer haben, denn: "Aufwachsen in einer Regenbogenfamilie kann auch Diskriminierung durch andere bedeuten, je nach Umfeld mehr oder weniger", erklärt Rust. Auch das werde im Vermittlungsverfahren berücksichtigt werden.
Frankfurt a.M. (epd). In Deutschland ist das Adoptionsverfahren gesetzlich genau geregelt. Adoptionen dürfen nur die Adoptionsvermittlungsstellen der Jugendämter vermitteln sowie die zentralen Adoptionsstellen der Landesjugendämter und anerkannte Adoptionsvermittlungsstellen freier Träger. Erster Ansprechpartner ist das Jugendamt vor Ort.
Gesetzlicher und fachlicher Auftrag der Stellen ist es, für das Kind die am besten passenden Eltern zu vermitteln. Die Stellen prüfen daher, ob die Bewerber den speziellen Bedürfnissen des Kindes gerecht werden. Die künftigen Adoptiveltern müssen unter anderem polizeiliche Führungszeugnisse und Auszüge aus dem Familienbuch einreichen. Vor allem werden aber Persönlichkeit, Gesundheit, wirtschaftliche Verhältnisse und Erziehungsvorstellungen in Fragebögen und persönlichen Gesprächen überprüft.
Eine wichtige Frage dabei ist auch: Warum wünschen Sie sich ein Kind? Die Eignungsprüfung dauert in der Regel zwischen sechs und zwölf Monaten. Mindestalter für eine Adoption ist 25 Jahre, bei Paaren kann einer der beiden das Alter unterschreiten, muss aber mindestens 21 Jahre alt sein. Ein Altersgrenze nach oben gibt es nicht, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter empfiehlt aber "einen natürlichen Abstand" des Alters der Eltern zum Alter des Kindes.
Beide leiblichen Elternteile müssen der Adoption zustimmen, in Ausnahmefällen kann das Vormundschaftsgericht diese ersetzen - zum Beispiel, wenn der Aufenthaltsort des Vaters unbekannt ist. Auch das Kind muss einwilligen: Bei Kindern unter 14 Jahren übernimmt dies sein gesetzlicher Vertreter, Kinder über 14 müssen selbst einwilligen. Vor der endgültigen Adoption liegt eine sogenannte Adoptionspflegezeit, in und nach der geprüft wird, ob ein Eltern-Kind-Verhältnis entstanden ist.
Bamberg (epd). Für die Entwicklungschancen von Kindern spielt es nach Angaben der Soziologin Andrea Buschner keine Rolle, ob ihre Eltern in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung leben oder nicht. "Kinder, die bei gleichgeschlechtlichen Paaren aufwachsen, entwickeln sich genauso gut, denn es kommt auf die Qualität der Eltern-Kind-Beziehung an und nicht auf die sexuelle Orientierung der Eltern", sagte die Wissenschaftlerin dem Evangelischen Pressedienst (epd). Buschner forscht beim Staatsinstitut für Familienforschung der Uni Bamberg zu verschiedenen Familienformen und hat an der deutschlandweit einzigen Studie zum Aufwachsen in Regenbogenfamilien mitgearbeitet.
Es mache aber schon einen Unterschied, ob die Kinder in die Beziehung hineingeboren werden oder ob sie vorher eine Trennung der leiblichen Eltern erlebt haben, sagte Buschner. Dann müssten sie mit dem neuen Partner und eventuell mit Streit zwischen den leiblichen Eltern zurechtkommen. "Das ist aber ein Risikofaktor in allen Patchworkfamilien."
Dass ihre "zweiten" Eltern schwul oder lesbisch sind, sei für die Trennungskinder aber unter Umständen irritierender als für Kinder, "die es von Anfang an nicht anders kennen", sagte die Soziologin. Kindern, die aus Spendersamen gezeugt oder adoptiert wurden, müssten sich hingegen mit ihrer biologischen Abstammung auseinandersetzen - "aber auch das kann ja Kinder von Heteropaaren betreffen".
Alle Regenbogenfamilien könnten "im Alltag die ein oder andere Diskriminierung" erleben. Studien zeigten aber, dass Eltern diese Erfahrungen durch eine gute Eltern-Kind-Beziehung auffangen können. Auch könne helfen, den Kontakt zu anderen Regenbogenfamilien herzustellen und "damit zu vermitteln, dass Familie verschieden sein kann und darf".
Insgesamt erlebten Kinder in Regenbogenfamilien weniger traditionelle Geschlechterrollen: "Eine Mutter, die Rasen mäht und ein Vater, der Windeln wechselt, sind für sie normal." Bei der eigenen sexuellen Orientierung spiele das Modell der Eltern jedoch "im Ergebnis keine Rolle, sie werden nicht häufiger schwul oder lesbisch als andere Kinder." Weil sie unterschiedliche Paar-Modelle kennen, "sehen sie hinsichtlich der Geschlechterrollen und der sexuellen Orientierung für sich aber sicher auch mehr Optionen", sagte die Soziologin.
Köln (epd). Ihr Leben lang waren Hannelore Schuster (Name geändert) und ihr Mann mit ihrem Geld ausgekommen. "Große Sprünge konnten wir nicht machen, aber es hat immer gereicht", sagt die 75-Jährige. Doch das änderte sich, als ihr Mann starb. Plötzlich hatte Hannelore Schuster nur noch eine Witwenrente, die etwas mehr als die Hälfte des früheren Einkommens betrug. Die laufenden Kosten wie Miete und die Raten für einige Kleinkredite blieben aber. "Irgendwann ging es einfach nicht mehr", sagt die Rentnerin.
Hannelore Schuster ist kein Einzelfall. Zwar machen ältere Menschen immer noch deutlich weniger Schulden als die Durchschnittsbevölkerung. Doch der Trend ist besorgniserregend. Laut Schuldneratlas Deutschland stieg die Verschuldung bei über 70-Jährigen in den vergangenen fünf Jahren um 58 Prozent auf insgesamt 174.000 Menschen. Auch bei den jüngeren Senioren im Alter von 60 bis 69 Jahren gab es ein Plus von sieben Prozent auf 504.000 Fälle.
Das merken auch die Schuldnerberatungsstellen. Sie verzeichnen zwar keine sprunghafte, aber eine kontinuierliche Zunahme von Menschen über 65 Jahren. Der Anteil der verschuldeten älteren Menschen stieg nach Angaben des Statistischen Bundesamtes seit 2012 von fünf Prozent auf 6,7 Prozent.
Bei Claudia Lautner und ihrer Kollegin Maike Cohrs von der Schuldnerberatung des Diakonischen Werkes in Köln fällt dieser Trend noch deutlich stärker aus. "Altersarmut ist nichts, was erst in ferner Zukunft auf uns zukommt. Sie ist bereits Realität", stellt Schuldnerberaterin Cohrs fest. Kamen im vergangenen Jahr insgesamt 56 Menschen über 60 Jahre in die Beratungsstelle der Kölner Diakonie, so waren es im ersten Halbjahr 2017 bereits 36.
Ein Grund dafür mag sein, dass in Köln mit rund sieben Prozent besonders viele Rentner auf Unterstützung durch das Sozialamt angewiesen sind. Bundesweit erhalten knapp 3,2 Prozent der Rentner Grundsicherung. Doch es könnten bald deutlich mehr werden. Eine kürzlich veröffentlichte Studie der Bertelsmann Stiftung prognostiziert, dass die Kölner Verhältnisse mit einer Grundsicherungsquote bei Rentnern von sieben Prozent bis zum Jahr 2036 bundesweiter Durchschnitt sein könnten.
Grund ist offenbar, dass Senioren mit ihrer Rente nicht über die Runden kommen. "Wir haben nur selten ältere Menschen hier, die schon immer verschuldet waren", sagt die Kölner Diakonie-Beraterin Lautner. Viele lebten auskömmlich, solange sie berufstätig seien. Wenn dann aber die Rente knapp sei und noch Schicksalsschläge dazu kämen, seien die finanziellen Reserven schnell aufgebraucht.
Kritisch werde es häufig, wenn wie im Fall von Hannelore Schuster der Ehepartner stirbt, weiß Beraterin Lautner. Manchmal führe auch eine späte Scheidung dazu, dass aus einem gut situierten Ehepaar zwei arme Single-Haushalte würden. Auch chronische Krankheiten führten oft zu Verschuldung.
Immer wieder treffen die Schuldnerberaterinnen auf Senioren, die unter dem Existenzminimum leben, aber keine Hilfen beim Sozialamt beantragen wollen. Wenn auf sie unerwartete Ausgaben zukommen, werde es schwierig. Dann würden Kredite aufgenommen, zum Beispiel um die kaputte Waschmaschine zu ersetzen. Und so summierten sich dann kleine Raten, die irgendwann mit der schmalen Rente nicht mehr beglichen werden könnten.
"Gerade ältere Menschen schämen sich aber oft furchtbar für ihre Schulden", weiß Lautner. "Sie essen eher nichts, um irgendwie die Raten zahlen zu können." Oft versuchten die verschuldeten Senioren dann viel zu lange, alleine mit den Problemen fertig zu werden, bevor sie zur Schuldnerberatung gehen. "Viele sind verzweifelt, weil sie ihr ganzes Leben lang von ihrer Arbeit leben konnten, und sich nun im Alter als Bittsteller empfinden", sagt Lautner.
Immer wieder beobachten Lautner und Cohrs aber, wie erleichtert die Menschen sind, wenn sie ihnen Lösungswege für ihre Situation aufzeigen. "Viele leben mit der Angst, dass sie ins Gefängnis müssen, wenn sie ihre Raten nicht mehr zahlen können", sagt Cohrs.
Berlin (epd). Der Mindestlohn in der Pflegebranche steigt Anfang 2018 auf 10,55 Euro pro Stunde im Westen und 10,05 Euro im Osten Deutschlands. Das Kabinett in Berlin beschloss am 19. Juli eine Verordnung des Bundesarbeitsministeriums, die bis 2020 noch zwei weitere Erhöhungen vorsieht. Der Mindestlohn gilt für rund 900.000 Beschäftigte in der Pflegebranche. Sozialverbände und die Linke finden den neuen Mindestlohn zu niedrig.
Anfang 2019 wird die Lohnuntergrenze im Westen auf 11,05 Euro angehoben, im Osten auf 10,55 Euro. 2020 steigt der Mindestlohn dann jeweils um weitere 30 Cent pro Stunde. Heute beträgt er 10,20 Euro pro Stunde im Westen und 9,50 Euro im Osten der Republik.
Im Unterschied zu anderen Branchen wird der Mindestlohn für die Pflege nicht von den Tarifpartnern ausgehandelt, sondern von einer Kommission, die paritätisch mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern der öffentlich-rechtlichen, privaten und kirchlichen Pflegeeinrichtungen besetzt ist. Das eigenständige kirchliche Arbeitsrecht hatten diesen Sonderweg erforderlich gemacht. Die Kommission hatte sich im April auf die Mindestlohn-Erhöhungen verständigt. Ihre Empfehlung wird per Verordnung vom Arbeitsministerium umgesetzt und vom Kabinett bestätigt.
Kritik an der Neuregelung kam von der Arbeiterwohlfahrt. "Der neue Mindestlohn liegt genau wie der gescheiterte Mindestlohn für Fachkräfte deutlich unter den üblicherweise gezahlten Tariflöhnen", erklärte der AWO-Bundesvorsitzende Wolfgang Stadler. "Auch wenn er für einige Pflegehilfskräfte tatsächlich am Ende des Monats mehr Geld bedeutet, ändert sich für die meisten Pflegekräfte wenig." Um deren Situation und die Attraktivität des Berufes insgesamt zu verbessern, brauche es einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag Soziales. "Soziale Arbeit schaffe die Basis für eine funktionierende Gesellschaft. Das muss sich auch in den Löhnen widerspiegeln", forderte Stadler.
