

Längst waren etliche Fakten durchgesickert, nun liegt die Studie über das Ausmaß des Missbrauchs in der katholischen Kirche auf dem Tisch. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Marx, fand in Fulda klare Worte, übte Selbstkritik und bereitete die katholische Kirche auf Veränderungen vor. Mit den Opfern will die Kirche in einen Dialog treten. Doch die bleiben skeptisch. Caritas und katholische Träger dringen darauf, die Prävention zu verbessern - und verweisen auf eigene Bemühungen.
Die von der Kanzlerin zum Wohngipfel geladenen Experten sind sich einig: Die Bundesregierung bewegt sich beim Wohnungsbau in die richtige Richtung. Der Bedarf bezahlbarer Wohnungen ist riesig und es gilt, jahrelange Versäumnisse nachzuholen. Doch vielen Kritikern geht das zu langsam. Und sie mahnen ein rigoroses Umsteuern in der Wohnungsbaupolitik an. Das Ringen um mehr günstige Wohnungen geht weiter.
Wie wirkt sich die religiöse Pluralisierung unter Mitarbeitenden diakonischer Einrichtungen auf die Identität diakonischer Einrichtungen aus? Eine Studie gibt jetzt Einblick. Die Diakoniewissenschaftlerin Beate Hofmann skizziert die Ergebnisse ihrer dreijährigen Forschungsarbeit in epd sozial.
Immer mehr kranke, behinderte oder demente Personen brauchen Betreuung, um ihre Alltags- und rechtlichen Angelegenheiten regeln zu lassen. Doch wer soll das machen? Ehrenamtliche oder Berufsbetreuer? Das hat jetzt der Bundesgerichtshof in Karlsruhe entschieden. Er stellte klar: Die ehrenamtliche Betreuung muss grundsätzlich Vorrang haben. Aus verschiedenen Gründen.
Hier geht es zur Gesamtausgabe von epd sozial 39/2018.
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Dirk Baas
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Berlin, Koblenz (epd). Nach Ansicht des Deutschen Caritasverbandes enthält die von der katholischen Bischofskonferenz vorgestellte Studie zum Missbrauch wichtige Hinweise, um künftig Risiken zu minimieren. Gleichwohl habe die Kirche "dafür Sorge zu tragen, dass die nötigen institutionellen, personellen und theologischen Konsequenzen eingeleitet werden", sagte Präsident Peter Neher dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Kirche sei diesen Menschen eine umfassende Aufarbeitung schuldig.
Die am 25. September in Fulda vorgestellte Untersuchung, die Hinweise auf mehr als 3.600 Missbrauchsopfer in der Zeit seit Ende des Zweiten Weltkriegs und auf mehr als 1.600 beschuldigte Priester enthält, zeige auch auf, wie sich die Prävention verbessern lasse. Neher sagte, es sei "zutiefst erschreckend und erschütternd, dass Kinder und Jugendliche inmitten der Kirche Opfer von sexueller Gewalt werden konnten".
Der Präsident betonte, dass die Caritas seit Jahren an der Prävention von Gewalt und Missbrauch arbeite. Der Verband hat demnach schon 2010 "Empfehlungen zur Prävention gegen sexuellen Missbrauch sowie zum Verhalten bei Missbrauchsfällen in den Diensten und Einrichtungen der Caritas" veröffentlicht und setzt dieses Vorhaben gezielt um.
Zudem habe sich der katholische Wohlfahrtsverband 2016 in einer Vereinbarung mit dem Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, dazu verpflichtet, Schutzkonzepte in allen Diensten und Einrichtungen der Caritas voranzubringen. Daneben würden regelmäßig Angebote wie Fortbildungen und Fachtagungen organisiert.
Neher verwies zudem darauf, dass die Diözesan-Caritasverbände in der Regel eigene Präventionsbeauftragte benannt hätten, die vor Ort ein vielfältiges Schulungsangebot entwickelt hätten. "Wir sehen die Stärkung von Handlungskompetenzen als Voraussetzungen dafür, dass unsere Fachkräfte die ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen vor sexuellem Missbrauch schützen können", sagte der Präsident: "Wir arbeiten kontinuierlich an der Verbesserung des institutionellen Schutzes."
Das tut nach eigenen Angaben auch die katholische BBT-Gruppe mit Sitz in Koblenz. Sie ist mit 11.000 Beschäftigten einer der großen christlichen Träger von Krankenhäusern und Gesundheitseinrichtungen. "Jede Institution kann Betroffenen ehrliche und wirksame Unterstützung bieten und muss beharrlich an einer Kultur der Achtsamkeit arbeiten. Diese Aufgaben sind mühsam und mit hohem Einsatz verbunden. Doch sie sind nicht verzichtbar, wenn Vertrauen erhalten oder wiederhergestellt werden soll", sagte Geschäftsführer Albert-Peter Rethmann. Auch er warb für Schutzkonzepte, die "ein wichtiger Ausdruck unserer Wertekultur sind".
Rethmann bekannte, dass das furchtbare Leid der Opfer eines teils auch systematischen Umgangs mit sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche nicht ungeschehen gemacht werden könne. "Wo Missbrauch geschehen ist und das Vertrauen von Menschen auf unsägliche Weise verletzt wurde, ist das Fundament erschüttert."
Die Aufarbeitung der Vergangenheit habe deutlich gemacht, dass Systeme und Organisationen eine große Mitschuld tragen, sagte der Manager. Die Aufarbeitung werde noch Jahre dauern: "Die seelischen Verletzungen der Opfer sind schwerwiegend und teilweise nach Jahren und Jahrzehnten nicht verheilt." Aber er nahm die Träger in die Pflicht, sich für bessere Prävention einzusetzen, denn es gehe um die Glaubwürdigkeit kirchlichen Handelns.
Jede Einrichtung in kirchlicher Trägerschaft und jedes kirchliche Unternehmen habe laut Rethmann als Teil der Kirche auch Anteil an ihrem Auftrag. "Sie sind getragen von der Überzeugung, aus ihrem Glauben heraus zum Wohl von Menschen zu wirken."
Er verwies beispielhaft auf ein Schutzkonzept, das die BBT-Gruppe entwickelt habe. Es solle helfen, die Menschen, die sich unseren Mitarbeitenden und Einrichtungen anvertrauen, vor Übergriffen und Gewalt zu schützen.
Seit dem Jahr 2014 werden in allen BBT-Einrichtungen Ombudspersonen ernannt und geschult, die als Ansprechpartner in den Einrichtungen zur Verfügung stehen, wenn bei Mitarbeitenden oder Patienten, Bewohnern und Klienten der Verdacht auf Übergriffe oder Missbrauch besteht. Alle Mitarbeitende unterschreiben den Angaben nach eine Selbstverpflichtungserklärung, mit der sie die wesentlichen Grundsätze des achtsamen Umgangs mit den ihnen anvertrauten Menschen bewusst und explizit unterstreichen.
"Dort, wo es gesetzlich vorgesehen ist, liegen uns auch entsprechend erweiterte Führungszeugnisse von Mitarbeitenden vor", berichtete Rethmann. Der wichtigste Bestandteil der Präventionsarbeit seien die Schulungen zur Verhinderung von Übergriffen. "Seit 2015 wurden bereits mehr als 5.000 Mitarbeitende der BBT-Gruppe in mehrstündigen Schulungen für die Thematik der Prävention von sexuellem Missbrauch sensibilisiert." Beschwerdewege seien etabliert und würden weiterentwickelt.
Berlin (epd). Der Verband Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie (CBP) fordert nach der Vorstellung der Missbrauchsstudie der katholischen Kirche, die Fälle der Vergangenheit transparent aufzuarbeiten und die Prävention zu verbessern. "Damit ein Wegsehen unmöglich wird, darf ein Klima der Autoritätshörigkeit und Vertuschung nicht geduldet werden", teilte der Fachverband am 27. September in Berlin mit.
"Die Würde von schwerst- und mehrfachbehinderten Menschen täglich zu wahren und ihnen den Rahmen für einen selbstbestimmten Lebensalltag zu geben, bleibt immer ein Kernanliegen christlicher Nächstenliebe", machte Johannes Magin, CBP-Vorsitzender deutlich. Diese Selbstbestimmung sei die Grundvoraussetzung dafür, dass diese Menschen ihre Wünsche und Grenzen äußern können und dass bei dem Verdacht auf Missbrauch auf sie gehört werde. Für diese selbstbestimmte Teilhabe setze sich der CBP mit seinen 1.100 Diensten und Einrichtungen auf allen Ebenen ein.
Der CBP habe sich seit 2009/2010 mit der Aufarbeitung der Missstände in der Heimkindererziehung in den 1950er und 1960er Jahren befasst und die Studie "Heimkinderzeit in der katholischen Behindertenhilfe und Psychiatrie 1949 – 1975" in Auftrag gegeben, die 2016 veröffentlicht wurde. Hilfe können Opfer aus dieser Zeit seit 2017 durch die "Stiftung Anerkennung und Hilfe" bekommen. Die katholische Kirche und damit auch der CBP sind neben Bund und Ländern Initiatoren und Träger der Stiftung.
Wie hoch der Anteil von Menschen mit Behinderung und psychischen Erkrankungen unter den Betroffenen der jetzt in Fulda von der Bischofskonferenz verlegten Untersuchung ist, sei bisher nicht bekannt, hieß es. Auch dieses Thema müsse näher untersucht werden.
Die Prävention von Gewalt und Missbrauch ist laut Magin seit vielen Jahren ein zentrales Thema der Verbandsarbeit. Viele Häuser hätten eigene Präventionsprogramme nach den Leitlinien der deutschen Bischöfe verankert, aktiv unterstützt durch den CBP.
Ziel sei immer, individuelle und strukturelle Gewalt zu minimieren. Gerade die strukturelle Gewalt sei in institutionellen Settings eine Gefahr. Magin: "Auch polizeiliche und staatsanwaltliche Ermittlungen in Verdachtsfällen unterstützt der CBP in vollem Umfang."
Fulda (epd). Die katholische Kirche will den Missbrauchsskandal umfassend aufarbeiten. "Es darf keine Tabuthemen geben", sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, zum Abschluss der viertägigen Herbstvollversammlung der deutschen Bischöfe am 27. September in Fulda. Am 25. September hatte die Bischofskonferenz eine Studie zum tausendfachen sexuellen Missbrauch von Minderjährigen von 1946 bis 2014 der Öffentlichkeit vorgestellt.
Über vier Jahre hatte ein Team von Wissenschaftlern von drei Universitäten Tausende Personal- und Handakten aus den Archiven der Diözesen untersuchen lassen. Danach erfassten sie zwischen 1946 und 2014 insgesamt 3.677 Opfer sexuellen Missbrauchs. 1.670 Kleriker sind der Taten beschuldigt. Die Dunkelziffer schätzten sie jedoch wesentlich höher.
Zudem attestierten die Autoren der katholischen Kirche "spezifische Strukturmerkmale", die den Missbrauch begünstigten. Ein "komplexes Zusammenspiel" von sexueller Unreife und verleugneter homosexueller Neigung in einer teils offen homophoben Umgebung könne zudem Erklärung dafür sein, dass überwiegend Jungen missbraucht wurden.
Kardinal Marx sagte, die Studie belege ein institutionelles Versagen der Kirche. Aber "ohne Betroffene und Fachleute werden wir nicht vorankommen", betonte der Münchner Erzbischof. Die katholische Kirche brauche eine unabhängige Aufklärung, das habe die Studie gezeigt.
Die katholischen Bischöfe unterstützen den weiteren Weg zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs. Zum Abschluss der Herbstvollversammlung kündigten sie an, sie wollten "mehr als bisher" die Begegnung mit den Betroffenen suchen und eine zentrale Anlaufstelle für Fragen des sexuellen Missbrauchs schaffen. Auch das Verfahren zur Anerkennung von Missbrauch und die Höhe der Entschädigungen sollen laut einer Erklärung der Bischöfe "fortentwickelt" werden.
Ferner votierten die Bischöfe für ein bundesweites Monitoring über Intervention und Prävention in den Diözesen. Einen Gesprächsprozess streben sie zum Zölibat und der katholischen Sexualmoral an. Auch die Themen Zölibat und Sexualmoral "sollten wir nicht mehr unter uns beraten", sagte Kardinal Marx. Das gehe nur in einer "offenen Gesprächsrunde" mit Fachleuten und "dem Volk Gottes". Zudem seien Kontrolle und Machtfragen ein "neues Thema, das wir aufgreifen müssen". Dies sei jedoch ein längerfristiger Weg.
Der Missbrauchsbeauftragte der Bischofskonferenz, Stephan Ackermann versprach, die Bischofskonferenz werden künftig kontinuierlich über den Fortschritt bei der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals berichten. Er werde "nicht locker lassen", damit die in der Erklärung genannten Punkte angegangen würden. Ein vereinbartes Monitoring als beständige Qualitätsprüfung von Intervention und Prävention sei für die Diözesen verbindlich. "Da werde ich die Mitbrüder beim Wort nehmen", sagte er. Schlössen sich einzelne Bistümer nicht an, "dann ist das auch sichtbar".
