sozial-Politik

Bundesregierung

Kabinett beschließt Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit




Forderung nach Lohngerechtigkeit zeigt Wirkung: Das Kabinett hat ein Gesetz beschlossen.
epd-bild/Rolf Zöllner
Das Bundeskabinett hat das Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit für Frauen auf den Weg gebracht. Mit der Lohnlücke von 21 Prozent, die Frauen in Deutschland im Schnitt weniger verdienen als Männer, dürfe man sich nicht zufriedengeben, sagte Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) bei der Vorstellung ihres Gesetzentwurfs am 11. Januar in Berlin.

Das Grundgesetz verlange Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern. "Gleiche Rechte müssen sich auch bei der Bezahlung wiederfinden", sagte Schwesig. Das Gesetz war in der großen Koalition lange umstritten. Union und Arbeitgeber kritisierten die Gesetzespläne, die Gewerkschaften regten Korrekturen an.

Das "Gesetz zur Förderung von Transparenz von Entgeltstrukturen" verankere gesetzlich das Prinzip des gleichen Lohns für beide Geschlechter, erklärte Schwesig. Mitarbeiter von Unternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten sollen dem Entwurf zufolge einen Anspruch auf Auskunft darüber haben, wie vergleichbar Beschäftigte des anderen Geschlechts entlohnt werden. Firmen mit mehr als 500 Mitarbeitern sollen künftig zudem verpflichtet werden, darüber zu berichten, was sie gegen die Lohnlücke unternehmen. Zudem sollen die großen Unternehmen regelmäßig überprüfen, ob sie die Entgeltgleichheit einhalten.

Nahles: Schritt von der Theorie zur Praxis

Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) begrüßte das Gesetz: "Frauen haben ein Recht auf die gleiche Bezahlung wie Männer. Das ist bislang nur klar in der Theorie, aber schwierig in der Praxis." Künftig lasse sich die gleiche Bezahlung auch wirksam durchsetzen.

Niedersachsens Frauenministerin Cornelia Rundt (SPD) sagte, das Gesetz mache endlich Ernst mit der gleichstellungspolitischen Forderung, versteckte Lohndiskriminierung aufzudecken. "Es gibt Frauen (und auch Männern) das Recht, in einem anonymisierten Verfahren Vergleichszahlen zu gezahlten Gehältern anderer Beschäftigter mit gleicher Tätigkeit zu erhalten." Die Signalwirkung eines solchen Gesetzes sei nicht zu unterschätzen.

Union fordert Nachbesserungen

Dagegen sieht Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) beim Gesetz Änderungsbedarf. "Es muss nun sichergestellt werden, dass die Bürokratie für Unternehmen insgesamt nicht größer wird, auch nachdem das Gesetz endgültig verabschiedet ist", sagte Kauder am 12. Januar. Er verwies auf das Bürokratiebegrenzungsgesetz, wonach bei der Schaffung von neuen bürokratischen Regelungen im gleichen Umfang bestehende Bürokratie abgebaut werden müsse. "Dem hat die Familienministerin bislang noch nicht Rechnung getragen", sagte Kauder.

Auch Michael Fuchs (CDU), Vizevorsitzender der Bundestagsfraktion der Union, kritisierte die Pläne. "Der Gesetzentwurf ist und bleibt ein Bürokratiemonster", sagte er. Schwesig rechne sich den Aufwand für die Unternehmen schön, fügte Fuchs hinzu.

Die Arbeitgeber sprachen sich ebenfalls gegen das Gesetzesvorhaben aus. "Die Tarifvertragsparteien können besser als der Gesetzgeber Transparenz und Gleichbehandlung bei der Bezahlung gewährleisten. Die Sozialpartner haben bewiesen, dass sie faire Vergütung sicherstellen", sagte Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer. Das Gesetz erreiche nicht das Ziel, bessere Karrierechancen für Frauen zu schaffen. Dazu seien vor allem bessere familienpolitische Anreize erforderlich, insbesondere der flächendeckende Ausbau der Ganztags-Kinderbetreuung, sagte Kramer.

DGB: Benachteiligungen systematisch abbauen

Die Gewerkschaften begrüßten indes Schwesigs Vorhaben, betonten jedoch, das Gesetz sei "nur ein erstes Signal in Richtung Entgeltgleichheit in Betrieben und Dienststellen". DGB-Vize Elke Hannack verwies ebenfalls auf die große Lohnlücke zwischen Frauen- und Männergehältern. Deshalb begrüße der DGB den Beschluss der Regierung für ein wirksames Lohngerechtigkeitsgesetz.

Zugleich forderte Hannack eine Pflicht für alle Unternehmen, ihre Entgeltpraxis zu überprüfen und Benachteiligungen systematisch abzubauen. Sie regte an, im Bundestag zumindest für Betriebe mit mehr als 500 Beschäftigten betriebliche Prüfverfahren verbindlich vorzuschreiben.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Frauen-und Gleichstellungsbüros begrüßte das Gesetz ausdrücklich. Sie sieht darin ein wichtiges Symbol, um der Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern in Deutschland entschieden entgegenzuwirken. Eine statistische Lohnlücke von etwa 21 Prozent zwischen Frauen und Männern widerspreche dem Grundgesetz. Diese Ungerechtigkeit gelte es zu beenden, hieß es.

Lob kam auch von der Arbeiterwohlfahrt. Deren Präsident Wolfgang Stadler sagte in Berlin, das Gesetz sei ein "Meilenstein in der Geschichte der Frauenpolitik". Er erhoffe sich vor allem weniger von Altersarmut betroffene Frauen: "Wer heute weniger verdient, bekommt morgen weniger Rente."

Dirk Baas, Corinna Buschow


Arbeit

Wirtschaftspsychologe: Über Lohn und Gehalt spricht man nicht



In Deutschland ist es nach Ansicht des Wirtschaftspsychologen Uwe Kanning noch immer ein Tabu, offen über die Höhe des eigenen Gehalts zu sprechen. Anders als etwa in den USA oder England hätten Besserverdienende in Deutschland häufig das Gefühl, sie müssten sich rechtfertigen, sagte Kanning dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Das Bundeskabinett hatte am 11. Januar einen Gesetzentwurf für mehr Lohngerechtigkeit von Frauen und Männern gebilligt. Danach hätten Frauen künftig einen Anspruch darauf zu erfahren, wie viel ihre männlichen Kollegen für gleichwertige oder gleiche Arbeit verdienen.

Kanning betonte: "Ein hohes Gehalt ist bei uns nicht automatisch ein Ausdruck besonderer Leistung. Es wird unterstellt, jemand habe Beziehungen, die richtigen Eltern oder einfach Glück gehabt." Der Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Osnabrück ist gerade zum Professor des Jahres 2016 des Karrieremagazins Unicum Beruf gewählt worden.

Hinzu komme, dass die weitaus meisten Menschen ein positiv verzerrtes Bild von ihrer eigenen Leistung hätten, betonte Kanning. "Sie schätzen ihre Arbeit überdurchschnittlich ein. Nur wenige glauben von sich, sie liegen im oder gar unter dem Durchschnitt." Deshalb fühlten sich die meisten Menschen, die eher wenig Geld verdienten, ungerecht behandelt. "Das alles führt dazu, dass wir Deutschen selbst im Freundeskreis nicht erzählen, was wir verdienen."

Der Gesetzentwurf könnte dieses Tabu durchbrechen, sagte der Experte. Allerdings werde der Wandel zu mehr Offenheit vermutlich mindestens eine Generation dauern. Denn zunächst werde es Frauen schwer fallen, sich nach den Löhnen ihrer Kollegen zu erkundigen. "Sie drücken damit indirekt ja ein gewisses Misstrauen gegenüber ihrem Arbeitgeber aus."

Die Unterschiede in der Bezahlung haben nach den Worten Kannings auch damit zu tun, dass vor allem viele kleine Unternehmen keine geeigneten Maßstäbe entwickelt hätten, Leistung objektiv zu messen. "Dann greifen die Chefs oft unbewusst auf Stereotype zurück. Der junge dynamische Außendienstmitarbeiter hat dann automatisch einen Vorsprung gegenüber der eher zurückhaltenden Kollegin." Auch Frauen in Männerdomänen kämen dabei oft schlechter weg. Die geringere Entlohnung von Frauen begründeten Firmen dann mit der schlechteren Leistung.

Martina Schwager


Gesundheit

Bertelsmann Stiftung fordert Abschaffung der Beamtenbeihilfe




Teuer für die staatliche Beihilfe: Operation an der Wirbelsäule in Heidelberg.
Foto: Gustavo Alabiso
Eine aktuelle Studie über die Kosten des Staates für privat krankenversicherte Beamte sorgt für Wirbel. Der Beamtenbund und CDU/CSU kritisieren die Studie als unmethodisch. SPD, Grüne und Linke plädieren für eine Bürgerversicherung.

Bund und Länder könnten nach Einschätzung der Bertelsmann Stiftung bis zum Jahr 2030 rund 60 Milliarden Euro sparen, wenn die privat versicherten Beamten in die gesetzliche Krankenversicherung wechselten. Für die größere Zahl der gesetzlich Versicherten könne dann der Beitrag gesenkt werden, hieß es in einer am 10. Januar in Gütersloh veröffentlichten Studie. Die Stiftung forderte das Aus der bisherigen steuerfinanzierten Beihilfe für die privat versicherten Beamten. SPD, Grüne und Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) begrüßten den Vorstoß. Kritik kam hingegen von CDU/CSU, dem Deutschen Beamtenbund (dbb) und dem Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV).

Bund, Länder und GKV profitieren

Alleine für Nordrhein-Westfalen summieren sich den Angaben zufolge die möglichen Einsparungen bis 2030 auf 9,9 Milliarden Euro. Für den Bund beliefe sich die Einsparung auf rund 27 Milliarden Euro. Die jährlichen Ausgaben des Bundes für die Beihilfen werden laut der Studie bis 2030 um 46 Prozent auf 6,6 Milliarden Euro pro Jahr steigen, bei den Ländern sogar um 83 Prozent auf 13,6 Milliarden Euro. Im Jahr 2014 gab der Bund der Studie zufolge 4,5 Milliarden Euro für die Beamtenbeihilfe aus. Bei den Ländern lagen die Ausgaben im gleichen Jahr bei 7,4 Milliarden Euro.

Bund und Länder müssten laut Studie zwar nach einer Reform für gesetzlich versicherte Beamte den üblichen Arbeitgeberbeitrag zahlen. Dies wäre aber im Bund und bei fast allen Bundesländern weniger als das, was sie derzeit für die Beihilfe ausgeben, hieß es. Für die Studie wertete das unabhängige und auf Gesundheitsfragen spezialisierte Iges-Institut in Berlin Daten des Instituts für Wirtschaftsforschung sowie der Statistischen Bundes- und Landesämter aus.

Auch die gesetzlichen Krankenversicherungen und ihre Beitragszahler würden den Berechnungen zufolge von einer Reform profitieren. Die Mehreinnahmen durch die Beiträge von Beamten und Pensionären würden die zusätzlichen Ausgaben für deren Gesundheitsversorgung um 3,4 Milliarden Euro übersteigen. Die Versicherten könnten demnach Beitragssenkungen von 0,34 Prozentpunkten erwarten. Das Krankenversicherungs-System werde somit "gerechter und nachhaltiger", sagte Stiftungs-Vorstand Brigitte Mohn.

"Wichtige Fragen ausgeklammert"

Der Beamtenbund und der Verband der Privaten Krankenversicherung kritisierten die Studie. Die vorliegende Studie könne die Abschaffung der Beihilfe nicht seriös rechtfertigen, sagte der dbb-Bundesvorsitzende Klaus Dauderstädt. PKV-Sprecher Stefan Reker sprach von einer "propagierten Zwangsversicherung".

Die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Maria Michalk, lehnte die Methodik der Studie ab: Beamten- und verfassungsrechtliche Fragenstellungen seien nicht thematisiert worden seien. "Dies ist aber für Umsetzungsstrategien erforderlich", sagte Michalk dem Evangelischen Pressedienst (epd). Ihrer Ansicht nach hat sich das Nebeneinander von privater und gesetzlicher Krankenversicherung und der damit einhergehende Systemwettbewerb bewährt.

DGB fordert sozial abgefederte Reform

SPD, Grüne und Linke sehen dagegen mit der Studie ihre Forderung nach einer Bürgerversicherung, in der Beamte, Arbeitnehmer und Selbstständige versichert sind, bestätigt. "Die eindeutigen Einsparpotenziale für die öffentlichen Haushalte sollten auch die Kritiker der Bürgerversicherung überzeugen", sagte die Gesundheitsexpertin der SPD, Hilde Mattheis. Der private Krankenversicherung werde durch die Beamtenbeihilfe "künstlich durch Steuergelder alimentiert", kritisierte die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Maria Klein-Schmeink. Der gesundheitspolitische Sprecher der Linken-Bundestagsfraktion, Harald Weinberg, erklärte, die Studie zeige, dass "eine solidarische Bürgerversicherung nur Gewinner kennt".

DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach forderte eine "sozial abgefederte" Reform. Für Beamte sollte im ersten Schritt eine Wahlmöglichkeit für eine gesetzliche Krankenkasse geschaffen werden, indem die öffentliche Hand jeweils den Arbeitgeberanteil übernimmt, sagte Buntenbach.

Katrin Nordwald, Markus Jantzer


Behinderung

Debatte über Sexualität in Heimen



Forderungen aus den Reihen der Grünen nach Sex auf Rezept für pflegebedürftige und behinderte Menschen stoßen auf breite Ablehnung. Das Recht auf Sexualität für behinderte Heimbewohner wird indes von Sozialexperten einmütig betont.

Das Bundesgesundheitsministerium wies den Vorschlag, Sex auf Kosten der Krankenkassen zu ermöglichen, am 9. Januar ebenso zurück wie der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Die pflegepolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Elisabeth Scharfenberg, hatte gefordert, Pflegebedürftigen und schwer Kranken Sex mit Prostituierten zu bezahlen. In den Niederlanden sei das bereits Praxis.

GKV-Geld nur für Erkrankungen

Eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums erklärte dazu in Berlin, eine solche sexuelle Leistung sei weder Bestandteil der Grund- noch der Behandlungspflege. "Die Leistungen der Krankenkassen, die zu einem großen Teil durch Beiträge der Versicherten finanziert werden, sind auf behandlungsbedürftige Erkrankungen gerichtet", betonte die Sprecherin.

Sie verwies zudem auf ein Urteil des Bundessozialgerichts zur Verordnung des Arzneimittels Viagra (Az.: B 1 KR 10/11 R). Die Richter hatten entschieden, dass aus dem Selbstbestimmungsrecht eines Patienten kein grundrechtlicher Anspruch gegen seine Krankenkasse auf Bereitstellung oder Finanzierung bestimmter Gesundheitsleistungen folge.