Ähnlich äußerte sich Linken-Chef Bernd Riexinger, der die Erhöhung als "mickrig" bezeichnete und kritisierte, dass beim Mindestlohn auch 27 Jahre nach der deutschen Einheit trotz gleicher Arbeit weiterhin nach Ost und West unterschieden werde. "Die Pflegearbeit von Menschen in Ostdeutschland ist immer noch weniger wert, 50 Cent pro Stunde im Jahr 2020 - das ist eine Frechheit", sagte Riexinger.
Von Arbeitgeberseite gab es dagegen positive Reaktionen. "Das ist eine gute Nachricht für die vom Mindestlohn betroffenen Pflegekräfte", betonte der Arbeitgeberpräsident des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste, Rainer Brüderle. Der ehemalige Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion ist Mitglied der Pflegemindestlohnkommission. Allerdings vermisst Brüderle einen Plan des Bundesarbeitsministeriums, "wie es die die Benachteiligung von professionellen Pflegediensten und Pflegeheimen gegenüber dem 'grauen Markt' abbauen will." Damit ist die Pflege gemeint, die im Privaten oftmals von ausländischen Kräften an der Grenze zum Illegalen übernommen wird. Neben Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz wird dabei in der Regel der Mindestlohn deutlich unterschritten.
Der Mindestlohn in der Pflege war 2010 eingeführt worden und betrug anfänglich 8,50 Euro im Westen und 7,50 Euro pro Stunde im Osten Deutschlands. Er sichert eine Lohnuntergrenze vor allem für Pflegehilfskräfte ab. Zum Vergleich: Der gesetzliche Mindestlohn beträgt 8,84 Euro pro Stunde.
Gütersloh, Berlin (epd). Die Bertelsmann Stiftung fordert einen deutlich verbesserten "Pflege-TÜV". So sollten wesentlich mehr Informationen über die Pflegeleistung und die Personalstärke für alle abrufbar sein, erklärte die Stiftung am 20. Juli in Gütersloh. Nach einer Umfrage der Stiftung befürchtet jeder zweite Bundesbürger, wegen mangelnder Information im Alter nicht die richtige Pflege zu finden. Die Stiftung Patientenschutz äußerte sich skeptisch gegenüber der von der Bundesregierung geplanten Reform des "Pflege-TÜV". Verbesserungsbedarf sehen auch die Diakonie und die Grünen.
Der derzeitige sogenannte Pflege-TÜV mit den "Pflegenoten" liefere nicht genug Informationen für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen, erklärte die Bertelsmann Stiftung. Zwar sollte der vom Gesetzgeber einberufene Qualitätsausschuss diese Mängel bis Ende des Jahres abschaffen. Das Gremium habe jedoch bereits angekündigt, diese Frist nicht einhalten zu können. Bereits heute wäre es jedoch ohne großen Aufwand möglich, entscheidungsrelevante Informationen bereitzustellen, sagte der Gesundheitsexperte der Bertelsmann Stiftung, Stefan Etgeton.
Nach einem Forderungskatalog der "Weißen Liste", einem Projekt der Bertelsmann Stiftung, sollten Pflegeanbieter verpflichtet werden, über ihre Leistungen und Ausstattung Bericht zu erstatten. Das Projekt schlägt zudem deutlichere Wertungen wie ein rotes Warndreieck für besonders schlechte und einen grünen Daumen für besonders gute Pflegequalität vor. Über die gesundheitsbezogene Pflegequalität hinaus müsse auch die Lebensqualität der Pflegebedürftigen stärker in den Blick genommen werden. Zudem sollten Erfahrungen von Menschen in der Pflege oder ihrer Angehörigen veröffentlicht werden, hieß es.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz forderte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) auf, die wichtigen Pflege-Bewertungen nicht allein den Kassen und Pflegeanbietern zu überlassen. Nötig sei ein unabhängiges Gremium, in dem die Betroffenen ausreichend Sitz und Stimme hätten, erklärte Stiftungsvorstand Eugen Brysch in Dortmund. "Traumnoten am Fließband verschleiern die Missstände und haben mit der Realität nichts zu tun", sagte Brysch.
Die Grünen forderten, Maßstäbe für gute Qualität in der Pflege müssten umgehend erarbeitet werden. Der sogenannte Qualitätsausschuss dürfe das nicht länger hinauszögern. Für die Umsetzung solle ein unabhängiges Institut für die Pflege geschaffen werden, forderte die Pflegeexpertin der Grünen, Elisabeth Scharfenberg.
Die Diakonie Deutschland hält mehr Transparenz bei Daten wie Leistungsangebote und räumliche Gestaltung für sinnvoll. Allerdings sollten diese nach bundesweit einheitlichen Regeln erhoben werden, damit sich die Daten auch vergleichen ließen, sagte Diakonie-Pflegeexperte Manfred Carrier in Berlin dem Evangelischen Pressedienst (epd). Offizielle Veröffentlichungen von Prüfergebnissen sollten jedoch nicht mit subjektiven Meinungsäußerungen auf der gleichen Seite vermischt werden.
Nach einer Umfrage der Bertelsmann Stiftung ist jeder zweite Bundesbürger unsicher bei der Wahl eines passenden Pflegeheimes. Fast zwei Drittel (63 Prozent) befürchteten, dass es in den Einrichtungen zu wenig Personal gebe, erklärte die Stiftung. Neun von zehn Befragten bemängelten vor allem zu wenig öffentliche Information zu den Pflegeeinrichtungen.
Im vergangenen Jahr hatte die Bundesregierung eine Neuregelung des umstrittenen Systems der Pflegenoten beschlossen. Die neuen Pflegenoten werden von einem Pflegequalitätsausschuss entwickelt. Laut Bertelsmann Stiftung sollen frühestens 2019 erste Ergebnisse vorliegen. Der bisherige Pflege-TÜV stand wegen seiner geringen Aussagekraft und seinen zu positiven Bewertungen in der Kritik.
Nürnberg (epd). Die häusliche Pflege ist nach Aussage von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) für Familien besser zu stemmen, wenn es genügend Kurzzeit- und teilstationäre Pflegeangebote gibt. Der Aufbau solcher Kurzzeit- und Tagespflege-Einrichtungen sei aber noch ein bevorstehender Kraftakt, sagte Gröhe am 13. Juli in Nürnberg beim Bayerischen Pflegegipfel. "Das Netz muss noch ausgebaut werden." Es müsse auch mehr Beratung für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen geben. Denn Pflege gebe es nicht von der Stange, sondern sie sei "ein Maßanzug".
Gröhe sprach sich dafür aus, mehr für die Gesundheit der betroffenen Angehörigen zu tun und bei ihnen die Pflege für die Rente besser anzurechnen. Skeptisch äußerte er sich aber zu einem von der Solidargemeinschaft getragenen finanziellen Verdienstausgleich für pflegende Angehörige.
Auch die bayerische Pflegeministerin Melanie Huml (CSU) sieht noch Bedarf bei Kurzzeitpflegeplätzen. Um solche Angebote gerade im ländlichen Bereich in der Nähe zu schaffen, denke ihr Ministerium über Anreize nach. Auch das Thema Nachtpflege beschäftige sie, damit Angehörige von demenzerkrankten Menschen "auch mal wieder eine Nacht durchschlafen können", sagte Huml.
Kritik am Bayerischen Pflegegipfel kam unterdessen vom Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch. In Nürnberg seien nur "weichgespülte Ergebnisse" präsentiert worden, sagte er laut einer Mitteilung. Huml fehle der Mut, große Schritte nach vorn zu gehen. Von einer Idee, Seniorenämter vor Ort einzurichten, sei sie wieder abgerückt.
Der krankenhauspolitische Sprecher der Linken im Bundestag, Harald Weinberg, sprach von einer "Schaufensterveranstaltung zwei Monate vor der Wahl". Er beklagte, die Arbeitsbedingungen in der Pflege würden sich in der Bundesrepublik weiter verschlechtern. Während in Norwegen eine Pflegekraft vier Patienten betreue, betrage der Schlüssel in Deutschland eins zu zehn. Es sei höchste Zeit für eine gesetzliche Mindestpersonalbemessung.
Zum Pflegegipfel waren rund 300 Vertreter aus Politik, Medizin, Pflege sowie von Krankenkassen und Pflegebedürftigen gekommen. Neben der häuslichen Pflege diskutierten die Foren über die Pflegeversicherung und die Pflegeausbildung.
Regensburg (epd). Jahrzehntelang wurden bei den Regensburger Domspatzen Schüler geschlagen und sexuell missbraucht. Rund 500 Sänger wurden Opfer von körperlicher Gewalt, 67 waren von sexueller Gewalt betroffen, wie aus dem Abschlussbericht hervorgeht, der das Ergebnis einer zweijährigen Untersuchung zusammenfasst. Die Betroffenen hätten die Vorschule der Domspatzen in Etterzhausen und Pielenhofen beschrieben als "Gefängnis", "Hölle" oder "Konzentrationslager", sagte der für die Aufklärung zuständige Rechtsanwalt Ulrich Weber am 17. Juli in Regensburg: "Viele von ihnen schilderten diese Zeit als die schlimmste ihres Lebens, die geprägt war von Gewalt, Angst und Hilflosigkeit."
Die physische Gewalt sei alltäglich und vielfach brutal gewesen und habe einen Großteil der Schüler betroffen. Die Übergriffe hätten vor allem in den 1960er und 1970er Jahren stattgefunden. Bis 1992 soll es den Opfern zufolge durchgängig Gewalt gegeben haben. Der Rechtsanwalt vermutet, dass sich nicht alle Opfer bei ihm gemeldet haben. Er geht von weiteren 200 Betroffenen aus, die im Dunkeln geblieben seien.
Insgesamt habe man 49 Beschuldigte ausmachen können, erläuterte Weber. 45 hätten die Kinder misshandelt, neun seien sexuell übergriffig geworden. An den Übergriffen beteiligt haben sich dem 440 Seiten umfassenden Abschlussbericht zufolge Angestellte der drei Institutionen Schule, Chor und Musikerziehung sowie des Internats. Verantwortlich für die Gewalt seien aber in vielen Fällen der Direktor der Vorschule und sein Präfekt gewesen, die über Jahrzehnte die prägenden Personen der Einrichtung waren.
Dass es zu solchen Gewaltexzessen kommen konnte, habe an einer "Kultur des Schweigens" gelegen, sagte Weber. Generell müsse davon ausgegangen werden, dass nahezu alle Verantwortungsträger bei den Domspatzen zumindest ein Halbwissen über die Gewaltvorfälle hatten.
Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer hatte entscheidenden Anteil daran, dass die Aufarbeitung überhaupt an Fahrt gewann. Zwei Jahre nach seinem Amtsantritt veranlasste der Bischof, dass Weber im April 2015 von Bistum und Stiftungsleitung der Domspatzen als unabhängige Instanz zur Aufarbeitung eingesetzt wurde.
Von seinem Bruder, einem Psychiater und Klinikdirektor, ließ sich Voderholzer laut Medienberichten schildern, was in Opfern von Gewalt und sexuellem Missbrauch vorgeht - damals und heute. Mit etwa 100 Betroffenen soll Voderholzer selbst gesprochen haben. Ebenso beteiligte er sich an dem aus sechs Personen bestehenden Aufarbeitungsgremium, das sich seit Frühjahr 2016 traf und über Konsequenzen beriet.