Marx unterstrich, er habe "wirklich den Eindruck", die Bischöfe seien mit "großer Ernsthaftigkeit und persönlicher Betroffenheit" das Ergebnis der Studie durchgegangen, die von wissenschaftlichen Instituten in Mannheim, Heidelberg und Gießen erstellt wurde. Die Empfehlungen und Schlussfolgerungen der Studie seien Grundlage für die weitere Aufarbeitung.
Die Opfer-Vereinigung "Eckiger Tisch" zeigte sich von den Beschlüssen enttäuscht. "Wir haben zwar nicht erwartet, dass die katholischen Bischöfe in den Fragen der Aufarbeitung und Entschädigung jetzt zu schnellen Ergebnissen kommen", sagte ihr Sprecher Matthias Katsch. "Aber diese dürftigen Ankündigungen lassen uns fassungslos zurück."
Berlin (epd). Mehr und schneller bauen und die Mieter unterstützen, das soll die Marschrichtung von Bund und Ländern sein nach dem "Wohngipfel" am 21. September in Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, es sei "eine große Kraftanstrengung" für mehr Wohnungen nötig. Vor allem müsse Deutschland schneller werden beim Wohnungsbau.
Bundesbauminister Horst Seehofer (CSU) nannte das Treffen im Kanzleramt ein "starkes Signal für die Wohnraumoffensive der Bundesregierung". Aus der Opposition und von Mieterverbänden kam Kritik.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz und der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller (beide SPD), betonten, es gehe um bezahlbare Wohnungen. Sie warnten vor zu hohen Erwartungen: Die schwierige Lage auf dem Wohnungsmarkt werde noch eine Weile andauern. Zu dem zweieinhalbstündigen Treffen im Kanzleramt waren Spitzenvertreter von Bund, Ländern und Kommunen sowie aus der Baubranche und von Mieter- und Sozialverbänden zusammengekommen.
Die Bundesregierung will, dass bis zum Ende der Legislaturperiode 1,5 Millionen Wohnungen gebaut werden. Für den sozialen Wohnungsbau will sie ihre Zuwendungen an die Länder auf fünf Milliarden Euro verdoppeln. Das Ziel sind 100.000 zusätzliche Sozialwohnungen. Der Bund will sich auch langfristig im sozialen Wohnungsbau engagieren, für den eigentlich die Länder zuständig sind und dafür das Grundgesetz ändern.
Damit mehr und schneller gebaut werden kann, sollen die Verfahren beschleunigt werden. Die Länder haben sich verpflichtet, die Musterbauordnung weiter zu vereinheitlichen. Bund und Länder wollen den Kommunen mehr öffentliche Liegenschaften für den Sozialwohnungsbau zur Verfügung stellen.
Zur Unterstützung von einkommensarmen Haushalten soll im übernächsten Jahr das Wohngeld für Geringverdiener reformiert und erhöht werden. In den Mietspiegel sollen nicht nur die vergangenen vier, sondern sechs Jahre eingehen, das reduziert das Vergleichsniveau. Finanzminister Scholz sagte, man wolle in Milieuschutzgebieten außerdem die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen erschweren. Seehofer kündigte an, zur Fachkräftesicherung in der Baubranche noch in diesem Jahr das Fachkräftezuwanderungsgesetz in den Bundestag bringen zu wollen.
Der Direktor des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten, sprach von "Minischritten" und sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), die Wohngeldverbesserungen seien unzureichend. Das Wohngeld werde ohnehin alle zwei Jahre überprüft, das nächste Mal 2020. Der Mieterbund fordert eine jährliche Anpassung. Außerdem brauche man endlich Änderungen im Mietrecht, die die Mietpreisexplosionen im Neubau, bei der Wiedervermietung und im Bestand stoppen, erklärte Siebenkotten.
"Jetzt kommt es darauf an, die angekündigte Wohnraumoffensive zügig voranzubringen und die heute beschlossenen Maßnahmen umzusetzen. Die Wohnungsfrage ist eine entscheidende soziale Frage dieser Zeit", hieß es beim Deutschen Städtetag. Die Städte würden Bauland mobilisieren und für mehr Wohnungsbau werben und dafür die bereits bestehenden Instrumente des Planungsrechts, wie Vorkaufsrechte, ausschöpfen. "Wichtig wäre darüber hinaus, die Kommunen wieder in die Lage zu versetzen, aktiv Grundstücke kaufen und erschließen und das knappe Gut Boden gemeinwohlorientiert steuern zu können. Dabei helfen würde ein vom Bund einzurichtender Wohnbauland- und Erschließungsfonds – an dem sich auch die Länder beteiligen sollten."
Kritik kam vom Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA). Die Bundesregierung habe sich wieder einmal auf Verbote und Eingriffe unter anderem in das Mietrecht konzentriert. "Wirkliche Anreize wie die Novellierung einer Musterbauordnung, Unterstützung der Kommunen bei Planungs- und Genehmigungsverfahren und eine Erleichterung der hohen Auflagen an das Bauen bleiben zu unkonkret", sagte Andreas Mattner.
Adolf Bauer, Präsident des Sozialverbandes Deutschland (SoVD) forderte eine massive Ausweitung und Verstetigung des sozialen Wohnungsbaus. Er kündigte für Oktober ein Gutachten über die Mietverhältnisse in Deutschland an. "Das SoVD-Gutachten wird für mehr Klarheit in der Wohndebatte sorgen. Zudem wollen wir neoliberale Initiativen in die Schranken weisen. Der angespannte Wohnungsmarkt darf nicht allein den Kräften des Marktes ausgeliefert werden", sagte Bauer. "Andernfalls ist eine weitere Spaltung der Gesellschaft programmiert."
Der Fraktionsvorsitzende der Linken, Dietmar Bartsch, sagte im SWR-Hörfunk, es sei schon heute klar, dass dieses Ziel von 1,5 Millionen neuen Wohnungen verfehlt werde. In den beiden vergangenen Jahren seien jeweils weniger als 300.000 Wohnungen fertiggestellt worden. Die grüne Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt erklärte, die Wohnungsnot werde mit dem Gipfel nicht bekämpft, und forderte die Regierung auf, "endlich wirksame Maßnahmen gegen den Mietenwahnsinn vorzulegen".
Die Koalition von SPD und Union in Berlin hat erste Änderungen auf den Weg gebracht. Das Kabinett beschloss in dieser Woche eine Sonderabschreibung für Investoren im Mietwohnungsbau. Familien können seit kurzem das neue Baukindergeld beantragen, das den Erwerb oder Bau von Eigenheimen forcieren soll. Außerdem wird die Mietpreisbremse nachgebessert, die den Mietenanstieg bei Neuvermietungen in den Ballungsräumen bremsen soll. Aus Sicht der Mieterverbände reicht das nicht. Es gebe zu viele Ausnahmen, kritisieren sie.
Berlin (epd). Gewerkschaften und Mieterbund haben darauf hingewiesen, dass beim Wohngipfel im Bundeskanzleramt keine Vereinbarungen getroffen wurden. Die Organisationen widersprachen am 25. September in einer Pressemitteilung der zuvor verbreiteten Stellungnahme des Bundesinnenministeriums.
Es aber keine Absprachen über die hierzu notwendigen Maßnahmen, zumindest keine Vereinbarung mit den Gewerkschaften und dem Deutschen Mieterbund, stellten die Teilnehmer des Wohngipfel, Robert Feiger (IG BAU), Stefan Körzell (DGB) und Franz-Georg Rips (Deutscher Mieterbund) klar.
"Das vorgelegte Maßnahmenbündel basiert vielmehr auf einem Eckpunktepapier der Bundesregierung, dass wir keine 24 Stunden vor dem Wohngipfel erhalten haben. Die hier angesprochenen Maßnahmen, die teilweise längst beschlossen sind, wurden weder ernsthaft diskutiert, noch mit uns vereinbart, sie geben auch nicht in allen Punkten die Position von Gewerkschaften und Mieterbund zur Wohnungs- und Mietenpolitik wieder." Zugleich betonten die Organisationen, dass sie die Ziele des Wohngipfels, die Stärkung des Wohnungsneubaus und die Sicherung bezahlbaren Wohnens begrüßen.
Von einer Stärkung des sozialen Wohnungsbaus könne beispielsweise nicht gesprochen werden, wenn nur fünf Milliarden Euro in vier Jahren bereitgestellt und die Fördermittel des Bundes von derzeit 1,5 Milliarden Euro auf jeweils eine Milliarde Euro in den Jahren 2020 und 2021 abgesenkt werden, lautet ihre Kritik. Die geplanten 100.000 zusätzlichen Sozialwohnungen in dieser Legislatur reichten nicht einmal aus, um den jetzigen Bestand an Sozialwohnungen zu sichern und ein weiteres Abschmelzen zu verhindern.
Fazit: Bei dem Maßnahmenbündel handelt es sich nach Einschätzung der Gewerkschaften und des Mieterbundes nicht um die geeigneten Schritte, um der Wohnraumkrise schnell und entschlossen zu begegnen.
Frankfurt a.M. (epd). Laut dem Eduard-Pestel-Institut müssten bis zu 120.000 der 400.000 Wohnungen Sozialwohnungen sein, damit allen Menschen finanzierbarer Wohnraum zur Verfügung steht. Nur jeder fünfte finanzschwache Haushalt hat dem Institut zufolge derzeit überhaupt die Chance, eine Sozialwohnung mieten zu können. Der bundesweite Bedarf liege bei rund 5,6 Millionen Sozialwohnungen.
Nach Angaben der Deutschen Bauindustrie ist die Zahl der neu gebauten Wohnungen seit einem Tief im Jahr 2009 wieder deutlich gestiegen. Bis 2016 habe man ein Plus von 75 Prozent auf 280.000 neue Wohneinheiten pro Jahr gemessen. Für 2017 wurde mit 320.000 zunächst eine weitere Erhöhung erwartet. Vor allem der Mietwohnungsneubau in Ballungsgebieten und deren Umland liege immer noch deutlich unter dem Bedarf, hieß es. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes stieg der Bestand bis Ende 2017 allerdings nur um 265.000 Wohnungen.
Neben diesem Mangel stellen vor allem die enorm gestiegenen Miet- oder Kaufpreise ein Problem für viele Menschen dar. Gründe für die aktuelle Knappheit bezahlbaren Wohnraums liegen in den 90er und 2000er Jahren. Viele Städte gingen davon aus, dass die Bevölkerungszahlen stagnieren oder sogar sinken würden. Getrieben durch knappe Haushaltsmittel verkauften viele Kommunen, Bund und Länder Besitztümer - darunter oft auch in großem Umfang Wohnungen. Folge: Durch den Verkauf an private Investoren und eine steigende Nachfrage wurde Wohnraum immer teurer.
Die Zahl der Sozialwohnungen, die meist durch Länder und Kommunen aufrechterhalten werden, nimmt immer weiter ab. Seit 1990 ist der Bestand um rund 60 Prozent gesunken. Nach Angaben des Pestel-Instituts gibt es aktuell bundesweit etwa 1,6 Millionen Sozialwohnungen. Die Wohnungslosenhilfe geht von 1,2 Millionen Sozialwohnungen aus. Schätzungen zufolge wird die Zahl weiter sinken.
Grund dafür ist die zeitlich begrenzte Belegungs- oder Mietpreisbindung. Ursprünglich als Sozialwohnungen gebaute Immobilien können damit, je nach Förderbedingungen des Landes, nach 15 bis 35 Jahren wieder zu marktüblichen Preisen vermietet werden. Etwa 50.000 Wohnungen fallen deshalb nach Angaben des Deutschen Mieterbundes jedes Jahr aus der Mietpreisbindung heraus. Nur rund 15.000 würden dagegen pro Jahr neu gebaut.
Die Anreize, mehr sozialen Wohnraum zu schaffen, sind für Investoren wegen niedrigerer Renditen gering. Denn in Ballungsräumen bringt ihnen das deutlich weniger ein als der Bau von teuren Häusern, die für viel Geld vermietet oder verkauft werden können. Auch Preiserhöhungen sind bei Sozialmieten kaum möglich.
Hinzu kommen fehlendes Bauland, lange Genehmigungsverfahren und hohe Baustandards als Hürden. Problem: Grundstücke, auf den Häuser entstehen könnten, sind nicht nur rar, sondern inzwischen oft unbezahlbar. Wie die Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen mitteilte, sind die Baulandpreise in Deutschland sind in den zehn Jahren bis 2017 um 54 Prozent gestiegen.
Der Bund finanziert sozialen Wohnraum aktuell mit rund 1,5 Milliarden Euro. 2020 und 2021 soll der Betrag allerdings um ein Drittel auf eine Milliarde zurückgefahren werden. Der Städtetag kritisiert diesen Schritt als nicht nachhaltig. Durch die Reduzierung fehle den Städten und Kommunen die Planungssicherheit, hieß es.
Der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen fordert die schnelle Umsetzung eines Planungs- und Beschleunigungsgesetzes. Das Vorhaben ist im Koalitionsvertrag festgeschriebenen. Wichtig für eine schnelle und gute Organisation von Bauvorhaben seien beispielsweise bundesweit gültige und einheitliche bauliche Zulassungen von mehrgeschossigen Mehrfamilienhaustypen und mehr Möglichkeiten für experimentellen Wohnungsbau, wie etwa modulares Bauen, betont der Verband.
