Ausgabe 29/2017 - 21.07.2017
Berlin (epd). Der Mindestlohn in der Pflegebranche steigt Anfang 2018 auf 10,55 Euro pro Stunde im Westen und 10,05 Euro im Osten Deutschlands. Das Kabinett in Berlin beschloss am 19. Juli eine Verordnung des Bundesarbeitsministeriums, die bis 2020 noch zwei weitere Erhöhungen vorsieht. Der Mindestlohn gilt für rund 900.000 Beschäftigte in der Pflegebranche. Sozialverbände und die Linke finden den neuen Mindestlohn zu niedrig.
Anfang 2019 wird die Lohnuntergrenze im Westen auf 11,05 Euro angehoben, im Osten auf 10,55 Euro. 2020 steigt der Mindestlohn dann jeweils um weitere 30 Cent pro Stunde. Heute beträgt er 10,20 Euro pro Stunde im Westen und 9,50 Euro im Osten der Republik.
Im Unterschied zu anderen Branchen wird der Mindestlohn für die Pflege nicht von den Tarifpartnern ausgehandelt, sondern von einer Kommission, die paritätisch mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern der öffentlich-rechtlichen, privaten und kirchlichen Pflegeeinrichtungen besetzt ist. Das eigenständige kirchliche Arbeitsrecht hatten diesen Sonderweg erforderlich gemacht. Die Kommission hatte sich im April auf die Mindestlohn-Erhöhungen verständigt. Ihre Empfehlung wird per Verordnung vom Arbeitsministerium umgesetzt und vom Kabinett bestätigt.
Kritik an der Neuregelung kam von der Arbeiterwohlfahrt. "Der neue Mindestlohn liegt genau wie der gescheiterte Mindestlohn für Fachkräfte deutlich unter den üblicherweise gezahlten Tariflöhnen", erklärte der AWO-Bundesvorsitzende Wolfgang Stadler. "Auch wenn er für einige Pflegehilfskräfte tatsächlich am Ende des Monats mehr Geld bedeutet, ändert sich für die meisten Pflegekräfte wenig." Um deren Situation und die Attraktivität des Berufes insgesamt zu verbessern, brauche es einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag Soziales. "Soziale Arbeit schaffe die Basis für eine funktionierende Gesellschaft. Das muss sich auch in den Löhnen widerspiegeln", forderte Stadler.
Ähnlich äußerte sich Linken-Chef Bernd Riexinger, der die Erhöhung als "mickrig" bezeichnete und kritisierte, dass beim Mindestlohn auch 27 Jahre nach der deutschen Einheit trotz gleicher Arbeit weiterhin nach Ost und West unterschieden werde. "Die Pflegearbeit von Menschen in Ostdeutschland ist immer noch weniger wert, 50 Cent pro Stunde im Jahr 2020 - das ist eine Frechheit", sagte Riexinger.
Von Arbeitgeberseite gab es dagegen positive Reaktionen. "Das ist eine gute Nachricht für die vom Mindestlohn betroffenen Pflegekräfte", betonte der Arbeitgeberpräsident des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste, Rainer Brüderle. Der ehemalige Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion ist Mitglied der Pflegemindestlohnkommission. Allerdings vermisst Brüderle einen Plan des Bundesarbeitsministeriums, "wie es die die Benachteiligung von professionellen Pflegediensten und Pflegeheimen gegenüber dem 'grauen Markt' abbauen will." Damit ist die Pflege gemeint, die im Privaten oftmals von ausländischen Kräften an der Grenze zum Illegalen übernommen wird. Neben Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz wird dabei in der Regel der Mindestlohn deutlich unterschritten.
Der Mindestlohn in der Pflege war 2010 eingeführt worden und betrug anfänglich 8,50 Euro im Westen und 7,50 Euro pro Stunde im Osten Deutschlands. Er sichert eine Lohnuntergrenze vor allem für Pflegehilfskräfte ab. Zum Vergleich: Der gesetzliche Mindestlohn beträgt 8,84 Euro pro Stunde.