Dem von 2002 bis 2012 amtierenden Vorgänger Voderholzers, dem heutigen Kardinal Gerhard Ludwig Müller, war vorgeworfen worden, die Missbrauchs- und Misshandlungsfälle heruntergespielt und eine konsequente Aufarbeitung verzögert zu haben. Einige Opfervertreter haben nun angekündigt, mit Kardinal Müller sprechen zu wollen. Dieser ließ wissen, dass er zu den Vorfällen nichts mehr öffentlich sagen wolle.
Müller hatte als Regensburger Bischof bei Bekanntwerden des Skandals 2010 eine Aufarbeitung in die Wege geleitet. Diese Aufarbeitung sei aber mit vielen Schwächen behaftet gewesen, etwa weil man nicht den Dialog mit den Opfern gesucht habe, sagte Weber. Eine klare Verantwortung für die strategischen, organisatorischen und kommunikativen Schwächen müsse deshalb Müller zugeschrieben werden.
Das Bistum reagierte mit einem Schuldeingeständnis auf den Bericht. "Wir alle haben Fehler gemacht", sagte Generalvikar Michael Fuchs. Er erklärte, dass das Bistum wesentlich früher hätte aktiv werden müssen und bat stellvertretend um Entschuldigung. Fuchs erklärte aber auch, dass sowohl der ehemalige Domkapellmeister Georg Ratzinger, Bruder von Papst Benedikt XVI., als auch Kardinal Müller "großen Anteil an der Aufklärung" nähmen.
Die Misshandlungsfälle hätten trotz der Vielzahl der Fälle keine strafrechtliche Relevanz mehr, erklärte Weber. Sie seien inzwischen alle verjährt, eine Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft erfolge nicht. Gleiches gelte für die Missbrauchsfälle. Nach Bekanntwerden der ersten Fälle im März 2010 sei die Staatsanwaltschaft informiert worden. Zwei Fälle, die sich in den 1960er und 1970er Jahre ereigneten, seien damals noch juristisch von Bedeutung gewesen.
Eines der Opfer, Alexander Probst, sagte, obwohl die Aufklärungsarbeit nun bereits sieben Jahre dauere, sei er "tief erschüttert" über die Gesamtzahl der Fälle und das Ausmaß der Gewalt, die nun öffentlich wurde. Er äußerte sich mit den Ergebnissen des Abschlussberichts zufrieden. "Wir haben eine Befriedigung erreicht", sagte Probst.
Anfang des Jahres hatte sich ein Anerkennungsgremium konstituiert, um eine "materielle Anerkennung erlittenen Unrechts" der Opfer zu erzielen, erklärte Barbara Seidenstücker, die im Gremium mitwirkt. Die ersten 50 Fälle seien schon entschieden und eine Gesamtsumme von 450.000 Euro ausgezahlt worden. Sie rechne damit, dass insgesamt bis zu drei Millionen Euro an die Opfer ausgezahlt werden können. Bis Ende des Jahres soll ein Großteil der etwa 300 Anträge bearbeitet sein.
Berlin (epd). Der Anteil von Frauen in Führungspositionen steigt einer Studie zufolge in Deutschland nur langsam. Von einer Gleichstellung sei die deutsche Wirtschaft immer noch weit entfernt, heißt es in dem am 18. Juli in Berlin vorgestellten "Führungskräfte-Monitor 2017" des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Demnach stieg zwischen 1995 und 2015 der Anteil von angestellten Frauen mit Führungsaufgaben in Privatunternehmen insgesamt nur um zehn Prozentpunkte auf 30 Prozent.
Das sei wenig im Vergleich zum rasanten Bildungsanstieg bei den Frauen, sagte Studienautorin und DIW-Forschungsdirektorin für Gender Studies, Elke Holst. Der Frauenanteil nehme nur langsam zu und gleiche zuletzt eher wieder einem Ritt auf einer Schnecke. Im EU-Vergleich liegt Deutschland damit mit Italien und Zypern auf den letzten drei Plätzen. Grundlage des Führungskräfte-Monitors sind Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP).
Dabei gibt es hierzulande einen starken Ost-West-Unterschied. Derzeit liegt der Frauenanteil in Führungspositionen in Ostdeutschland bei 44 Prozent und in Westdeutschland bei 27 Prozent. Während im Osten in den vergangenen 20 Jahren 19 Prozent mehr Frauen in Führungspositionen aufstiegen, waren es im Westen nur acht Prozent. Offenbar spielten kulturelle Unterschiede immer noch eine wichtige Rolle, sagte Studienautorin Holst.
Erstmals wurde 2015 auch das politische Interesse und die Parteineigung von Führungskräften abgefragt. Dabei gaben 38 Prozent der Frauen in leitenden Positionen an, sehr stark an Politik interessiert zu sein, bei den Männern waren es 58 Prozent. Beide Geschlechter beschäftigten besonders die Themen Frieden, Ausländerfeindlichkeit sowie Umweltschutz, Klimawandel und der soziale Zusammenhalt. Weibliche Führungskräfte neigten vor allem den Grünen zu (39 Prozent), männliche der SPD (44 Prozent). Würde man in die Studie Selbstständige, Landwirte und die Beschäftigten im öffentlichen Dienst einbeziehen, könne dies jedoch anders aussehen, betonte Studienautorin Holst.
Bei den Deutschen mit Migrationshintergrund in Führungspositionen haben die Frauen laut dem Monitor die Nase vorn. Ihr Anteil stieg von neun Prozent (2005) auf 27 Prozent im Jahr 2015. Bei den Männern gab es im gleichen Zeitraum nur einen Zuwachs um sieben Prozentpunkte von 15 auf 22 Prozent.
Bei der Aufschlüsselung nach Alter legte in den vergangenen zehn Jahren besonders die Altersgruppe 55 plus zu. Hier wuchs der Anteil weiblicher Führungskräfte um zehn Prozentpunkte auf 23 Prozent. Bei den bis 34-Jährigen gab es dagegen nur einen leichten Anstieg um zwei Prozentpunkte auf 36 Prozent, bei den 35- bis 54-Jährigen um sechs Prozentpunkte auf 28 Prozent.
Etwa jede vierte Frau mit Führungsaufgaben (27 Prozent) hatte im Jahr 2015 Kinder (2005: 21 Prozent), bei den Männern waren es 35 Prozent (2005: 39 Prozent). Über die Hälfte der Frauen (55 Prozent) ist neben der Arbeit für Haushalt und Kinderbetreuung zuständig. Bei den Männern sind es 24 Prozent, zehn Prozent mehr als 2005.
Auch die Einkommenslücke zwischen Frauen und Männern (Gender Pay Gap) in Führungspositionen hat sich in den vergangenen Jahren im Mittel leicht verringert, die Verdienstlücke bleibe mit durchschnittlich 23 Prozent aber weiter erheblich, hieß es. Im Mittelwert liege der Verdienstunterschied sogar bei 26 Prozent und habe sich innerhalb von 20 Jahren nicht verändert.
Brüssel (epd). Blinden und sehbehinderten Menschen soll in der Europäischen Union künftig ein besserer Zugang zu Literatur möglich sein. Der Rat der Europäischen Union verabschiedete am 18. Juli entsprechende urheberrechtliche Regelungen, wonach Blindenbibliotheken vor der Übertragung von Texten in barrierefreie Formate nicht vorher die Zustimmung des Autors oder Verlegers einholen müssen. Die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung, Verena Bentele, begüßte diesen Schritt. Jetzt komme es darauf an, dass das Urheberrecht in Deutschland zügig geändert werde.
Bisher sind in Deutschland nur etwa fünf Prozent der veröffentlichten Werke in barrierefreien Fassungen erhältlich. Das ist nach der Einschätzung der Beauftragten deutlich zu wenig, um einen gleichberechtigten Zugang von Menschen mit Behinderungen zu kulturellem Material sicherzustellen, wie es die UN-Behindertenrechtskonvention festlege.
"Derzeit stellen die Blindenbibliotheken die erforderlichen barrierefreien Fassungen von Büchern, Zeitschriften und Hörbüchern her", erklärte Bentele. Es sei wichtig, dass die dafür im Urheberrecht bisher vorgesehenen Vergütungen entfielen. Es könne nicht sein, dass Blindenbibliotheken, die sich überwiegend aus Spenden finanzierten, für die Herstellung der vom Buchmarkt nicht geleisteten Barrierefreiheit auch noch Gebühren an Urheber abführen müssten. Die Beauftragte will sich dafür einsetzen, dass diese Gebühren in Deutschland entfallen.
Köln, Hamburg (epd). Jugendliche fühlen sich einer Studie zufolge von der Politik kaum vertreten. Wie eine am 18. Juli in Köln und Hamburg veröffentlichte Studie des Umfrageinstituts Yougov und der Jugendzeitschrift "Bravo" ergab, halten zwar 80 Prozent der 14- bis 17-Jährigen eine Teilnahme an Wahlen für wichtig, damit die eigenen Interessen Gehör finden. Zugleich findet aber mehr als die Hälfte (58 Prozent), dass die Anliegen von Jugendlichen in der Politik nicht gut vertreten werden, und fast zwei Drittel (65 Prozent) glauben, dass sie eher wenig Einfluss auf die Politik haben.
"Bravo"-Redaktionsleiterin Ulla Drewitz forderte Politiker auf, Jugendliche stärker in den Blick zu nehmen. "Ihre Haltung zur demokratischen Grundordnung entwickelt sich nicht erst, wenn sie als Erstwähler in den Fokus von Wahlkampfstrategen der Parteien rücken", betonte sie. Für die Studie wurden den Angaben zufolge am 14. und 15. Juni 522 Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren befragt. Sie seien repräsentativ aus dem aus dem Yougov-Panel ausgewählt worden, hieß es.
Göttingen (epd). Eine neue Initiative an der Göttinger Universität will die Demokratiebildung an Grundschulen begleiten und fördern. Das Projekt "Demokratie lernen - Grundschulen als Schlüsseleinrichtungen der Demokratiebildung" ist am Institut für Demokratieforschung angesiedelt. Kooperationspartner seien das Niedersächsische Kultusministerium und das Niedersächsische Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung (NLQ), teilte das Institut am 17. Juli mit.
Ein wichtiger Baustein des Vorhabens ist den Angaben zufolge die Internetseite kinderdemokratie.de. Sie präsentiert unter anderem digitale Unterrichtsmaterialien in Nachfolge der bereits vorliegenden "Arbeitsblätter zur Demokratieerziehung in der Grundschule" sowie zusätzliches Medienmaterial.
Um möglichst viele Kinder im Grundschulalter zu erreichen und eine dauerhafte Demokratiebildung an Niedersachsens Grundschulen zu gewährleisten, sollen zudem Lehrkräfte zum Thema Demokratieerziehung fortgebildet werden. Schließlich will das Institut die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Demokratiebildung erforschen und die Wirkung der neuen digitalen Unterrichtsmaterialien untersuchen.
Düsseldorf (epd). 44 Kommunen in Nordrhein-Westfalen erhalten in diesem Jahr insgesamt 55,4 Millionen Euro aus einem Bund-Länder-Programm zur Quartiersentwicklung. Der vom NRW-Heimatministerium vorgelegte Investitionspakt "Integration im Quartier" sei das erste Förderprogramm der neuen Landesregierung und wolle Städte und Gemeinden darin unterstützen, Orte der Begegnung zu schaffen oder zu modernisieren, teilte das Ministerium am 14. Juli in Düsseldorf mit.