Frankfurt a.M. (epd). "Wenn die Menschen immer älter werden, müssen sie auch länger arbeiten. Ich halte eine Koppelung der Lebensarbeitszeit mit der Lebenserwartung für vernünftig", sagte DIW-Präsident Marcel Fratzscher im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Rentenversicherung müsse außerdem beachten, dass Geringverdiener eine bis zu zehn Jahre geringere Lebenserwartung haben als Gutverdiener. Das Interview mit Fratzscher führten Markus Jantzer und Dirk Baas. Lesen Sie den zweiten Teil des Interviews in dieser Ausgabe.
epd: Die gesetzliche Rente steht unter Druck. Rentenkürzungen und die Verlängerung der Lebensarbeitszeit werden stets mit dem demografischen Wandel begründet. Sticht das Argument wirklich?
Fratzscher: Die gesetzliche Rente ist ein Generationenvertrag. Wenn die Alten mehr bekommen - einfach weil es mehr von ihnen gibt -, dann findet eine Umverteilung von Jung zu Alt statt. Das hat Auswirkungen auf die Rentenbeiträge. Und hier gibt es eine Grenze des wirtschaftlich Leistbaren. In Deutschland werden im internationalen Vergleich mit über 20 Prozent vom Bruttolohn sehr hohe Sozialbeiträge bezahlt. Das ist ein Wirtschaftsfaktor.
epd: Also wird auch in Zukunft eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit unvermeidlich sein?
Fratzscher: Es gibt im Rentensystem verschiedene Stellschrauben: Man kann die Beiträge erhöhen, man kann auch das Rentenniveau senken. Aber beides hat enge Grenzen. Für mich steht fest: Wenn die Menschen immer älter werden, müssen sie auch länger arbeiten. Ich halte eine Koppelung der Lebensarbeitszeit mit der Lebenserwartung für vernünftig. Für ein Jahr längeres Leben ist es notwendig, acht Monate länger zu arbeiten. Nur so lässt sich die höhere Lebenserwartung finanzierungsneutral halten. Viele Menschen wollen auch länger arbeiten. Sie sollten nach meiner Auffassung auch die Möglichkeit dazu bekommen.
epd: Mit welchen Maßnahmen könnte die gesetzliche Rentenversicherung zusätzlich gestärkt werden?
Fratzscher: Die wichtigste Stellschraube ist eine höhere Beschäftigung, denn diese beschert der Rentenkasse höhere Einnahmen, hilft somit den Älteren, ohne den einzelnen jungen Menschen stärker zu belasten. Die Zuwanderung in den vergangenen zehn Jahren hat sich äußerst positiv auf die finanzielle Situation der Rentenkasse ausgewirkt. Auch in Zukunft wird es so sein, dass nur mit Hilfe der Zuwanderung aus dem Ausland die Arbeitsplätze besetzt werden können.
Vor allem aber müssen Frauen mehr Chancen bekommen, Vollzeit zu arbeiten. In Deutschland sind im internationalen Vergleich überdurchschnittlich viele Frauen in Teilzeit beschäftigt. Wir haben zu wenige Kitaplätze und zu wenige Ganztagsschulen. Völliger Irrsinn ist das steuerliche Ehegattensplitting. Es führt dazu, dass Frauen für das gleiche Gehalt deutlich höhere Steuern abführen müssen als Männer.
epd: Forscher Ihres Instituts schlagen vor, Gutverdiener stärker heranzuziehen. Dazu empfehlen sie, die Beitragsbemessungsgrenze von knapp 7.000 Euro, ab der keine Rentenbeiträge mehr bezahlt werden müssen, zu erhöhen oder gar zu streichen. Außerdem bringen sie in die Debatte, dass auch Bezieher anderer Einkommensarten in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen sollten.
Fratzscher: Dies ist sinnvoll, auch wenn es alleine nicht ausreichen wird. Beamte einzubeziehen, würde allerdings helfen. Aber: Mehr Beschäftigung ist das deutlich effektivere Instrument, um die gesetzliche Rentenversicherung finanziell zu stärken.
epd: Ihre Kollegen stellen auch das bestehende Äquivalenzprinzip in der Rentenversicherung in Frage. Nach diesem Prinzip erhalten alle Beitragszahler für einen Euro, den sie jeden Monat mit ihrem Gehalt einzahlen, als Rentner monatlich denselben Geldbetrag zurück.
Fratzscher: Das bestehende Äquivalenzprinzip ist eine Mogelpackung. Denn das gegebene Versprechen wird nicht gehalten. Es bekommt eben nicht jeder für einen Euro, den er in die Rentenkasse einzahlt, denselben Betrag wieder heraus. Das liegt daran, dass Bezieher niedriger Einkommen eine bis zu zehn Jahre geringere Lebenserwartung haben als Gutverdiener. Ihre Zeit in Rente ist also deutlich kürzer. Diese Tatsache wird bei den Rentenansprüchen nicht berücksichtigt.
epd: Die Steuereinnahmen sprudeln. Warum sollte der Steuerzuschuss für die Rentenkasse nicht - sagen wir – jährlich um 20 Milliarden Euro erhöht werden? Zumal viele Leistungen aus der Rentenkasse finanziert werden, die gesamtgesellschaftliche Aufgaben sind.
Fratzscher: Ja, das ist eine Option – belastet aber auch die jungen Menschen. Im Augenblick mangelt es nicht an Geld. Ich gebe allerdings zu bedenken, dass es einem durch Steuern bezuschussten System an Transparenz mangelt.
epd: In der Pflege liegt die Personallücke nach Schätzungen bei rund 50.000 zusätzlichen Pflegefachkräften. Wer ehrlich ist, wird zugeben: Diese Personalstärke wird nicht zu erreichen sein. Brauchen wir also nicht, um den Versorgungsbedarf wirklich decken zu können, einen grundlegenden Kurswechsel in der Pflegepolitik?
Fratzscher: Die geplanten Reformen wie Erhöhung der Pflegebeiträge und Erhöhung der Pflegelöhne sind gut und richtig. Aber sie lösen das grundlegende Problem nicht.
epd: Müssen in Deutschland nicht Angehörigenpflege und Nachbarschaftshilfe viel stärker gefördert werden? Denn wenn diese Förderung erfolgreich ist, dann schrumpft der Bedarf an professionellen Pflegekräften.
Fratzscher: Es ist schön, wenn die Familie die Pflege übernimmt. Aber die Betroffenen sollten die Wahl haben. Sie müssen sich die berufliche Auszeit für Pflege auch leisten können. Die Pflegearbeit muss mehr Anerkennung – und dann auch eine höhere Vergütung – erfahren. Was zu wenig beachtet wird: Diese Menschen gehören zu den Leistungsträgern unserer Gesellschaft. Nicht nur Gutverdiener sind Leistungsträger.
epd: "Wohlstand für alle": Das war das von Ludwig Erhard, dem Vater der sozialen Marktwirtschaft, ausgegebene Leitbild. Daran haben sich deutsche Bundeskanzler Jahrzehnte lang gehalten. Was ist daraus geworden?
Fratzscher: Das ist ein schönes Ideal, ja ein essenzielles Ideal für unsere soziale Marktwirtschaft. Die soziale Marktwirtschaft ist der Grund, warum wir in Deutschland heute so viel Wohlstand und einen so starken Sozialstaat haben. Aber dieses Ideal gilt für immer weniger Menschen. Für mich ist das Problem gar nicht so sehr, dass die Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen steigt. Für mich ist der wirkliche Widerspruch zur sozialen Marktwirtschaft die fehlende Chancengleichheit. In Deutschland hängt das, was Sie aus Ihrem Leben machen, ungewöhnlich stark davon ab, in welcher Familie Sie geboren werden. Das ist auch die Kernthese meines Buches "Verteilungskampf. Warum Deutschland immer ungleicher wird", für das ich böse Reaktionen erhalten habe. Ludwig Erhards Anspruch, jeder sollte für sein Leben Eigenverantwortung übernehmen können, gilt für immer weniger Menschen in Deutschland.
epd: Der Niedriglohnsektor wächst in Deutschland seit mehr als 20 Jahren. Wir sind hier im negativen Sinne spitze in Europa. Gibt es Anzeichen dafür, dass sich das wieder ändert?
Fratzscher: Ich habe die Hoffnung, dass mit dem Wirtschaftsboom, den wir derzeit haben, sich ein bisschen was verändert. Denn der Fachkräftemangel nimmt zu. Es gibt einfach viele offene Jobs. Meine Hoffnung ist, dass dadurch Menschen nach oben rücken und sich besser stellen können. Auch für Flüchtlinge sehe ich die Chance, dass sie in – wenn auch zunächst niedrig bezahlte - Jobs kommen. Das löst dann einen positiven Effekt für die übrigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus: Diese rutschen in die etwas besser bezahlten Jobs hoch.
epd: Mit einer anhaltend guten Konjunktur wird alles wieder gut?
Fratzscher: Bei all dem bleibt Bildung das A und O. Das fängt schon in den Kitas an. In unseren Forschungsstudien stellen wir immer wieder fest, dass Deutschland hier besser werden muss. Wenn ein Kind bis zum Alter von sechs Jahren nicht die Chance bekommen hat, sich im kognitiv-sozialen Bereich ausreichend zu entwickeln, ist das kaum noch aufzuholen. Junge Menschen, die keinen Schulabschluss haben, werden es in ihrem Leben kaum schaffen, auf eigenen Füßen zu stehen. Beim Thema Bildung und Qualifizierung muss Deutschland neu denken und auch Neues ausprobieren. Eine Möglichkeit wäre ein sogenanntes Lebenschancenkonto oder Lebenschancenerbe. Hier werden Menschen nach ihrer Ausbildung zweckgebunden 30.000 Euro zur Verfügung gestellt, damit sie es für Weiterbildung verwenden oder sogar einen neuen Beruf lernen können.
epd: Nach dem Motto "fördern und fordern"?
Fratzscher: Das überstrapazierte "Fördern und fordern" ist wichtig. Wir müssen das Sozialsystem so umbauen, dass es den Menschen mitnimmt. Und "Menschen mitnehmen" heißt, dass ihnen eine wirkliche Teilhabe ermöglicht wird. Das bedeutet auch, sie zu fordern. Das Lebenschancenkonto ist Teil eines Konzepts, mit dem es gelingen könnte. Über solche Konzepte müssen wir nachdenken. Die nordischen Länder haben damit schon angefangen.
epd: Sind diese Konzepte bereits in der deutschen Politik angekommen?
Fratzscher: Im Weißbuch des Bundesarbeitsministeriums werden sie zumindest erwähnt. Wir sind hier noch auf sehr niedrigem Niveau. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung versucht, das Thema in der Forschung zu pushen. Ich persönlich bin in einer Stiftung, die diesen Weg zu gehen versucht. Wir müssen als Gesellschaft damit jetzt beginnen.
Berlin, Augsburg (epd). Der Minister hatte im Interview mit der "Augsburger Allgemeinen" gesagt, viele Beschäftigte in Heimen und der ambulanten Pflege hätten ihre Arbeitszeit reduziert. Würden von einer Million Pflegekräfte nur 100.000 drei oder vier Stunden pro Woche mehr arbeiten, "wäre schon viel gewonnen." Man müsse "auch ein Auge auf die Arbeitsbedingungen werfen".
Der Präsident des bpa Arbeitgeberverbands, Rainer Brüderle, sagte, das sei "sicher auf den ersten Blick naheliegendes Argument". Spahns Vorschlag würde indes häufig zu geteilten Diensten führen, die sich oft schwer mit der familiären Situation der Pflegekräfte vereinbaren lassen. "Auch deshalb wählen Pflegekräfte sehr häufig Teilzeitmodelle."
Die Bundesregierung dürfe mit der Diskussion über Teilzeitbeschäftigte nicht ihre Aktivitäten zur Gewinnung von mehr Personal, zum Beispiel bei der Zuwanderung, der Verbesserung des Berufsimage, praktikabler Ausbildungsbedingungen und besserer Refinanzierungsbedingungen einstellen. Brüderle: "Wir brauchen den gesamten Mix."
Auch die Diakonie Bayern protestierte. Der Minister solle nicht den Eindruck erwecken, die Mitarbeitenden seien schuld am Pflegenotstand, erklärte Vorstand Sandra Schuhmann. "Unsere Mitarbeitenden würden gerne mehr Stunden arbeiten - wenn die Arbeitsbedingungen stimmen würden", sagte sie laut Mitteilung ihres Verbandes.
Die Finanzierung der Pflege - sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich - lasse aber nur eine "Rennpflege" zu. In der Pflege werde schwersten Bedingungen gearbeitet. Den Beschäftigten den Vorwurf zu machen, sie seien nicht zur Mehrarbeit bereit, gehe am Problem vorbei, sagte Schuhmann. "Die Finanzierung der Pflege lässt kaum mehr zu als eine Pflege im Minutentakt, die die Mitarbeitenden oft an den Rand ihrer Kräfte bringt."