Der SPD-Politiker Lauterbach sagte: "Prostitution auf Rezept ist der falsche Weg." Es gebe keinen Grund, Dienste von Prostituierten für Menschen mit Behinderungen oder Pflegebedürftige von den Kassen erstatten zu lassen. Es sei aber wichtig, anzuerkennen, dass behinderte und pflegebedürftige Menschen, die in Heimen leben, ein Recht auf Sexualität hätten. "Was wir brauchen, ist mehr Intimität für die Heimbewohner."

Schutz der Privatsphäre

Die pflegepolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Pia Zimmermann, hält es für richtig, dass auch "Menschen mit hohem Pflegebedarf ein selbstbestimmtes Sexualleben ermöglicht werden muss". Allerdings dürfe diese Debatte nicht von den Missständen in der Pflege ablenken. "Die allermeisten Menschen mit Pflegebedarf wünschen sich eine gute pflegerische Versorgung mit ausreichend Zeit, sowie die Möglichkeit zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und dass die Angst entfällt, aufgrund ihres Pflegebedarfs zu verarmen oder ihre Familien zu belasten", sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Bernhard Schneider, Vorsitzender des Deutschen evangelischen Verbandes für Altenarbeit und Pflege Devap, erklärte die Forderung nach Sex auf Krankenschein zu "Unsinn". "Mit dem Thema Sexualität im Alter gehen wir offen um." Der Einsatz von Prostituierten sei jedoch keine Lösung, "schon gar nicht auf Krankenschein - das ist ja absurd", sagte der Hauptgeschäftsführer der Evangelischen Heimstiftung in Baden-Württemberg dem epd.

"Im Einzelfall mag es auch zu schwierigen Situationen kommen, mit denen Pflegekräfte dann professionell umgehen müssen. Das ist aber bei anderen herausfordernden Verhaltenswesen, wie z.B. einer demenziell bedingten Aggressivität oder bei psychischen Erkrankungen auch so." Wenn einzelne Bewohner in den Pflegeheimen eine sexuelle Dienstleistung wünschen, dann müsse diese aus der eigenen Tasche bezahlt werden. "Selbstverständlich kann jeder Heimbewohner in seinem Zimmer den Besuch empfangen, den er oder sie möchte", erklärte Schneider.

Im Übrigen, ergänzte der Devap-Chef, sehe er "hier kein großes und flächendeckendes Problem". Da gebe es andere Themen wie etwa die Unterfinanzierung der Pflege. "Wir brauchen also keine ‚Sexualassistenten auf Krankenschein‘, sondern mehr gut qualifiziertes Pflegepersonal, das von der Pflegeversicherung auch voll zu finanzieren ist."

Sexualität als Störfaktor

Auch bei den v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel, einem der bundesweit größten Anbieter von Einrichtungen für Pflegebedürftige und Behinderte, stößt Scharfenbergs Vorschlag auf Skepsis. "Ich glaube, es ist nicht Angelegenheit des Staates, dies zu regeln und zu finanzieren", sagte der Vorsitzende der Geschäftsführung Bethel.regional, Michael Conty, dem epd.

In den Behindertenheimen des evangelischen Diakonieunternehmens Bethel haben laut Conty alle Bewohner Einzelzimmer. Und hier gelte: "Was in den Zimmern geschieht, geht uns nichts an, solange es nicht gegen die Gesetze oder gegen die Hausordnung verstößt." Der Besuch von Prostituierten sei nicht verboten. Ihm sei aus seiner jahrzehntelangen Tätigkeit bei Bethel nicht bekannt, dass dies jemals zu einem Problem geführt hätte, sagte Conty.

Hingegen hat die Organisation pro familia nach eigenen Angaben "Kenntnis darüber, dass in Einrichtungen der Behinderten, Alten- und Krankenpflege Sexualität oft gar nicht gelebt werden kann". Sie werde häufig als Störfaktor wahrgenommen.

NRW-Ministerium: kein Handlungsbedarf

Die Bundesvereinigung Lebenshilfe betonte für geistig behinderte Menschen ein "selbstverständliches Recht auf Sexualität". Dazu müssten Betreuungspersonen und Einrichtungsträger "einen Raum schaffen", sagte der Sprecher der Organisation, Peer Brocke. Geistig Behinderte müssten in ihrem Wunsch nach Sex unterstützt werden. Dazu gehörten auch Aufklärung und Schutz vor Missbrauch.

Das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium reagierte zurückhaltend auf die Forderung Scharfenbergs. Da die Kommunen bereits heute in Einzelfällen Sexualassistenz finanzieren könnten, sehe man aktuell keinen Handlungsbedarf, sagte Ministeriumssprecher Christoph Meinerz dem epd in Düsseldorf.

Die rheinland-pfälzische Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) sagte dem epd: «'Sex auf Rezept' kann es nicht geben, ein solches Angebot würde auch den Bedürfnissen der Menschen mit und ohne Behinderungen nicht gerecht.» Anbieter von Leistungen für behinderte Menschen hätten in den vergangenen Jahren begonnen, deren persönliche Bedürfnisse «ebenso ernst zu nehmen wie den Wunsch, gut zu essen und selbstbestimmt zu wohnen», sagte die Ministerin.

Markus Jantzer, Tanja Tricarico


Bundesregierung

Schwesig dringt auf Reform der Pflegeberufe




Noch immer ungelöst: Die Zukunft der Pflege-Ausbildung.
epd-bild/Werner Krüper

Die zuletzt stockende Debatte um eine Reform der Pflegeberufe nimmt wieder an Fahrt auf. Am 6. Januar drängte Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD), entsprechende Pläne der Bundesregierung durchs Parlament zu bringen. "Die Reform muss jetzt kommen", erklärte sie in Berlin und kritisierte, Teile der Unionsfraktion blockierten das Gesetz. Unterdessen erhöhen auch Pflegeexperten den Druck auf die Politik, etwa mit einer Internetpetition.

Schwesig und Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) wollen mit dem Gesetz die Ausbildung für Alten-, Kinderkranken- und allgemeine Krankenpflege vereinheitlichen.

Schwesig: Beruf braucht mehr Wertschätzung

Ein einheitlicher Berufsabschluss würde den Pflegeberuf aufwerten, erklärte Schwesig. "Es ist wichtig, dass ein Beruf, in dem zu 80 Prozent Frauen arbeiten, die Wertschätzung bekommt, die er verdient", sagte die Ministerin. Leider werde die Arbeit am Menschen immer noch weniger wertgeschätzt als die Arbeit an Maschinen.

Dem Gesetzentwurf zufolge sollen Pflegeschülerinnen und -schüler künftig eine Ausbildungsvergütung bekommen. Bisher zahlen sie mancherorts noch Schulgeld. Die Ausbildung würde drei Jahre dauern, für Pflegehelfer zwei Jahre. Voraussetzung ist mindestens eine zehnjährige Schulausbildung. Die Auszubildenden können nach dem künftig einheitlichen Abschluss im Krankenhaus, in der Altenpflege, bei ambulanten Pflegediensten sowie in der Kinderkrankenpflege arbeiten.

Der Entwurf wurde vor rund einem Jahr im Bundeskabinett beschlossen. Seitdem hängt er im parlamentarischen Verfahren, weil sich die Koalitionspartner SPD und Union nicht einig sind. In der Branche war das Vorhaben von Beginn an umstritten.

Arbeitgeber warnen vor falschem Weg

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände warnte, mit dem Vorantreiben der Reform werde ein "völlig falscher Weg" beschritten. Hauptgeschäftsführungsmitglied Peter Clever erklärte am 6. Januar, bis heute lägen die Ausbildungscurricula nicht vor. Dies nähre den Verdacht, dass eine "praxisuntaugliche Schmalspurausbildung oder eine hochkomplexe Superkönnerausbildung" hinter der Reform steckten. Es dürfe kein grünes Licht für eine Änderung geben, deren fachliche Inhalte im Dunkeln blieben, sagte Clever.

Das sieht das Deutsche Institut für angewandte Pflegeforschung (dip) in Köln ganz anders. Dessen Chef Frank Weidner unterstützt die Petition, die nach seinen Angaben bereits 3.000 Unterzeichner hat, und die alle die Ausbildungsreform zum schnelle Abschluss bringen wollen.

In der Petition, die von einem beruflich Pflegenden ins Netz gestellt wurde, heißt es unter anderem: "Durch die generalistische Pflegeausbildung, können die an Pflegende gestellten Anforderung erfüllt werden und der Beruf an Attraktivität gewinnen. Die Ausbildung hat europäischen Maßstäben zu genügen und staatlich anerkannt den Weg in alle Berufsfelder der Pflege zu ermöglichen."

Weidner selbst betonte: "Jetzt müssen noch einmal alle Kräfte gebündelt werden, um den Druck auf die Politik zu erhöhen und die Pflegeausbildungsreform doch noch in dieser Legislatur auf den Weg zu bringen."



Integration

Deutsch lernen mit "Akku-Schrauber" und "Steckklemmen"




Adham Bohamdan aus Syrien arbeitet in einem saarländischen Elektrobetrieb.
epd-bild/Jörg Fischer
Die Integration von geflüchteten Menschen braucht Zeit. Bei einigen dauert es Jahre, bis sie in Deutschland Fuß gefasst haben. Bei anderen geht es schneller, wie ein Beispiel aus dem Saarland zeigt: Adham Bohamdan ist aus Syrien geflüchtet und arbeitet in einem saarländischem Elektrobetrieb.

Adham Bohamdan ist schnell in Deutschland angekommen - zumindest im Arbeitsmarkt. Nicht einmal anderthalb Jahre nach Ende seiner beschwerlichen Flucht über die damals noch offene Balkanroute arbeitet der 31-jährige Syrer seit November als Helfer im Elektrobetrieb Udo Schmidt im saarländischen Blieskastel. Nach den Worten seines neuen Chefs macht er sich "prächtig".

Nicht immer geht es so schnell. Nach einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) dauerte es in der Vergangenheit für die Hälfte der Flüchtlinge im Alter zwischen 15 und 64 Jahren fünf Jahre, bis sie eine Beschäftigung gefunden hatten. Nach 15 Jahren hatten knapp 70 Prozent Arbeit. Entscheidend sind die individuellen Fähigkeiten, die mitgebrachten Erfahrungen und die verfügbaren Arbeitsplätze.

Bohamdan ist erfahrener Elektriker

Das alles passte bei Bohamdan für seine Beraterin beim Jobcenter Homburg ideal zusammen - er hatte nach eigenem Bekunden in Syrien schon 13 Jahre als Elektriker gearbeitet. Deshalb habe sie gleich parallel zu seinem Integrationskurs Anfang des Jahres den Kontakt zu dem Elektrobetrieb aufgenommen, erzählt Heike Thönes.

Das Wichtigste für eine erfolgreiche Vermittlung von Geflüchteten in einen deutschen Betrieb sind ausreichende Deutsch-Kenntnisse. Und die Sprache hat sich Bohamdan schnell angeeignet. Auch wenn er noch vieles lernen muss - Schraubenzieher, Akku-Schrauber - viele Begriffe kennt er schon. Die Kollegen seien äußerst hilfsbereit, erzählt der Syrer: "Sie erklären mir Begriffe auch vier Mal, wenn ich sie nicht gleich behalte."

"Vor allem mit dem Saarländischen hapert es allerdings noch", scherzt Firmenchef Udo Schmidt. Einmal habe einer der Gesellen auf der Baustelle gefragt: "Hamma noch von den Steckklemmen da?" - und der Syrer habe einen Hammer gebracht. Aber insgesamt gebe es keine Probleme. Auch Jobcenter-Leiter Dietmar Schönberger ist beeindruckt: "Unglaublich, wie schnell Sie Deutsch gelernt haben", lobt er Bohamdan.

Vielen Flüchtlingen fehlt passende Ausbildung

Viele Geflüchtete müssen erst einmal eine Ausbildung absolvieren, bevor sie einen guten Job in Deutschland bekommen, weil ihre Abschlüsse aus den Herkunftsländern nicht voll anerkannt werden. Dazu ist nach Erfahrungen der Job-Vermittler ein weit höheres Sprachniveau erforderlich, als Bohamdan das nach seinem Integrationskurs jetzt hat.

Im November waren laut Bundesagentur für Arbeit bundesweit etwas mehr als 406.000 Flüchtlinge arbeitssuchend gemeldet, davon 10.224 im Saarland. Von Juni bis November besuchten bundesweit über 180.000 und im Saarland rund 6.400 einen Integrations- oder Sprachkurs. Mehr als 28.000 begannen zu arbeiten, davon im Saarland 1.200; über 14.000 fingen eine Ausbildung an, im kleinsten Flächenbundesland waren es 282.

Bohamdan kam entgegen, was viele der Geflüchteten wollen: gleich richtig Geld verdienen. Gut 1.600 Euro brutto bekommt er jeden Monat und kann seinen Eltern und seinen drei Schwestern Geld schicken. Der Rest seiner engsten Familie - die der Minderheit der Drusen angehört - ist in seiner Heimatstadt As-Suwaida geblieben.

Seine Berater sehen den eingeschlagenen Weg für ihn als richtig an. "Die Integration bei der Arbeit ersetzt so manchen Sprachkurs", meint Schönberger. Man müsse bei jedem Einzelnen schauen, was am besten helfe. Das gelte nicht nur für Flüchtlinge, sondern auch für jeden anderen Arbeitslosen. Schönberger legt Wert darauf, dass jeder "Kunde" des Jobcenters - egal ob Deutscher oder Ausländer - von seinem Team individuell beraten werde und die gleiche Hilfe bekomme.

Für die Firma könnte der Syrer ein Glücksfall sein

Auch für die Firma Elektro Udo Schmidt mit 25 Mitarbeitern könnte der junge Syrer ein Glücksfall sein. Denn die Handwerksbranche sucht händeringend verlässliche Leute. "Der Markt ist leer gefegt", sagt Geschäftsführer Schmidt. Ihm sei es egal, woher jemand komme, Hauptsache, er passe ins Team und arbeite gut. Das Unternehmen habe auch schon Leute aus Frankreich und Polen eingestellt oder junge Russland-Deutsche ausgebildet. Derzeit ist auch ein Syrer Azubi.

Einen Facharbeiter-Schein kann Bohamdan immer noch machen. "Das geht auch berufsbegleitend", beruhigt Schönberger seinen "Kunden". Dann dürfte der Elektriker als Geselle auch unter "Spannung" arbeiten und Projekte selbstständig managen. Die Arbeitsvermittler und sein Chef sind jedenfalls überzeugt, dass Bohamdan auch diese Hürde schaffen kann.

Jörg Fischer


Kirchen

Berliner Bischof begrüßt Sozialpolitik des rot-rot-grünen Senats




Bischof Markus Dröge
epd-bild/Winfried Rothermel

Der Berliner evangelische Bischof Markus Dröge begrüßt die sozialpolitische Schwerpunktsetzung des neuen Berliner Senats. "Die wesentlichen Probleme sind erkannt worden und es sind auch Entscheidungen in die richtige Richtung getroffen worden", sagte Dröge dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Als Beispiel nannte der Theologe die stärkere Förderung des sozialen Wohnungsbaus, die Anhebung der Wohnungszuschüsse für Hartz IV-Bezieher und die Aufstockung der Notquartiere in der Kältehilfe von 800 auf 1.000 Plätze. Handlungsbedarf sieht die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) vor allem bei einer Regelfinanzierung für die offene Jugendarbeit und für eine unabhängige Sozialberatung.