Der Bund zahlt mit 46,1 Millionen Euro den Löwenanteil, das Land gibt 9,3 Millionen Euro. Die geförderten Städte und Gemeinden beteiligen sich zudem mit einem Eigenanteil von 6,1 Millionen Euro.
"Mit dem neuen Förderprogramm wollen wir den nachbarschaftlichen Zusammenhalt stärken, die Teilhabe aller gesellschaftlichen Gruppen am öffentlichen Leben sichern und für die Bürgerinnen und Bürger die Lebensqualität in unseren Stadt- und Ortsteilen spürbar verbessern", sagte Heimatministerin Ina Scharrenbach (CDU). Auch den Zuwanderern solle damit die Integration erleichtert werden.
Das Geld fließt unter anderem in den Um- oder Neubau von Bürgerhäusern und Stadtteilzentren, die Herstellung oder Aufwertung von öffentlichen Plätzen, Grünanlagen und Spielplätzen, die Modernisierung von Sportstätten und die Erweiterung oder den Um- beziehungsweise Neubau von Schulen und Kindertagesstätten.
Düsseldorf (epd). Der Düsseldorfer Landtag hat sich mit den Stimmen der schwarz-gelben Regierungsfraktionen für ein "Kita-Rettungsprogramm" ausgesprochen. Auch die AfD votierte für den von CDU und FDP vorgelegten Antrag, SPD und Grüne stimmten dagegen, hieß es in einer Mitteilung vom 13. Juli. Die Landesregierung soll nun die rechtlichen und finanziellen Grundlagen für ein solches Rettungsprogramm prüfen.
Zudem sollen mit den kommunalen Spitzenverbänden und den Trägern der Kindertageseinrichtungen Gespräche über eine dauerhaft tragfähige und auf Pauschalen basierende Kita-Finanzierung geführt werden. Familienminister Joachim Stamp (FDP) sagte, man wolle "Schritt für Schritt" eine Revision des 2008 verabschiedeten Kinderbildungsgesetzes (Kibiz) erreichen. Dazu sei das "Kita-Rettungsprogramm" der erste Schritt.
Vorausgegangen war der Entscheidung eine Debatte zwischen den Regierungsfraktionen und den Oppositionsparteien von SPD und Grünen. Vertreter von CDU und FDP warfen der Vorgängerregierung vor, wichtige Reformen im Bereich der frühkindlichen Bildung versäumt zu haben.
Deshalb sei es nötig, die Finanzierung der Kindertagesstätten auf eine neue Basis zu stellen, hieß es seitens der CDU. Marcel Hafke von der FDP bezeichnete die Situation in der frühkindlichen Bildung als "riesengroße Baustelle". Es fehle an einer auskömmlichen Finanzierung, es gebe zu wenig Plätze in den Einrichtungen, auch an der Flexibilität bei der Betreuung mangle es.
Redner der SPD und der Grünen verwiesen dagegen auf die Fehler des Kinderbildungsgesetzes, das 2008 unter der damaligen schwarz-gelben Landesregierung in Kraft getreten war. Das Kibiz sei ein "reines Spargesetz", sagte SPD-Vertreter Dennis Maelzer. Die von SPD und Grünen geführte Landesregierung habe dagegen den Etat für die frühkindliche Bildung von 2010 bis 2017 auf über 2,8 Milliarden Euro mehr als verdoppelt.
Berlin (epd). Der Berliner Senat hat eine neue Hilfe-App für Flüchtlinge mit Suchtproblemen gestartet. Mit der Smartphone-Anwendung "Guidance" soll Geflüchteten der Zugang zur Berliner Suchthilfe erleichtert werden, wie der Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung, Boris Velter (SPD), am 14. Juli sagte.
Die App steht den Angaben zufolge in fünf verschiedenen Sprachen (Deutsch, Englisch, Französisch, Arabisch, Farsi) zur Verfügung. Sie informiert über das Thema Sucht, Suchtmittel sowie über gesetzliche Vorgaben. Über eine integrierte GPS-Funktion könnten Nutzer zudem schnell und unkompliziert Hilfsangebote in der Nähe finden. Die App "Guidance" ist kostenlos im App Store sowie bei Google Play erhältlich, hieß es weiter.
Velter betonte, dass die Erfahrung mit Krieg und Flucht, der Verlust bekannter Lebensstrukturen, das fehlende Sprachverständnis und eine ungewisse Zukunft eine enorm hohe psychische Belastung seien und bei Flüchtlingen suchtauslösend sein könnten. "Einige greifen deshalb zu Alkohol, Medikamenten oder Drogen und befinden sich dann bald in einem Strudel, aus dem sie ohne Hilfe nicht mehr herauskommen", sagte der Staatssekretär.
Bislang seien Flüchtlingen etwa wegen Verständigungsschwierigkeiten die Hilfs- und Beratungsangebote der Suchthilfe oft verschlossen geblieben. Gleichzeitig würden die Betroffenen aber in der Regel ein Smartphone als wichtigstes Kommunikationsmittel besitzen. Die App sei nun eine niedrigschwellige Möglichkeit für Flüchtlinge, Hilfe im Kampf gegen die Sucht zu finden. Die Entwicklung der App wurde den Angaben zufolge vom Land Berlin mit 57.000 Euro gefördert.
Münster (epd). Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) will mit einem Modellprojekt mehr Menschen mit Behinderungen das Wohnen zu Hause ermöglichen. Dafür sollen Wohnungen entstehen, die technische Unterstützung bieten und in die Nachbarschaft eingebunden sind, wie der LWL am 19. Juli in Münster mitteilte. Interessierte Initiativen oder Anbieter können sich mit Vorschlägen beim LWL bewerben. Im Herbst wählt eine Jury 15 Projekte für jeweils zehn bis 15 Mieter aus.
Die bis zu 200 Wohnungen sollen mit intelligenter Technik ausgestattet werden, wie der LWL erklärte. Assistenzsysteme könnten den Bewohnern beim Türöffnen, Telefonieren oder bei der Bedienung der Haustechnik helfen. Außerdem sollen innovative Konzepte den Mietern ermöglichen, aktiver Teil der Nachbarschaft zu werden. Die 15 ausgewählten Projekte sollen andere anregen, sich auch im Wohnungsbau für Menschen mit Behinderungen zu engagieren, hieß es.
Ein Engpass für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen sei der hart umkämpfte Wohnungsmarkt, erklärte LWL-Direktor Matthias Löb. "Gerade Menschen, die besonders viel Unterstützung im Alltag brauchen, sollen mit unserem Programm neue Chancen auf eine eigene Wohnung bekommen." Wo früher ein Heim oft die einzige Möglichkeit gewesen sei, könnten Menschen mit einer schweren Behinderung heute bei entsprechender Unterstützung auch in den eigenen vier Wänden leben.
Berlin (epd). In einer dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegenden Stellungnahme dringen Direktorin Barbara Eschen und Vorstandsmitglied Martin Matz auf die Erfüllung von vier konkreten Forderungen bis zum 31. Juli. Andernfalls könne das Diakoniewerk Bethel - nicht zu verwechseln mit den v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel in Bielefeld - nicht Mitglied im Diakonischen Werk bleiben.
Die Rechercheplattform "correctiv.org" hatte vor wenigen Tagen berichtet, dass Vorstand Behle in den vergangenen Jahren das Diakoniewerk Bethel komplett unter seine Kontrolle gebracht haben soll.
Eschen und Matz schreiben dazu: "Die aufgedeckten Vorgänge wären in keiner Weise vereinbar mit den Grundsätzen der Arbeit der Diakonie." Unter dem heute 68 Jahre alten Vorstand Behle soll laut "correctiv" 2011 der ursprüngliche Verein per Satzungsänderung in eine gemeinnützige GmbH überführt worden sein. Begründet worden sei dies seinerzeit damit, dass die Diakonissen von der Verantwortung für den unternehmerischen Teil entlastet werden wollten. Ersetzt wurde die ursprüngliche Konstruktion durch die Eduard-Scheve-Stiftung und die Berta-Scheve-Stiftung als Gesellschafter der neuen, gemeinnützigen GmbH. Inzwischen habe Behle zugegeben, dass er selbst der Stifter sei, schrieb "correctiv".
Behle verantworte damit alle wesentlichen Gremien und kontrolliere sich faktisch selbst. Für Unruhe sorgte in den vergangenen Jahren unter anderem der Umgang mit den Pensionsansprüchen von drei ausgeschlossenen Diakonissen. Auch soll das Jahresgehalt von Behle bei bis zu 720.000 Euro liegen und damit fast das Zehnfache dessen betragen, das Diakoniechefs nach Tarif erhalten. Die Umstände eines Villenerwerbs in Berlin-Lichterfelde seien ebenfalls merkwürdig.
Eschen und Matz fordern, dass Behle unverzüglich aus dem Vorstand ausscheidet. Zudem müsse das Diakoniewerk Bethel belegen, inwieweit Immobiliengeschäfte, die vorzeitige Auszahlung eines Pensionsanspruches und die Übernahme der Anteile am Diakoniewerk durch zwei persönliche Stiftungen rechtmäßig waren. Auch sollen die beiden Stiftungen Mitglied des Diakonischen Werkes werden und die Organ- und Aufsichtsstrukturen den üblichen Vorgaben angepasst werden. Auch müssten die Stiftungsräte künftig mit mehreren Vertretern des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (BEFG) und mindestens einem des Diakonischen Werkes besetzt werden.
"Wenn der Vorstand des Diakoniewerks Bethel nicht bis zum 31.7.2017 erklärt, die Forderungen des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e.V. umzusetzen, gehen wir davon aus, dass das Diakoniewerk Bethel von sich aus auf seine Mitgliedschaft in der Diakonie verzichten wird", schreiben Eschen und Matz.
Das Diakonische Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz ist ein Landesverband der Diakonie mit rund 430 Mitgliedern, die in 1.500 Einrichtungen arbeiten. Das Diakoniewerk Bethel gGmbH ist rechtlich eigenständiges Mitglied im Diakonischen Werk; die beiden ihm zugrundeliegenden Stiftungen nicht. Das Diakoniewerk Bethel soll deutschlandweit rund 1.700 Mitarbeiter in 13 Krankenhaus- und Pflegeeinrichtungen beschäftigen. In Berlin werden laut Diakonischem Werk ein Krankenhaus, drei Seniorenzentren und zwei Pflegedienste betrieben.
Das heutige Diakoniewerk Bethel geht auf eine Einrichtung zurück, die 1887 in Berlin-Friedrichshain von dem Baptistenpastor Eduard Greve gegründet wurde. Es hat nichts mit den Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel in Bielefeld zu tun und gehört zum Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden mit Sitz in Elstal bei Berlin.
Der Freikirchliche Bund hatte sich am 7. Juli befremdet und erschüttert geäußert. Der Baptisten-Dachverband sprach von Machtkonzentration und Intransparenz, die "mit großer Sorge und Unverständnis" gesehen würden. "Sollte die beschriebene Höhe des Vorstandsgehalts zutreffen, wäre dies aus unserer Sicht inakzeptabel", heißt es in der Stellungnahme.
Karlsruhe (epd). Im Prinzip eckt der Schwerbehinderte aus Lörrach immer wieder an derselben Stelle an: Die Gänge in zahlreichen Arztpraxen sind für seinen speziellen Rollstuhl zu eng. Er kann nicht einfach zu einem Arzt fahren, sondern muss erst herumtelefonieren, welche Praxis "barrierefrei" ist, wie es im Fachjargon heißt.