Jüngst hatten auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di gefordert, das Fachpersonal zu ent- statt zu weiter zu belasten. Einer Studie zufolge fühlen sich Hunderttausende Pflegekräfte durch Überlastung, Dauerstress und geringe Bezahlung ausgezehrt. Nach einer Mitte März vom Deutschen Institut für angewandte Pflegeforschung vorgelegten Untersuchung gibt es zurzeit 17.000 unbesetzte Stellen in Pflegeheimen.
Spahn hatte betont, "am Geld alleine liegt es aber nicht, dass es zu wenige Pflegekräfte gibt." Auch die Organisation der Arbeit sei verbesserungsfähig: "Faire Schichtpläne, verlässliche Arbeitszeiten, auch mal drei, vier freie Tage am Stück", so der Minister. "Derzeit ist die Pflege der am wenigsten planbare Beruf, den es gibt", kritisierte er. "Die meisten Menschen, die in der Pflege arbeiten, arbeiten dort gerne, sie schöpfen viel Kraft aus ihrem Beruf, hadern aber mit den Umständen, die er mit sich bringt." Deshalb müsse man auch an den Rahmenbedingungen arbeiten.
Berlin (epd). Zwar begrüßte die Länderkammer nach eigenen Angaben die geplante Entlastung der Pflegekräfte durch eine bessere Personalausstattung und bessere Arbeitsbedingungen. "Doch muss das Sofortprogramm Pflege noch weiter gehen." So stehe die Versorgung durch Hebammen und Entbindungspfleger vor vergleichbaren Problemen wie die Pflege, hieß es.
Mittlerweile habe jedes zweite Krankenhaus Schwierigkeiten, offene Hebammenstellen zu besetzen. Die Zahl der Geburten steige dabei weiter an. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren solle deshalb geprüft werden, ob bei den Hebammenstellen eine ähnliche Refinanzierung wie bei den Pflegekräften möglich ist, so der Bundesrat.
Ebenfalls berücksichtigt werden müssten die Rehabilitationseinrichtungen. Dort seien die Pflegekräfte genauso belastet wie in Krankenhäusern und Pflegeinrichtungen. Blieben Reha-Kliniken weiter außen vor, dann sei zu befürchten, dass Pflegekräfte aus diesem Bereich in die besser gestellten Krankenhäuser und stationären Pflegeeinrichtungen abwanderten, warnen die Länder.
Mit dem Sofortprogramm Pflege möchte die Bundesregierung die Arbeitsbedingungen im Pflegesektor verbessern. Der Kern sind rund 13.000 zusätzliche Stellen für stationäre Pflegeeinrichtungen. Bezahlen sollen sie die Krankenkassen.
Künftig sollen danach Heime mit bis zu 40 Bewohnern je eine halbe Stelle zusätzlich erhalten, Einrichtungen mit 41 bis 80 Einwohnern eine volle, solche mit 81 bis 120 Bewohnern anderthalb oder sogar zwei Pfleger-Stellen. Ebenfalls zur Entlastung der Pflegeheime beitragen sollen Zuschüsse für die Anschaffung von digitalen oder technischen Ausrüstungen, die den Pflegekräften die Arbeit erleichtern. Ein weiterer Aspekt ist die betriebliche Gesundheitsförderung. Hierfür sieht der Gesetzentwurf die Förderung von Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf sowohl in Pflegeheimen als auch in Krankenhäusern vor.
Zur Verbesserung der Pflegesituation in den Krankenhäusern wird dort künftig jede zusätzliche Pflegestelle vollständig refinanziert. Für Zusatzkosten wegen höherer Tarifabschlüsse sollen ebenfalls die Krankenkassen aufkommen. Außerdem schafft der Gesetzentwurf Anreize für mehr Ausbildungsplätze: Anders als bislang sollen die Ausbildungsvergütungen von Auszubildenden in der Kinderkrankenpflege, der Krankenpflege und in der Krankenpflegehilfe im ersten Ausbildungsjahr ab 2019 vollständig von den Kostenträgern refinanziert werden.
Darüber hinaus sieht das Sofortprogramm ab 2020 erstmals Untergrenzen für den Einsatz von Pflegepersonal in Krankenhäuern vor. Werden diese nicht erreicht, müssen die Krankenhäuser mit Sanktionen rechnen. Einzelheiten hierzu soll eine Rechtsverordnung regeln. Die Stellungnahme der Länder wird nun über die Bundesregierung zur Beratung in den Bundestag eingebracht.
Berlin (epd). Der Bundesrat hat der neuen Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Pflegeberufe am 21. September zugestimmt. Damit verfolgt die Bundesregierung das Ziel, die Ausbildung des Pflegenachwuchses zu modernisieren und zu vereinheitlichen. In seiner Entschließunf begrüßte der Bundesrat zwar den Plan, warnte aber zugleich davor, das Niveau der Altenpflegeausbildung dauerhaft abzusenken. Auch Fachleute meldeten sich mit Kritik zu Wort.
"Eine auf systematischer Evaluation und Evidenz mittels Leitlinien und Standards basierende Pflege könne danach nicht mehr gewährleistet werden", betonten die Länder. Sie riefen die Bundesregierung auf, die Niveauabsenkung zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufzuheben und bereits jetzt einer möglichen Benachteiligung dieses Berufsfeldes gegenzusteuern.
Die Entschließung wird nun an die Bundesregierung weitergeleitet. Feste Fristen für die Beratung gibt es jedoch nicht.
Grundlage der Reform der Pflegeberufe ist das in der vergangenen Legislaturperiode verabschiedete Pflegeberufegesetz. Fachkräfte sollen damit besser auf die veränderten Herausforderungen in der Berufspraxis vorbereitet werden. Außerdem erhalten sie neue Berufs- und Aufstiegsmöglichkeiten. Die Reform soll ab 2020 gelten.
Die Präsidentin der Pflegekammer Niedersachsen, Sandra Mehmecke, warnte ebenfalls vor einer Absenkung des Niveaus der Altenpflegeausbildung. "Wir kritisieren die Ausbildung auf dem niedrigeren Niveau scharf", sagte Mehmecke in Hannover. Der derzeitige Gesetzesentwurf schreibe eine andauernde Schlechterstellung der Altenpflege auch in Zukunft fest, sagte Mehmecke: "Hier bedarf es dringend einer Korrektur."
Der Bundesrat sprach sich zudem dafür aus, eine bundeseinheitliche Refinanzierung der Miet- und Investitionskosten für alle Pflegeschulen zu etablieren. Hintergrund ist das ab dem Jahr 2020 geltende Pflegeberufegesetz, das eine Refinanzierung der Investitionskosten, zu denen auch die Miete zählt, über den Ausbildungsfonds ausschließt. Während Krankenpflegeschulen ihre Mietkosten über das Krankenhausfinanzierungsgesetz refinanzieren können, fehlt eine entsprechende Möglichkeit für die Altenpflegeschulen ab dem Jahr 2020.
Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) unterstützt die Forderung des Bundesrates: "Die Pflegeschulen brauchen schnell Rechtssicherheit, wie sie ihre Mieten ab 2020 refinanzieren können. Ansonsten werden Ausbildungskapazitäten gefährdet."
Zu Recht weise der Bundesrat darauf hin, dass die deutliche Schlechterstellung der Altenpflegeschulen dazu führen kann, dass diese schließen müssen. "Das darf nicht passieren. Wir brauchen jeden Schulplatz und jeden Auszubildenden. Dafür sind Bund und Länder in der Verantwortung", sagte Geschäfstführer Bernd Tews.
Berlin (epd). Der Bundesländer üben in einer am 21. September beschlossenen Stellungnahme Kritik am vom Bund geplanten Teilhabechancengesetz. Es sei verfehlt, dass das angedachte Instrument "Teilhabe am Arbeitsmarkt" erst nach sieben Jahren Arbeitslosigkeit gelten soll, hieß es. Mit der Initiative will die Bundesregierung versuchen, Langzeitarbeitslose über Lohnkostenzuschüsse wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Die Erfahrungen zeigten, betonte die Länderkammer, dass die Chancen auf Wiederbeschäftigung bereits nach fünf Jahren ausgesprochen gering seien. Eine Förderung solle deshalb schon dann möglich sein, wenn Personen innerhalb der letzten sechs Jahre fünf Jahre arbeitslos waren. Wichtig ist den Ländern auch, dass entlassene Strafgefangene von der Förderung nicht ausgeschlossen sind, hieß es weiter.
Die Beschäftigungen zur Eingliederungen von Personen, die zwei Jahre arbeitslos waren, sollen nach Ansicht des Bundesrates zum Erwerb von Versicherungsansprüchen führen. Darüber hinaus spricht sich die Länderkammer dafür aus, den geplanten Zuschuss für Weiterbildungskosten des Arbeitgebers deutlich zu erhöhen. Vorgeschlagen wird, nicht nur die Hälfte der Kosten zu erstatten, sondern sie in voller Höhe zu übernehmen. Gerade in den ersten beiden Jahren sei bei den Beschäftigten von einem großen Weiterbildungsbedarf auszugehen, heißt es zur Begründung.
Zudem möchte der Bundesrat sicherstellen, dass Langzeitarbeitslose, die bereits im Zuge eines Landesprogrammes gefördert werden, von der Teilnahme an den neuen Instrumenten des Bundes nicht ausgeschlossen sind. Weiter bittet er um Prüfung, ob über das neue Teilhabeinstrument auch Modellprojekte gefördert werden können, die von Ländern und Kommunen speziell für bestimmte Regionen entwickelt wurden.
Mit den geplanten Lohnkostenzuschüssen möchte Regierung Langzeitarbeitslose wieder in den Arbeitsmarkt integrieren. Voraussetzung für eine Förderung über das Instrument "Teilhabe am Arbeitsmarkt" soll eine siebenjährige Arbeitslosigkeit unter Bezug von Hartz IV sein. Außerdem müssen die Betroffenen mindestens 25 Jahre alt sein. Laut Gesetzentwurf wird der Lohnkostenzuschuss wird für maximal fünf Jahre ausgezahlt. Er beträgt in den ersten zwei Jahren 100 Prozent des gesetzlichen Mindestlohns. Dann sinkt er um zehn Prozentpunkte pro Jahr. Um den Betroffenen den Wiedereinstieg ins Arbeitsleben zu erleichtern, sollen sie von den Jobcentern umfassend betreut werden.
Für eine Förderung nach einer zweijährigen Arbeitslosigkeit muss das Arbeitsverhältnis für mindestens zwei Jahre geschlossen wird. Der Zuschuss beträgt dann 75 Prozent im ersten Jahr und 50 Prozent im zweiten. Maßgeblich ist in diesem Fall das tatsächliche Arbeitsentgelt. Insgesamt stellt die Bundesregierung dafür rund vier Milliarden Euro für diese Fördermaßnahmen zur Verfügung
Berlin (epd). Der Bundesrat hat dem freien Verkauf von HIV-Selbsttests zugestimmt. Die Länderkammer gab am 21. September in Berlin grünes Licht für eine Verordnung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), wonach die Tests an jedermann verkauft werden können. Bisher waren "Heimtests" nicht erlaubt, sondern die Tests durften von den Herstellern nur an Ärzte, Labors oder Behörden geliefert werden.
Spahn begrüßte die Entscheidung des Bundesrats und erklärte, wer unsicher sei, ob er sich infiziert habe, wolle schnell Gewissheit. Je früher Betroffene von einer HIV-Infektion wüssten, desto eher könne die Behandlung beginnen.
Um die Selbsttester mit den nötigen Informationen zu versorgen, hat das Paul-Ehrlich-Institut auf Bitten von Spahn ein Anwender-Portal aufgebaut. Dieses werde zeitgleich mit dem Inkrafttreten der Verordnung freigeschaltet, teilte das Bundesgesundheitsministerium mit.
In Deutschland leben nach Einschätzung des Robert-Koch-Instituts rund 84.000 Menschen mit einer HIV-Infektion, etwa 13.000 wissen nicht, dass sie sich infiziert haben.
Berlin, Düsseldorf (epd). Der Krankenstand in deutschen Unternehmen und Behörden ist nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums in den vergangenen zehn Jahren um mehr als 60 Prozent gestiegen. 2008 lag die Zahl der Tage mit Arbeitsunfähigkeit nach Krankschreibung bei rund 334 Millionen, im Jahr 2016 bei fast 560 Millionen, wie die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion mitteilte, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt.
Der dadurch ausgelöste volkswirtschaftliche Schaden nahm in dem Zeitraum um etwa 75 Prozent zu. Er betrug den Angaben nach 75 Milliarden Euro im Jahr 2016. Inflationsbereinigt ergebe sich ein Schadenszuwachs von mehr als 30 Prozent in den vergangenen 20 Jahren, erklärte das Gesundheitsministerium.
Bei der Entwicklung seit 1998 sei allerdings auch zu berücksichtigen, dass die Erwerbstätigkeit deutlich zugenommen habe und alleine schon deswegen die Zahl der Krankheitsfälle gestiegen sei, heißt es in der Antwort. Hinzu komme eine überdurchschnittlich gestiegene Erwerbsbeteiligung Älterer, was sich statistisch in der Zahl der Fehltage niederschlage. So dauert nach der amtlichen Statistik der gesetzlichen Krankenversicherung die Arbeitsunfähigkeit für 60- bis 64-Jährige durchschnittlich mehr als doppelt so lange wie für 35- bis 39-Jährige.