"Religion kommt im Koalitionsvertrag nicht vor"

Am Koalitionsvertrag von SPD, Linken und Grünen bemängelt Dröge, dass Religion und Kirche im Koalitionsvertrag des neuen rot-rot-grünen Senats der Bundeshauptstadt kaum vorkommen. "Alle Tendenzen zur Privatisierung von Religion halten wir für schädlich", sagte der Bischof dem Evangelischen Pressedienst: "Religion will gelebt sein." Es müsse immer wieder deutlich gemacht werden, dass das deutsche Modell einer fördernden Neutralität des Staates ein Erfolgsmodell sei.

Tendenziell sei die in die Opposition gedrängte CDU nach Auffassung des Bischofs im Bildungsbereich stärker auf Seite der Kirchen gewesen. Grundsätzlich erwartet Dröge in Fragen des Religionsrechts aber "keine großen Schwierigkeiten".

Seine ersten Kontakte zum für Kirchen zuständigen Kultursenator Klaus Lederer (Linke) bewertet Dröge positiv: "Er ist ein feinsinniger Kunst- und Kulturmensch, der auch gegenüber der evangelischen Kirche sehr aufgeschlossen ist." Er erwarte mit dem rot-rot-grünen Berliner Senat eine ebenso pragmatische Zusammenarbeit der Landeskirche wie mit der rot-roten Landesregierung in Brandenburg.

Kritik an der Person von Staatssekretär Holm

Dröge äußerte sich befremdet darüber, wie der von den Linken benannte Bau-Staatssekretär Andrej Holm, dessen Stasi-Belastung derzeit geprüft wird, sein Leben in der DDR darstelle. "Für mich wirkt das verharmlosend", sagte der Bischof. Aber: "Ich will mich nicht zum Richter aufspielen." Die Entscheidung über Holms Verbleib im Amt müssten andere treffen. Er erwarte allerdings, sich der anderen DDR-Realität von Unterdrückung und Verfolgung zu stellen.

Für den Fall, dass Holm im Amt bleibe, riet Dröge dem von den Linken benannten Stadtentwicklungsexperten zu einem Besuch in der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen. "Ich kenne einen ehemaligen Häftling, der dort einsitzen musste, weil seine Berichte von Punk-Konzerten in den Westen gelangt sind", sagte Dröge. Von diesem Ex-Häftling wünsche er Holm eine Führung durch das ehemalige Berliner Stasi-Gefängnis.

Dröge forderte die Linkspartei auf, "sich offensiver mit ihrer eigenen Geschichte in Bezug auf bedrängte Christen während der Zeit der kommunistischen Diktatur" auseinanderzusetzen. In Brandenburg habe sich die Regierung klar positioniert. "Darauf müssen wir auch in Berlin bestehen", sagte der Bischof. Auf Ebene der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gibt es mit der Linkspartei bisher nicht dieselben regelmäßigen Kontakte des Rates der EKD wie mit den anderen im Bundestag vertretenen Parteien. Dröge ist Mitglied des EKD-Rates.

Jens Büttner, Thomas Schiller


Bundesinstitut

Ausbildungsvergütungen in Ost und West gleichen sich an



Die tariflichen Ausbildungsvergütungen in West- und Ostdeutschland gleichen sich immer mehr an. Im vergangenen Jahr seien die Vergütungen in Ostdeutschland um 4,9 Prozent auf durchschnittlich 807 Euro brutto im Monat gestiegen, teilte das Bundesinstitut für Berufsbildung am 5. Januar in Bonn mit. Zugleich legten die Entgelte für Auszubildende in Westdeutschland um 3,2 Prozent auf 859 Euro pro Monat zu. Damit wurde in den ostdeutschen Bundesländern 94 Prozent der westlichen Vergütungshöhe erreicht.

Aufgrund der guten Wirtschaftslage in Deutschland, aber auch wegen der wachsenden Schwierigkeiten vieler Betriebe, Ausbildungsplätze zu besetzen, wurden die tariflichen Ausbildungsvergütungen in den letzten Jahren den Angaben zufolge immer wieder deutlich angehoben: im Osten stärker als im Westen.

Das Bundesinstitut hatte bei seiner Untersuchung die tariflichen Ausbildungsvergütungen für das Jahr 2016 ausgewertet. Ermittelt wurden die durchschnittlichen Vergütungen für 181 Berufe in West- und 151 Berufe in Ostdeutschland. Das Institut führt die Auswertung seit 1976 jährlich zum 1. Oktober durch.

Zwischen den einzelnen Ausbildungsberufen bestehen der Untersuchung zufolge erhebliche Unterschiede in der Vergütungshöhe. Besonders hoch lagen 2016 die tariflichen Ausbildungsvergütungen in den Berufen des Bauhauptgewerbes - etwa Maurer - mit monatlich 1.042 Euro im Gesamtdurchschnitt. Sehr hohe tarifliche Vergütungen wurden auch in den Berufen Kaufmann/-frau für Versicherungen und Finanzen (1.028 Euro) und Mechatroniker (1.023 Euro) gezahlt. Vergleichsweise niedrig waren die tariflichen Vergütungsdurchschnitte für Florist (587 Euro) und Schornsteinfeger (495 Euro).



Sachsen-Anhalt

Land übernimmt Vorsitz der Familienministerkonferenz



Sachsen-Anhalt übernimmt in diesem Jahr den Vorsitz der Jugend- und Familienministerkonferenz. Für den 18. und 19. Mai seien Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) und die zuständigen Landesminister zur Konferenz nach Quedlinburg eingeladen, teilte das Sozialministerium am 10. Januar in Magdeburg mit.

Ein Schwerpunkt sei die Stärkung der frühkindlichen Bildung und der qualitative Ausbau der Kinderbetreuung. Sachsen-Anhalt übernimmt den Vorsitz der Fachministerkonferenz von Sachsen. Der Vorsitz wechselt jährlich.

Mit der frühkindlichen Bildung in den Kindertageseinrichtungen würden Grundlagen für spätere Bildungs-, Berufs- und Lebenswege gelegt, sagte Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) in Magdeburg. "Hier tragen Bund, Länder, Kommunen und Träger sowie die Wirtschaft eine gemeinsame Verantwortung. Gemeinsame Kooperationen auf lokaler, Landes- und Bundesebene sollen auf- und ausgebaut werden." Grimm-Benne sagte, eine gute Kindertagesbetreuung leiste einen wichtigen Beitrag zur Integration und Chancengerechtigkeit.



Hessen

Neue Anlaufstelle hilft Psychiatrie-Opfern



Eine neue Beratungsstelle in Hessen hilft Menschen, die als Jugendliche in Behinderteneinrichtungen oder in der Psychiatrie Leid erfahren haben. Die Anlaufstelle der Stiftung "Anerkennung und Hilfe" in Gießen sei für ganz Hessen zuständig, teilte das Regierungspräsidium Gießen am 5. Januar mit.

Die Stiftung unterstütze Menschen, die in ihrer Jugend zwischen 1949 und 1975 in der Bundesrepublik oder bis 1990 in der DDR in einer stationären Einrichtung Repressalien erlitten hätten, heißt es. Viele kämpften noch heute mit den Folgen.

Häufig hätten die Betroffenen in den Einrichtungen gearbeitet, ohne dass in die Rentenkasse eingezahlt wurde. Um sie zu unterstützen, haben der Bund, die Länder und die Kirchen am 1. Januar die Stiftung "Anerkennung und Hilfe" gegründet, hieß es.



Bayern

Mehr Stellen für die Jugendsozialarbeit



Die bayerische Sozialministerin Emilia Müller (CSU) will die Jugendsozialarbeit ausbauen. Die bisherigen 810 Stellen für Jugendsozialarbeiter sollen bis Ende nächsten Jahres auf 1.000 Stellen aufgestockt werden, kündigte die Ministerin am 6. Januar an.

Die Jugendsozialarbeit erreiche als Außenstelle des Jugendamts an Schulen sozial benachteiligte oder beeinträchtigte junge Menschen genau dort, wo sie zu finden sind, sagte die Ministerin. Dadurch werde diesen Jugendlichen geholfen, ihr Leben zu meistern, in der Schule erfolgreich zu sein und am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Für diese Sozialarbeit stelle der Freistaat Bayern in diesem Jahr 23 Millionen Euro zur Verfügung.

Mit den Investitionen ist es den Jugendsozialarbeitern derzeit möglich, an rund 1.100 Schulen aktiv zu sein. Bis 2018 wollen Freistaat und Kommunen gemeinsam die Zahl deutlich steigern.



Kommunen

Städtetagspräsidentin fordert Ausweitung des Jugendstrafrechts



Die Oberbürgermeisterin der Stadt Ludwigshafen, Eva Lohse (CDU), hat für eine Ausweitung des Jugendstrafrechts plädiert. Anlass für diese Überlegungen sei der Fall eines Zwölfjährigen, der Anfang Dezember einen islamistisch motivierten Anschlag auf den Ludwigshafener Weihnachtsmarkt geplant haben soll, sagte die Präsidentin des Deutschen Städtetages am 9. Januar.

Lohse betonte, dass der Fall des mutmaßlich radikalisierten Jungen Bürger und Behörden in der Stadt am Rhein sehr betroffen gemacht habe. Man habe es nicht für möglich gehalten, dass ein Kind derart radikalisiert sein könne. Da der Zwölfjährige aber strafunmündig ist, griffen die Strafgesetze nicht.

Die Präsidentin des Städtetages rief die Kommunen dazu auf, "im Rahmen ihrer Möglichkeiten" mehr für die Sicherheit zu tun. "Das ist sicherlich so, dass mit dem Anschlag in Berlin, tatsächlich, dieser islamistische Terror in Deutschland angekommen ist und dass die Menschen sich verunsichert fühlen." Deswegen müssten die Kommunen die Arbeit der Sicherheitsbehörden verbessern.

So habe etwa die Stadt Ludwigshafen die Zahl der Sicherheitskräfte aufgestockt. Man müsse aber auch darüber nachdenken, wie mit abgelehnten Asylbewerbern umzugehen sei, ob es Vollzugsdefizite gebe und ob und wie man sie zurückführe.



Ausstellung

Bundestag zeigt Foto-Porträts von Menschen aus Bethel



Eine Ausstellung mit Porträts des Fotografen Jim Rakete von Menschen aus Bethel wird am 17. Januar im Bundestag eröffnet. Unter dem Titel "Wir sind viele" würden 50 Menschen mit Behinderungen, Epilepsie oder Suchtkrankheiten einfühlsam und würdevoll ins Licht gesetzt, erklärten die v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel am 10. Januar in Bielefeld.

Die Schau, die von Bundestagsvizepräsidentin Ulla Schmidt (SPD) eröffnet wird, ist als offizielle Ausstellung Teil der Gedenkveranstaltung des Deutschen Bundestages am 27. Januar für die Opfer des Nationalsozialismus. In diesem Jahr steht die Ermordung behinderter Menschen im Zuge des NS-Euthanasieprogramms im Mittelpunkt.

Der bekannte Porträtfotograf Rakete habe im Auftrag von Bethel die unterschiedlichsten Einrichtungen der v. Bodelschwinghschen Stiftungen unter anderem in Bielefeld, Berlin, Hannover und Dortmund besucht, hieß es. Zu der Eröffnung werden viele Porträtierte nach Berlin reisen.

Die Schau ist Auftakt für das Festjahr Bethels zum 150-jährigen Bestehen. Im Jahr 1867 begann in Bielefeld die Arbeit mit der Fürsorge für epilepsiekranke Jugendliche. Heute gehören die v. Bodelschwinghschen Stiftungen zu den größten diakonischen Unternehmen Europas.



Niedersachsen

Bei Asylverfahren digitale Kommunikation mit Bundesamt



Niedersachsen will die Asylverfahren durch eine Digitalisierung der juristischen Kommunikation weiter beschleunigen. Die Verwaltungsgerichte des Bundeslandes kommunizierten jetzt vollständig elektronisch mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), teilte Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne) am 10. Januar in Hannover mit.

"Jedes Asylverfahren berührt das Leben eines Menschen in ganz elementarer Weise", sagte die Ministerin. Umso wichtiger sei es, diese Verfahren so zügig wie möglich abzuschließen. Die Unsicherheit über die eigene Zukunft dürfe für niemanden unnötig andauern.

Bereits seit dem April 2016 nehmen die Verwaltungsgerichte des Bundeslandes alle vom BAMF elektronisch geführten Asylakten über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) entgegen. Jetzt ist es den Gerichten auch möglich, dem BAMF Beschlüsse und Urteile digital zuzustellen und die Kommunikation mit den Anwälten in elektronischer Form abzuwickeln.



Rheinland-Pfalz

Landesweites Krebsregister soll Therapiemöglichkeiten verbessern



Ärzte und Wissenschaftler sollen in Kürze auf eine umfassende Datensammlung zu sämtlichen Krebserkrankungen in Rheinland-Pfalz zugreifen können. Die seit einem Jahr gültige Pflicht, alle Krebs-Diagnosen und -Behandlungen an die dazu gegründete "Krebsregister Rheinland-Pfalz gGmbH" zu melden, wird nach Überzeugung des Landes auch den Patienten helfen. Die Daten des Krebsregisters könnten beispielsweise dabei helfen, besonders erfolgreiche Therapie-Ansätze zu erkennen, sagte die rheinland-pfälzische Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) am 10. Januar bei der Vorstellung der neuen Institution.

In Rheinland-Pfalz erkrankten nach Angaben der Ministerin allein im Jahr 2015 rund 33.000 Menschen neu an Krebs. Die Fallzahl werde künftig wegen der höheren Anzahl älterer Menschen voraussichtlich weiter ansteigen. In der Vergangenheit wurden bundesweit lediglich statistische Daten zu Krebserkrankungen in einzelnen Regionen und Altersgruppen erhoben. Neu ist, dass detaillierte klinische Daten zum Krankheitsverlauf aller Patienten gesammelt werden. Diese persönlichen Daten sind nur für behandelnde Mediziner einsehbar. Anonymisierte Auswertungen über den Erfolg von Behandlungen oder Rückfallquoten sollen einem größeren Personenkreis offengelegt werden.

Mit der Gründung der gemeinnützigen Krebsregister-GmbH durch das Land und die Mainzer Universitätsmedizin wurde eine auf Bundesebene beschlossene Reform in Rheinland-Pfalz umgesetzt. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern verzichtet Rheinland-Pfalz auf die Androhung von Ordnungsgeldern für den Fall, dass der Meldebogen für einen neuen Patienten nicht beim Krebsregister eingereicht wird. Die Ministerin und die Vorstandsvorsitzende der Universitätsmedizin, Babette Simon, appellierten an alle behandelnden Ärzte, ihrer gesetzlichen Meldepflicht dennoch nachzukommen.

