sozial-Branche

Barrierefreiheit

Bei "Capito" hat kompliziertes Amtsdeutsch keine Chance




Das Team von "Capito" Schleswig-Holstein.
epd-bild/Norddeutsche Gesellschaft fuer Diakonie
Die Schleswiger Werkstätten der Diakonie haben vor einem Jahr das Projekt "Capito" gestartet. Amtliche Mitteilungen oder Medikamentenhinweise werden in allgemeinverständliches Deutsch übersetzt. Jetzt wurde eine erste Bilanz gezogen.

Das Vorhaben leuchtet jedem Menschen ein, der Kontakt mit Ämtern hat: Das Amtsdeutsch soll verständlicher werden. Die Schleswiger Werkstätten der Diakonie starteten deshalb im Februar 2016 das Projekt "Capito". Aber nicht nur Amtsdeutsch, auch Beipackzettel von Medikamenten oder Daten-Sicherheitshinweise werden seitdem unter die Lupe genommen. Sie werden so übersetzt, dass auch Menschen sie verstehen, die aus verschiedenen Gründen nicht gut lesen und schreiben können. "Das Jahr 2016 war erfolgreich", sagt "Capito"-Leiterin Anna Lang.

Für Behinderte unverständlich

Zu den Kunden von "Capito" gehören etwa der Kreis Schleswig-Flensburg, die Schleswiger Stadtwerke und die Kreismusikschule in Schleswig. Erste Kontakte gibt es auch mit dem Kreis Nordfriesland, so Anna Lang. Es habe sich bereits nach fast einem Jahr "Capito" gezeigt, dass sich die intensive Schulung der drei Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelohnt hat. In den Schleswiger Werkstätten bearbeiten Menschen mit Behinderungen gemeinsam mit den "Capito"-Mitarbeitern schwierige Texte.

Die 22-jährige Anna Kunkowski arbeitet in einer Montage-Gruppe in den Werkstätten der Diakonie und hat sich zu einer Prüfexpertin entwickelt. Ihr Fazit: "Capito ist cool, ich bin gerne dabei. Wir haben leichte Texte gelesen und geprüft, ob sie zu verstehen sind und ob die Schrift groß genug ist." Das sieht auch Prüfexperte Thomas Gosch (34) so, der in der Elektromontage arbeitet: "Die Texte, die wir gelesen haben, waren gut übersetzt, die konnte man gut verstehen. Schön wäre, wenn auch mal Handyverträge oder Anleitungen übersetzt werden."

Anna Lang verweist auf verschiedene Spracheinstufungen. In der Stufe "B 1" heißt es beispielsweise: "Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage. Fragen Sie auch Ihre Ärztin oder Ihren Arzt oder in der Apotheke." Übersetzt in die noch leichtere Verständnisgruppe "A 1" lautet der Text dann: "Medikamente sollen Ihnen helfen, damit Sie gesund werden. Aber manchmal können die Medikamente Ihnen auch schaden. Nehmen Sie ein Medikament nur dann, wenn Ihre Ärztin oder Arzt einverstanden ist."

Echte Übersetzungsleistung

Komplizierter war ein Briefentwurf der Schleswiger Stadtwerke: "Die Anhebung der durch die Bundesnetzagentur reglementierten Netzentgelte, die durch die Senkung der im Saldo gesunkenen staatlichen Abgabe leider nicht aufgefangen werden kann, würde einer Preissenkung entgegenstehen. Aufgrund unserer optimierten Beschaffungspolitik ist es uns aber möglich, die an der Strombörse erzielten Vorteile an Sie weiterzugeben."

Da mussten die "Capito"-Leute ran. Die Übersetzung: "Eigentlich wäre es momentan nicht möglich, die Strompreise zu senken. Wir bezahlen zwar jetzt weniger staatliche Abgaben, aber die Nutzung der Stromnetze ist teurer geworden. Die Preise für die Nutzung genehmigt die Bundesnetzagentur. Trotzdem haben wir es geschafft, den Strom so günstig zu beschaffen, dass wir diese Vorteil an Sie weitergeben können." Dieser übersetzte Brief wurde dann den Kunden der Stadtwerke vorgelegt.

Die "Capito"-Aktiven bieten auch selbst Fortbildungen an. An den Lehrgängen nahmen bislang unter anderem Mitarbeiter aus den diakonischen Werkstätten Rendsburg, Fockbek, Eckernförde und Husum teil. Vom Kreis Schleswig-Flensburg waren Mitarbeiter aus der Eingliederungshilfe, der Rechtsabteilung und des Jugendamtes dabei. Zum Abschluss erhalten sie ein "Capito"-Zertifikat, dass sie Texte in einfache Sprache übersetzen können.

Hartmut Schulz

« Zurück zur vorherigen Seite


Weitere Themen

Altenpflege-Projekt mit Senioren-PC gestartet

Am Hamburger Albertinen-Krankenhaus ist am 10. Januar das Pflegeprojekt "NetzWerk LebenPlus" gestartet. Im Mittelpunkt steht ein seniorenfreundlicher PC, der ein längeres selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden ermöglichen soll. Wichtig für ein selbstständiges Leben sei eine wohnortnahe Versorgung, sagte Maren Puttfarcken, Leiterin der Techniker Krankenkasse (TK) in Hamburg, bei der Präsentation. In vielen Quartieren gebe es bereits gute Versorgungsstrukturen. "Häufig fehlt es aber an einer Vernetzung." Die ersten Teilnehmer können sich voraussichtlich im Juli einschreiben.

» Hier weiterlesen

Luftbrücke nach Saigon

Aus dem Vietnamkrieg in deutsche Krankenhäuser: Mit der Hilfe für schwer verletzte Kinder begann vor 50 Jahren die Arbeit des Kinderhilfswerks terre des hommes. Die Kriegsopfer von einst sind bis heute dankbar.

» Hier weiterlesen

Experte: Väter haben nach einer Trennung zu wenig Rechte

Der Verein "Väteraufbruch für Kinder" beklagt, dass Väter nach einer Trennung oder Scheidung benachteiligt werden. "Viele würden sich gerne stärker an der Erziehung und Betreuung ihrer Kinder beteiligen, als dies die Gerichte häufig zulassen", sagte Markus Witt, Sprecher der Organisation, im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).

» Hier weiterlesen