Düsseldorf (epd). Alte Menschen in Nordrhein-Westfalen sehen ihr Leben deutlich positiver als von Wissenschaftlern bislang angenommen. Eine große Mehrheit von 86 Prozent zeigt sich zufrieden, wie aus einer Studie zur Lebenssituation der über 80-Jährigen hervorgeht, die am 21. September in Düsseldorf vorgestellt wurde. Für die Hochaltrigenstudie der Universität Köln, die das Land NRW mit 1,1 Millionen Euro gefördert hat, wurden rund 1.800 Hochbetagte zu ihren Lebensumständen befragt. Es ist die bundesweit erste repräsentative Studie dieser Art, wie es hieß.
Demnach beschrieben 60 Prozent von ihnen ihre Gesundheit als "gut" oder "sehr gut". Allerdings wächst bei den über 90-Jähigen die Unzufriedenheit. "Wenig überraschend spielt Gesundheit eine große Rolle bei der Lebenszufriedenheit. Sie ist geringer, je mehr Krankheiten vorhanden sind", sagte die Medizinethikerin Christiane Woopen. Sie ist an der Kölner Uni geschäftsführende Direktorin des interfakultären Zentrums ceres, das die Studie erstellt hat.
In die Erhebung flossen auch Befragungen von Repräsentanten von Seniorenvertretungen und Versicherungen ein, um ein repräsentatives Bild zu bekommen.
Zwei Drittel der Hochaltrigen im bevölkerungsreichsten Bundesland sind nicht pflegebedürftig, wie aus der Studie weiter hervorgeht. Bei den über 90-Jährigen ändert sich dies jedoch dramatisch: Von ihnen haben 63 Prozent einen Pflegegrad.
Auch das oft diskutierte Thema der Einsamkeit ging in die Befragungen ein. Drei Viertel (74 Prozent) gaben an, sich nie oder fast nie einsam zu fühlen. Nur sechs Prozent bejahten dies. Jedoch zeigte jeder vierte Befragte depressive Symptome, hieß es. Und 60 Prozent äußerten die Einschätzung, dass ältere Menschen von der Gesellschaft eher nicht gebraucht werden.
Laut Studie leben nur 11,4 Prozent der Hochaltrigen in NRW im Heim. Das Leben in der Privatwohnung ist bis ins höchste Alter der Regelfall, auch bei Alleinlebenden. Über die Hälfte ist verwitwet, bei den Frauen sind es dabei vier Mal mehr als bei den Männern. Die Lebensumstände hochaltriger Frauen sind im Vergleich entsprechend oft schwieriger. Sie wohnen demnach häufiger zu Miete und sind öfter armutsgefährdet mit weniger als 1.000 Euro Monatseinkommen.
Bielefeld (epd). Welche Folgen hat die Anstellung nicht kirchlich gebundener Mitarbeitender, die durch die Änderung der Loyalitätsrichtlinie der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) auch rechtlich abgesichert wurde, für Identität und Profil der Diakonie? Diesen Fragen geht das Forschungsprojekt "Merkmale diakonischer Unternehmenskultur in einer pluralen Gesellschaft" nach, dessen Ergebnisse nach dreijähriger Forschungstätigkeit am 27. September in Bethel vorgestellt wurden. Die zentrale Hypothese, die dem Projekt zugrunde liegt, besagt, dass durch eine diakonisch geprägte Unternehmenskultur auch bei einer wachsenden Divergenz persönlicher Glaubensüberzeugungen identitätsstiftende organisationale Selbstbeschreibungen mit diakonischem Charakter als Basis einer diakonischen Identität in diakonischen Organisationen entstehen und erhalten werden können.
Um diese Annahme zu überprüfen, wurden in dem Projekt Merkmale der Unternehmenskultur diakonischer Einrichtungen aus Sicht der Mitarbeitenden erfragt. Zudem wurde untersucht, wie nicht kirchlich gebundene Mitarbeitende sich zu diesen Kulturmerkmalen verhalten. Die Untersuchung fand in 33 diakonischen Einrichtungen der stationären Alten- und Eingliederungshilfe in drei religiös unterschiedlich geprägten Regionen Deutschlands statt. Finanziert wurde sie durch die Förderung von 13 verschiedenen diakonischen und kirchlichen Trägern und Verbänden.
Das Projekt war unter meiner Leitung am Institut für Diakoniewissenschaft und DiakonieManagement der Kirchlichen Hochschule Wuppertal/Bethel verortet und wurde in Zusammenarbeit mit Professor Dr. Tim Hagemann von der Fachhochschule der Diakonie durchgeführt. Das komplexe Forschungsdesign umfasste zum einen Interviews mit Fokusgruppen und Einrichtungsleitenden, daraus entwickelte Fragebogenerhebungen und zum anderen Interviews mit nicht kirchlich gebundenen Mitarbeitenden. Auf der Basis der Erhebung wurden Kulturbeschreibungen für die beteiligten Einrichtungen entwickelt und übergreifende Fragen analysiert.
Als zentrales Ergebnis konnte die Ausgangshypothese bestätigt werden. Christliche wie nicht kirchlich gebundene Mitarbeitende in diakonischen Einrichtungen nehmen die religiöse Konturierung der Unternehmenskultur durch Andachten, Tischgebete, christliche Sterbe- und Trauerrituale, das Kirchenjahr und zentrale christliche Werthaltungen als profilrelevant für die Organisation wahr und tragen religiös konturierte Unternehmenskultur in den Einrichtungen mit. Dabei distanzieren sie sich teilweise gleichzeitig von dieser Kultur im Blick auf ihre eigene religiöse Praxis.
Exemplarisch wird diese Haltung in folgender Aussage deutlich: "Man macht hier eine Aussegnung und man respektiert das, das die einen Gottesdienst gucken wollen, mich interessiert das Null, aber ich respektiere das und ja, mache das dann natürlich auch so mit, ich bete auch das Vaterunser mit bei einer Aussegnung zum Beispiel und ich gehe auch in die Kirche, wenn da etwas ist, ich habe da [...] überhaupt kein Problem mit."
Während Gottesdienst und Gebet als persönlich weniger wichtig von den Mitarbeitenden bewertet werden, spielt die Abschiedskultur auch für sie persönlich eine wichtige Rolle. Zentraler Maßstab für die Plausibilität religiöser Praxis in den Einrichtungen ist die Religiosität der Bewohner*innen. Die Wahrnehmung der religiösen Bedürfnisse der Bewohner*innen wird von den Mitarbeitenden als selbstverständlich und auch als sehr hilfreich für sie beschrieben. In diesem Kriterium liegt allerdings auch Zündstoff für die Zukunft: Wenn die Bewohner*innen selbst zunehmend religiös plural oder religiös distanziert werden, verliert diese Plausibilisierung ihre Zugkraft.
Interessante Unterschiede zeigen sich in der Haltung muslimischer im Vergleich zu konfessionslosen Mitarbeitenden. Muslimische Mitarbeitende betrachten die religiöse Praxis in den Einrichtungen positiv, betonen die "Normalität" dieser Praxis für sie persönlich und nehmen daran teil, soweit ihnen das möglich ist. Dabei zeigt sich ein deutliches Defizit in der Heranführung an christliche Kulturelemente. Meist wird durch Teilnahme und Nachahmung gelernt, an Fortbildungen oder Einführungstagen hat diese Personengruppe bisher fast nie teilgenommen. Auch ihre eigene Religiosität hat in den Einrichtungen bisher keinerlei Raum bekommen. Gebetszeiten werden zu Hause nachgeholt, an Feiertagen und im Ramadan wird möglichst Urlaub genommen.
Konfessionslose Mitarbeitende beurteilen die religiöse Praxis deutlich kritischer als die muslimischen Mitarbeitenden. Die Bereitschaft zur Beteiligung an Ritualen ist unterschiedlich. Während einige offen und vorbehaltlos teilnehmen, umgehen andere die Teilnahme. Zentrales Kriterium für alle ist, dass kein Zwang auf sie ausgeübt wird.
Das "Diakonische" ist aus Sicht der Mitarbeitenden keineswegs auf die religiöse Praxis beschränkt. Auf die Frage "Was macht diese Einrichtung diakonisch?" antworten sie neben dem Verweis auf explizit religiöse Artefakte mit Hinweisen auf den Umgang miteinander, die Haltungen im Umgang mit Bewohner*innen, z.B. die achtsame Wahrnehmung ihrer individuellen Wünsche und Bedürfnisse oder die Präsenz bestimmter Menschen (Diakonissen, Diakon*innen, Seelsorge, Pfarrer*innen).
Zentrale Figur für die Tragkraft des Diakonischen ist die Führungskraft, vor allem die Einrichtungsleitung. Wird sie als authentische Verkörperung des Diakonischen erlebt, fungiert sie als "Eingangstor" in eine diakonische Unternehmensinkulturation. Ist das nicht der Fall, wird die Kultur als unglaubwürdig beschrieben.
Welche Rollen spielen Träger und die Unternehmensleitung? Deutlich wird, dass ihr Einfluss in den Einrichtungen als begrenzt wahrgenommen wird. So lässt sich keine einrichtungsübergreifende "Trägerkultur" beschreiben. Die Einrichtungen innerhalb eines Trägers (es wurden mindestens zwei und maximal vier pro Träger untersucht) sind sehr unterschiedlich und zeigen "individuelle Charaktere". Träger werden über Bildungsangebote, über Wirtschaftlichkeitserwartungen, als verlässliche Arbeitgeber und als Institution, die Wert auf das Diakonische legt, skizziert. Dabei zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen Einrichtungen, in denen es geklärte Konzepte diakonischer Identität gibt, und Einrichtungen, in denen zu diesem Punkt vor allem Sprach- und Hilflosigkeit herrschte.
In der Konsequenz sollten diakonische Träger ihr Verständnis von diakonischer Identität klären, die Relevanz dieses Konzeptes im Miteinander unterschiedlicher Rationalitäten im Unternehmen bestimmen und vor allem (unternehmens-)kultursensible Führungskräfte auswählen und unterstützen.
Die Arbeit des Projektes ist mit dem 30.9.2018 nicht beendet. Es werden wissenschaftliche Publikation vorbereitet und zwei Anschlussprojekte durchgeführt. Ein Projekt untersucht die Wahrnehmung von Nutzer*innen zu Unternehmenskultur in den beteiligten Einrichtungen, das andere Projekt untersucht die Unternehmenskultur von Einrichtungen der Arbeiterwohlfahrt im Vergleich zu diakonischen Einrichtungen.
Berlin (epd). Amnesty International und Pro Asyl haben Bundesregierung und EU eine menschenverachtende Abschottungspolitik gegenüber Asylsuchenden vorgeworfen. Durch weitere bilaterale Rücknahmeabkommen mit einzelnen Staaten werde geltendes europäisches Recht gebrochen und Flüchtlingen in Deutschland der Rechtsweg vorenthalten, erklärten die beiden Menschenrechtsorganisationen am 26. September in Berlin. Die deutsche Regierung müsse sich bei ihrer Asylpolitik von menschenrechtlichen Prinzipien leiten lassen und ihre völker- und europarechtlichen Verpflichtungen erfüllen.
"Europa ist mitverantwortlich für Folter und Misshandlung von Migranten und Flüchtlingen in libyschen Gefängnissen, wenn es die libysche Küstenwache aufrüstet und trainiert", sagte Franziska Vilmar, Asylpolitik-Expertin bei Amnesty in Deutschland. Sie forderte die EU-Mitgliedstaaten auf, wieder für eine funktionierende Seenotrettung im Mittelmeer zu sorgen. Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt sagte, das Sterben im Mittelmeer müsse aufhören: "Wer Rettung verhindert, nimmt Tote in Kauf."
Die aktuell diskutierte Stärkung der europäischen Grenz- und Küstenwache Frontex sei die falsche Antwort auf die Flüchtlingstragödien vor den Toren Europas und die fehlende Solidarität innerhalb der EU, sagte Vilmar weiter. Burkhardt ergänzte: "Die Europäische Union will den Zugang zum Asylrecht systematisch versperren."
Aufgrund des EU-Türkei-Flüchtlingsabkommens lebten derzeit rund 20.000 Menschen auf den griechischen Inseln unter katastrophalen Bedingungen, dreimal mehr als Kapazitäten vorhanden seien. "In den griechischen Hotspots werden Rechtsstaat und Menschenwürde außer Kraft gesetzt", unterstrich Burkhardt. Die Abschiebung in die Türkei drohe ohne Prüfung der Fluchtgründe.
"Die auf den Inseln seit Monaten zusammengepferchten Menschen müssen sofort auf das griechische Festland gebracht und dort menschenwürdig untergebracht und versorgt werden", forderte Vilmar. "Sie haben das Recht auf ein faires Asylverfahren in der EU und eine Prüfung ihrer individuellen Fluchtgründe."
Burkhardt nannte es inakzeptabel, dass die Bundespolizei ermächtigt werde, "Asylsuchende an der deutschen Grenze aufzugreifen und in den Flieger etwa nach Griechenland zu setzen, ohne dass sie den Rechtsweg beschreiten können". Mit den von der Bundesregierung angestrebten "Deals" mit einzelnen EU-Staaten zur Rücknahme von Flüchtlingen solle europäisches Recht umgangen werden.