Die Arbeit der neuen Institution wird größtenteils von den gesetzlichen Krankenkassen finanziert, die dafür drei Millionen Euro pro Jahr bereitstellen. Das Land Rheinland-Pfalz beteiligte sich 2016 mit einer Million Euro an den Kosten, bis 2018 soll der Landesanteil auf 825.000 Euro sinken.



Freiwillige

Gemeinsame Ehrenamtskarte für Berlin und Brandenburg



Berlin und Brandenburg geben künftig eine gemeinsame Ehrenamtskarte zur Anerkennung von freiwilligen Engagement heraus. Mit der gold-roten Karte bekommen Ehrenamtler aus beiden Bundesländern Vergünstigungen wie ermäßigte Eintrittspreise bei insgesamt rund 140 Partnern in der Region. Die neue einheitliche "Karte für alle" sei ein weiterer sichtbarer Ausdruck der Zusammenarbeit der beiden Länder, erklärten Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke und Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (beide SPD) bei der Vorstellung am 11. Januar in der Bundeshauptstadt.

Voraussetzung für den Erhalt der Karte ist ein freiwilliges Engagement von mindestens einem Jahr mit mindestens 200 Stunden. Zudem muss die ehrenamtliche Tätigkeit auch weiter fortgesetzt werden. Karteninhaber bekommen Ermäßigungen auf Eintritte etwa im Filmpark Babelsberg, im Berliner Bröhan-Museum und bei Bundesligist Hertha BSC oder erhalten Rabatte in beteiligten Geschäften.

Brandenburg konnte bislang 105 Partner für die Ehrenamtkarte gewinnen, Berlin 39. In der Mark haben seit Einführung im Jahr 2013 etwa 1.600 ehrenamtlich Engagierte die Karten erhalten, in Berlin seit 2011 etwa 4.500 Personen pro Jahr. Die neue, länderübergreifende Ehrenamtskarte ist drei Jahre gültig.



Nordrhein-Westfalen

Präventionsprojekt "Kein Kind zurücklassen" wird ausgeweitet



Nordrhein-Westfalen weitet sein Präventionsprogramm "Kein Kind zurücklassen" deutlich aus. An der Landesinitiative beteiligen sich ab sofort weitere 22 Kommunen, wie das NRW-Familienministerium am 12. Januar in Düsseldorf mitteilte. Zusammen mit 18 Städten und Gemeinden aus dem 2012 gestarteten Modellvorhaben umfasst das Netzwerk jetzt 40 Teilnehmer. Dadurch werden 60 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen erreicht.

Familienministerin Christina Kampmann (SPD) sagte, die Landesregierung setze nun ihr Versprechen um, dass alle Kommunen in Nordrhein-Westfalen von den positiven Erfahrungen der Modellphase profitieren sollten. Unter den neuen Kommunen befinden sich die acht kreisfreien Städte Aachen, Bochum, Bottrop, Herne, Köln, Krefeld, Leverkusen und Mülheim. Daneben beteiligen sich die acht Kreise Coesfeld, Euskirchen, Herford, Lippe, Recklinghausen, Siegen-Wittgenstein, Steinfurt sowie der Rheinisch-Bergische Kreis. Auch sechs kreisangehörige Städte sind nun Teil der Landesinitiative: Ahlen, Brühl, Dinslaken, Gummersbach, Monheim und Neuss.

Die Initiative "Kein Kind zurücklassen" setzt laut Ministerium auf eine Politik der Vorbeugung, die allen Kindern gleiche Chancen auf ein gutes Aufwachsen, auf Bildung und auf gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen soll - unabhängig von ihrer sozialen Herkunft und vom Geldbeutel ihrer Eltern. Kinder-, Jugend- und Familienhilfe, aber auch Kitas, Schulen, Sportvereine, Jugendämter, Ärzte, die Polizei sollen dabei systematisch zusammenarbeiten. Das fängt schon bei der Schwangerschaft an und geht bis zum Eintritt in das Berufsleben.

Die Landesregierung verspricht, dass bis 2020 alle interessierten Kommunen aus Nordrhein-Westfalen Teil des Netzwerks werden können. Jede neue Kommune erhält eine jährliche Förderung in Höhe von 30.000 Euro zur Koordinierung der Präventionsarbeit vor Ort.




sozial-Branche

Barrierefreiheit

Bei "Capito" hat kompliziertes Amtsdeutsch keine Chance




Das Team von "Capito" Schleswig-Holstein.
epd-bild/Norddeutsche Gesellschaft fuer Diakonie
Die Schleswiger Werkstätten der Diakonie haben vor einem Jahr das Projekt "Capito" gestartet. Amtliche Mitteilungen oder Medikamentenhinweise werden in allgemeinverständliches Deutsch übersetzt. Jetzt wurde eine erste Bilanz gezogen.

Das Vorhaben leuchtet jedem Menschen ein, der Kontakt mit Ämtern hat: Das Amtsdeutsch soll verständlicher werden. Die Schleswiger Werkstätten der Diakonie starteten deshalb im Februar 2016 das Projekt "Capito". Aber nicht nur Amtsdeutsch, auch Beipackzettel von Medikamenten oder Daten-Sicherheitshinweise werden seitdem unter die Lupe genommen. Sie werden so übersetzt, dass auch Menschen sie verstehen, die aus verschiedenen Gründen nicht gut lesen und schreiben können. "Das Jahr 2016 war erfolgreich", sagt "Capito"-Leiterin Anna Lang.

Für Behinderte unverständlich

Zu den Kunden von "Capito" gehören etwa der Kreis Schleswig-Flensburg, die Schleswiger Stadtwerke und die Kreismusikschule in Schleswig. Erste Kontakte gibt es auch mit dem Kreis Nordfriesland, so Anna Lang. Es habe sich bereits nach fast einem Jahr "Capito" gezeigt, dass sich die intensive Schulung der drei Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelohnt hat. In den Schleswiger Werkstätten bearbeiten Menschen mit Behinderungen gemeinsam mit den "Capito"-Mitarbeitern schwierige Texte.

Die 22-jährige Anna Kunkowski arbeitet in einer Montage-Gruppe in den Werkstätten der Diakonie und hat sich zu einer Prüfexpertin entwickelt. Ihr Fazit: "Capito ist cool, ich bin gerne dabei. Wir haben leichte Texte gelesen und geprüft, ob sie zu verstehen sind und ob die Schrift groß genug ist." Das sieht auch Prüfexperte Thomas Gosch (34) so, der in der Elektromontage arbeitet: "Die Texte, die wir gelesen haben, waren gut übersetzt, die konnte man gut verstehen. Schön wäre, wenn auch mal Handyverträge oder Anleitungen übersetzt werden."

Anna Lang verweist auf verschiedene Spracheinstufungen. In der Stufe "B 1" heißt es beispielsweise: "Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage. Fragen Sie auch Ihre Ärztin oder Ihren Arzt oder in der Apotheke." Übersetzt in die noch leichtere Verständnisgruppe "A 1" lautet der Text dann: "Medikamente sollen Ihnen helfen, damit Sie gesund werden. Aber manchmal können die Medikamente Ihnen auch schaden. Nehmen Sie ein Medikament nur dann, wenn Ihre Ärztin oder Arzt einverstanden ist."

Echte Übersetzungsleistung

Komplizierter war ein Briefentwurf der Schleswiger Stadtwerke: "Die Anhebung der durch die Bundesnetzagentur reglementierten Netzentgelte, die durch die Senkung der im Saldo gesunkenen staatlichen Abgabe leider nicht aufgefangen werden kann, würde einer Preissenkung entgegenstehen. Aufgrund unserer optimierten Beschaffungspolitik ist es uns aber möglich, die an der Strombörse erzielten Vorteile an Sie weiterzugeben."

Da mussten die "Capito"-Leute ran. Die Übersetzung: "Eigentlich wäre es momentan nicht möglich, die Strompreise zu senken. Wir bezahlen zwar jetzt weniger staatliche Abgaben, aber die Nutzung der Stromnetze ist teurer geworden. Die Preise für die Nutzung genehmigt die Bundesnetzagentur. Trotzdem haben wir es geschafft, den Strom so günstig zu beschaffen, dass wir diese Vorteil an Sie weitergeben können." Dieser übersetzte Brief wurde dann den Kunden der Stadtwerke vorgelegt.

Die "Capito"-Aktiven bieten auch selbst Fortbildungen an. An den Lehrgängen nahmen bislang unter anderem Mitarbeiter aus den diakonischen Werkstätten Rendsburg, Fockbek, Eckernförde und Husum teil. Vom Kreis Schleswig-Flensburg waren Mitarbeiter aus der Eingliederungshilfe, der Rechtsabteilung und des Jugendamtes dabei. Zum Abschluss erhalten sie ein "Capito"-Zertifikat, dass sie Texte in einfache Sprache übersetzen können.

Hartmut Schulz


Hilfsorganisationen

Luftbrücke nach Saigon




Ein kriegsverletztes vietnamesisches Kind wird 1968 aus dem Flugzeug getragen.
epd-bild / terre des hommes
Aus dem Vietnamkrieg in deutsche Krankenhäuser: Mit der Hilfe für schwer verletzte Kinder begann vor 50 Jahren die Arbeit des Kinderhilfswerks terre des hommes. Die Kriegsopfer von einst sind bis heute dankbar.

Die Macht der Bilder hat die Vietnamesin Chinh Vo Thi einst nach Deutschland gebracht. Fotos und Filmaufnahmen von verwundeten und verängstigten Kindern, Opfer des Vietnamkriegs, gingen in den 60er Jahren um die Welt. Der Grafik-Designer Lutz Beisel war zutiefst erschüttert: "Die Bilder haben mir den Schlaf geraubt." Beisel gründete nach dem Vorbild der gleichnamigen Schweizer Organisation am 8. Januar 1967 in Stuttgart das Kinderhilfswerk terre des hommes, um schwer verletzte Kinder nach Deutschland holen zu können.

Vo Thi gehörte zu den rund 200 Mädchen und Jungen, die bis 1971 zur medizinischen Behandlung eingeflogen wurden. "Ich bin hier und warte auf Dich", habe ihr Vater damals beim Abschied zu ihr gesagt. "Diesen Satz habe ich nie vergessen", sagt die 53-Jährige heute. Sie hat ihren Vater nicht wiedergesehen. Ein Jahr später ist er gestorben, "weil er krank war und aus Sehnsucht nach seiner Tochter", berichtet Vo Thi in einer E-Mail dem Evangelischen Pressedienst (epd). Sie selbst kehrte erst 1974 in ihre Heimat zurück.

Rückkehr der Kinder war vereinbart

Terre des hommes hatte mit der vietnamesischen Regierung vereinbart, dass die Jungen und Mädchen nach Vietnam zurückgebracht würden, wenn ihre Behandlung abgeschlossen wäre. Die Patienten im Alter zwischen vier und 16 Jahren hatten Granat- oder Bombensplitter abbekommen, Schussverletzungen, Verbrennungen, manche waren querschnittsgelähmt oder blind.

Auch Tho Beckmann ist eines der "Kinder von terre des hommes". Diese Bezeichnung hat die 65-Jährige für sich und die anderen geprägt. "Denn unser Leben bleibt immer mit terre des hommes verbunden." Sie gehört zu den ganz Wenigen, die in Deutschland geblieben sind. Nach dem Zusammenbruch des Regimes in Südvietnam im Frühjahr 1975 habe es keine Rückführungen mehr gegeben. Das sei ihr Glück gewesen.

Für Beckmann, die durch eine Schussverletzung querschnittsgelähmt ist, entwickelte sich danach eine ganz besondere Beziehung zu "ihrem" Kinderhilfswerk. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin. Kurz darauf bekam sie eine Stelle bei terre des hommes. Später arbeitete sie als Referentin für Vietnam. Auch nach 42 Jahren denkt sie nicht ans Aufhören: "Ich bin verwurzelt mit terre des hommes. Und ich fühle, dass meine Arbeit immer noch einen Sinn hat."

Hilfe in Vietnam dauert bis heute an

Und immer kümmerte sich Beckmann auch um die nach Vietnam zurückgekehrten Kriegsopfer - bis heute. "Die, die noch leben, brauchen immer noch Hilfe. Sie leiden jetzt im Alter und aufgrund des feuchten Klimas unter den Spätfolgen ihrer Verletzungen", sagt die Ehefrau und Mutter eines erwachsenen Sohnes. Auf dem Land fehle es an Infrastruktur, damit etwa Rollstuhlfahrer dort selbstständig leben könnten.

Operationen, Therapien und Anpassungen von Prothesen in Deutschland dauerten damals oft Jahre, erzählt Beckmann. Viele Kinder verbrachten Monate in Kliniken. Auch Chinh Vo Thi verbrachte zweieinhalb Jahre im Krankenhaus in Hamburg-Barmbek, musste mehrfach operiert werden. Bombensplitter in ihrer Schulter hatten auch bei ihr eine Querschnittslähmung verursacht. Eine Pflegemutter holte sie an den Wochenenden zu sich nach Hause. "Ich habe nur schöne Erinnerungen daran." Danach sprach sie nur noch Deutsch.

Seit 1971 gibt es ein Pädagogisches Zentrum

1971 wurde sie nach Dehme nahe Bad Oeynhausen gebracht. Dort hatte terre des hommes ein Pädagogisches Zentrum eingerichtet, um die Jungen und Mädchen auf die Rückreise vorzubereiten. Sie erhielten Unterricht in Vietnamesisch und Deutsch und bekamen eine berufsbezogene Ausbildung. "Ich kann nur sagen, dass war die schönste Zeit meines Lebens", sagt Vo Thi. "Hier lebten wir zusammen wie eine große Familie. Uns fehlte nichts."

Im November 1974 wurde Vo Thi zusammen mit anderen zurückgebracht. Vor allem der Anfang in dem von Armut geprägten Land sei schwer gewesen, erinnert sie sich. Aber sie hat es geschafft. Heute lebt Vo Thi in einer Wohnung neben einem Reha-Zentrum, das terre des hommes 1983 errichtet hat, und arbeitet für eine deutsche Firma: "Bis heute denke ich noch gerne an die Vergangenheit. Ich danke so vielen lieben Menschen in Deutschland. Wenn terre des hommes mich nicht dahin gebracht hätte, weiß ich nicht, was aus mir geworden wäre."

Martina Schwager


Hilfsorganisationen

50 Jahre Hilfswerk terre des hommes



Das Kinderhilfswerk terre des hommes mit Sitz in Osnabrück wurde vor 50 Jahren, am 8. Januar 1967, unter dem Eindruck des Vietnamkriegs gegründet. Vorbild war die gleichnamige Organisation in der Schweiz. Der französische Name terre des hommes steht für "Erde der Menschlichkeit".

Wie die Schweizer Organisation begann auch das deutsche Hilfswerk terre des hommes Mitte 1967, schwer verletzte Kinder aus Vietnam zur medizinischen Behandlung nach Deutschland zu fliegen. Rund 200 Jungen und Mädchen kamen bis 1971 in deutsche Krankenhäuser. Terre des hommes baute Zentren für ihre Weiterbetreuung in Dehme bei Bad Oeynhausen und später in Vietnam. Denn bis auf eine Handvoll von ihnen mussten alle in ihre Heimat zurückkehren.