Diese Situation sei eine klare Ausgrenzung von Menschen mit Behinderungen, sagt Jutta Pagel-Steidel vom Landesverband Baden-Württemberg für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung. Diskriminiert würden nicht nur Menschen mit einer angeborenen Behinderung, sondern auch eine wachsende Zahl älterer Menschen. Aber auch der junge Hobby-Kicker, der sich das Bein bricht und deshalb vorübergehend in seiner Mobilität eingeschränkt ist.
Zwar habe sich Deutschland in der UN-Behindertenrechtskonvention dazu verpflichtet, barrierefreie Arztpraxen zu ermöglichen, sagt Christina Jäger, Sprecherin der Bundesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen. Ein Gesetz gebe es aber bislang nicht. Erschwert wird die Situation für die rund 1,6 Millionen Rollstuhlfahrer und geschätzte drei Millionen Rollator-Nutzer in Deutschland durch ein weiteres Problem: "Es gibt noch keinen gültigen Kriterienkatalog, wann eine Praxis als barrierefrei gilt", sagt Cornelia Jurrmann, Sprecherin des Sozialverbands VdK Deutschland. Nach allgemeinem Verständnis gehören dazu etwa ein rollstuhlgerechter Eingang und Toiletten, Behindertenparkplätze und auch Orientierungshilfen für Menschen, die schlecht sehen.
Demzufolge sieht die Wirklichkeit aus wie ein Flickenteppich: Glücklich schätzen können sich die Menschen in den großen Städten. In München, Hamburg und Düsseldorf haben Personen mit Behinderung die Möglichkeit mehr als 26 barrierefreie Arztpraxen in 20 Kilometern Umgebung aufzusuchen. In den ländlichen Regionen Westdeutschlands gibt es teilweise nur eine Handvoll barrierefreier Praxen in 20 Kilometern Umgebung, aber richtig bitter stellt sich die Situation in Ostdeutschland dar: Ganze Landkreise in Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern weisen keine einzige barrierefreie Arztpraxis auf.
In Zahlen stellt sich die Situation nach Angaben der Stiftung Gesundheit folgendermaßen dar: Von den rund 182.000 Arztpraxen in Deutschland haben 9.300 einen barrierefreien Zugang und 12.400 weisen Behindertenparkplätze aus. In 4.500 gibt es Orientierungshilfen für Sehbehinderte und lediglich 375 bieten Gebärdensprache an.
Die Gründe dafür sind laut Stefan Pfeil vom Sozialverband VdK Baden-Württemberg vielfältig. "Wir fordern, dass alle Arztpraxen barrierefrei sind", sagt er. Aber es sei natürlich klar, dass man nicht in alle Häuser einfach einen Fahrstuhl einbauen kann. "Sei es Denkmalschutz, statische Probleme oder ungeklärte Eigentumsrechte - bei bereits stehenden Bauten stößt man schnell an Grenzen." Der VdK Deutschland fordert daher vom Bund, 80 Millionen Euro für den barrierefreien Umbau zur Verfügung zu stellen.
Anders sieht es - jedenfalls theoretisch - bei Neubauten aus: Die Bauordnung schreibt zwar bei öffentlich zugänglichen Neubauten sowie Neubauten mit Kundenverkehr Barrierefreiheit vor. Diese rechtliche Vorschrift sei in der Praxis jedoch nur ein bedingt wirksames Instrument, heißt es vom VdK. Denn: "Die Bauordnung kann leicht ausgehebelt werden." Werde etwa ein Gebäude als Bürokomplex geplant, ziehe aber am Ende eine Arztpraxis ein, könne dies dem Mieter nicht angelastet werden.
Die Situation könne sich nur verbessern, wenn es finanzielle Unterstützung gibt, sagt die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV). So fordern die niedergelassenen Ärzte ein Förderprogramm für den barrierearmen Umbau bestehender Praxen. "Dies ist auch im 2016 entstandenen Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung zur UN-Behindertenrechtskonvention vorgesehen, wird bisher allerdings nicht umgesetzt", erklärt KBV-Sprecher Roland Stahl.
Um die Situation zu verbessern, müsste laut KBV auch die Vergütungsordnung für ärztliche Leistungen angepasst werden. Denn bisher werde nicht berücksichtigt, dass es Ärzte mehr Zeit kostet, einen Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung zu behandeln.
Der junge Rollstuhlfahrer aus Lörrach hat inzwischen einen geeignete Arztpraxis gefunden: Sie ist barrierefrei, und er kann sie daher problemlos aufsuchen.
New York (epd). "Nicht nur die Migranten brauchen Unterstützung, um sich in ihrem Leben in der neuen Heimat zu Recht zu finden. Auch Nachbarn, Arbeitgeber, Arbeitskollegen müssen angesprochen werden, um Verständnis für die Situation der Einwanderer aufzubringen und eventuelle Vorurteile abzubauen", sagt Seit März 2017 ist Rawaa Nancy Albilal Präsidentin und CEO des Arab American Family Support Center in New York City. Die Hilfsorganisation unterstützt seit 1993 zugewanderte arabische Familien, im Großraum New York heimisch zu werden.
Das AAFSC wurde gegründet, um besser auf die besonderen Bedürfnisse der arabischstämmigen Einwanderer einzugehen. Wir helfen ihnen dabei, sich schnell in den USA einzuleben, die fremde Sprache zu lernen, eine Wohnung und einen Job zu finden, eine Ausbildung zu machen und Kontakte zu anderen Einwanderern zu knüpfen." Rund 6.000 Familien und Einzelpersonen nehmen nach den Angaben jedes Jahr das Angebot des Centers wahr.
Arabisch sei die vierte Hauptsprache in New York City. Die Menschen kämen aus sehr unterschiedlichen Regionen der Welt: aus dem Nahen Osten, aus Afrika und aus Asien. "Es gehört zur US-amerikanischen Kultur, Einwanderer willkommen zu heißen und sie zu unterstützen", betont Albilal ihre Haltung, die sich so deutlich von der des US-Präsidenten Donald Trump unterscheidet, der Muslime am liebsten von den USA fernhalten will. Dabei brauchten Einwanderer nur am Anfang Unterstützung, denn sie wollten schnell unabhängig sein. "Es ist sinnvoll, sie bei allen Integrationsplanungen miteinzubeziehen. So erfährt man am besten, was Einwanderer am dringendsten brauchen."
Das AAFSC will vor allem Familien stärken. "Unsere Programme richten sich an Kinder und Jugendliche, an Eltern und Großeltern. Alle sind mit ihren Fragen bei uns willkommen. Sollte das AAFSC einen Dienst nicht leisten können, empfehlen wir andere Organisationen, mit denen wir zusammenarbeiten", sagt Albilal.
Seit der Gründung von AAFSC haben Zehntausende arabische Migranten an den Programmen teilgenommen. Besonders erfolgreich sind die Vorbereitungskurse für die Einbürgerungsprüfung: "Unsere Erfolgsrate liegt bei 100 Prozent. Das heißt, niemand, den wir betreut haben, ist bei der Prüfung durchgefallen, alle wurden amerikanische Staatsbürger."
Das AAFSC bietet seine Dienste an sechs Orten in und um New York City an. Die 48 Vollzeit- und zwölf Teilzeitangestellten werden unterstützt von Freiwilligen. "Die Freiwilligen sind das Rückgrat unserer Organisation und ergänzen die Arbeit der hauptamtlichen Mitarbeitenden. Freiwillige sind zum Beispiel Menschen, die wir einmal unterstützt haben und die nun der Gesellschaft etwas zurückgeben wollen. Oder es sind interessierte Menschen, die sich nach Feierabend oder am Wochenende engagieren wollen." Einige seien Ruheständler, andere Studenten. "Wir arbeiten auch mit Freiwilligenagenturen zusammen, zum Beispiel mit New York Cares", sagt Albilal.
Vor 40 Jahren war der Start in das neue Leben in den USA für Rawaa Nancy Albilal und ihre Familie sehr schwierig. "Außer an den Sprachproblemen litt mein Vater vor allem an seiner beruflichen Schlechterstellung. Im Libanon war er Regierungsangestellter, in den USA arbeitete er in einer Fabrik. Ganz am Anfang mussten wir sogar eine Weile von Sozialhilfe leben."
Heute ist Albilal stolz darauf, "dass wir alle Schwierigkeiten überwunden haben. Uns wurden so viele Hände gereicht, viele Menschen haben uns geholfen. Wir haben den Übergang in ein neues Land geschafft, von dem wir nichts wussten, als wir hier ankamen." Hätte es das AAFSC allerdings damals schon gegeben, wäre Albilal und ihrer Familie das Einleben leichter gefallen, glaubt sie.
Albilal rät den Europäern, Flüchtlinge nicht als Last, sondern als Bereicherung zu sehen. "Letzten Endes werden sie auf eigenen Füßen stehen, gute Bürger werden und der Gesellschaft ein Mehrfaches zurückzahlen. Das haben wir in den USA gesehen, im Silicon Valley zum Beispiel, wo sehr viele arabischstämmige Menschen leben: Als Techniker, Computerprogrammierer, Softwareentwickler haben sie unser Land reich gemacht."
Bremen (epd). Die Entlassung eines konfessionslosen Mitarbeiters aus einer diakonischen Einrichtung sorgt für Diskussionen in Bremen. Der Rentner Gerd-Rolf Rosenberger (66) betreute seit einem halben Jahr über einen befristeten Minijob als Altenpfleger einen jungen Autisten. Doch nun wurde er von der evangelischen Stiftung Friedehorst entlassen. Zur Begründung hieß es, Mitarbeitende in kirchlichen Einrichtungen müssten Mitglied einer christlichen Kirche sein.
Der kaufmännische Vorstand der Stiftung, Onno Hagenah, sieht keinen Spielraum: "Wir haben Herrn Rosenberger bei der Einstellung mitgeteilt, dass wir von unseren Mitarbeitenden die Kirchenmitgliedschaft erwarten. Das hat er nicht eingehalten", sagte Hagenah am 19. Juli dem Evangelischen Pressedienst (epd). Doch trotz mehrfacher Aufforderung konnte Rosenberger seinem Arbeitgeber keine Mitgliedsbescheinigung vorlegen: "Ich bin 1972 aus der Kirche ausgetreten und will auch nicht wieder eintreten", sagte er dem epd.
Rosenberger macht geltend, dass für Ärzte Ausnahmen von der Mitgliedschaftsregel möglich seien. In den jüngsten Stellenausschreibungen für Oberärzte sei lediglich von einer "Identifikation mit unserer diakonischen Ausrichtung" die Rede. Außerdem gebe es bereits Mitarbeitende, die seit langem konfessionslos seien. "Warum ist dann für mich keine Ausnahme möglich", sagte Rosenberger.
Hagenah bestätigte den Text der Stellenanzeigen. Jedoch suche die Stiftung bereits seit zwei Jahren nach geeigneten Oberärzten. Der Fachkräftemangel habe "Friedehorst" gezwungen, die strengen Richtlinien für diese Stellen zu entschärfen. Die konfessionslosen Mitarbeitenden stammten aus der früheren DDR und seien zu einer Zeit eingestellt worden, als die Verantwortlichen nicht so genau hingeschaut hätten. "Wir können diese langjährigen Mitarbeitenden nicht für die Fehler der Geschäftsführung in der Vergangenheit büßen lassen", sagte Hagenah.