Auch in den sogenannten Ankerzentren würden Asylsuchende ihrer Rechte beraubt, da keine unabhängige Rechtsberatung gewährleistet sei. Auch gebe es keine ursprünglich vorgesehene Asylverfahrensberatung für besonders Schutzbedürftige wie etwa Journalisten und Homosexuelle.
Amnesty und Pro Asyl forderten die Bundesregierung auf, niemanden mehr nach Afghanistan abzuschieben. Die Menschenrechts- und Sicherheitslage dort sei derart schlecht, "dass jede Abschiebung gegen Völkerrecht verstößt", sagte Vilmar. "Erst Ende August hat auch das UN-Flüchtlingshilfswerk Kabul als unsicher eingestuft - doch die Bundesregierung und einzelne Bundesländer ignorieren dies", hieß es.
Aus Sorge vor einer Zunahme rassistisch motivierter Politik und Gewalt in Deutschland und Europa rufen beide Organisationen zur Teilnahme an einer Demonstration am 13. Oktober in Berlin auf. Sie steht unter dem Motto "Für eine offene und freie Gesellschaft - Solidarität statt Ausgrenzung". Organisiert wird die Kundgebung vom Bündnis #unteilbar.
München (epd). Hebammen stehen vor großen Herausforderungen: Die Geburtenzahlen steigen, das Personal in Geburtskliniken ist knapp und die Versorgung bei der Wochenbettbetreuung ist für die Hebammen kaum noch zu bewältigen. Die geplante universitäre Ausbildung sei ein "erster Schritt in die richtige Richtung, der längst fällig war", sagte Astrid Giesen, die Vorsitzende des bayerischen Hebammenverbandes, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Fragen stellte Gabriele Ingenthron.
epd sozial: Frau Giesen, erfüllt der Kabinettsbeschluss Ihre Erwartungen?
Astrid Giesen: Ja. Die Hochschulen werden finanziert, um diese neue Ausbildung stemmen zu können. Aber die Hebammenausbildung ist zu 50 Prozent ja auch eine sehr praktische Ausbildung. Für mich kommt es deshalb darauf an, dass dieser praktische Teil gut strukturiert wird. Auch dafür müssen Gelder bereitgestellt werden. Die Studierenden dürfen im Kreißsaal nicht nur auf sich allein gestellt sein, sondern sie müssen vor Ort erfahrene Hebammen haben, die sie begleiten. Das ist der nächste Schritt der jetzt dringend getan werden muss.
epd: Was ist noch zu bedenken?
Giesen: Wichtig ist auch, dass die praktische Ausbildung nicht nur an den Universitätskliniken angesiedelt ist, sondern auch in kleinen Krankenhäusern, damit Hebammen nicht nur lernen, mit schwierigen Geburtssituationen umzugehen, sondern auch lernen, wie man eine physiologische Geburt fördert.
epd: Wie viele Hochschulstandorte werden benötigt und wie viele Hebammen braucht es in Bayern, um den Engpass in der Geburtshilfe zu überwinden?
Giesen: Wir gehen davon aus, dass in den kommenden Jahren etwa 20 Prozent der Hebammen aufhören werden. Zudem besteht bereits jetzt eine Mangelversorgung. Was das in Zahlen konkret heißt, müsste im Einzelnen untersucht werden aufgrund einer genauen Datenerhebung. Die liegt aber nicht vor. Was die Standorte angeht: Mit drei Hochschuldstandorten, im Norden, Süden und Osten, die die Hochschulausbildung organisieren, wären wir gut bedient.
epd: Lässt sich mit dem Studium auch das Ungleichgewicht beheben, das es zuletzt gab, und bei dem immer weniger Hebammen in die Geburtshilfe gehen wollten?
Giesen: Primär hapert es in der Tat im geburtshilflichen Sektor, weil nur noch 50 Prozent der Hebammen, die frisch aus der Schule kommen, in die Geburtshilfe gehen wollen. Die anderen 50 Prozent trauten sich die Geburtshilfe erst gar nicht mehr zu, weil sie immer mehr zur Geburtsmedizin wurde.
epd: Und in Zukunft?
Giesen: Wir sehen die große Chance der neuen Ausbildung, dass die Hebammen wirklich so ausgebildet werden, dass sie sowohl Lust haben in die Geburtshilfe zu gehen, als auch sich gestärkt und kompetent genug fühlen. Zudem war der Verdienst der in Kliniken angestellten Hebammen sehr gering. Er war nicht angemessen im Verhältnis zu dem, was eine Hebamme rund um die Uhr leistet und welche Verantwortung sie trägt. Durch die Hochschulausbildung dürfte sich auch das langfristig ändern.
Berlin (epd). "Auch wenn die AWO ganz entschieden gegen jeden Pflichtdienst ist, ist sie der Einladung des Bundesgesundheitsministers gerne nachgekommen", sagte Vorsitzenden Wolfgang Stadler am 25. September in Berlin. Der Minister ließ nach dem Gespräch mitteilen, er sei bestärkt worden, "die Debatte um das Gesellschaftsjahr fortzuführen".
Spahn weiter: "Unterschiede gab und gibt es zur Frage, ob und wie sehr ein solcher Dienst verpflichtend sein soll. Wir waren uns einig, dass wir den gesellschaftlichen Zusammenhalt durch durch mehr soziales Engagement stärken können und stärken sollten.
Klar sei nach der Diskussion, dass das Freiwillige soziale Jahr und der Bundesfreiwilligendienst stärker gefördert werden müssen als bisher. "Wie das passieren kann, das werde ich mit meiner Kollegin Familienministerin Giffey zeitnah erörtern."
Stadler sagte weiter, er begrüße grundsätzliche jede Debatte darüber, "wie wir gemeinsam zu mehr sozialem Zusammenhalt und Teilhabe beitragen können". Ein Pflichtdienst, der junge Menschen in erster Linie zu billigen Arbeitskräften macht, helfe hier ganz sicher nicht.
Seiner Ansicht nach können junge Menschen nicht das strukturelle Fachkräfteproblem der Pflege lösen. Dazu bedürfe es in erster Linie besserer Arbeitsbedingungen. "Möchte man mehr engagierte junge Frauen und Männer, benötigt man attraktivere Rahmenbedingungen", sagte der Vorsitzende. Er sprach sich zum Beispiel für kostenfreie Nahverkehrstickets für alle aus, die einen Freiwilligendienst leisten und eine klare Berücksichtigung eines Freiwilligendienstes bei der Vergabe von Studienplätzen.
Ebenfalls auf Distanz ging Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland. "Aus Sicht des VdK kann eine solche Dienstpflicht das Problem der Personalknappheit speziell im Gesundheitswesen nicht lösen", sagte sie.
Dem Mangel an Fachkräften im Bereich Kranken- und Altenpflege müsse man anders begegnen. "Hier bedarf es einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen und einer höheren Wertschätzung. Es ist wichtig, dass junge Menschen an soziale Berufe herangeführt werden, zum Beispiel auch durch Praktika in der Schulzeit."
Sie warb dafür, die bestehenden Freiwilligendienste wie das Freiwillige Soziale Jahr und der Bundesfreiwilligendienst attraktiver zu machen. Zudem müsse die Anerkennungskultur beispielsweise durch eine Unterhaltssicherung, eine Einbeziehung in die Sozialversicherung und Vergünstigungen im Nahverkehr gestärkt werden.
Duisburg (epd). Die Armutsgefahr in Deutschland ist in den vergangenen zehn Jahren unter den ausländischen Mitbürgern gewachsen. Mehr als ein Drittel der in Deutschland lebenden Ausländer (36,2 Prozent) sei arm, teilte das Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen am 20. September auf der Basis aktueller Untersuchungen mit. Angesichts der zugewanderten Flüchtlinge sei mit einer weiteren Zunahme der Zahlen zu rechnen, hieß es.
"Es kann keine Rede davon sein, dass es den Menschen, die in Deutschland ohne deutschen Pass leben, gut oder sogar zu gutgeht", sagte der Soziologie-Professor Gerhard Bäcker. Vor allem die kürzlich zugewanderten Flüchtlinge müssten mehrheitlich in großer Armut leben, weil sie oft keine Arbeitserlaubnis hätten und auf die niedrigen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz angewiesen seien. Selbst wer nach einer Anerkennung eine Arbeitserlaubnis hat, sei überproportional häufig arbeitslos oder arbeite für einen Niedriglohn.
Den Angaben zufolge stieg das Armutsrisiko in Deutschland in den letzten zehn Jahren. Im vergangenen Jahr waren bereits 15,8 Prozent der Bevölkerung betroffen. Die Armutsgrenze beginnt da, wo das pro Kopf berechnete Haushaltseinkommen nicht ausreicht, um das sogenannte sozialkulturelle Existenzminimum abzudecken. Statistisch liegt sie bei 60 Prozent des gesamtdeutschen Durchschnittseinkommens.
Frankfurt a.M. (epd). Die Diakonie Hessen hat einen "akuten Fachkräftemangel" in der häuslichen Kinderintensivpflege beklagt. Eltern würden bei der Versorgung zunehmend alleine gelassen, erklärte der Vorstandsvorsitzende Horst Rühl am 20. September in Frankfurt am Main. In der Folge blieben viele Kinder länger im Krankenhaus.
Gefordert seien nicht nur mehr Pflegekräfte, sondern auch eine bessere Finanzierung, sagte Rühl. Außerdem seien mehr Einrichtungen und Angebote nötig, um die Eltern zu entlasten. "Die Kinder und ihre Angehörigen in der häuslichen Intensivpflege brauchen unsere Aufmerksamkeit. Hier ist die Bundespolitik gefordert, aber auch die hessische Landesregierung mit einem Aktionsprogramm 'Häusliche Kinderintensivpflege'", sagte Rühl.
Das Aktionsprogramm sollte nach Darstellung der Diakonie die Finanzierung "angemessener Stunden- und Leistungsvergütungssätze durch die Kassen", die Refinanzierung der Fortbildungen über die Krankenkassen, die Sicherung der pflegerischen Versorgung der Kinder beim Besuch von Kindergärten, Schulen, Werkstätten und Einrichtungen sowie die freie Wahl der Wohnform für pflegebedürftige junge Erwachsene umfassen.
Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die zum Beispiel aufgrund einer künstlichen Beatmung dauerhaft auf eine intensivmedizinische Pflege angewiesen sind, leben zum weit überwiegenden Teil in ihren Familien. Bei der Versorgung und Pflege werden die Angehörigen bis zu 24 Stunden am Tag von ambulanten Pflegediensten mit speziell geschultem Fachpersonal unterstützt. Der Eigenanteil der Eltern liegt zumeist bei etwa sechs Stunden täglich.
Kassel (epd). Die Evangelische Regionalgemeinde Kindelbrück aus Thüringen ist Gewinner des Nachhaltigkeitspreises der Evangelischen Bank 2018. Die Gemeinde erhielt den mit 10.000 Euro dotierten ersten Preis am 20. September in Kassel für die Entwicklung von Projekten in den Bereichen Wirtschaft, Bau, Umwelt und Soziales. Damit wirke die Gemeinde dem demografischen Strukturwandel entgegen und stelle sich innovativ und zukunftsorientiert auf, heißt es in der Begründung der Jury.
Der mit 7.000 Euro dotierte zweite Preis ging an die christliche Initiative "Power On" aus Belitz in Mecklenburg-Vorpommern, die seit 2014 unter anderem ein Sommercamp für 100 Kinder veranstaltet, um Leben in das nur 200 Einwohner zählende Dorf zu holen. Den mit 3.000 Euro verbundenen dritten Preis erhielt das Projekt "Theater trifft Demenz" der Evangelischen Andreasgemeinde in Eschborn-Niederhöchstadt.
Die Ausschreibung des Preises stand unter dem Motto "Gemeinschaft erleben - Wandel gestalten". Insgesamt waren für den alle zwei Jahre stattfindenden Wettbewerb rund 60 Einsendungen eingegangen.
Hamburg (epd). Die Hamburger Körber-Stiftung wird mit einem neuen Preis künftig ältere Menschen auszeichnen, die ein soziales Projekt gegründet haben. Laut einer Umfrage im Auftrag der Stiftung möchte jeder Dritte zwischen 50 und 75 Jahren noch einmal etwas Neues beginnen. Für weitere 44 Prozent käme dies zumindest infrage, teilte die Körber-Stiftung am 25. September mit.
Besonders reizvoll sind offenbar Aktivitäten im sozialen Bereich: So können sich 48 Prozent der Befragten vorstellen, sich gesellschaftlich zu engagieren und einen Verein, ein Projekt oder eine Stiftung zu gründen. Mit dem neuen Preis "Zugabe" werden erfolgreiche Gründer und Gründerinnen über 60 ausgezeichnet. Die drei Preisträger erhalten jeweils 60.000 Euro.
Die Stiftung möchte ältere Menschen mit Unternehmergeist auszeichnen. Ein breit aufgestelltes "Search Committee" unterstützt sie bei der Suche nach Pionieren. Eine Jury wählt dann zehn Finalisten aus, die ihr Projekt im April 2019 vorstellen. Am 4. Juni 2019 werden die drei Preisträger ausgezeichnet.
