sozial-Recht

Verfassungsgerichtshof

Beschwerde zur Inklusion an Schulen abgewiesen




Kind mit Down-Syndrom in einer Grundschule in Springe.
epd-bild / Jens Schulze
Die Verfassungsbeschwerde der Kommunen zur Inklusion an Schulen ist abgewiesen. Die Diskussion über die Verteilung der Kosten geht weiter. Die Kommunen fordern auch nach dem Urteil mehr Unterstützung vom Land.

Der Verfassungsgerichtshof NRW hat die Beschwerde der mehr als 50 Kommunen gegen die Umsetzung der schulischen Inklusion aus formalen Gründen abgewiesen. Das Schulrechtsänderungsgesetz, mit dem die inklusive Bildung in allgemeinen Schulen eingeführt wurde, verletze nicht die gemeindliche Selbstverwaltung, entschied der Verfassungsgerichtshof NRW in Münster am 10. Januar. Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) begrüßte die Entscheidung. Die Städte und Kommunen bekräftigten ihre Forderung nach mehr Unterstützung.

Die Beschwerde der Kommunen habe sich gegen das Schulrechtsänderungsgesetz gerichtet, das die Einführung der schulischen Inklusion grundsätzlich regele, erläuterte die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes, Ricarda Brandt, in der mündlichen Urteilsbegründung. Die von den Kommunen kritisierte Lastenverteilung zwischen Land und Kommunen werde jedoch in einem anderen Gesetz zur Förderung kommunaler Aufwendungen geregelt.

Ministerin Löhrmann sieht sich bestätigt

NRW-Schulministerin Löhrmann erklärte, das Gericht habe klargestellt, dass das Land die Rechte der Kommunen durch die Einführung der Inklusion nicht beschnitten habe. Die Fördersummen des Landes für schulische Inklusion würden jährlich evaluiert und gegebenenfalls angepasst. "Das Land ist ein fairer Partner der Gemeinden", sagte Löhrmann.

Der Landkreistag Nordrhein-Westfalen unterstrich, das Urteil ändere nichts an der Pflicht des Landes, für die Mehrkosten der schulischen Inklusion aufzukommen. Der Städtetag NRW erklärte, das Land habe im Dezember 2016 zugesagt, wegen der deutlichen Mehrkosten bei den Inklusionshelfern nunmehr für diesen Bereich 20 Millionen Euro statt zehn Millionen aufzuwenden. Das sei ein notwendiger und sinnvoller Schritt, sagte Städtetagsgeschäftsführer Helmut Dedy. Ein finanzieller Ausgleich entsprechend der Kostenentwicklung werde auch für die Zukunft auf der Agenda bleiben.

Lehrerverbände rügen die Entscheidung

Deutliche Kritik kam von den Lehrerverbänden. Die Entscheidung verhindere "eine dringend notwendige Verbesserung der erforderlichen Inklusionsleistungen der Kommunen", beklagte der Verband Bildung und Erziehung in NRW. Der Verband mahnte landesweite verbindliche Standards für die Umsetzung der Inklusion an. Das Kernproblem der Überforderung vieler Schulen im Inklusionsprozess bleibe ungelöst, kritisierte auch der Verband "lehrer nrw" in Düsseldorf.

Die Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe warnte davor, die öffentliche Debatte zur Inklusion allein auf die Finanzierungsfrage zu verengen. Inhaltliche Fragestellungen gingen hierbei unter, und es entstehe der Eindruck, Inklusion sei etwas "von oben" Aufgezwungenes, sagte der Diakonie-Experte für Jugendhilfe und Schule, Tim Rietzke, dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Hier fehlt an vielen Stellen - trotz aller Schwierigkeiten bei der Umsetzung - ein klares Bekenntnis zur Inklusion." Zugleich äußerte Rietzke Verständnis für die Anliegen der Kommunen.

In ihrer Verfassungsbeschwerde hatten sich die Kommunen gegen das 9. Schulrechtsänderungsgesetz von November 2013 gewendet, mit dem behinderte Kinder in Nordrhein-Westfalen einen Rechtsanspruch auf einen Platz in einer Regelschulen bekommen haben. Die Städte und Gemeinden sahen durch das Gesetz ihr Recht auf gemeindliche Selbstverwaltung verletzt und bemängelten die aus ihrer Sicht unzureichende Erstattung der Kosten durch das Land. Der Rechtsanspruch für Kinder mit Behinderungen auf einen Platz in einer Regelschule gilt in NRW seit August 2014.

Az.: VerfGH 8/15


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