Ausgabe 29/2017 - 21.07.2017
Kassel (epd). Wie das Bundessozialgericht in Kassel in einem am 20. Juli verkündeten Urteil entschied, lässt sich eine Beitragsentlastung aus dem Grundgesetz ebenso wenig ableiten wie ein kompletter Ausgleich aller familiären Lasten. An vielen Stellen sei eine Entlastung bereits gegeben. Die Kläger kündigten an, Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht einzulegen. Dort sind bereits ähnliche Verfahren anhängig.
Im vom Bundessozialgericht entschiedenen Leitfall wollten die klagenden Eltern ihre Erziehungszeiten für ihre drei Kinder mehr berücksichtigt wissen, indem sie nur noch die Hälfte der Sozialbeiträge zahlen. Hilfsweise wollen sie einen Betrag in Höhe von 833 Euro pro Monat und Kind von den zu entrichtenden Sozialbeiträgen abziehen. Der Vater, der als Gemeindereferent beim Erzbistum Freiburg beschäftigt ist, und seine in einem katholischen Krankenhaus tätige Ehefrau gaben an, dass sie als Familie in dem derzeitigen Sozialversicherungssystem gegenüber Kinderlosen stark benachteiligt würden.
Die Erziehung und Betreuung der Kinder führe letztlich zu Brüchen in der Erwerbsbiografie. Man müsse bei seiner Erwerbstätigkeit wegen der Erziehung zurückstecken, was wiederum zu geringeren Renten führe. Das Rentensystem sei so angelegt, dass die gezahlten Beiträge zählten. Dabei hätten sie auch einen "generativen Beitrag" geleistet, indem sie Kinder in die Welt gesetzt haben.
Anwalt Ernst Jürgen Borchert sagte, von dem Beitragssystem würden kinderlose, reiche und alte Versicherte profitieren: "Durchschnittsverdiener mit zwei oder mehr Kindern liegen unter dem Existenzminimum."
Doch das Bundessozialgericht urteilte, dass die Eltern keinen Anspruch auf Familienentlastung haben, indem sie geringere Sozialbeiträge zahlen. "Nicht jede Belastung von Familien muss vermieden werden", sagte Gerichtspräsident Rainer Schlegel.
Allerdings würden Eltern neben einen monetären auch einen generativen Beitrag leisten, indem sie Kinder und damit künftige Beitragszahler in die Welt setzen. "Versicherte mit Kindern leisten mehr als Kinderlose", betonte Schlegel in der Urteilsbegründung. Sie trügen zur Stabilisierung des Sozialversicherungssystems bei. Wie Familien entlastet werden, sei aber immer noch Sache des Gesetzgebers. Dieser habe einen weiten Gestaltungsspielraum.
So würden Eltern - anders als Kinderlose - bereits ausreichend vom Familienleistungsausgleich profitieren. Dieser umfasse beispielsweise das Eltern- und Kindergeld oder Steuerfreibeträge für den geleisteten Erziehungsaufwand. Einen Anspruch auf direkte Reduzierung der Sozialversicherungsbeiträge gebe es nicht. Der Senat bekräftigte damit zwei frühere Entscheidungen des BSG vom 30. September 2015, in der eine Entlastung von Eltern in Form geringerer Sozialbeiträge ebenfalls abgelehnt worden war.
Az.: B 12 KR 13/15 R und B 12 KR 14/15 R