München (epd). Die familienpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Doris Rauscher, fordert gemeinsam mit dem neu gegründeten "Bündnis Kita Bayern" 20.000 zusätzliche qualifizierte Fachkräfte für bayerische Kindertagesstätten. So viele Fachkräfte fehlten nämlich aktuell in Bayern, um den Bedarf zu decken, wie eine Anfrage Rauschers an die Staatsregierung ergab. Strebe man zudem einen besseren Anstellungsschlüssel an, wäre der Personalbedarf noch höher, teilte die SPD am 25. September in München mit.
"Der enorme Personalmangel in den bayerischen Kitas bringt die Beschäftigten regelmäßig an ihre Belastungsgrenze", sagte Rauscher. Der Freistaat müsse deshalb dringend in mehr Personal investieren und die Arbeitsbedingungen verbessern. Um den Forderungen der Kita-Beschäftigten mehr Gewicht zu verleihen, hat sich das "Bündnis Kita Bayern" gegründet. Seine zentralen Ziele sind es, dass sich optimal um die Kinder gekümmert werde. "Dafür brauchen wir mehr Zeit und das geht nur mit mehr Personal", fordern die Sprecherinnen.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes arbeiten derzeit 108.505 Personen in den 9.359 bayerischen Kindertageseinrichtungen, also in Krippen, Kindergärten und Horten.
Karlsruhe (epd). Der BGH befand in einem am 21. September publizierten Beschluss, dass Betroffene nicht die Betreuung durch einen Berufsbetreuer verlangen können, wenn auch ehrenamtliche Personen für diese Aufgaben geeignet sind.
Im konkreten Fall wurde im Februar 2013 für einen an einer Persönlichkeitsstörung leidenden Mann aus dem ostwestfälischen Kreis Herford eine Betreuung eingerichtet. Ein Berufsbetreuer hatte sich um die rechtlichen Angelegenheiten des Mannes gekümmert. Als die Betreuung verlängert werden sollte, bestellte das Amtsgericht Bünde nun einen ehrenamtlichen Betreuer. Die Betreuung war nur noch für die Aufgabenkreise Behörden- und Sozialversicherungsangelegenheiten nötig.
Gegen die Betreuerauswahl zog der Betroffene vor Gericht. Er wünsche sich, dass der Berufsbetreuer weiter die Betreuung übernimmt. Es sei ein gewachsenes Vertrauensverhältnis entstanden, lautete seine Begründung. Wegen seiner Persönlichkeitsstörung habe er Probleme, neue soziale Beziehungen einzugehen. Daher sei ein neuer ehrenamtlicher Betreuer nicht geeignet.
Die Karlsruher Richter entschieden aber, dass die ehrenamtliche Betreuung gegen den Willen des Betreuten rechtmäßig ist. Zwar dürfe der Wunsch des Betreuten bei der Wahl nach einem geeigneten Betreuer auch im Hinblick auf dessen Selbstbestimmungsrecht nicht übergangen werden. Das gelte jedoch nicht bei der Wahl zwischen ehrenamtlicher und Berufsbetreuung. Könne eine geeignete Person die Betreuung ehrenamtlich übernehmen, sei das vorrangig vor der Berufsbetreuung zu berücksichtigen.
Dahinter stehe das legitime Ziel, dass Berufsbetreuer mit ihrer besonderen Qualifikation denjenigen Betroffenen vorbehalten sein sollen, die deren Fähigkeiten und Kenntnisse besonders benötigten. Die Bestellung überqualifizierter Betreuer solle nach Möglichkeit vermieden werden. Außerdem müsse berücksichtigt werden, dass ein Berufsbetreuer bei mittellosen Personen – anders als bei ehrenamtlichen Betreuern - der Staatskasse zur Last fällt.
Eine Berufsbetreuung komme allerdings in Betracht, wenn die betreute Person den ehrenamtlichen Betreuer gänzlich ablehnt und eine Betreuung ansonsten nicht möglich ist.
Inwieweit eine besonders enge persönliche Beziehung zu dem Berufsbetreuer ein Grund sein kann, dass eine ehrenamtliche Betreuung nicht infrage kommt, ließ der BGH offen. Denn im konkreten Fall habe es eine besonders enge Beziehung nicht gegeben.
Weil der Betreute mittellos ist, entschied der BGH ebenfalls nicht, ob eine betreute vermögende Person den Berufsbetreuer frei wählen kann – auch wenn damit die Staatskasse nicht belastet wird. Es gebe aus Gleichbehandlungsgründen jedoch Zweifel, die freie Betreuerwahl vermögenden Betreuten zu gewähren, mittellosen aber nicht.
In einem weiteren Beschluss betonten die Karlsruher Richter den hohen Stellenwert von persönlichen Anhörungen des Betroffenen im Betreuungsverfahren. Ergeben sich nach einer amtsgerichtlichen Entscheidung im Beschwerdeverfahren neue Tatsachen, wie etwa neue ärztliche Gutachten, muss das Beschwerdegericht den zu Betreuenden grundsätzlich erneut anhören, so der BGH.
Das Gutachten müsse zudem dem Betroffenen im vollen Wortlaut zur Verfügung gestellt werden, es sei denn, die Bekanntgabe würde zu Gesundheitsnachteilen führen. Es reiche nicht aus, dass das Sachverständigengutachten dem Verfahrenspfleger oder dem Betreuer übermittelt wird, die dann mit dem Betroffenen darüber reden.
Bestehe eine Vorsorgevollmacht zugunsten eines Angehörigen, stehe diese der Bestellung eines Betreuers entgegen, bekräftigte der BGH seine bisherige Rechtsprechung in einem weiteren Beschluss. Gebe es zum Zeitpunkt der Ausstellung der Vollmacht nur den Verdacht der Geschäftsunfähigkeit der Betroffenen, reiche das für eine Unwirksamkeit der Vollmacht nicht aus. Es müssten schon klare "tragfähige Feststellungen" zur Geschäftsunfähigkeit vorliegen, um die Unwirksamkeit der Vollmacht begründen zu können, erläuterten die Richter.
Az.: XII ZB 642/17 (ehrenamtliche Betreuung)
Az.: XII ZB 139/18 (Gutachten)
Az.: XII ZB 10/18 (Vorsorgevollmacht)
Erfurt (epd). Arbeitnehmer können für zu spät gezahlten Lohn von ihrem Arbeitgeber keine Schadenspauschale in Höhe von 40 Euro verlangen. Die im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) enthaltene mögliche Pauschale gelte bei Zahlungsansprüchen zwischen Unternehmen, nicht aber im Arbeitsrecht, urteilte am 25. September das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt.
Der Gesetzgeber hatte 2014 im BGB eine neue Vorschrift eingeführt, die die Zahlungsmoral bei Unternehmen verbessern sollte. Danach hat der Gläubiger Anspruch auf einen pauschalen Schadensersatz in Höhe von 40 Euro, wenn der Schuldner verspätet zahlt. Die Vorschrift geht auf eine EU-Richtlinie zurück. Ob von Beschäftigten die Schadenspauschale auch eingefordert werden kann, wenn der Arbeitgeber mit Lohnzahlungen in Verzug gerät, war bislang bei den Arbeitsgerichten umstritten.
Das BAG wies nun die Klage eines Baumaschinenführers ab. Nach einem Betriebsübergang hatte der neue Arbeitgeber für drei Monate eine Zulage zu spät gezahlt. Für jeden Monat verlangte der Beschäftigte die im BGB festgelegte Schadenspauschale. Das Arbeitsgerichtsgesetz schließe aber eine "Entschädigung wegen Zeitversäumnis" aus, urteilte das BAG. Der Gesetzgeber hätte ausdrücklich den Anspruch auf eine Schadenspauschale im Arbeitsrecht festlegen müssen. Dies habe er aber nicht getan.
Az.: 8 AZR 26/18
Celle (epd). Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat mit einem Urteil zur Elterngeldberechnung die Rechte von Müttern gestärkt. Es gab mit einem am 24. September in Celle bekanntgemachten Urteil der Klage einer Hotelfachfrau aus der Region Hannover statt, die gegen eine zu niedrige Berechnung ihres Elterngeldes vorgegangen war .
Dem Gericht zufolge hatte die Klägerin ihren Arbeitsplatz "nach langer Mobbingsituation" verloren. Sie bemühte sich um eine neue Anstellung und arbeitete bei zwei Stellen zur Probe. Weil sie mit Zwillingen schwanger wurde und ihre Frauenärztin wegen einer Risikoschwangerschaft von einer Beschäftigung abriet, kam es aber nicht zu einer neuen Einstellung.
Beim Elterngeld rechnete die zuständige Kommune auch das Nulleinkommen in der Zeit zwischen Jobverlust und Geburt ein. Der Grund des Einkommensverlustes liege in der Aufhebung des Arbeitsverhältnisses und nicht in der Risikoschwangerschaft, argumentierte die Behörde. Das rechnerische Durchschnittseinkommen der Frau war dadurch um etwa 1000 Euro niedriger.
Bei der Bemessung des Elterngeldes komme es maßgeblich auf den Zusammenhang zwischen einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung und einer Minderung des Erwerbseinkommens an, erklärte das Gericht. Nach seiner Auffassung hätte die Klägerin ohne die Risikoschwangerschaft wahrscheinlich eine neue Arbeit gefunden. Sie habe sich als erfahrene Mitarbeiterin in einem Gewerbe mit großem Fachkräftebedarf intensiv um eine Stelle bemüht. Ob die Frau die Aufhebung des vorherigen Arbeitsverhältnisses grob fahrlässig verschuldet habe, sei ohne Relevanz.
Az.: L 2 EG 8/18
Oldenburg (epd). Wenn sich ein Ehemann "wie ein Pascha aufführt" und ist zudem häufig aggressiv ist, kann sich seine Frau sofort von ihm scheiden lassen. Aus Härtegründen ist in einem solchen Fall auf das übliche Trennungsjahr zu verzichten, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg in einem am 17. September bekanntgegebenen Beschluss.
Im konkreten Fall wollte sich eine Frau nach 26 Jahren Ehe von ihrem Mann scheiden lassen. Sie wollte dabei das Trennungsjahr wegen einer von ihr geltend gemachten unzumutbaren Härte nicht abwarten, sondern sofort geschieden werden.
Die mittlerweile erwachsenen Kinder erklärten vor Gericht, dass sich ihr Vater "wie ein Pascha benommen" habe. Er sei häufig sehr gewalttätig gewesen. Zuletzt habe er die Mutter so heftig geschüttelt, dass sie mit dem Rettungswagen abgeholt werden musste.
Das OLG entschied, dass der Ehemann durch sein Verhalten "die Grundlage eines weiteren Zusammenlebens der Eheleute zerstört" habe. Das Trennungsjahr sei wegen der "unzumutbaren Härte" verzichtbar.
Es sei typisch für Gewalttätigkeiten in der Ehe, dass jahrelang Demütigungen ausgehalten würden, bis es zu einem Punkt komme, wo das nicht mehr länger gelinge. Hier habe die Ehefrau dies überzeugend geschildert und sich als "psychisch kaputt" beschrieben, betonte das OLG.
Das Argument des Mannes, die Frau habe seine Beleidigungen aus kulturellen Gründen falsch verstanden, ließen die Oldenburger Richter nicht gelten. Es sei deutlich geworden, wie schwer die Beleidigungen die Frau und auch ihre Kinder getroffen hätten; das reiche aus.
Az.: 4 UF 44/18
Straßburg (epd). Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, dürfen nicht als "Mörder" verunglimpft werden. Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am 20. September entschieden und mehrere Unterlassungsverfügungen deutscher Gerichte gegen den katholischen Abtreibungsgegner Klaus Günter Annen für rechtmäßig erklärt.
Annen hatte auf seiner Homepage geschrieben: "Pervertierte Ärzte ermorden im Auftrag der Mütter die ungeborenen Kinder." Und: „Beten Sie (…) für die Mediziner (…), welche den "MORD" der Abtreibungstötung selbst vornehmen“ (Hervorhebung wie im Original).
In Faltblättern wies der Abtreibungsgegner zudem darauf hin, dass Schwangerschaftsabbrüche rechtswidrig seien, und brachte diese Eingriffe ebenfalls mit Mord in Verbindung. In einem weiteren Verfahren verglich Annen zudem die Abtreibungspraxis mit dem Holocaust.
Mehrere namentlich genannte Ärzte erwirkten vor deutschen Gerichten eine Unterlassungsverfügung. Im Fall mit dem Holocaust-Vergleich sollte Annen 10.000 Euro Schadensersatz zahlen, weil er die Reputation des Arztes untergraben habe.
Der EGMR hatte 2015 die Meinungsfreiheit von Annen hervorgehoben. Er hatte in dem damaligen Verfahren einem Arzt "rechtswidrige Abtreibungen vorgeworfen, die der deutsche Gesetzgeber erlaubt und nicht unter Strafe stellt“. Diese Aussage sei von der Meinungsfreiheit gedeckt, befand der EGMR. (Az.: 3690/10)
Anders sehe das aber aus, wenn Ärzte wegen Schwangerschaftsabbrüche als "Mörder" bezeichnet würden oder die Abtreibungen gar mit dem Holocaust verglichen und so ein unzulässiger Mordvorwurf geäußert werde, befanden die Straßburger Richter in den aktuellen Verfahren.
