sozial-Recht

Europäischer Gerichtshof

Abtreibung: Ärzte dürfen nicht "Mörder" genannt werden



Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, dürfen nicht als "Mörder" verunglimpft werden. Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am 20. September entschieden und mehrere Unterlassungsverfügungen deutscher Gerichte gegen den katholischen Abtreibungsgegner Klaus Günter Annen für rechtmäßig erklärt.

Annen hatte auf seiner Homepage geschrieben: "Pervertierte Ärzte ermorden im Auftrag der Mütter die ungeborenen Kinder." Und: „Beten Sie (…) für die Mediziner (…), welche den "MORD" der Abtreibungstötung selbst vornehmen“ (Hervorhebung wie im Original).

In Faltblättern wies der Abtreibungsgegner zudem darauf hin, dass Schwangerschaftsabbrüche rechtswidrig seien, und brachte diese Eingriffe ebenfalls mit Mord in Verbindung. In einem weiteren Verfahren verglich Annen zudem die Abtreibungspraxis mit dem Holocaust.

Mehrere namentlich genannte Ärzte erwirkten vor deutschen Gerichten eine Unterlassungsverfügung. Im Fall mit dem Holocaust-Vergleich sollte Annen 10.000 Euro Schadensersatz zahlen, weil er die Reputation des Arztes untergraben habe.

Der EGMR hatte 2015 die Meinungsfreiheit von Annen hervorgehoben. Er hatte in dem damaligen Verfahren einem Arzt "rechtswidrige Abtreibungen vorgeworfen, die der deutsche Gesetzgeber erlaubt und nicht unter Strafe stellt“. Diese Aussage sei von der Meinungsfreiheit gedeckt, befand der EGMR. (Az.: 3690/10)

Anders sehe das aber aus, wenn Ärzte wegen Schwangerschaftsabbrüche als "Mörder" bezeichnet würden oder die Abtreibungen gar mit dem Holocaust verglichen und so ein unzulässiger Mordvorwurf geäußert werde, befanden die Straßburger Richter in den aktuellen Verfahren.

In Deutschland seien Schwangerschaftsabbrüche zwar formal rechtswidrig. Eine Abtreibung im Rahmen der Fristenlösung sei aber nicht strafbar. Daher dürften Ärzte auch nicht der schweren Straftat des Mordes bezichtigt werden. Das Persönlichkeitsrecht der Ärzte sei höher zu bewerten als die Meinungsfreiheit von Annen. Die Entscheidungen der deutschen Gerichte seien daher nicht zu beanstanden.

Az.: 3682/10 und weitere