Ein ähnlicher Fall liegt dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg (EuGH) vor. Der EuGH überprüft die Praxis kirchlicher Arbeitgeber, Stellen nur für christliche Bewerber auszuschreiben. Ein Urteil wird im kommenden Frühjahr erwartet.
Die Stiftung Friedehorst ist mit 1.400 Beschäftigten das größte evangelische Unternehmen im Bundesland Bremen. Die Mitarbeiter sorgen in Pflege, Betreuung, Rehabilitation und bei der beruflichen Neuorientierung für etwa 2.500 Menschen.
Freiburg, Stuttgart (epd). Die Caritas in Baden-Württemberg spricht sich für mehr Flexibilität bei der Pflege im Alter aus. Dafür müsse die starre Einteilung der Pflege in "ambulant", "teilstationär" und "stationär" wegfallen, teilten die katholischen Wohlfahrtsverbände am 13. Juli in Freiburg und Stuttgart mit. Damit die Kosten für die Pflegebedürftigen vertretbar seien, sollte die Pflegeversicherung als Teilkaskoversicherung ausgestaltet werden. Versicherte müssten dann unabhängig vom tatsächlichen Pflegeaufwand einen festen Tagesbeitrag als Eigenanteil übernehmen.
"Flexibel und individuell zugeschnitten" könnten professionelle Pflege, die Versorgung in der Familie und auch ehrenamtliche Begleitung zusammenspielen. Nach Ansicht der Caritas Baden-Württemberg sollte es auch möglich sein, dass ältere Menschen die Leistung der Betreuung frei wählen können.
"Diese Flexibilität ist eine grundlegende Voraussetzung, damit beispielsweise der Übergang von der Häuslichkeit in eine betreute Pflege gelingen kann", sagten die Vorstände Annette Holuscha-Uhlenbrock und Mathea Schneider. Aus Sicht des katholischen Wohlfahrtsverbandes muss hierfür die starre Einteilung der Pflege in "ambulant", "teilstationär" und "stationär" fallen. "Diese Unterteilung verhindert, dass die älteren Menschen einen individuellen Zuschnitt an Pflege erhalten können", betonten die Vorstände. Vielmehr müssten Prävention, Kurzzeitpflege sowie weitere Betreuungs- und Beratungsangebote ausgebaut werden, hieß es.
Bielefeld (epd). Wissenschaftler aus Bielefeld, den Niederlanden, Großbritannien und der Türkei forschen zurzeit an Sprachlernrobotern für Kinder im Vorschulalter. "Wir nehmen an, dass es hilfreich sein kann, dass Roboter in Kitas einen strukturierten Sprachunterricht geben, der sich ständig an die Lernfortschritte der einzelnen Kinder anpasst", sagte der Informatikprofessor Stefan Kopp am 13. Juli in Bielefeld. Er leitet an der Universität Bielefeld die Forschungsgruppe "Kognitive Systeme und soziale Interaktion" und ist für das deutsche Teilprojekt zur Förderung des Zweitspracherwerbs mit Robotern verantwortlich.
"Der Roboter soll mit dieser Fähigkeit den Kindergartenalltag bereichern", betonte Kopp. Er solle auf keinen Fall eine neue Bezugsperson werden. Bei dem Sprachtraining sei zudem anfangs immer ein Erzieher oder eine Erzieherin dabei, erklärte er. "Unsere bisherigen Studien zeigen, dass die Kinder die Fragen und Aufträge des Roboters in den meisten Fällen sehr konzentriert aufnehmen", sagte Kopp.
Das Projekt läuft bereits seit 2016. Das deutsche Team kooperiert den Angaben zufolge bereits mit mehreren Kitas in Bielefeld und der näheren Umgebung. Bisher habe das Projekt gezeigt, dass sich etwa Hand- und Armgesten des Roboters positiv auf das Lernen englischer Vokabeln auswirke, hieß es weiter. Die Stimmlage des Roboters spiele wiederum keine Rolle.
Ab Januar 2018 testet den Angaben zufolge das Bielefelder Team mit den Projektpartnern in einer Studie mit etwa 400 Kindern über mehrere Wochen die Funktionsweise des Lernsystems.
Frankfurt a.M. (epd). Mit einem Positionspapier zu den Themen gesellschaftliche Ungleichheit, Bildung, Teilhabe und Wohnen will die Diakonie Hessen Arme und Ausgegrenzte stärker in den Blick nehmen. Die Qualität der Gesellschaft messe sich an der Beteiligung und Mitwirkungsmöglichkeit gerade der Armen und Schwachen, erklärte Diakoniechef Horst Rühl am 13. Juli in Frankfurt am Main zur Veröffentlichung der 16-seitigen Broschüre. "Hier sehen wir in Hessen einen Nachholbedarf."
Neben einer systematischen Politik der Armutsvermeidung und -bekämpfung fordert die Diakonie Hessen etwa ein Landesprogramm für Schulsozialarbeit und einheitliche Standards in der hessischen Kindertagesbetreuung. Daneben setzt sich die Diakonie Hessen für gemeinnützigen, unbürokratisch geschaffenen und bezahlbaren Wohnraum ein.
"Gerade in Ballungszentren muss mehr Wohnraum geschaffen werden, der die Bedürfnisse benachteiligter Menschen berücksichtigt", erklärte Rühl. Für sie müsse der barrierefreie soziale Wohnungsbau belebt und mietrechtlich flankiert werden. Quartierskonzepte zur Vernetzung aller gesellschaftlichen Akteure vor Ort, generationenübergreifende Treffpunkte und Wohngemeinschaften für Menschen mit demenziellen Veränderungen seien Bausteine für ein solches Wohnumfeld. "Wir geben mit unseren Positionen und Forderungen einen Anstoß. Jetzt sind Gesellschaft und Politik gefordert."
Mainz, Frankfurt a.M. (epd). Die Diakonischen Werke in Hessen und Rheinland-Pfalz fordern einen sofortigen Abschiebestopp von Flüchtlingen nach Italien. Die im Rahmen der sogenannten Dublin-III-Verordnung zurückgeschickten Schutzsuchenden berichteten, "dass sie dort in überfüllten Lagern oder auf der Straße leben mussten, auch Frauen und Familien mit Kindern sind von Obdachlosigkeit und Verelendung betroffen", erklärte der Sprecher der Diakonie-Arbeitsgemeinschaft in Rheinland-Pfalz, Albrecht Bähr, am 17. Juli in Mainz.
Laut Dublin-III-Verordnung, die im Sommer 2013 Dublin-II abgelöst hat, ist in der Regel jener EU-Mitgliedstaat für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist, in dem die geflüchteten Menschen erstmals registriert wurden. Da die meisten Schutzsuchenden im Süden des Kontinents ankommen, sind überwiegend die Länder Griechenland und Italien für das Asylverfahren verantwortlich.
Bähr und der hessische Diakoniechef Horst Rühl reagierten mit ihrer Forderung auf die Ankündigung des Auswärtigen Amtes, künftig monatlich 750 Asylbewerber von Italien in Deutschland aufzunehmen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) habe Italien allein im ersten Quartal 2017 aufgefordert, 6.743 Asylbewerber aus Deutschland zurückzunehmen. "Das ist ein Mehrfaches der Zahl, die nun aus Italien aufgenommen werden soll. Damit läuft die von Deutschland zugesagte Unterstützung Italiens weitgehend ins Leere", kritisierte Rühl.
Kassel (epd). Wie das Bundessozialgericht in Kassel in einem am 20. Juli verkündeten Urteil entschied, lässt sich eine Beitragsentlastung aus dem Grundgesetz ebenso wenig ableiten wie ein kompletter Ausgleich aller familiären Lasten. An vielen Stellen sei eine Entlastung bereits gegeben. Die Kläger kündigten an, Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht einzulegen. Dort sind bereits ähnliche Verfahren anhängig.
Im vom Bundessozialgericht entschiedenen Leitfall wollten die klagenden Eltern ihre Erziehungszeiten für ihre drei Kinder mehr berücksichtigt wissen, indem sie nur noch die Hälfte der Sozialbeiträge zahlen. Hilfsweise wollen sie einen Betrag in Höhe von 833 Euro pro Monat und Kind von den zu entrichtenden Sozialbeiträgen abziehen. Der Vater, der als Gemeindereferent beim Erzbistum Freiburg beschäftigt ist, und seine in einem katholischen Krankenhaus tätige Ehefrau gaben an, dass sie als Familie in dem derzeitigen Sozialversicherungssystem gegenüber Kinderlosen stark benachteiligt würden.
Die Erziehung und Betreuung der Kinder führe letztlich zu Brüchen in der Erwerbsbiografie. Man müsse bei seiner Erwerbstätigkeit wegen der Erziehung zurückstecken, was wiederum zu geringeren Renten führe. Das Rentensystem sei so angelegt, dass die gezahlten Beiträge zählten. Dabei hätten sie auch einen "generativen Beitrag" geleistet, indem sie Kinder in die Welt gesetzt haben.
Anwalt Ernst Jürgen Borchert sagte, von dem Beitragssystem würden kinderlose, reiche und alte Versicherte profitieren: "Durchschnittsverdiener mit zwei oder mehr Kindern liegen unter dem Existenzminimum."
Doch das Bundessozialgericht urteilte, dass die Eltern keinen Anspruch auf Familienentlastung haben, indem sie geringere Sozialbeiträge zahlen. "Nicht jede Belastung von Familien muss vermieden werden", sagte Gerichtspräsident Rainer Schlegel.
Allerdings würden Eltern neben einen monetären auch einen generativen Beitrag leisten, indem sie Kinder und damit künftige Beitragszahler in die Welt setzen. "Versicherte mit Kindern leisten mehr als Kinderlose", betonte Schlegel in der Urteilsbegründung. Sie trügen zur Stabilisierung des Sozialversicherungssystems bei. Wie Familien entlastet werden, sei aber immer noch Sache des Gesetzgebers. Dieser habe einen weiten Gestaltungsspielraum.
So würden Eltern - anders als Kinderlose - bereits ausreichend vom Familienleistungsausgleich profitieren. Dieser umfasse beispielsweise das Eltern- und Kindergeld oder Steuerfreibeträge für den geleisteten Erziehungsaufwand. Einen Anspruch auf direkte Reduzierung der Sozialversicherungsbeiträge gebe es nicht. Der Senat bekräftigte damit zwei frühere Entscheidungen des BSG vom 30. September 2015, in der eine Entlastung von Eltern in Form geringerer Sozialbeiträge ebenfalls abgelehnt worden war.
Az.: B 12 KR 13/15 R und B 12 KR 14/15 R
Karlsruhe (epd). Die Gefängnisverwaltung darf bei Häftlingen, die mehrere Hundert Kilometer von ihrer Familie entfernt in einem Gefängnis untergebracht sind, einen Haftverlegungsantrag nicht einfach zurückweisen. Sowohl die Resozialisierung des Gefangenen als auch der im Grundgesetz verankerte Schutz der Familie müssten bei einer Verlegung in eine wohnortnahe Justizvollzugsanstalt berücksichtigt werden, forderte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am 13. Juli veröffentlichten Beschluss.
Die Verfassungsrichter hielten damit die Beschwerde eines inhaftierten irakischen Gefangenen für "offensichtlich begründet". Der Mann war in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Landsberg am Lech in Haft. Seine Ehefrau und die beiden gemeinsamen Kinder lebten in einer über 600 Kilometer entfernten Erstaufnahmeeinrichtung in Bochum.
