sozial-Recht

Landessozialgericht

"Frische Luft schnappen" auf Arbeit ist nicht unfallversichert



Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat Regelungen zum gesetzlichen Unfallschutz geklärt. Arbeitnehmer, die während ihrer Arbeitszeit das Büro verlassen und ohne dienstlichen Grund nach draußen gehen, stehen nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Dies hat das LSG in Stuttgart in einem am 14. Juli veröffentlichten Urteil entschieden.

Im konkreten Fall ging es um eine bei einer Volkshochschule angestellte Verwaltungsmitarbeiterin. Sie ging während der Arbeitszeit "mal Luft schnappen" und wollte außerdem wegen eines nahenden Unwetters nach ihrem Fahrrad sehen. Sie ging durch den Seiteneingang aus dem Gebäude zum Parkplatz. Als ein Windstoß die Gebäudetüre zufallen ließ, kam die Frau nicht mehr hinein. Beim Versuch, den Parkplatzzaun zu überklettern, verletzte sie sich am rechten Ringfinger. Das Endglied des Fingers musste amputiert werden. Den Unfall wollte sie als Arbeitsunfall anerkannt haben. Doch die zuständige Berufsgenossenschaft lehnte dies ab.

Zu Recht, wie das LSG urteilte. Für einen Arbeitsunfall müsse ein Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit bestehen. Der Versuch, über den Zaun zu klettern, habe aber nicht der beabsichtigten Vorbereitung der Kurse gedient. Es liege auch kein unfallversicherter "Betriebsweg" vor, auch wenn die Frau auf dem Weg zu den Büroräumen war. Denn die Klägerin habe ihre versicherte Tätigkeit wegen einer privaten Tätigkeit "erheblich unterbrochen".

Unfallversicherungsschutz könne zwar im Einzelfall auch bei einer Unterbrechung der versicherten Tätigkeit bestehen, wenn "die Unterbrechung zeitlich und räumlich nur ganz geringfügig ist und einer Verrichtung dient, die ‚im Vorbeigehen‘ und ‚ganz nebenher‘ erledigt wird". Dies war hier aber nicht der Fall, so das LSG. Die Angestellte habe sich über zwei Stockwerke nach draußen von ihrem Arbeitsplatz entfernt. Allein der Weg zum Parkplatz betrage mehrere Minuten. Für die Krankheitskosten muss damit allein die Krankenversicherung aufkommen.

Nach der aktuellen Rechtsprechung sind auch der Besuch der Toilette und das Mittagessen in der Kantine der Privatsphäre der Arbeitnehmer zuzurechnen. Unfälle auf der Toilette oder in der Kantine gelten daher für die gesetzliche Unfallversicherung nicht als Arbeitsunfälle.

Az.: L 3 4821/16


« Zurück zur vorherigen Seite


Weitere Themen

Jobcenter muss Kosten für Räumungsklage übernehmen

Jobcenter können verpflichtet werden, die Kosten für eine Räumungsklage zu übernehmen. Im konkreten Rechtsstreit konnte ein Hartz-IV-Bezieher wegen rechtswidrig versagter Leistungen des Jobcenters seine Miete nicht bezahlen. Nun muss die Behörde die Kosten für die vom Vermieter eingelegte Räumungsklage übernehmen. Die Gerichtskosten sind als einmalig anfallender Unterkunftsbedarf zu berücksichtigen, entschied das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg in Stuttgart in einem am 6. Juli bekanntgegebenen Urteil.

» Hier weiterlesen

Keine Sozialhilfe für Asylbewerber mit gefälschter Identität

Asylbewerber, die bei ihrer Einreise nach Deutschland falsche Angaben über ihre Identität machen, sollen keine Leistungen auf Hartz-IV-Niveau beziehen dürfen. Wie das Landessozialgericht Baden-Württemberg am 17. Juli urteilte, bleiben ihnen die über das Existenzminimum hinausgehenden Grundsicherungsleistungen auf Sozialhilfeniveau auch dann verwehrt, wenn sie ihre falschen Angaben später berichtigen. Eine Aufstockung ist normalerweise nach 15 Monaten Aufenthalt möglich. Ausschlaggebend sei, ob die Personen den längeren Aufenthalt durch Falschangaben selbst verursacht haben.

» Hier weiterlesen

Kirchliche Einstellungspraxis wird geprüft

Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat am 18. Juli über die Praxis kirchlicher Arbeitgeber verhandelt, Stellen nur für christliche Bewerber auszuschreiben. Dabei ging es um den Fall einer konfessionslosen Frau, die sich erfolglos beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung in Berlin beworben hatte. In der Stellenausschreibung hieß es, dass die Mitgliedschaft in einer evangelischen oder der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) angehörenden Kirche vorausgesetzt werde.

» Hier weiterlesen