Das Hilfswerk wuchs schnell und organisierte weitere Projekte etwa für hungernde Kinder aus Nigeria. In den 70er Jahren war die Vermittlung von Auslandsadoptionen ein Schwerpunkt der Arbeit. Das Hilfswerk entwickelte Auswahlverfahren und Standards für Auslandsadoptionen, die auch von staatlichen Stellen übernommen wurden. 1994 wurde beschlossen, das Programm einzustellen. Im Verein hatte sich die Ansicht durchgesetzt, dass es besser sei, die Projekte für Waisenkinder in den jeweiligen Ländern auszubauen.

Das Engagement für Kinderrechte, der Kampf gegen Kinderarbeit, sexuelle Ausbeutung und gegen den Einsatz von Kindersoldaten wurde ein wichtiger Teil der Arbeit von terre des hommes. Jungen und Mädchen sollen Schulen besuchen können und Ausbildungen erhalten, um einmal auf eigenen Füßen zu stehen. Von Anfang an arbeitete das Hilfswerk ausschließlich mit Partnern in Afrika, Asien und Lateinamerika zusammen.

Auch die Nothilfe und der Wiederaufbau nach Naturkatastrophen, etwa nach dem Tsunami 2004 in Südasien oder dem Erdbeben 2010 in Haiti, gewannen an Bedeutung. Seit 2015 kümmert sich terre des hommes auch um Flüchtlingskinder in Deutschland, entlang der Fluchtrouten und im Nahen Osten.

Das Kinderhilfswerk nahm 2015 knapp 23 Millionen Euro ein. 18 Millionen davon waren Spenden. Nach Angaben von terre des hommes kam das Geld rund 800.000 Kindern und Jugendlichen zugute.



Pflege

Interview

"Internet vereinfacht die Suche nach Helfern in der Pflege"




Tim Kahrmann
epd-bild/privat
Tim Kahrmann hat mit zwei Informatikstudenten an der Universität Witten/Herdecke das Start-up-Unternehmen "Pflegix" gegründet. Es will per Online-Plattform Pflegebedürftige und Helfer für die Betreuung daheim zusammenbringen. Schnell und unkompliziert soll das geschehen. Noch ist das neue Angebot nicht flächendeckend nutzbar, doch das soll sich ändern.

"Pflegix" reagiere auf die wachsende Nachfrage nach flexiblen Dienstleistungen von Senioren im eigenen Haushalt, sagte Tim Kahrmann dem Evangelischen Pressedienst (epd). Über die Online-Plattform hätten sich bereits 3.000 Helfer registrieren lassen, die ihre Dienste anbieten. Der neue Service sei in 14 Städten in Nordrhein-Westfalen, Frankfurt am Main und Hamburg nutzbar - und soll in diesem Jahr deutlich ausgeweitet werden. Wie die Plattform funktioniert und wer sie nutzen kann, verrät Kahrmann im Gespräch mit Dirk Baas.

epd sozial: Herr Kahrmann, Sie haben Ihr Startup-Unternehmen "Pflegix" getauft. Wie kam es zu dieser ungewöhnlichen Wortschöpfung?

Tim Kahrmann: Startups stehen ja bekanntlich für Dynamik und Innovation, die wir in den Pflegesektor bringen wollen. Für diese Aufgabe suchten wir nach einem kurzen, knackigen Namen, der im Gedächtnis bleibt. Aus Pflege plus "X", dem gewissen Etwas, wurde dann "Pflegix".

epd: Sie und ihre zwei Mitgründer wollen professionelle Helfer und Pflegebedürftige zusammenbringen und nutzen dazu das Internet. Warum ist es ohne eine solche Plattform so schwierig, beide Parteien zusammenzubringen?

Kahrmann: Die Suche nach passender Unterstützung kann sich organisatorisch und zeitlich sehr aufwändig gestalten. Man kann das mit einem Bewerbungsprozess vergleichen, mit dem Firmen ganze Abteilungen beschäftigen. Die suchenden Angehörigen stehen jedoch meist allein da, sind unerfahren und brauchen händeringend Hilfe, sind also in Zeitnot. Wir vereinfachen und beschleunigen die Suche für sie, indem wir über unsere Internetplattform in der Nähe verfügbare Helfer aufzeigen und den Suchprozess mittels verschiedener Filterfunktionen vereinfachen.

epd: Welchen konkreten Nutzen bringt das?

Kahrmann: Die Angehörigen innerhalb weniger Minuten und ohne Risiken einen Überblick passender Helfer aus der Umgebung und können sich mittels der Helferprofile einen ersten Eindruck verschaffen. Eine Einladung passender Helfer zum persönlichen Kennenlernen ist dann mit nur einem Knopfdruck möglich.

epd: Pflegebedürftige sind ja zumeist ältere Menschen, die gar kein Internet haben. Wie soll das funktionieren?

Kahrmann: Das ist eine sehr berechtigte Frage. Die "Entscheider" sind allerdings meist die Kinder oder andere Angehörige, die in der Regel eine Generation jünger sind und damit eine viel höhere Affinität für die digitalen Medien mitbringen. Und man unterschätzt, wie vertraut mittlerweile Mitte 50-Jährige mit den modernen Technologien schon sind. So greift zum Beispiel mehr als die Hälfte unserer Nutzer über ein mobiles Gerät auf unserer Plattform zu, Tendenz steigend. Wir sehen es als unsere Aufgabe an, diese Digitalisierung in der Pflege mit voran zu treiben.

epd: Ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen suchen händeringend qualifiziertes Personal. Es fehlt allerorten an Pflegeprofis. Können Sie vor diesem Hintergrund überhaupt genügend Interessenten für ihre Angebote finden?

Kahrmann: Wir hören auch sehr viel davon. Uns bietet sich jedoch auf unserer Plattform ein anderes Bild. Bei uns registrieren sich eine Vielzahl professioneller Pflegekräfte und Pflegehelfer - in der Regel ist unter vier Helfern eine professionelle Kraft dabei. Es gibt jedoch ein wachsendes Bedürfnis nach mehr Wertschätzung und Selbstbestimmung im Bereich der Pflege. So kommt für immer mehr Pflegekräfte neben einer klassischen Anstellung auch eine selbstständige oder freiberufliche Tätigkeit in Frage. Dieser Trend spielt uns voll in die Karten.

epd: Sie werben damit, dass Pflegix viele kleinere Hilfestellungen im Alltag der betreuten Personen ermöglicht? Das klingt danach, dass das Angebot keineswegs nur die klassische Pflege umfasst?

Kahrmann: Richtig. Es gibt immer mehr ältere Menschen, die zwar kleinere Hilfestellungen im Alltag benötigen, aber gern so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden leben möchten. Das macht sie noch lange nicht pflegebedürftig, da sie den Großteil ihres Alltags durchaus noch ohne fremde Hilfe bewältigen können. Deshalb bieten unsere Helfer auch Unterstützung bei Aufgaben, die normalerweise Angehörige übernehmen, wie Gesellschaft leisten, Reinigung der Wohnung, Unterstützung beim Einkauf von Lebensmitteln oder der Zubereitung von Mahlzeiten.

epd: Vermutlich ist es einfacher, das neue Angebot in großen Städten zu etablieren. Funktioniert die Idee auch im flachen Land?

Kahrmann: Wir konzentrieren uns bei der Erschließung neuer Regionen zunächst auf größere Städte, weil hier mehr Menschen leben und die Nachfrage entsprechend groß ist. Aber unser System funktioniert auch sehr gut in weniger dicht besiedelten Räumen. Denn unsere Erfahrung zeigt, dass sich unser Konzept nach und nach in die umliegenden Regionen einer Stadt "verselbstständigt".

epd: Sie vermitteln nur das Personal und kümmern sich um die Anrechnung. Wie stellen Sie sicher, dass unter den Vermittelten keine "schwarzen Schafe" sind?

Kahrmann: Die Sicherheit der auf unserem Marktplatz registrierten Familien und Helfer hat für uns höchste Priorität. Daher implementieren wir eine Reihe von Maßnahmen, Prozessen und Verhaltensregeln, die eine sichere und vertrauenswürdige Interaktion zwischen den Familien und Helfern ermöglichen.

epd: Haben Sie ein Beispiel?

Kahrmann: Wir haben die sogenannten Vertrauenspunkte entwickelt, mittels derer wir die Vertrauenswürdigkeit der Helfer in einem einzelnen Wert abbilden und den Angehörigen Orientierung geben möchten. In diese Punkte spielen Faktoren mit ein, wie beispielsweise Bewertungen, die Häufigkeit von Buchungen oder von den Helfern hochgeladene Dokumente, wie Ausweise oder Zeugnisse. All unsere Maßnahmen ersetzen jedoch nicht den persönlichen Eindruck, den sich die Angehörigen vor Ort beim persönlichen Kennenlernen machen können.

epd: Der Staat finanziert über die Pflegekassen die Nutzung von Ersatzpflegeanboten mit rund 2.400 Euro pro Jahr. Für Pflegix ein Angebot zur rechten Zeit?

Kahrmann: Das hilft uns in der Tat sehr. Denn das Geld kann für die Nutzung der Leistungen unserer Helfer genutzt werden und gilt unabhängig von der jeweiligen Pflegestufe. Bislang wurden diese Leistungen aufgrund mangelnder Bekanntheit oder fehlender Angebote jedoch nur von wenigen Bezugsberechtigen abgerufen. Das wollen wir ändern.

epd: Sie haben bereits 3.000 Helferinnen und Helfer in 14 Städten in Nordrhein-Westfalen sowie in Frankfurt und Hamburg registriert. Da ist noch reichlich Platz auf der deutschen Landkarte. Wie wollen Sie das Angebot noch bekannter machen?

Kahrmann: Wir müssen uns selbst immer wieder vor Augen halten, dass wir unser Unternehmen erst im September vergangenen Jahres gegründet haben. Dafür haben wir in so kurzer Zeit sehr viel erreichen können. Wenn eine Plattform erst einmal in einer Stadt funktioniert, wird sie in allen Städten funktionieren. Deshalb stehen im Moment die Optimierung unserer internen Prozesse und der Ausbau von Funktionen unserer Plattform im Vordergrund. Neue Städte erschließen wir dann ganz gezielt über die Online-Kanäle - erst sprechen wir die Helfer an, dann die Angehörigen. In diesem Prozess sind wir inzwischen sehr erfahren und wir sind optimistisch, dass wir bis Ende 2017 weite Teile Deutschlands abgedeckt haben werden.



Hamburg

Altenpflege-Projekt mit Senioren-PC gestartet



Am Hamburger Albertinen-Krankenhaus ist am 10. Januar das Pflegeprojekt "NetzWerk LebenPlus" gestartet. Im Mittelpunkt steht ein seniorenfreundlicher PC, der ein längeres selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden ermöglichen soll. Wichtig für ein selbstständiges Leben sei eine wohnortnahe Versorgung, sagte Maren Puttfarcken, Leiterin der Techniker Krankenkasse (TK) in Hamburg, bei der Präsentation. In vielen Quartieren gebe es bereits gute Versorgungsstrukturen. "Häufig fehlt es aber an einer Vernetzung." Die ersten Teilnehmer können sich voraussichtlich im Juli einschreiben.

Die Pflege-Unterstützung in der eigenen Wohnung erfolgt durch das Assistenzsystem "PAUL" (Persönlicher Assistent für Unterstütztes Leben). Das Programm ist mit großer Schrift und einfachen Symbolen auf einem Tablet installiert, das jeder Projekt-Teilnehmer erhält. Die Teilnehmer könnten Online-Videosprechstunden mit Ärzten durchführen, ihren Medikationsplan einsehen oder einen Notruf an die Johanniter-Unfall-Hilfe absetzen, erläuterte Bernd Klein, Geschäftsführer der Betreiberfirma CIBEK. Das Programm ist ausbaufähig. So können Bewegungsmelder erkennen, ob sich die Senioren in ihrer Wohnung bewegen.

Angelegt ist das Pilotprojekt für 1.000 Versicherte im Hamburger Bezirk Eimsbüttel. Nach den Worten von Albertinen-Chefarzt Wolfgang von Renteln-Kruse richtet es sich gezielt an ältere Menschen, die gefährdet sind, hilfs- und pflegebedürftig zu werden.

Koordiniert wird das Projekt im Albertinen-Krankenhaus. Die Teilnehmer würden zuerst Untersuchungen und Tests durchlaufen, um die individuellen Bedürfnisse zu erfassen, sagte Albertinen-Geschäftsführer Ralf Zastrau. Daraus werde ein individueller Unterstützungsplan entwickelt. "So kann idealerweise eine vollstationäre Pflege, die bisher aufgrund der gesundheitlichen Situation nötig gewesen wäre, vermieden werden."

Gefördert wird das Projekt mit bis zu 8,9 Millionen Euro über vier Jahre aus dem Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses der Ärzte, Krankenhäuser und Krankenkassen.



Behinderung

Gastbeitrag

Den Vorurteilen täglich begegnen




Gisela Graf-Fischer
epd-bild/Samariterstiftung
Menschen mit Behinderung leben nicht mehr nur auf der grünen Wiese, sondern auch vermehrt zentral in der Stadt. Das ist gut so, aber nicht immer einfach, schreibt Gisela Graf-Fischer, Bereichsleiterin Wohnen der Samariterstiftung Behindertenhilfe Ostalb in ihrem Gastbeitrag. Vorurteile des Umfeldes machten das Leben der Menschen mit Unterstützungsbedarf schwer.

Zu den differenzierten Wohnangeboten der Samariterstiftung Behindertenhilfe Ostalb gehören seit 1977 dezentrale Außenwohngruppen. In diesen stationären Außenwohngruppen leben zwischen fünf und 13 Personen an drei verschiedenen Wohnorten.

In den verschiedenen Außenwohngruppen und in vielen Wohngemeinschaften im ambulant betreuten Wohnen werden sehr viele positive, bereichernde und unterstützende Erfahrungen mit Nachbarn und natürlich dem nahem Wohnumfeld gesammelt. Die Menschen mit Unterstützungsbedarf erleben einen selbstverständlichen und unkomplizierten Umgang mit ihrer Nachbarschaft. Sie sind in ihrem sozialen Umfeld anerkannt, und das ist gut so.

Lange Liste der Beschwerden

Leider gibt es aber auch Vorurteile, die die Menschen in den Wohngemeinschaften sehr belasten und auch wütend machen. Ein Beispiel:

Seit neun Jahren haben wir eine 5-Zimmerwohnung für eine stationäre Außenwohngruppe in einem Mehrfamilienhaus angemietet. Schon von Anfang an wurde die Wohngemeinschaft für Unannehmlichkeiten verantwortlich gemacht. Wenn es im Treppenhaus schlecht gerochen hatte oder die Treppe verdreckt war, fiel das zuerst auf die Menschen mit Behinderung zurück.