Der Gefangene stellte einen Antrag auf Haftverlegung nach Bochum. Seine Partnerschaft leide unter der Entfernung. Es gebe Eheprobleme und zudem könne er auch nicht seine Kinder sehen und nicht bei der Erziehung helfen.
Die JVA lehnte die Verlegung ab. Besuchsschwierigkeiten seien noch kein Grund für eine Haftverlegung. Außerdem sei er zweimal nach Bochum für kurze Zeit überstellt worden, damit er seine Kinder sehen könne.
Doch für das Resozialisierungsziel haben die familiären Beziehungen des Gefangenen wesentliche Bedeutung, betonte das Bundesverfassungsgericht. Dies dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, zumal in diesem Fall die Familie über 600 Kilometer weit entfernt wohne. Der Staat habe die Pflicht, Ehe und Familie zu schützen.
Zwar habe ein Gefangener keinen generellen Anspruch auf Haftverlegung. Werde diese aber verneint, müsse die JVA schon genau begründen, warum das Grundrecht auf Schutz der Familie eingeschränkt und das Resozialisierungsziel nicht verfolgt wird. Die nur kurzzeitigen gelegentlichen Überstellungen des Gefangenen nach Bochum würden dem Interesse "an einer kontinuierlichen Pflege seiner familiären Beziehungen nicht gerecht", so das Bundesverfassungsgericht.
Az.: 2 BvR 345/17
Stuttgart (epd). Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat Regelungen zum gesetzlichen Unfallschutz geklärt. Arbeitnehmer, die während ihrer Arbeitszeit das Büro verlassen und ohne dienstlichen Grund nach draußen gehen, stehen nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Dies hat das LSG in Stuttgart in einem am 14. Juli veröffentlichten Urteil entschieden.
Im konkreten Fall ging es um eine bei einer Volkshochschule angestellte Verwaltungsmitarbeiterin. Sie ging während der Arbeitszeit "mal Luft schnappen" und wollte außerdem wegen eines nahenden Unwetters nach ihrem Fahrrad sehen. Sie ging durch den Seiteneingang aus dem Gebäude zum Parkplatz. Als ein Windstoß die Gebäudetüre zufallen ließ, kam die Frau nicht mehr hinein. Beim Versuch, den Parkplatzzaun zu überklettern, verletzte sie sich am rechten Ringfinger. Das Endglied des Fingers musste amputiert werden. Den Unfall wollte sie als Arbeitsunfall anerkannt haben. Doch die zuständige Berufsgenossenschaft lehnte dies ab.
Zu Recht, wie das LSG urteilte. Für einen Arbeitsunfall müsse ein Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit bestehen. Der Versuch, über den Zaun zu klettern, habe aber nicht der beabsichtigten Vorbereitung der Kurse gedient. Es liege auch kein unfallversicherter "Betriebsweg" vor, auch wenn die Frau auf dem Weg zu den Büroräumen war. Denn die Klägerin habe ihre versicherte Tätigkeit wegen einer privaten Tätigkeit "erheblich unterbrochen".
Unfallversicherungsschutz könne zwar im Einzelfall auch bei einer Unterbrechung der versicherten Tätigkeit bestehen, wenn "die Unterbrechung zeitlich und räumlich nur ganz geringfügig ist und einer Verrichtung dient, die ‚im Vorbeigehen‘ und ‚ganz nebenher‘ erledigt wird". Dies war hier aber nicht der Fall, so das LSG. Die Angestellte habe sich über zwei Stockwerke nach draußen von ihrem Arbeitsplatz entfernt. Allein der Weg zum Parkplatz betrage mehrere Minuten. Für die Krankheitskosten muss damit allein die Krankenversicherung aufkommen.
Nach der aktuellen Rechtsprechung sind auch der Besuch der Toilette und das Mittagessen in der Kantine der Privatsphäre der Arbeitnehmer zuzurechnen. Unfälle auf der Toilette oder in der Kantine gelten daher für die gesetzliche Unfallversicherung nicht als Arbeitsunfälle.
Az.: L 3 4821/16
Stuttgart (epd). Jobcenter können verpflichtet werden, die Kosten für eine Räumungsklage zu übernehmen. Im konkreten Rechtsstreit konnte ein Hartz-IV-Bezieher wegen rechtswidrig versagter Leistungen des Jobcenters seine Miete nicht bezahlen. Nun muss die Behörde die Kosten für die vom Vermieter eingelegte Räumungsklage übernehmen. Die Gerichtskosten sind als einmalig anfallender Unterkunftsbedarf zu berücksichtigen, entschied das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg in Stuttgart in einem am 6. Juli bekanntgegebenen Urteil.
Damit bekam ein chronisch psychisch kranker und im Hartz-IV-Bezug stehender Mann recht. Das Jobcenter hatte ihn 2011 aufgefordert, eine Rente wegen Erwerbsminderung zu beantragen. Die Behörde bat die Deutsche Rentenversicherung ebenfalls um Prüfung der Erwerbsfähigkeit und stellte für den Kläger einen Rentenantrag. Daraufhin wurde das Rentenverfahren eingeleitet.
Ab Februar 2013 strich das Jobcenter sämtliche Hartz-IV-Leistungen. Begründung: Der Mann habe seine Antragsformulare im Rentenverfahren nicht abgegeben und damit gegen seine Mitwirkungspflicht verletzt. Der Mann konnte daraufhin seine Miete nicht mehr bezahlen. Erst als er die Antragsformulare im Juni 2013 der Rentenversicherung übersandt hatte, zahlte das Jobcenter wieder Hartz-IV-Leistungen.
Doch währenddessen hatte der Vermieter wegen der Mietrückstände Räumungsklage eingelegt, diese nach Bezahlung der Mietschulden aber wieder zurückgezogen. Die bis dahin angefallenen Gerichtskosten in Höhe von 857,68 Euro wurden dem Hartz-IV-Bezieher in Rechnung gestellt.
Das LSG urteilte, dass das Jobcenter hierfür aufkommen muss. Denn dieses hätte die Hartz-IV-Leistungen nicht streichen dürfen. So sei gar nicht ersichtlich, warum die Antragsformulare an die Deutsche Rentenversicherung zur Klärung der Erwerbsfähigkeit überhaupt notwendig waren. Für die gutachterliche Stellungnahme würden gar keine Antragsformulare benötigt.
Das Jobcenter habe auch nicht geprüft, ob der Kläger wegen seiner psychischen Erkrankung überhaupt zur Abgabe der Anträge in der Lage war. Auch sei nicht geklärt, wieso die Behörde sofort sämtliche Leistungen gestrichen hatte. Der Kläger habe schließlich Anspruch auf Sicherung seines Existenzminimums.
Das Verschulden des Jobcenters habe letztlich dazu geführt, dass die Mietrückstände aufgelaufen sind. Daher müsse die Behörde auch für deshalb angefallene Kosten - hier für die Räumungsklage - aufkommen.
Die Revision zum Bundessozialgericht in Kassel wurde zugelassen.
Az.: L 9 AS 1742/14
Stuttgart (epd). Asylbewerber, die bei ihrer Einreise nach Deutschland falsche Angaben über ihre Identität machen, sollen keine Leistungen auf Hartz-IV-Niveau beziehen dürfen. Wie das Landessozialgericht Baden-Württemberg am 17. Juli urteilte, bleiben ihnen die über das Existenzminimum hinausgehenden Grundsicherungsleistungen auf Sozialhilfeniveau auch dann verwehrt, wenn sie ihre falschen Angaben später berichtigen. Eine Aufstockung ist normalerweise nach 15 Monaten Aufenthalt möglich. Ausschlaggebend sei, ob die Personen den längeren Aufenthalt durch Falschangaben selbst verursacht haben.
Im verhandelten Fall beantragte ein seit 2002 in Deutschland lebendes Ehepaar aus dem Libanon vom Land Baden-Württemberg für sich und seine drei Kinder die sogenannten Analogleistungen. Diese heben nach einem Aufenthalt von derzeit 15 Monaten die Asylbewerber-Grundleistungen auf Sozialhilfeniveau an.
Die Familie hatte sich bei der Einreise als irakische Staatsangehörige ohne Pässe ausgegeben. Im März 2003 wurden ihre Asylanträge abgelehnt. Die Familie reiste dann jedoch nicht aus, sondern legte später der Ausländerbehörde Auszüge des libanesischen Familienregisters und libanesische Pässe aus dem Jahr 2002 vor. Seit 2013 hat die Familie eine Duldung und inzwischen Heimreisedokumente in den Libanon beantragt.
Das Sozialgericht Mannheim hatte der Familie zunächst mehr Geld zugesprochen, weil ein sogenanntes "rechtsmissbräuchliches Verhalten" in der Vergangenheit den Zugang zu den höheren Leistungen "nicht auf immer und ewig" ausschließe. Das Land ging dagegen in Berufung und bekam nun Recht.
Az.: L 7 AY 2217/13
Luxemburg (epd). Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat am 18. Juli über die Praxis kirchlicher Arbeitgeber verhandelt, Stellen nur für christliche Bewerber auszuschreiben. Dabei ging es um den Fall einer konfessionslosen Frau, die sich erfolglos beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung in Berlin beworben hatte. In der Stellenausschreibung hieß es, dass die Mitgliedschaft in einer evangelischen oder der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) angehörenden Kirche vorausgesetzt werde.
In der mündlichen Verhandlung traten Vertreter der beiden Parteien sowie der Bundesregierung und der EU-Kommission auf. Generalanwalt Evgeni Tanchev kündigte seine Schlussanträge für den 9. November an. Dabei handelt es sich um ein Gutachten, dem die Richter oft folgen. Das Urteil des EuGH wird dann wiederum einige Monate später verkündet. In dessen Rahmen muss schließlich die deutsche Justiz den Fall konkret entscheiden.
Bei der Diakonie-Stelle handelte es sich um eine befristete Tätigkeit. Sie umfasste die Untersuchung, inwieweit Deutschland die UN-Antirassismuskonvention umsetzt. Die konfessionslose Frau wurde nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Sie klagte und forderte eine Entschädigung von mindestens 9.788,65 Euro. Sie sei nicht ausgewählt worden, weil sie keiner Kirche angehöre. Das stelle eine Diskriminierung aus religiösen Gründen dar, argumentierte sie.
Das Arbeitsgericht Berlin gab noch der Frau Recht, das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg dagegen der Diakonie. Es sei nicht zu beanstanden, dass das evangelische Werk "für die ausgeschriebene Referententätigkeit eine Identifikation mit ihm fordert, die nach außen durch die Kirchenmitgliedschaft dokumentiert wird". Schließlich landete der Fall vor dem Bundesarbeitsgericht in Erfurt, der ihn an den EuGH überwies.
Denn einschlägig für den Fall ist die Auslegung eines EU-Gesetzes, der EU-Richtlinie zur Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (2000/78/EG). Sie verbietet Diskriminierung aufgrund des Alters, der sexuellen Orientierung und wegen der Religion oder Weltanschauung. Allerdings erlaubt das Gesetz eine "Ungleichbehandlung wegen der Religion oder Weltanschauung", wenn dies "angesichts des Ethos der Organisation" beruflich erforderlich sei. Ins deutsche Recht umgesetzt wurde das EU-Gesetz durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG).
Az.: C-414/16
Frankfurt a.M. (epd). Allendörfer ist langjähriger Geschäftsführer des Agaplesion Evangelisches Krankenhaus Mittelhessen in Gießen, das seit 2008 zum Konzern gehört, und tritt sein neues Amt in der Konzernzentrale in Frankfurt am Main an. Sein Nachfolger wird Sebastian Polag, der zurzeit die Abteilung Kaufmännisches Controlling des Gesundheitsunternehmens leitet.