In Deutschland seien Schwangerschaftsabbrüche zwar formal rechtswidrig. Eine Abtreibung im Rahmen der Fristenlösung sei aber nicht strafbar. Daher dürften Ärzte auch nicht der schweren Straftat des Mordes bezichtigt werden. Das Persönlichkeitsrecht der Ärzte sei höher zu bewerten als die Meinungsfreiheit von Annen. Die Entscheidungen der deutschen Gerichte seien daher nicht zu beanstanden.
Az.: 3682/10 und weitere
Tutzing (epd). Die Evangelische Akademie Tutzing würdige damit ihr "besonderes Engagement gegen Rassismus, Fremdenhass und Rechtsextremismus", teilte die Bildungseinrichtung am Starnberger See am 24. September mit. Hayalis Haltung, Andersdenkenden mit Respekt und Fairness zu begegnen, sei beispielgebend. Hayali erhält den Preis in der Kategorie "Zivilcourage". Ihr beherztes Eintreten für eine offene Gesellschaft sei "eine Ermutigung, dass der Einzelne etwas bewirken kann", heißt es in der Begründung.
Die undotierte Auszeichnung wird seit 2000 alle zwei Jahre verliehen. Die Kategorie "Zivilcourage" wurde 2012 eingeführt. Mit dieser würdigt die Akademie Menschen und Initiativen, die sich für Benachteiligte einsetzen und "beispielhaft mutig, beherzt und verantwortungsbewusst" handeln.
Dunja Hayali wurde 1974 im westfälischen Datteln geboren. Ihre Eltern stammen aus dem Irak. Nach einem Studium an der Deutschen Sporthochschule begann sie ihre journalistische Karriere als Sportmoderatorin bei Deutsche Welle Radio. Seit 2007 war sie als Moderatorin für das "ZDF-Morgenmagazin" aktiv, moderierte zudem die "heute"-Nachrichten am Nachmittag und war als Co-Moderatorin im "heute-journal" im Einsatz.
2016 erhielt Dunja Hayali die Goldene Kamera in der Kategorie "Beste Information". Im gleichen Jahr bekam die Journalistin den Robert Geisendörfer Preis der evangelischen Kirche - für herausragende publizistische Leistungen wie die Auseinandersetzung mit denen, die ihre Arbeit verunglimpften. Im Mai 2018 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz für ihr Engagement gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus.
Gerhard Wegner, Professor und Direktor des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD (SI), wird am 11. Mai 2019 in den Ruhestand verabschiedet . Den Gottesdienst in der Französischen Friedrichstadtkirche wird der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm halten. Zugleich ist geplant, den Nachfolger oder die Nachfolgerin in das Amt einzuführen. Seit 2004 stand Wegner an der Spitze des SI. Er unterrichtet Praktische Theologie an der Theologischen Fakultät der Universität Marburg. Von 1983 bis 1991 war er Pastor in Celle und Springe, ab 1991 Gründungsgeschäftsführer der Hanns-Lilje-Stiftung in Hannover und als Oberkirchenrat Beauftragter für die EXPO 2000. Von 2001 bis 2004 leitete Wegner den Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers und war stellvertretender Leiter des Hauses Kirchlicher Dienste.
Cornelius Hahn (63), Oberkirchenrat, verlässt den Vorstand des Diakonischen Werkes evangelischer Kirchen in Niedersachsen. Aus gesundheitlichen Gründen trete er zum 1. März 2019 in den Ruhestand, heißt es in einer Mitteilung. Seit Gründung des Werkes im Jahr 2014 hatte Hahn eine der drei Vorstandspositionen inne. Der Aufsichtsratsvorsitzende des Diakonischen Werks, Oberlandeskirchenrat Thomas Hofer, bedauerte das Ausscheiden: Mit Hahn verlasse eine "profilierte Leitungspersönlichkeit" das diakonische Feld. Hahn war von 1992 bis 1996 Gemeindepfarrer in Weddel bei Königslutter. Anschließend hatte Hahn bis bis 2014 das Amt des Referatsleiter im Landeskirchenamt in Wolfenbüttel für Bildung, Erziehung, Schule und die Arbeitsfelder der Spezialseelsorge, Beratungsdienste sowie die Begleitung von Diakoninnen und Diakonen inne.
Christian Beuchel, Superintendent, ist vom Kuratorium des Diakoniewerks Halle zum Rektor der Einrichtung berufen worden. Er wird ab 1. Dezember 2018 als Theologischer Vorstand zusammen mit Elke Hirsch als Kaufmännische Vorständin den diakonischen Träger leiten. Mit der Berufung eines leitenden Theologen nach sechs Jahren Vakanz habe das Kuratorium sich für eine Stärkung des diakonischen Profils entschieden, hieß es. Beuchel ist seit 2003 Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Wittenberg. Als Mitglied von mehreren Aufsichtsgremien leitete und begleitete er die Entwicklung verschiedener diakonischer Einrichtungen, unter anderem die der Paul-Gerhardt-Stiftung Wittenberg und der Paul-Gerhardt-Diakonie Berlin-Wittenberg. Im Diakoniewerk und seinen Tochtergesellschaften sind derzeit knapp 700 Mitarbeitende beschäftigt.
Matthäus Weiß, Vorsitzender des schleswig-holsteinischen Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma, ist in Berlin mit dem Europäischen Bürgerpreis 2018 ausgezeichnet worden. Überreicht wurde ihm die Auszeichnung von der Europaabgeordneten Ulrike Rodust (SPD). Es zähle zu seinen Verdiensten, dass in Schleswig-Holstein das Verhältnis zwischen der Mehrheitsgesellschaft und den etwa 6.000 Sinti und Roma mit deutscher Staatsangehörigkeit deutlich entspannter sei als in anderen Teilen Deutschlands, sagte Rodust. Der Preis ist undotiert. Der Landesverband koordiniert zahlreiche Kultur- und Bildungsprojekte. So sollen Mediatorinnen die Bildungschancen der Kinder verbessern.
Christoph Ernst (54), Oberkirchenrat, ist neuer Generalsekretär der Deutschen Seemannsmission. Der Pfarrer aus Westfalen wurde am 23. September am Sitz der Seemannsmission in Bremen während einer außerordentlichen Mitgliederversammlung gewählt. Ernst ist derzeit noch Referatsleiter Nord- und Westeuropa in der Ökumene und Auslandsarbeit der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD). Er folgt im Amt des Generalsekretärs auf Heike Proske, die als Superintendentin nach Dortmund geht. Zur Deutschen Seemannsmission gehören 32 Stationen im In- und Ausland. Mehr als 700 Haupt- und Ehrenamtliche leisten auf Schiffen, in Seemannsclubs und in Seemannsheimen auf mehreren Kontinenten Seelsorge und Sozialarbeit an Seeleuten aus aller Welt.
Achim Rogge, Geschäfstführer des Agaplesion e.V. Klinikum Schaumburg, verlässt das Amt zum 31. Dezember aus persönlichen Gründen. Diana Fortmann führt die Geschäfte und die Entwicklung weiter, teilte der Konzern mit. Rogge ist seit 2014 Geschäftsführer im Schaumburger Land. Er habe maßgeblichen Anteil daran, dass der Neubau "Gesamtklinikum Schaumburg" mit 437 Betten und 14 Fachabteilungen erfolgreich zum Abschluss zu kam, hieß es. Die Agaplesion gemeinnützige Aktiengesellschaft wurde 2002 in Frankfurt am Main von christlichen Unternehmen gegründet. Zu ihr gehören bundesweit mehr als 100 Einrichtungen, darunter 23 Krankenhausstandorte mit über 6.300 Betten.
Gerald Asamoah, ehemaliger deutsche Fußballnationalspieler, ist im hessischen Bensheim mit dem Karl-Kübel-Preis 2018 ausgezeichnet worden. Der 39-jährige gebürtige Ghanaer bekomme den mit 25.000 Euro dotierten Preis für sein außergewöhnliches und vielfältiges ehrenamtliches Engagement für Kinder und ihre Familien, sagte das Vorstandsmitglied der Stiftung, Daniela Kobelt Neuhaus. Asamoah, selbst herzkrank, gründete 2007 die Gerald-Asamoah-Stiftung für herzkranke Kinder und setzt sich seither mit zahlreichen Hilfsprojekten für deren Genesung ein. Das Preisgeld kommt den Hilfsprojekten seiner eigenen Stiftung zugute.
Katja Urbatsch, Gründerin und Geschäftsführerin von ArbeiterKind.de, wird am 2. Oktober von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Bundesverdienstkreuz erhalten. Damit würdigt er ihr langjähriges gesellschaftliches Engagement und ihren herausragenden Einsatz für mehr Bildungsgerechtigkeit und kulturelle Teilhabe in Deutschland. Urbatsch erreichte als Erste in ihrer Familie einen Hochschulabschluss. Ihre persönlichen Studienerlebnisse motivierten sie 2008 zur Gründung von ArbeiterKind.de. Das zunächst als Webseite gestartete Projekt hat sich seitdem zur größten zivilgesellschaftlichen Organisation in Deutschland zur Unterstützung von Studierenden der ersten Generation entwickelt.
Sabine Kösling aus Aschersleben bleibt nach ihrer Wiederwahl Vorsitzende der Landesgruppe Sachsen-Anhalt des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (bpa). Auch ihr Stellvertreter Stephan Richter (Giersleben) wurde im Amt bestätigt. Die Wahperiode dauert bis 2020. Neu im Vorstand ist Nicole Meyer-Eisenhuth. Die 33-Jährige aus Köthen ist leitende Angestellte im Pflege-Familienbetrieb Eisenhuth. Sabine Mrosek und Andrea Funk traten nach 18 beziehungsweise zwölf Jahren im Amt nicht erneut zur Wahl an.
4.10. Erfurt:
Seminar "ABC des Umsatzsteuer- und Gemeinnützigkeitsrechts" der Solidaris Unternehmensgruppe
Tel.: 02203/8997-221
10.10. Münster:
Seminar "ABC des Umsatzstuer- und Gemeinnützigkeitsrechts"
der Solidaris Unternehmensgruppe
Tel.: 02203/8997221
12.10. Linz:
46. Martinstift-Symposium "Grenzwertig - Zwischen Mut und Zumutung in der Behindertenarbeit"
des Evangelischen Diakoniewerks Gallneukirchen
Tel.: 0043/7235655051311
14.-19.10. Berlin:
BFS Managementwoche – Intensivlehrgang für Führungskräfte der Sozialwirtschaft der BFS Service GmbH
Tel.: 0221/97356-159
15.-16.10. Fulda:
Fortbildung "Kindeswohl braucht Eltern (-wohl)?! Trennung und Scheidung – Aktuelle Entwicklungen im fachlichen Diskurs"
der Ev. Konferenz für Familien- und Lebensberatung
Tel.: 030/521355939
16.10. Berlin:
Seminar "Der Krankenhaus-Jahresabschluss 2018 - Aktuelle Entwicklungen und Einzelfragen"
der Solidaris Unternehmensgruppe
Tel.: 02203/8997-221
15.-17.10. Mainz:
Seminar "Auch das noch!? Öffentlichkeistarbeit in Social Media und Web"
der Katholischen Hochschule Mainz
Tel.: 06131/2894430
16.10. Stuttgart:
Seminar "Healthcra Mobilitiy - Mobiltät im Gesundheitswesen"
der viamedica - Stiftung für eine gesunde Medizin
Tel.: 0761/270890
22.10. Kassel:
Fachtagung "Pflegeberufereform: Lernorte, Kompetenzen und das liebe Geld" des Deutschen Evangelischen Verbandes für Altenarbeit und Pflege Devap
Tel. 030/83001-277
24.10. Berlin:
Seminar "Finanz- und Liquiditätsplanung in sozialwirtschaftlichen Einrichtungen"
der BFS Service GmbH
Tel.: 0221/97356159
24.-26.10. Erfurt:
Seminar "Die Eingliederungshilfe nach dem Bundesteilhabegsetz"
der Fortbildungs-Akademie des DCV
Tel.: 0761/200-1700
29.10. Köln:
Seminar "Spendenrecht und Rechnungslegung für Fundraiser/Spendensammler"
der BFS Service GmbH
Tel. =221/97356159
31.10. Paderborn:
Seminar "Berichten und dokumentieren - PflegeassistentInnen und ihre Aufgaben im Pflegeprozess"
der IN VIA Akademie
Tel.: 05251/290838
5.11. Münster:
Seminar "Risikomanagement in Einrichtungen des Gesundheitswesens"
der BPG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Tel.: 0251/4820412
8.-9.11. Weimar:
Fachtagung "Beratung bei Pränataldiagnostik. Aktuelle Entwicklungen"
der Ev. Konferenz für Familien- und Lebensberatung
Tel.: 030/521355939
12.11. Essen:
Fachtagung "Irgendwie hier! Flucht, Migration, Männlichkeiten"
der LAG Jungenarbeit in NRW
Tel.: 0231/5342174