sozial-Politik

Homosexualität

Familie

Kindheit unter dem Regenbogen




Friederike (19) und ihre Mutter Constanze Körner, Leiterin des Regenbogenfamilienzentrums in Berlin
epd-bild/Jürgen Blume
In Deutschland leben Zehntausende gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern - und viele weitere mit Kinderwunsch. Mit der "Ehe für alle" können auch sie jetzt als Paar ein Kind adoptieren. Mehr Adoptionen erwarten Experten dennoch nicht.

Friederike hat zwei Mütter: "Mama" und "Claudi", die sie manchmal "Mami" nennt. Friederike und ihr Zwillingsbruder sind von "Mama". Die 19-Jährige ist in einer Regenbogenfamilie aufgewachsen, also mit gleichgeschlechtlichen Eltern: Ihre Mütter zogen zusammen, als sie ein Jahr alt war, ihre Mutter hatte sich von Friederikes leiblichem Vater getrennt.

Eine ganz normale Familie

Claudi hat in der neuen Partnerschaft zwei Geschwister geboren. Sie sind heute sechs und elf und sind entstanden aus der Samenspende eines schwulen Freundes der Mütter.

Friederike wurde schon oft nach ihrer Kindheit gefragt. "Die war völlig normal", sagt sie. "Meine Eltern lieben sich und waren für uns da." Sie seien "ein stinknormales Paar, jede mit Stärken und Schwächen." Nur eben nicht Mann und Frau, sondern Frau und Frau. "Das macht doch für Kinder keinen Unterschied", meint die Berliner Abiturientin.

Wie viele Kinder in Deutschland in Regenbogenfamilien aufwachsen, dazu gibt es keine amtliche Statistik. Auf 9.000 schätzte sie 2013 das Landesamt für Statistik in Baden-Württemberg. Datenbasis sind die freiwilligen Angaben zum Familienstand aus dem Mikrozensus - doch auch die Statistiker schätzen die Angaben als zu niedrig ein. Es gibt auch Schätzungen mit bis zu 650.000 Regenbogenfamilien, wie sie der Landschaftsverband Westfalen-Lippe Anfang Juli veröffentlichte.

Bundestag schafft neue Möglichkeiten

Mit der "Ehe für alle" kommt für gleichgeschlechtliche Paare jetzt das Recht, gemeinsam ein Kind zu adoptieren. Bisher hatten eingetragene Lebenspartner lediglich das Recht, die leiblichen Kinder sowie bereits von einem Partner adoptierte Kinder zu adoptieren.

"Adoption ist aber nur ein Modell von vielen", sagt Constanze Körner, Leiterin des Regenbogenfamilienzentrums in Berlin und die Mama von Friederike. Krabbel- und Spielgruppen, Kinderwunschtreffs und Beratung werden im Zentrum angeboten. "Einen regelrechten Babyboom" sieht Körner hier, "und viele mit Kinderwunsch". Und sehr viele Familienformen: Co-Elternschaften, in denen zum Beispiel schwule und lesbische Paare zu viert Eltern werden, Drei-Eltern-Konstellationen, Patchworkfamilien.

Auch zur Adoption berät Körner viel. Einen Adoptionsboom erwartet sie nicht. "Die Ehe für alle ist ein Symbol der Gleichberechtigung, keine Revolution bei der Familiengründung." Es würden durch sie ja auch nicht mehr Kinder zur Adoption freigegeben.

Auch Andrea Buschner vom Staatsinstitut für Familienforschung in Bamberg erwartet keinen Adoptionsanstieg durch die Ehe für alle. "Vielleicht wird es noch mehr Bewerber geben", sagt die Soziologin. In Deutschland kommen statistisch auf jede Adoption sieben Bewerber. 2015 gab es 3.812 Adoptionen, Tendenz: sinkend.

Offene Rechtsfragen

Laut Buschner gibt es aber einige Rechtsfragen, die für Regenbogenfamilien noch ungeklärt sind: So gelte bei Kindern, die in eine Ehe geboren werden, der Ehemann automatisch als rechtlicher Vater. Bei einem Frauenpaar müsse die nicht-leibliche Mutter das Kind als Stiefkind adoptieren. Eine "Mit-Mutterschaft" hatte der Arbeitskreis Abstammungsrecht der Bundesregierung kürzlich zu dem Thema empfohlen - das würde einige Adoptionen überflüssig machen. "Es werden inzwischen mehr Kinder in lesbische Beziehungen hineingeboren, deshalb ist die Mit-Mutterschaft eine zentrale ungeklärte Frage", sagt auch Constanze Körner vom Regenbogenfamilienzentrum.

Sie und ihre Partnerin haben die leiblichen Kinder der jeweils anderen nicht adoptiert, "wir haben funktionierende Absprachen mit den Vätern". Ihre Kinder hatten regelmäßig Kontakt zu anderen Regenbogenfamilien, das stärke die Kinder gegen Alltagsdiskriminierung. "Sie wissen dann, dass sie nicht die Einzigen sind."

Ihre Tochter Friederike sagt, sie habe keine schlechten Erfahrungen gemacht: "Meine Mitschüler fanden das höchstens interessant." Sie selbst hat seit drei Jahren einen Freund, will irgendwann heiraten und Kinder kriegen. "Eine normale Familie, wie ich sie als Kind auch hatte."

Miriam Bunjes

« Zurück zur vorherigen Seite


Weitere Themen

Projekt Kinderdemokratie startet an Göttinger Uni

Eine neue Initiative an der Göttinger Universität will die Demokratiebildung an Grundschulen begleiten und fördern. Das Projekt "Demokratie lernen - Grundschulen als Schlüsseleinrichtungen der Demokratiebildung" ist am Institut für Demokratieforschung angesiedelt. Kooperationspartner seien das Niedersächsische Kultusministerium und das Niedersächsische Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung (NLQ), teilte das Institut am 17. Juli mit.

» Hier weiterlesen

Immer mehr Rentner überschulden sich

Immer öfter kommen ältere Menschen mit ihrer Rente nicht mehr über die Runden. Schuldnerberatungsstellen müssen sich deshalb zunehmend um verschuldete Senioren kümmern.

» Hier weiterlesen

Expertin: "Kinder aus Regenbogenfamilien entwickeln sich genauso gut"

Für die Entwicklungschancen von Kindern spielt es nach Angaben der Soziologin Andrea Buschner keine Rolle, ob ihre Eltern in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung leben oder nicht. "Kinder, die bei gleichgeschlechtlichen Paaren aufwachsen, entwickeln sich genauso gut, denn es kommt auf die Qualität der Eltern-Kind-Beziehung an und nicht auf die sexuelle Orientierung der Eltern", sagte die Wissenschaftlerin dem Evangelischen Pressedienst (epd). Buschner forscht beim Staatsinstitut für Familienforschung der Uni Bamberg zu verschiedenen Familienformen und hat an der deutschlandweit einzigen Studie zum Aufwachsen in Regenbogenfamilien mitgearbeitet.

» Hier weiterlesen