Ausgabe 29/2017 - 21.07.2017
Stuttgart (epd). Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat Regelungen zum gesetzlichen Unfallschutz geklärt. Arbeitnehmer, die während ihrer Arbeitszeit das Büro verlassen und ohne dienstlichen Grund nach draußen gehen, stehen nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Dies hat das LSG in Stuttgart in einem am 14. Juli veröffentlichten Urteil entschieden.
Im konkreten Fall ging es um eine bei einer Volkshochschule angestellte Verwaltungsmitarbeiterin. Sie ging während der Arbeitszeit "mal Luft schnappen" und wollte außerdem wegen eines nahenden Unwetters nach ihrem Fahrrad sehen. Sie ging durch den Seiteneingang aus dem Gebäude zum Parkplatz. Als ein Windstoß die Gebäudetüre zufallen ließ, kam die Frau nicht mehr hinein. Beim Versuch, den Parkplatzzaun zu überklettern, verletzte sie sich am rechten Ringfinger. Das Endglied des Fingers musste amputiert werden. Den Unfall wollte sie als Arbeitsunfall anerkannt haben. Doch die zuständige Berufsgenossenschaft lehnte dies ab.
Zu Recht, wie das LSG urteilte. Für einen Arbeitsunfall müsse ein Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit bestehen. Der Versuch, über den Zaun zu klettern, habe aber nicht der beabsichtigten Vorbereitung der Kurse gedient. Es liege auch kein unfallversicherter "Betriebsweg" vor, auch wenn die Frau auf dem Weg zu den Büroräumen war. Denn die Klägerin habe ihre versicherte Tätigkeit wegen einer privaten Tätigkeit "erheblich unterbrochen".
Unfallversicherungsschutz könne zwar im Einzelfall auch bei einer Unterbrechung der versicherten Tätigkeit bestehen, wenn "die Unterbrechung zeitlich und räumlich nur ganz geringfügig ist und einer Verrichtung dient, die ‚im Vorbeigehen‘ und ‚ganz nebenher‘ erledigt wird". Dies war hier aber nicht der Fall, so das LSG. Die Angestellte habe sich über zwei Stockwerke nach draußen von ihrem Arbeitsplatz entfernt. Allein der Weg zum Parkplatz betrage mehrere Minuten. Für die Krankheitskosten muss damit allein die Krankenversicherung aufkommen.
Nach der aktuellen Rechtsprechung sind auch der Besuch der Toilette und das Mittagessen in der Kantine der Privatsphäre der Arbeitnehmer zuzurechnen. Unfälle auf der Toilette oder in der Kantine gelten daher für die gesetzliche Unfallversicherung nicht als Arbeitsunfälle.
Az.: L 3 4821/16