Zigarettenkippen vor dem Haus wurden dem Raucher mit Behinderung zugeschrieben, obwohl sich dieser akribisch daran hält, in einem Schraubverschlussglas seine Zigarettenstummel zu entsorgen. Es wurde ein Rauchverbot auf dem vorhandenen kleinen Balkon am Gemeinschaftsraum ausgesprochen, damit die Nachbarn nicht durch Zigarettenrauch belästigt werden.

Ob Raucher ohne Behinderung bei vorhandenen Balkonen immer diese erwünschte Verhaltensweise zeigen, ist zu bezweifeln. Kurios: Selbst Betriebsstörungen des Aufzugs werden den Menschen mit Behinderung angelastet.

Raucher dürfen am Abend den Lift nicht nutzen

Die Hausmitbewohner akzeptieren inzwischen immerhin, dass vor dem Haus geraucht wird, aber seit geraumer Zeit darf ab 21 Uhr der Fahrstuhl von Rauchern nicht mehr benutzt werden. Der Lift ist einer Nachbarin zu laut. Zitat aus einem Beschwerdebrief unseres Vermieters nach der Eigentümerversammlung vor drei Jahren:

"Der Aufzug wird von einem Ihrer Leute laufend benutzt, um außerhalb des Gebäudes zu rauchen, wobei das in einer sehr hohen Frequenz geübt wird. (…) Dabei stören nicht nur die Fahrgeräusche des Aufzugs, sondern auch der Gestank innerhalb der Kabine. Das vor allem auch deshalb, weil der Betreffende seinen unangenehmen Körpergeruch dort verbreitet. (…) Ich muss Sie bitten, umgehend für Abhilfe zu sorgen. Ein wichtiger Punkt scheint mir vor allem der Umgang mit einem Bewohner, der starker Raucher ist und eventuelle Verwarnungen nicht ernst nimmt. Hier müssen stärkere Maßnahmen erfolgen."

Tatsächlich bemühen sich Bewohner der Wohngemeinschaft sehr, nicht aufzufallen, alles richtig zu machen und den Erwartungen der Hausgemeinschaft zu entsprechen.

Neue Nachbarn, neue Sorgen

Zwei Straßen weiter haben wir vor mehr als 25 Jahren eine wunderschöne Villa in einem vornehmen Viertel der Kleinstadt gekauft und für eine Außenwohngruppe mit 13 stationären Plätzen in Betrieb genommen. Dort leben aktuell unter anderem auch drei Rollstuhlfahrer/innen.

Mit der Ankunft in der Siedlung wurde von der Einrichtung ein Nachbarschaftstreffen initiiert, das im Garten der Wohngruppe gefeiert wurde. Alles lief gut, es gab wechselseitige Kontakte, Probleme wurden kaum bekannt. Inzwischen ist jedoch eine jüngere Generation der Nachbarn groß geworden.

Und mit den Veränderungen in der Nachbarschaft haben wir in den letzten Jahren leider zunehmend auch mit Vorurteilen und stark abwertenden Menschenbildern zu kämpfen: Die Hausbewohner mit Behinderung werden nicht nur als zu laut empfunden, sondern gar als "Papageien" bezeichnet.

Damit nicht genug. Den betreuenden Mitarbeitern wird vorgeworfen, dass sie sich zu wenig mit den Menschen mit Behinderung beschäftigen: "Das ist doch wie bei Kindern, wenn sie genügend beschäftigt werden, läuft alles viel besser…". Auch werden die Menschen mit Behinderung als "faul" tituliert. Und man wirf ihnen vor, "das Arbeiten nicht erfunden" zu haben.

Es fehlt überall an Respekt

Was wir beobachten ist, dass es oft an einem respektvollen Umgang fehlt. Die erwachsenen Menschen mit Handicap werden grundsätzlich geduzt und über ihre Köpfe hinweg werden Mitarbeitende zu ihnen befragt. Dabei haben Klienten, die in den Augen der Nachbarschaft kein sehr ansprechendes Äußeres haben, mit deutlich mehr Vorurteilen bedacht. Betroffene mit eher kindlichem Äußeren werden viel freundlicher behandelt, aber eben auch nicht als erwachsene Mitbürger angesehen und respektiert.

Doch auch andere Personen haben offenkundig kein Bewusstsein, dass, wenn sie die WG betreten, in die Privatsphäre von Menschen mit Behinderung kommen. Ich denke dabei an Mitarbeiter des Fahrdienstes oder des Wäschedienstes. Sie benutzen, ohne zu fragen, die Toilette der Bewohner. Die Nachbarn werfen, ebenfalls ohne zu fragen, ihren Biomüll in die Mülltonne der Wohngemeinschaft. Grenzüberschreitungen, die an anderer Stelle sicherlich schnell dazu führen würden, dass die Polizei kommt.

Konfrontiert man die Anwohner oder Mitarbeiter mit diesen fragwürdigen Verhaltensweisen, dann sind sehr unterschiedliche Reaktionen zu erleben. In der Regel wird sehr erschrocken beziehungsweise betroffen reagiert. Es gibt Mitbürger, die dann regelrecht beleidigt sind und mit völligem Unverständnis reagieren - sicherlich auch aus einer großen Unsicherheit heraus. Aber es gibt immerhin auch Personen, sich für ihr Verhalten entschuldigen.

Die Mitarbeiter sind täglich gefordert

Uns als Mitarbeitenden der Einrichtung fällt es schwer, den Abbau vorhandener Vorurteile zu bewirken. Es ist wichtig, Gesprächsmöglichkeiten zu nutzen und positive Begegnungsmöglichkeiten zu schaffen. Entscheidend in dieser Situation ist es, dass Menschen mit Behinderung aktiv ihre Rolle als vollwertige Mieter wahrnehmen. Mit viel Geduld konnte mehr Verständnis für einander aufgebaut werden.

Das agierende Team vor Ort muss eine hohe Reflexionskompetenz besitzen. Auch die eigenen Verhaltensweisen müssen stets kritisch hinterfragt werden. Denn wenn die Nachbarschaft nicht über die Köpfe von Menschen mit Behinderung hinweggehen gehen sollen, müssen sich auch die Mitarbeitenden immer wieder fragen, ob sie wirklich wissen, was gut für die Betroffenen ist.

In der Behindertenhilfe müssen sich die Profis jeden Tag die Frage stellen, welche Hilfe ein Mensch tatsächlich braucht, um möglichst gesund und kompetent am möglichst normalen Leben teilhaben zu können. Die Antwort auf diese Frage fällt alles andere als leicht. Sie erfordert ein konsequentes Miteinander und die Berücksichtigung aller Faktoren, die eine Lebenssituation gestalten und beeinflussen.

Gisela Graf-Fischer ist Diplom-Sozialpädagogin und Bereichsleiterin Wohnen der Samariterstiftung Behindertenhilfe Ostalb.


Familie

Experte: Väter haben nach einer Trennung zu wenig Rechte



Der Verein "Väteraufbruch für Kinder" beklagt, dass Väter nach einer Trennung oder Scheidung benachteiligt werden. "Viele würden sich gerne stärker an der Erziehung und Betreuung ihrer Kinder beteiligen, als dies die Gerichte häufig zulassen", sagte Markus Witt, Sprecher der Organisation, im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).

In Deutschland werden Väter nach der Beobachtung des Vereins "Väteraufbruch für Kinder" in 90 Prozent der Fälle zu "Zahlvätern" degradiert. Die Organisation fordert deshalb ein neues Unterhaltsrecht.

Nach geltender Rechtsprechung werde erst ab einem Betreuungsverhältnis von exakt 50 zu 50 das Einkommen beider Eltern zur Bemessung des jeweiligen Kindesunterhaltes herangezogen. "Betreut aber ein Vater etwas weniger als die Hälfte, dann muss er den vollen Unterhalt zahlen. Jeglicher finanzielle Aufwand für sein Kind, sei es Kinderzimmer, Kleidung, Verpflegung ist dann sein Privatvergnügen", erklärte Witt. Einem unterhaltspflichtigen Vater stehe nach geltender Rechtsprechung nicht einmal eine Wohnung zu, die groß genug ist, um die Kinder zu betreuen.

Der "Väteraufbruch für Kinder" schlägt deshalb als "faire Regelung" vor, die Einkommen beider Eltern und auch die Kosten des Lebens in zwei Haushalten bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen. Ferner sollten Betreuungsleistungen bei der Unterhaltsberechnung angerechnet werden.

Das "Alles-oder-nichts-Prinzip" im geltenden Unterhaltsrecht provoziere - zum Schaden der Kinder - Streit zwischen den Eltern. In Deutschland streiten jedes Jahr 56.000 getrennte Paare vor Gericht über Umgangsfragen. Witt verweist auf Fälle, bei denen ein Elternteil die sogenannte Doppelresidenz mit gleichen Zeitanteilen an der Betreuung vor allem deshalb beenden wollte, weil ein "Mehrheitsverhältnis" finanzielle Vorteile für diesen Elterteil brachte. Diese Eltern hätten dabei oft die Gerichte auf ihrer Seite.

Witt verweist auf positive Erfahrungen im europäischen Ausland, die auch durch wissenschaftliche Studien belegt seien. "In der Doppelresidenz geht es Eltern und Kindern nachweislich besser, als wenn die Betreuung überwiegend bei einem Elternteil stattfindet."

Der "Väteraufbruch" fordert die Bundesregierung auf, das Modell der gleichberechtigten Betreuung gesetzlich zu regeln. In einem neuen Gesetz solle sie Klarheit darüber schaffen, dass Gerichte die sogenannte Doppelresidenz anordnen können.

Der Väteraufbruch für Kinder e.V. mit Sitz in Frankfurt am Main ist nach eigenen Angaben mit knapp 4.000 Mitgliedern der mitgliederstärkste bundesweit vertretene Interessenverband für Väter-, Kinder- und Familienrechte.

Markus Jantzer


Psychologie

Forscherin: Arbeit macht Sinn, wenn sie auch anderen nützt



Wissenschaftlerinnen der Universität Frankfurt am Main haben Faktoren herausgefunden, unter denen Beschäftigte ihre Arbeit als sinnvoll empfinden. Wer arbeitet, habe ein starkes Bedürfnis, die Arbeit als sinnvoll zu empfinden, sagte die Leiterin des Projekts "Sinnarbeit", die Arbeitssoziologin Friedericke Hardering, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dazu müssten zwei Seiten zusammenkommen: Ein Beschäftigter müsse die Arbeit als nützlich für sich selbst und auch als nützlich für andere empfinden.

Die Wissenschaftlerinnen machten dazu eine Online-Befragung unter 300 Beschäftigten vornehmlich der Gesundheits- und Pflegebranche, außerdem führten sie Interviews mit 40 Ärzten und Sozialarbeitern. Die qualitative Untersuchung sei nicht repräsentativ, sagte Hardering. Dennoch ließen sich drei Erfahrungen, die zusammen Sinn stiften, erkennen: Das Empfinden, die Arbeit gut gemacht zu haben, das Gefühl, im Rahmen gesellschaftlich geteilter Werte ein gutes Ergebnis erzielt zu haben, und die Anerkennung durch andere.

Die befragten Mitarbeiter des Gesundheitswesens hätten häufig über Zeitdruck und die Arbeitsbelastung geklagt, unter der die Kommunikation im Team und mit Patienten leide. "Zeit- und Leistungsdruck sind Sinnfresser", sagte Hardering. Wenn die Arbeit entschleunigt und gute Arbeitsbedingungen geschaffen würden, fördere dies gute Arbeitsergebnisse und das Sinnempfinden.

Zwar bezeichneten bei umfangreicheren Befragungen die große Mehrzahl der Beschäftigten in Deutschland ihre Arbeit als sinnvoll, allerdings lasse sich daraus nicht auf die Qualität der Arbeitsbedingungen schließen. Vielmehr seien diese Werte ein Hinweis darauf, wie wichtig es den Beschäftigten ist, sich mit ihrer Arbeit identifizieren zu können und diese als nützlich ausweisen zu können.

Dieses Bedürfnis sei in der Arbeits- und Leistungsgesellschaft groß, erläuterte die Arbeitssoziologin. Auch Beschäftigte, die gering qualifizierte Arbeiten ausführten, strebten danach, diese als sozial nützlich anzusehen und deren Sinn aufzuwerten. Die Rolle des Gehalts für das Sinnempfinden sei in der Forschung umstritten, sagte Hardering. Die Höhe des Gehalts sei wesentlich für das Bedürfnis, gerecht behandelt zu werden. Aber niemand arbeite nur dafür, um Geld zu verdienen, sondern jeder suche nach einem Sinn darüber hinaus.

Jens Bayer-Gimm


Armut

Stuttgarter Vesperkirche eröffnet 23. Saison



Die älteste Vesperkirche Deutschlands eröffnet am 15. Januar in der Stuttgarter Leonhardskirche zum 23. Mal. Bis zum 4. März werden dort täglich rund 600 warme Essen für einen Preis von 1,20 Euro ausgegeben, Getränke und Brot sind kostenlos.

Die Leonhardskirche solle erneut sieben Wochen lang ein "großer Begegnungsraum und ein Zuhause auf Zeit für Arme und Reiche" sein, teilte das Vesperkirchen-Team am 10. Januar in Stuttgart mit.

Die Stuttgarter Vesperkirche eröffnete 1995 erstmals. Sie ist eine Idee des verstorbenen Stuttgarter Diakoniepfarrers Martin Friz. Neben dem Essen und den Gesprächen der Besucher untereinander gibt es in Stuttgart Gottesdienste, Gesprächs- und Beratungsangebote, Ärzte und Zahnärztin, Tageszeitungen, Hilfen für Tiere und ein Kulturprogramm. Mittlerweile gibt es in Baden-Württemberg und Bayern über 30 Vesperkirchen.

In Stuttgart sind täglich rund 40 Ehrenamtliche im Einsatz. Insgesamt sind über 800 Ehrenamtliche im Mitarbeiterpool. Der Etat von rund 260.000 Euro jährlich wird von Spendern und Sponsoren gedeckt.



Kriminalität

17 Obdachlose 2016 bei Gewalttaten gestorben



Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAGW) beklagt eine anhaltend hohe Gewalt gegen Obdachlose. Allein 2016 habe es mindestens 17 Todesfälle durch Gewalt gegen wohnungslose Menschen gegeben, erklärte der bundesweite Dachverband der Wohnungslosenhilfe am 11. Januar in Berlin. Dabei seien in acht Fällen die Täter selbst nicht wohnungslos gewesen. Dazu kamen im vergangenen Jahr mindestens 128 Fälle von Körperverletzungen, Vergewaltigungen, Raubüberfällen und bewaffneten Drohungen gegen Obdachlose. Hier waren in 76 Fällen die Täter selbst Wohnungslose.

Obdachlose Frauen würden zudem häufig Opfer sexueller Gewalt. Dies geschehe etwa im Zuge von Mitwohnverhältnissen, bei denen teilweise sexuelle Dienstleistungen als Gegenleistung für die Gewährung einer Unterkunft eingefordert werden. Aber auch in häufig männlich dominierten Obdachlosenunterkünften und Straßenszenen komme es zu sexuellen Übergriffen. Seit 1989 hat es nach Angaben den Verbandes insgesamt mindestens 502 Todesfälle durch Gewalt gegen wohnungslose Menschen gegeben.

