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Gesundheit

Bertelsmann Stiftung fordert Abschaffung der Beamtenbeihilfe




Teuer für die staatliche Beihilfe: Operation an der Wirbelsäule in Heidelberg.
Foto: Gustavo Alabiso
Eine aktuelle Studie über die Kosten des Staates für privat krankenversicherte Beamte sorgt für Wirbel. Der Beamtenbund und CDU/CSU kritisieren die Studie als unmethodisch. SPD, Grüne und Linke plädieren für eine Bürgerversicherung.

Bund und Länder könnten nach Einschätzung der Bertelsmann Stiftung bis zum Jahr 2030 rund 60 Milliarden Euro sparen, wenn die privat versicherten Beamten in die gesetzliche Krankenversicherung wechselten. Für die größere Zahl der gesetzlich Versicherten könne dann der Beitrag gesenkt werden, hieß es in einer am 10. Januar in Gütersloh veröffentlichten Studie. Die Stiftung forderte das Aus der bisherigen steuerfinanzierten Beihilfe für die privat versicherten Beamten. SPD, Grüne und Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) begrüßten den Vorstoß. Kritik kam hingegen von CDU/CSU, dem Deutschen Beamtenbund (dbb) und dem Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV).

Bund, Länder und GKV profitieren

Alleine für Nordrhein-Westfalen summieren sich den Angaben zufolge die möglichen Einsparungen bis 2030 auf 9,9 Milliarden Euro. Für den Bund beliefe sich die Einsparung auf rund 27 Milliarden Euro. Die jährlichen Ausgaben des Bundes für die Beihilfen werden laut der Studie bis 2030 um 46 Prozent auf 6,6 Milliarden Euro pro Jahr steigen, bei den Ländern sogar um 83 Prozent auf 13,6 Milliarden Euro. Im Jahr 2014 gab der Bund der Studie zufolge 4,5 Milliarden Euro für die Beamtenbeihilfe aus. Bei den Ländern lagen die Ausgaben im gleichen Jahr bei 7,4 Milliarden Euro.

Bund und Länder müssten laut Studie zwar nach einer Reform für gesetzlich versicherte Beamte den üblichen Arbeitgeberbeitrag zahlen. Dies wäre aber im Bund und bei fast allen Bundesländern weniger als das, was sie derzeit für die Beihilfe ausgeben, hieß es. Für die Studie wertete das unabhängige und auf Gesundheitsfragen spezialisierte Iges-Institut in Berlin Daten des Instituts für Wirtschaftsforschung sowie der Statistischen Bundes- und Landesämter aus.

Auch die gesetzlichen Krankenversicherungen und ihre Beitragszahler würden den Berechnungen zufolge von einer Reform profitieren. Die Mehreinnahmen durch die Beiträge von Beamten und Pensionären würden die zusätzlichen Ausgaben für deren Gesundheitsversorgung um 3,4 Milliarden Euro übersteigen. Die Versicherten könnten demnach Beitragssenkungen von 0,34 Prozentpunkten erwarten. Das Krankenversicherungs-System werde somit "gerechter und nachhaltiger", sagte Stiftungs-Vorstand Brigitte Mohn.

"Wichtige Fragen ausgeklammert"

Der Beamtenbund und der Verband der Privaten Krankenversicherung kritisierten die Studie. Die vorliegende Studie könne die Abschaffung der Beihilfe nicht seriös rechtfertigen, sagte der dbb-Bundesvorsitzende Klaus Dauderstädt. PKV-Sprecher Stefan Reker sprach von einer "propagierten Zwangsversicherung".

Die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Maria Michalk, lehnte die Methodik der Studie ab: Beamten- und verfassungsrechtliche Fragenstellungen seien nicht thematisiert worden seien. "Dies ist aber für Umsetzungsstrategien erforderlich", sagte Michalk dem Evangelischen Pressedienst (epd). Ihrer Ansicht nach hat sich das Nebeneinander von privater und gesetzlicher Krankenversicherung und der damit einhergehende Systemwettbewerb bewährt.

DGB fordert sozial abgefederte Reform

SPD, Grüne und Linke sehen dagegen mit der Studie ihre Forderung nach einer Bürgerversicherung, in der Beamte, Arbeitnehmer und Selbstständige versichert sind, bestätigt. "Die eindeutigen Einsparpotenziale für die öffentlichen Haushalte sollten auch die Kritiker der Bürgerversicherung überzeugen", sagte die Gesundheitsexpertin der SPD, Hilde Mattheis. Der private Krankenversicherung werde durch die Beamtenbeihilfe "künstlich durch Steuergelder alimentiert", kritisierte die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Maria Klein-Schmeink. Der gesundheitspolitische Sprecher der Linken-Bundestagsfraktion, Harald Weinberg, erklärte, die Studie zeige, dass "eine solidarische Bürgerversicherung nur Gewinner kennt".

DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach forderte eine "sozial abgefederte" Reform. Für Beamte sollte im ersten Schritt eine Wahlmöglichkeit für eine gesetzliche Krankenkasse geschaffen werden, indem die öffentliche Hand jeweils den Arbeitgeberanteil übernimmt, sagte Buntenbach.

Katrin Nordwald, Markus Jantzer

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