Allendörfer ist Diplom-Betriebswirt und studierte in Gießen. "Wir freuen uns, mit Herrn Allendörfer wieder einen kompetenten und versierten Leiter für das Team Budget- und Patientenmanagement gefunden zu haben“, erklärte Jörg Marx, Vorstand der Agaplesion gAG: "Solche Entwicklungsperspektiven können nur in einem großen Unternehmensverbund gegeben werden."
Sebastian Polag (39) ist bereits seit 2003 beim Sozialkonzern. Er studierte Wirtschaftswissenschaften in Frankfurt am Main und Boston sowie an der International Business School (IBS). Nun freut sich Polag auf die neue Aufgabe in Gießen: "Mit der baulichen Erweiterung des Krankenhauses, dem Ärztehaus und dem Hospiz ist es ein wichtiges Gesundheitszentrum in der Region."
Der Agaplesion-Konzern wurde 2002 von christlichen Unternehmen gegründet, um vorwiegend christliche Gesundheitseinrichtungen im Wettbewerb zu stärken. Zu ihm gehören bundesweit mehr als 100 Einrichtungen, darunter 25 Krankenhäuser.
Volker Krüger, Geschäftsführer des Marien-Krankenhauses in Lübeck, ist neuer Caritasdirektor für Schleswig-Holstein. Er hat sein Amt am 15. Juli angetreten. Krüger ist Diplom-Kaufmann und als Geschäftsführer der Klinik seit Januar 2016 tätig. Er ist Nachfolger von Harald Strotmann, der den Caritasverband seit April dieses Jahres kommissarisch leitet. Zuvor hatte Angelika Berger die Organisation Ende März auf eigenen Wunsch verlassen, um sich beruflich neu zu orientieren. In den Diensten und Einrichtungen der Caritas arbeiten landesweit rund 350 hauptamtliche Mitarbeiter. Mehr als 900 Ehrenamtliche engagieren sich unter anderem bei Besuchsdiensten, in der Hospizbewegung, bei Tafeln und Mittagstischen oder für Menschen in besonderen Notlagen.
Friedhelm Hengsbach ist am 15. Juli 80 Jahre alt geworden. Der frühere Leiter des Oswald von Nell-Breuning-Instituts für Wirtschafts- und Gesellschaftsethik gilt unter seinen Anhängern als wichtigste Stimme der christlichen Sozialethik der vergangenen drei Jahrzehnte. Hengsbach studierte Philosophie, Katholische Theologie und Volkswirtschaft. Der gebürtige Dortmunder war von 1985 bis 2005 Professor an der philosophisch-theologischen Hochschule St. Georgen in Frankfurt am Main. 1990 gründete er dort das Oswald von Nell-Breuning-Institut, dessen erster Leiter er bis 2006 war. Hengsbachs erhielt für sein wissenschaftliches und publizistisches Wirken mehrere Preise.
Helmut Rosemann, langjähriger Leiter der früheren Fachschule für Sozialpädagogik in Bielefeld-Bethel, ist tot. Der Diakon starb am 15. Juli im Alter von 87 Jahren. Rosemann leitete von 1972 bis 1978 die Fachschule für Sozialpädagogik. Im Jahr 1978 wurde die Fachschule in die Betheler Kollegschule integriert, die von Rosemann mitbegründet worden war. Den dortigen Bereich Sozialpädagogik leitete der Diakon und Studiendirektor bis zu seinem Ruhestand im Jahr 1992. Rosemann gehörte zur Diakonischen Gemeinschaft Nazareth in Bethel. Er habe sich vielfältig in Fragen der Erzieherausbildung und der evangelischen Sozialpädagogik auch über Bethel hinaus in Fachverbänden und in einer Kultusminister-Kommission engagiert, erklärte Bethel in einer Pressemitteilung.
Kerrin Stumpf, Geschäftsführerin des Elternvereins Leben mit Behinderung Hamburg, und Ralph Raule, Vorsitzender der Gehörlosenvereinigung Hamburg, sind als Doppelspitze zu Vorsitzenden der Landesarbeitsgemeinschaft für behinderte Menschen in Hamburg (LAG) gewählt worden. Die LAG ist ein Zusammenschluss von über 70 Vereinen und Verbänden der Selbsthilfe und Interessenvertretung von Menschen mit Behinderung und ihren Angehörigen, die sich für Inklusion, Barrierefreiheit und Gleichberechtigung einsetzt.
Constantin Klein ist von der Ludwig-Maximilians-Universität München auf die Stiftungsprofessur für Spiritual Care an der Klinik und Poliklinik für Palliativmedizin des Universitätsklinikums Großhadern berufen worden. Die Erzdiözese München und Freising stellt die Mittel für die Stiftungsprofessur für die kommenden fünf Jahre zur Verfügung. "Mit unserem Engagement wollen wir einen Beitrag leisten in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Begriff der Spiritualität und der Bedeutung, die Glaube und Religion in der persönlichen Verarbeitung von lebensbedrohlichen Diagnosen und besonders im Sterben haben", erklärte das Erzbischöfliche Ordinariat zur der Berufung des Religionspsychologen.
Verena Schröter (65) ist beim großen Gottesdienst der Wichern-Schule in der Hauptkirche St. Michaelis in Hamburg in den Ruhestand verabschiedet worden. Sie leitete die evangelische Wichern-Schule des Rauhen Hauses und deren Gymnasium seit zehn Jahren, seit 34 Jahren unterrichtete sie an der Schule. Nach den Sommerferien tritt Christoph Pallmeier (49) sein Amt als Leiter der Wichern-Schule und des Gymnasiums an.
Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen (vdek), ist in ihrem Amt bestätigt worden. Die Wiederwahl Elsners, die seit Juli 2012 im Amt ist, erfolgte einstimmig. Der hauptamtliche Vorstand des vdek wird durch die ehrenamtlichen Vertreter von Versicherten und Arbeitgeber bestimmt. Die Juristin kündigte an, sich in ihrer nächsten Amtszeit unter anderem auf die Digitalisierung im Krankenversicherungswesen zu konzentrieren. Der Verband der Ersatzkassen ist die Interessensvertretung aller sechs Ersatzkassen, die zusammen nahezu 28 Millionen Menschen in Deutschland versichern.
Bernhard Petry wird neuer Leiter der Evangelischen Schulstiftung in Bayern. Der bisherige Leiter der Diakonischen Akademie Rummelsberg übernimmt nach den Angaben voraussichtlich gegen Jahresende das Amt von Pfarrer Erwin Meister, der die Schulstiftung seit 2006 leitete. Petry sei eine Persönlichkeit mit großer Integrationskraft und einer starken analytischen Gabe, sagte Michael Bammessel, Präsident der Diakonie in Bayern. "Seine Aufgabe wird sein, die vielfältigen Interessen der evangelischen Schulträger zu bündeln und den evangelischen Schulen im Freistaat eine starke Stimme zu geben." Der 1964 in Neustadt geborene Petry war nach seinem Theologiestudium zunächst Pfarrer in München, ehe er akademische Tätigkeiten übernahm. Petry ist verheiratet und hat zwei erwachsene Töchter.
August
22.8. Hannover:
Fachtag "Altenhilfe"
der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Curacon
Tel.: 0251/92208-0
www.curacon.de/fachtagungen
28.8.-1.9. Berlin:
Fortbildung "Integrierte Schuldnerberatung in Sucht- und Straffälligenhilfe, Sozialberatung und Betreuung"
der Bundesakademie für Kirche und Diakonie
Tel.:030/26309-0
31.8.-1.9. Düsseldorf:
Seminar "Kreative Methoden in der Beratung"
der Paritätischen Akademie NRW
Tel.: 0202/2822-232
www.paritaetische-akademie-nrw.de
September
1.-3.9. Halberstadt:
Workshop "Fundraising und Sponsoring in der aktiven Bürgergesellschaft"
der Konrad-Adenauer-Stiftung
Tel.: 0391/520887-101
www.kas.de
4.9. Berlin:
Seminar "Ambulant betreute Wohngemeinschaften im Quartier - Planung, Errichtung und Betrieb einer alternativen Wohnform im Alter als Bestandteil innovativer Quartierslösungen"
der BFS Service GmbH
Tel.: 0221/97356164
www.bfs-service.de
6.-8.9. Paderborn:
Seminar "Wertigkeit von Menschen als Ideologie - Rassismus, Rechtsextremismus und die Überwindung von Sprachlosigkeit"
der IN VIA Akademie
Tel.: 05251/2908-38
www.invia-akademie.de
11.-12.9. Hannover:
DEKV-Jahrestagung "Reformation verpflichtet! Krankenhaus neu denken"
des Deutschen Evangelischen Krankenhausverbandes
Tel.: 030/801986-0
www.dekv-ev.de
18.-19.9. Berlin:
Seminar "Behindertenhilfe - Aktuelle steuerliche und handelsrechtliche Entwicklungen"
der Solidaris Unternehmensgruppe
Tel.:02203/8997-221
www.solidaris.de
18.-19.9. Freiburg:
Einführungsseminar "Datenschutz in sozialen Einrichtungen"
der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes
Tel.: 0761/200-1700
www.fak-caritas.de
18.-19.9. Frankfurt a.M.:
Fortbildung "Scham - die Wächterin der Würde. Forum Ethik in der Caritas"
der Fortbildungs-Akademie der Caritas
Tel.: 0761/200-1700
www.fak-caritas.de
18.-19.9. Nürnberg:
10. Fachforum Onlineberatung
des Instituts für E-Beratung
Tel.: 0911/58802580
www.e-beratungsinstitut.de
18.-20.9. Würzburg:
Seminar "Arbeit mit jungen Menschen, die unsere Sprache und Kultur nicht kennen - Methoden, Wege, Zugänge"
des Evangelischen Erziehungsverbands
Tel.:0511/390881-0
19.-22.9. Bergisch Gladbach:
Seminar "Burn on statt Burnout -Boxenstopp"
der Fortbildungs-Akademie der Caritas
Tel.: 0761/200-1700
www.fak-caritas.de
21.-22.9. Bad Boll:
Fortbildung "Mitwirkung und Beteiligung im Wohnheim und in Wohngruppen"
der Evangelischen Akademie Bad Boll
Tel.: 07164/79-211
www.ev-akademie-boll.de
21.-22.9. Freiburg:
4. Caritas-Stiftersymposium
der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes
Tel.: 0761/200-1700
www.fak-caritas.de
26.-27.9. Kassel:
Fachtagung "Management in der Suchttherapie"
des Bundesverbandes für stationäre Suchthilfe
Tel.: 0561/779351
www.suchthilfe.de
28.9. Stuttgart:
Fachtag Ethik "Wenn Vielfalt zur Herausforderung wird"
des Diakonischen Werks Württembergs
Tel.: 0711/1656-340
www.diakonie-wuerttemberg.de
Oktober
5.-6.10. Darmstadt:
Fachtagung "Innovation und Legitimation in der aktuellen Migrationspolitik - ein Dialog zwischen Politikwissenschaft, politischer Praxis und Sozialer Arbeit"
der Schader-Stiftung
Tel.: 06151/1759-0
www.schader-stiftung.de/migrationspolitik
12.10. Freiburg:
Seminar "Behindertenhilfe - Aktuelle steuerliche und handelsrechtliche Entwicklungen"
der Solidaris Unternehmensgruppe
Tel.:02203/8997-221
www.solidaris.de