Häufig spielten bei Gewalt gegen Obdachlose menschenverachtende und rechtsextreme Motive eine Rolle, erklärte die Bundesarbeitsgemeinschaft. Dabei seien die Täter nicht notwendigerweise in rechtsextremen Zusammenhängen organisiert. "Vorurteile und Abwertungen gegenüber wohnungslosen Menschen kommen in breiten Schichten der Bevölkerung vor", betonte der Verband. Unter den mindestens 179 Todesopfern rechtsextremer Gewalt seit 1990 waren dem Verband zufolge etwa 20 Prozent wohnungslose Menschen.

Der Verband fordert deshalb eine konsequentere Strafverfolgung sowie präventive und nachsorgende Maßnahmen, um Gewalt gegen wohnungslose Menschen einzudämmen. Zudem sollten mehr Wohnungen für Obdachlose bereitgestellt werden.



Unternehmensreform

Diakonie Wuppertal splittet sich in fünf Tochtergesellschaften



Die Diakonie in Wuppertal hat sich zum Jahresbeginn in insgesamt fünf Tochtergesellschaften gesplittet. Damit wolle man sich neu aufstellen, um die zukünftigen Aufgaben und Anforderungen besser angehen zu können und die Arbeit der einzelnen Tochtergesellschaften zu stärken, sagten Diakonie-Vertreter am 11. Januar in Wuppertal. Zuvor hatte der evangelische Kirchenkreis Wuppertal die Aufsplittung befürwortet.

Die Diakonie in der Bergischen Metropole hat nach eigenen Angaben in den letzten elf Jahren ein erhebliches Wachstum erfahren. Allein die Zahl der Mitarbeiter stieg von 350 im Jahr 2005 auf rund 2.000 im vergangenen Jahr. Die neuen Diakonie-Töchter firmieren als Diakonische Altenhilfe, als Soziale Teilhabe, als Evangelische Kindertagesstätten, als gemeinnützige Gesellschaft Kinder, Jugend und Familie sowie als Servicegesellschaft. Diakoniedirektor Martin Hamburger ist nun Geschäftsführer für die Muttergesellschaft.

"Wir bleiben der soziale Arm der evangelischen Kirche in Wuppertal", sagte Hamburger. Er betonte, die einzelnen Gesellschaften seien schneller handlungsfähig und die Zuständigkeiten und Kompetenzen seien eindeutig geklärt.




sozial-Recht

Verfassungsgerichtshof

Beschwerde zur Inklusion an Schulen abgewiesen




Kind mit Down-Syndrom in einer Grundschule in Springe.
epd-bild / Jens Schulze
Die Verfassungsbeschwerde der Kommunen zur Inklusion an Schulen ist abgewiesen. Die Diskussion über die Verteilung der Kosten geht weiter. Die Kommunen fordern auch nach dem Urteil mehr Unterstützung vom Land.

Der Verfassungsgerichtshof NRW hat die Beschwerde der mehr als 50 Kommunen gegen die Umsetzung der schulischen Inklusion aus formalen Gründen abgewiesen. Das Schulrechtsänderungsgesetz, mit dem die inklusive Bildung in allgemeinen Schulen eingeführt wurde, verletze nicht die gemeindliche Selbstverwaltung, entschied der Verfassungsgerichtshof NRW in Münster am 10. Januar. Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) begrüßte die Entscheidung. Die Städte und Kommunen bekräftigten ihre Forderung nach mehr Unterstützung.

Die Beschwerde der Kommunen habe sich gegen das Schulrechtsänderungsgesetz gerichtet, das die Einführung der schulischen Inklusion grundsätzlich regele, erläuterte die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes, Ricarda Brandt, in der mündlichen Urteilsbegründung. Die von den Kommunen kritisierte Lastenverteilung zwischen Land und Kommunen werde jedoch in einem anderen Gesetz zur Förderung kommunaler Aufwendungen geregelt.

Ministerin Löhrmann sieht sich bestätigt

NRW-Schulministerin Löhrmann erklärte, das Gericht habe klargestellt, dass das Land die Rechte der Kommunen durch die Einführung der Inklusion nicht beschnitten habe. Die Fördersummen des Landes für schulische Inklusion würden jährlich evaluiert und gegebenenfalls angepasst. "Das Land ist ein fairer Partner der Gemeinden", sagte Löhrmann.

Der Landkreistag Nordrhein-Westfalen unterstrich, das Urteil ändere nichts an der Pflicht des Landes, für die Mehrkosten der schulischen Inklusion aufzukommen. Der Städtetag NRW erklärte, das Land habe im Dezember 2016 zugesagt, wegen der deutlichen Mehrkosten bei den Inklusionshelfern nunmehr für diesen Bereich 20 Millionen Euro statt zehn Millionen aufzuwenden. Das sei ein notwendiger und sinnvoller Schritt, sagte Städtetagsgeschäftsführer Helmut Dedy. Ein finanzieller Ausgleich entsprechend der Kostenentwicklung werde auch für die Zukunft auf der Agenda bleiben.

Lehrerverbände rügen die Entscheidung

Deutliche Kritik kam von den Lehrerverbänden. Die Entscheidung verhindere "eine dringend notwendige Verbesserung der erforderlichen Inklusionsleistungen der Kommunen", beklagte der Verband Bildung und Erziehung in NRW. Der Verband mahnte landesweite verbindliche Standards für die Umsetzung der Inklusion an. Das Kernproblem der Überforderung vieler Schulen im Inklusionsprozess bleibe ungelöst, kritisierte auch der Verband "lehrer nrw" in Düsseldorf.

Die Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe warnte davor, die öffentliche Debatte zur Inklusion allein auf die Finanzierungsfrage zu verengen. Inhaltliche Fragestellungen gingen hierbei unter, und es entstehe der Eindruck, Inklusion sei etwas "von oben" Aufgezwungenes, sagte der Diakonie-Experte für Jugendhilfe und Schule, Tim Rietzke, dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Hier fehlt an vielen Stellen - trotz aller Schwierigkeiten bei der Umsetzung - ein klares Bekenntnis zur Inklusion." Zugleich äußerte Rietzke Verständnis für die Anliegen der Kommunen.

In ihrer Verfassungsbeschwerde hatten sich die Kommunen gegen das 9. Schulrechtsänderungsgesetz von November 2013 gewendet, mit dem behinderte Kinder in Nordrhein-Westfalen einen Rechtsanspruch auf einen Platz in einer Regelschulen bekommen haben. Die Städte und Gemeinden sahen durch das Gesetz ihr Recht auf gemeindliche Selbstverwaltung verletzt und bemängelten die aus ihrer Sicht unzureichende Erstattung der Kosten durch das Land. Der Rechtsanspruch für Kinder mit Behinderungen auf einen Platz in einer Regelschule gilt in NRW seit August 2014.

Az.: VerfGH 8/15



Oberverwaltungsgericht

BAMF scheitert mit Widerruf von Flüchtlingsstatus



Nach Thüringen geflohene 100 Syrer behalten endgültig ihren Status als anerkannte Flüchtlinge. Das Oberverwaltungsgericht habe in diesen Fällen die Anträge der Bundesrepublik Deutschland - vertreten durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) - auf Berufung verworfen, teilte das Weimarer Gericht am 6. Januar mit. Gegen die Beschlüsse seien keine weiteren Rechtmittel mehr möglich.

Die Syrer hatten zuvor am Verwaltungsgericht Meiningen gegen den ihnen vom BAMF zugesprochen Status geklagt. Der monierte "subsidiäre Schutz" ist auf ein Jahr begrenzt und erlaubt nicht den Nachzug von Familienangehörigen nach Deutschland. Durch entsprechende Beschlüsse des Meininger Verwaltungsgerichtet wurden ihre Asylanträge indes anerkannt.

Die Richter vertraten die Auffassung, dass aus Deutschland zurückkehrende syrische Staatsangehörige im Falle ihrer erzwungenen oder auch freiwilligen Rückkehr in ihre Heimat Verfolgung wegen einer bei ihnen vermuteten regimekritischen oder regimefeindlichen Einstellung befürchten müssten.

Auf diese konkrete Begründung sei das Bundesamt aber nicht oder nur unzureichend eingegangen beziehungsweise es habe den Feststellungen des Verwaltungsgerichts nur Mutmaßungen entgegengesetzt. Damit wäre kein Grund für die Zulassung der Berufung dargelegt worden, begründete das Oberverwaltungsgericht seine Entscheidung.

Damit ist nur ein Bruchteil der anhängigen Verfahren entschieden. Nach Informationen des epd haben etwa 800 weitere Syrer in Meiningen gegen ihren subsidiären Schutzstatus geklagt. Auch in diesen Fällen kann die Anerkennung der Asylanträge erwartet werden.

Das Bundesamt scheiterte mit seiner Entscheidungspraxis nicht zum ersten Mal vor Gericht. Auch das Verwaltungsgericht Trier erkannte mehreren Syrern im Oktober den voll Flüchtlingsstatus zu. Zu einem identischen Urteil kam im Nobember auch das Verwaltungsgericht Düsseldorf. Dagegen gab im Dezember das Oberverwaltungsgericht Koblens dem BAMF Recht: Nicht jedem Flüchtling drohe in Syrien Verfolgung. In vielen Fällen sei ein subsidiärer Schutz für syrische Flüchtlinge ausreichend. Ihr Aufenthalt in Deutschland ist somit lediglich für ein Jahr gesichert.



Landessozialgericht

Keine Sozialversicherungspflicht bei reiner Altenpflege-Nachtwache



Wenn eine Altenpflegerin in einem Pflegeheim ausschließlich als Nachtwache arbeitet, muss für sie nicht zwingend eine Sozialversicherungspflicht bestehen. Denn während reguläre Nachtdienste mehr in den betrieblichen Ablauf und der Pflegeplanung eingebunden sind, ist das bei Nachtwachen nicht der Fall, entschied das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg in Stuttgart in einem 29. Dezember 2016 veröffentlichten Urteil.

Im konkreten Fall hatte die Rentenversicherung bei einer selbstständigen Altenpflegerin die Sozialversicherungspflicht festgestellt. Die Frau arbeitete ausschließlich als Nachtwache, unter anderem bei dem Kläger, einem Altenheimträger. Wegen der Sozialversicherungspflicht sollte das Heim nun Sozialversicherungsbeiträge für die Frau zahlen.

Mit der Nachtwachentätigkeit sei die Altenpflegerin nicht "weisungsfrei", sondern an Dienstplänen gebunden. Als Ersatzkraft sei sie in das Gesamtgefüge der Arbeitsleistungen eingebunden, lautete die Begründung.

Doch das LSG verneinte die Sozialversicherungspflicht. Hier sei die Altenpflegerin mit ihrer ausschließlichen Nachtwachentätigkeit nicht in relevanter Weise in den Betriebsablauf und der Organisation des Heimes eingebunden gewesen. Sie habe auch nur sporadisch die Beschäftigung ausgeübt. An Dienstbesprechungen oder Ähnlichem habe die Altenpflegerin nicht teilnehmen müssen.

Auch unterscheide sich die Nachtwache von den Nachtschichten, die fest angestellte Pflegekräfte leisten, so das LSG. Während Nachtwachen lediglich Kontrollgänge durchführen, auf Notrufe oder Wünsche der Bewohner reagieren und auch bei Bedarf Pflegetätigkeiten ausüben, sehe dies bei regulären Nachtdiensten anders aus. Hier würden fest angestellte Pflegekräfte zusätzlich noch Dinge für den folgenden Tag vorbereiten oder Dinge erledigen, die liegengeblieben waren.

Az.: L 11 R 4602/15



Landesarbeitsgericht

Klinik darf Krankenpfleger auf andere Stationen versetzen



Ein Krankenpfleger, der unbefristet und über Jahre auf einer bestimmten Station einer Klinik eingesetzt wurde, kann vom Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts auch versetzt werden. Dass sich der Beschäftigte gegenüber einem Rettungssanitäter aggressiv verhalten und bei einem Patienten die Blutentnahme verweigert hatte, sind ausreichende Gründe für eine Versetzung, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz in Mainz in einem am 3. Januar veröffentlichten Urteil.

Geklagt hatte ein Krankenpfleger aus dem Raum Pirmasens, der seit 18 Jahren in der zentralen Notaufnahme arbeitete. Die Pflegedienstleitung hatte ihm die Tätigkeit dort unbefristet zugewiesen.

Doch 2015 versetzte die Klinik den Mann auf eine Normalstation, wo ein stressfreierer Dienst zu versehen ist. Grund waren zwei Vorfälle, die dem Krankenpfleger vorgeworfen wurden. So war er gegenüber einem Rettungssanitäter grob unflätig gewordemn, nachdem der mit einem in einem Rollstuhl sitzenden Patienten gegen einen Tisch gefahren war. In einem weiteren Fall hatte sich der Kläger geweigert, einem wiederholt behandelten schizophrenen Patienten Blut abzunehmen, weil der Kranke "erfahrungsgemäß aggressiv" sei. Er fürchtete Verletzungen. Hilfe von Kollegen hatte er jedoch nicht geholt.

Das LAG hielt die Versetzung auf die Normalstation für rechtmäßig. Die Arbeit in der Notaufnahme sei nicht im Arbeitsvertrag festgelegt worden. Allein die lange Verweildauer auf dieser Station im Krankenhaus sei kein Grund zur Annahme, dass der Kläger immer dort arbeiten könne. Auch dem Schreiben des Pflegedienstleiters lasse sich nicht entnehmen, dass die Klinik auf ihr Recht einer Versetzung verzichte.

Der Arbeitgeber habe in zulässiger Weise von seinem Direktionsrecht Gebrauch gemacht. Die beiden Vorfälle stellten Verletzungen der arbeitsvertraglichen Pflichten dar, die die Versetzung begründen könnten.

Az.: 5 Sa 110/16



Sozialgericht

Kein Anspruch auf Hartz IV bei fehlendem Antrag



Wer keinen Antrag auf Hartz-IV-Leistungen stellt, kann das Geld später vom Jobcenter nicht rückwirkend einfordern. Das hat das Sozialgericht Mainz entschieden und damit einer Mitteilung vom 5. Januar zufolge die Klage eines arbeitslosen Mannes abgewiesen. Der konnte sich nach eigenen Angaben wegen einer seelischen Erkrankung nicht mehr um seine Angelegenheiten kümmern.

Wie es weiter hieß, hatte erst ein knappes halbes Jahr nach Auslaufen der Zahlungen eine in der Zwischenzeit bestellte Betreuerin dem Mann wieder zu Sozialleistungen verholfen. Eine rückwirkende Zahlung von Hartz IV hatte das Jobcenter dabei jedoch kategorisch ausgeschlossen.

Diese Entscheidung war laut Sozialgericht nicht zu beanstanden. Das Jobcenter habe rechtzeitig vor dem Ablauf des Bewilligungszeitraums ein neues Antragsformular zugesandt. Weitergehende Verpflichtungen, etwa den Gesundheitszustand des Mannes zu prüfen, hätten nicht bestanden, befand das Gericht.

Die Erkrankung des Mannes sei dem Jobbcenter zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt gewesen. Eine rückwirkende Auszahlung von Hartz-IV-Leistungen sei gesetzlich nur bei Pflichtverletzungen seitens der Behörden oder in Fällen vorgesehen, in denen unverschuldet eine Frist versäumt worden sei. Ein fehlender Antrag könne hingegen kein Anlass für Nachforderungen sein, argumentierten die Richter.

Az: S 10 AS 816/15




sozial-Köpfe

Diakonie

Bernschein ist Vizevorstand der Pestalozzi-Stiftung




Sebastian Bernschein
epd-bild/Pestalozzi-Stiftung
Sebastian Bernschein (39) hat zum Jahreswechsel die kaufmännische Leitung und die Position des stellvertretenden Vorstands der Pestalozzi-Stiftung in Burgwedel übernommen. Er folgt damit auf Cord von Frieling, der das diakonische Unternehmen nach neunjähriger Tätigkeit auf eigenen Wunsch verlassen hat.

Bernschein stammt aus Greifswald und ist Wirtschaftsingenieur und Wirtschaftswissenschaftler. Er verfügt über eine langjährige Erfahrung im Controlling und Rechnungswesen. Der ehemalige Zeitsoldat der Bundeswehr war Stellvertretender Leiter der Stabsstelle Controlling im Bundeswehrkrankenhaus Ulm. Danach verantwortete Bernschein ab dem Jahr 2009 bei der Antoniushaus gGmbH der Josefs- Gesellschaft gGmbH Köln die Leitung des Finanz- und Rechnungswesens.

2012 wechselte er als Controller in die Konzernzentrale der Josefs-Gesellschaft, die mit rund 7.000 Mitarbeitenden und neunzehn selbstständigen Tochtergesellschaften ein christlicher Träger von Krankenhäusern, Reha-Einrichtungen, Werkstätten für Menschen mit Behinderung, Integrationsfirmen und Altenheimen ist.

Seit dem Jahr 2012 ist Bernschein auch als Dozent an der DIPLOMA (Fern-)Fachhochschule Nordhessen tätig und unterrichtet in den Fächern "Internes Rechnungswesen" und "Statistik".



Weitere Personalien



Peter Neher (61), Präsident des Deutschen Caritasverbandes (DCV), hat das Amt des Präsidenten der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) übernommen. Er löste zum Jahreswechsel turnusgemäß Rolf Rosenbrock ab, der als Vorsitzender des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes diese Funktion zwei Jahre innehatte und weiter dem Präsidium angehört. In dem hat zudem Donata Freifrau Schenck zu Schweinsberg, Vizepräsidentin des Deutschen Roten Kreuzes, ihren Sitz. Sie wird 2019 BAGFW-Präsidentin. Prälat Neher ist Theologe und Pädagoge und seit Mai 2003 Präsident des Caritasverbandes. In der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege arbeiten die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege zusammen

Stefan Becker (50) hat mit dem Jahreswechsel den Vorsitz der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen (AGF) übernommen. Er bleibt bis zum Jahr 2018 im Amt und folgt Christel Riemann-Hanewinckel. Becker ist seit Oktober 2014 Präsident des Familienbundes der Katholiken (FDK). Zuvor war er seit 2006 als Beisitzer im Präsidium der Organisation vertreten. Becker ist hauptberuflicher Geschäftsführer der berufundfamilie gGmbH, einer Initiative der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung. Turnusgemäß hat der FDK zum Jahreswechsel die Federführung in der AGF von der evangelischen arbeitsgemeinschaft familie (eaf) übernommen. Riemann-Hanewinckel ist jetzt stellvertretende Vorsitzende.

Gerhild Becker, Freiburger Palliativ-Medizinerin und Theologin, hat den 25. Bad Herrenalber Akademiepreis 2016 erhalten. Damit wurden ihre Beiträge zum Thema Suizidbeihilfe gewürdigt werden, teilte die Evangelische Akademie Baden am 10. Januar mit. Die Ehrung ist mit mit 2.000 Euro dotiert. Becker habe "einen herausragenden Beitrag" zur Klärung und Meinungsbildung sowie zum interdisziplinären wissenschaftlichen Diskurs zwischen Medizinethik, rechtlichen Fragen und Theologie geleistet, heißt es in Begründung der Jury. Becker ist seit 2012 Lehrstuhlinhaberin für Palliativmedizin und Ärztliche Direktorin der Klinik für Palliativmedizin am Universitätsklinikum Freiburg, seit 2013 auch Pfarrerin im Ehrenamt der Evangelischen Landeskirche in Baden.

Volker Feldkamp hat seine Arbeit als neuer Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutschen Fachpflege Gruppe (DFG) mit Sitz in München aufgenommen. Er wird das Unternehmen künftig zusammen mit Geschäftsführer Bruno Crone führen. Feldkamp stammt aus Aachen und leitete unter anderem kirchliche und private Pflege-, Reha- und Akut-Einrichtungen. Feldkamp wechselte 2010 in den Vorstand der Rhönklinikum AG. Zuletzt war er Vorstandsvorsitzender der MediClin AG. Die DFG ist nach eigenen Angaben mit rund 3.100 Mitarbeitern Marktführer in der außerklinischen Intensivpflege in Deutschland.

Christoph Straub, Mediziner, ist vom Verwaltungsrat der Krankenkasse BARMER zum Vorstandsvorsitzenden gewählt worden. Die Krankenkasse ist zum Jahreswechsel durch die Fusion von BARMER GEK und Deutscher BKK entstanden. Der Professor war Vize-Vorstand der Techniker-Krankenkasse und Vorstand des Rhön-Klinikums. Seit 2011 steht er in Diensten der BARMER. Stellvertretender Vorstandschef ist Jürgen Rothmaier. Den Vorstand komplettiert Mani Rafii. Alle drei hatten diese Positionen bereits bei der ehemaligen BARMER GEK inne. Bis zur Sozialwahl im Oktober 2017 fungiert Bernd Heinemann (64) als Vorsitzender des Verwaltungsrats. Heinemann gehört der BARMER VersichertenGemeinschaft an. Zu seiner Stellvertreterin wählten die Mitglieder Ulrike Hauffe (65) von der BARMER GEK-Versichertenvereinigung. Das dreiköpfige Präsidium wird komplettiert durch Dirk Wiethölter (50), dem ehemaligen Verwaltungsratsvorsitzenden der Deutschen BKK. Wiethölter ist Arbeitgebervertreter im Verwaltungsrat der BARMER. Die BARMER betreut nach eigenen Angaben rund 9,4 Millionen Versicherte.

Christian Quack (36) hat zum Jahreswechsel die Geschäftsführung des Ev. Amalie Sieveking-Krankenhauses in Hamburg-Volksdorf übernommen. Er folgte Hans-Peter Beuthien nach, der aus Altersgründen zum 1. April aus dem Unternehmen ausscheiden wird. Matthias Scheller, Vorstandsvorsitzender des Albertinen-Diakoniewerks, dankte Beuthien. Er habe die Klinik knapp acht Jahren geführt "und das 'Amalie' strukturell wie baulich weiterentwickelt. Christian Quack war zuletzt als Kaufmännischer Direktor und Prokurist im Sana Klinikum Offenbach tätig. Der Krankenhausbetriebswirt sammelte zuvor unter anderem als Geschäftsführer eines Medizinischen Versorgungszentrums am Sana Klinikum Offenbach sowie in der Unternehmensentwicklung, dem Projekt- und Finanzcontrolling des Klinikums Hanau Erfahrungen im Krankenhausmanagement. Das Albertinen-Diakoniewerk ist der größte diakonische Krankenhausträger in Hamburg.

Josef Aschemann (63), Landwirt in Ahaus, ist mit dem neuen "Sonderpreis Inklusion" des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) ausgezeichnet worden. Die Ehrung ist mit 10.000 Euro dotiert und wird an Personen verliehen, die Menschen mit Handicap eine Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt geben. Aschemann hat für einen jungen Mann mit einer geistigen Behinderung auf seinem Hof einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz geschaffen. "Es muss sich doch jemand um diese Menschen kümmern", sagte er zur Begründung für sein außergewöhnliches Engagement. Die Einrichtung des Arbeitsplatzes erfolgte mit Unterstützung des LWL-Integrationsamtes.

Erika Drecoll aus Rostock und Heike Volke aus Sanitz im Landkreis Rostock haben am 9. Januar den Verdienstorden des Landes Mecklenburg-Vorpommern erhalten. Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) nahm die Ehrungen beim Neujahrsempfang im Mecklenburgischen Staatstheater in Schwerin vor. Drecoll engagiert sich seit Jahren für die Belange älterer Menschen. "Immer wenn es um ein gutes Zusammenleben der Generationen bei uns geht, ist Frau Drecoll dabei", sagte der Regierungschef. Unter anderem ist sie Vorsitzende des Rostocker Seniorenbeirats und leitete von 2009 bis 2013 den Landesseniorenbeirat. Heike Volke setzt sich seit fast 25 Jahren dafür ein, dass Menschen berufliche Perspektiven erhalten, sagte Sellering. Dazu gehörten Langzeitarbeitslose, sozial benachteiligte Jugendliche, junge Menschen mit Migrationshintergrund, Ausbildungsabbrecher, Menschen mit Behinderung und Geflüchtete.

Gudrun Schattschneider (47) ist seit Jahresbeginn neue Leiterin für Politik und Fachlichkeit bei der internationalen Kinderhilfsorganisation World Vision. Die Juristin wird sich vom Berliner Büro der Organisation aus für die Rechte von Kindern im Zusammenhang mit Entwicklungspolitik und Katastrophenhilfe einsetzen. Schattschneider war zuvor unter anderem für den Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) und beim Deutschen BundeswehrVerband (DBwV) tätig. Zuletzt leitete sie das Berliner Büro des ASB. World Vision ist seit 2006 mit einem Büro in der Hauptstadt vertreten.




sozial-Termine



Die wichtigsten Fachveranstaltungen bis März

Januar

25.-27.1. Papenburg

Seminar "Gemeinsam Nachhaltigkeit begreifen. Bildung für nachhaltige Entwicklung in den Freiwilligendiensten"

der AWO Bundesakademie

Tel.: 030/263090

www.awo-bundesakademie.org

30.1.-3.2. Freiburg:

Seminar "Kommunizieren mit Kopf und Herz - Kommunikationsprozesse wirkungsvoll gestalten"

der Fortbildungsakademie des Caritasverbandes

Tel. 0761/200-1700

31.1. Münster:

Seminar "Jahresabschluss der Werkstatt und Arbeitsergebnisrechnung"

der BPG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Tel.: 0251/4820412

https://www.bpg-muenster.de/seminarangebote-bpg-unternehmensgruppe

Februar

1.-3.2. Weimar:

Tagung "Pflegefamilien professionell begleiten - Forschungs- und Praxistransfer"

des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge

Tel.: 030/62980419

www.deutscher-verin.de

6.-8.2. Berlin:

Seminar "Erfolgreiche Lobbyarbeit im politischen Raum"

der Fortbildungs-Akademie des Caritasverbandes

Tel.: 0761/200-1700

www.fak-caritas.de

6.-9.2. Weingarten:

Seminar "Sich selbst managen. Erfüllt leben und erfolgreich arbeiten in der Konkurrenz der Zeitverwendungen"

der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart

Tel.: 0711/1640600

www.akademie-rs.de

7.2. Münster:

Seminar "GEPA NRW: Rechnungslegung und Buchführung nach APG DVO NRW"

der BPG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Tel.: 0251/48204-12

https://www.bpg-muenster.de/seminarangebote-bpg-unternehmensgruppe

9.2. Münster:

Seminar "Umgang mit erkrankten Mitarbeitern"

der BPG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Tel.: 0251/48204-12

https://www.bpg-muenster.de/seminarangebote-bpg-unternehmensgruppe,

9.-10.2. Ludwigsburg:

Seminar "Betriebswirtschaft für Nichtbetriebswirte" (Auftakt)

der Ev. Hochschule Ludwigsburg

Tel.: 07141/9745282

10.-12.2. Würzburg:

Seminar "Flüchtlinge brauchen Schutz - aber wie?"

der Akademie Frankenwarte

Tel.: 0931/80464333

15.-16.2. Rolandseck:

Seminar "Einführung Leichte Sprache"

der AWO Bundesakademie

Tel.: 030/26309142

www.awo-bundesakademie.org

14.-16.2. Berlin:

Seminar "Webseiten als Teil einer Online-Strategie - Einführung in das Online-Marketing"

der AWO Bundesakademie

Tel.: 030/263090

www.awo-bundesakademie.org

15.-17.2. Berlin (Auftakt):

Seminarreihe "Schutz vor sexualisierter Gewalt - eine ständige Aufgabe für alle diakonischen Träger und Einrichtungen"

derBundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 030/48837-470

16.-17.2. Berlin:

Seminar "Grundlagen Sozialräumliches Arbeiten in multikulturellen Wohnquartieren - Einbeziehung migrantischer Milieus statt Stogmatisierung von 'Parallelgesellschaften"

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 030/48837467

18.-19.2. Gengenbach:

Seminar "Humor ist wenn man trotzdem lacht - Humor als Ressource im Hospizalltag"

des Caritasverbandes für die Erzdiözese Freiburg

Tel.: 0761/89740

22.-24.2. Berlin:

Forum "Sexualpädagogisch arbeiten mit jugendlichen Migrant(inn)en"

des Sozialdienstes katholischer Frauen

Tel.: 0231/55702660

22.-24.2. Berlin:

Seminar "Kinder- und Jugendliche in Flüchtligsunterkünften"

des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge

Tel.: 030/62980605

www.deutscher-verein.de

23.2. München:

Fachtag "Werkstätten"

der Curacon Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Tel.: 0251/92208-0

www.curacon.de/fachtagungen

23.-24.2. Paderborn:

Seminar "Gute Praxis in der Jugendberufshilfe - Projekte neu entwickeln"

der IN VIA Akademie

Tel.: 05251/2908-38

März

6.-8.3. Freiburg:

Seminar "Gewinn durch Vielfalt - Diversity Management als zukunftsweisendes Konzept"

der Fortbildungs-Akademie des DCV

Tel.: 0761/2001700

9.3. Mainz:

Fortbildung "Hilfe, ich brauche ein Konzept - Bewilligung von Fördermitteln"

des Caritasverbandes für die Diözese Mainz

Tel.: 061312826200

www.dicvmainz.caritas.de/anmeldung-fobi1

16.3. Köln

Seminar "Interne Revision"

der BFS Service GmbH

Tel.: 0221/97356-159

www.bfs-service.de

21.3. Münster:

Seminar "Von der Strategie zum Businessplan"

der Curacon Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Tel.: 0251/92208-0

www.curacon.de/fachtagungen

22.3. Berlin:

Jahrestagung "Innehalten. Suchttherapie! Was geht?"

des Bundesverbandes für stationäre Suchtkrankenhilfe

Tel.: 0561/779351

www.suchthilfe.de