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Wohnungsbau

"Wohngipfel": Mehr und schneller bauen




Demonstration gegen hohe Mieten in Berlin im April dieses Jahres.
epd-bild/Rolf Zöllner
Mit dem "Wohngipfel" will die Bundesregierung ein Signal setzen, dass sie sich nun um die Existenzsorgen der Menschen kümmern will. Der Bau von Wohnungen soll beschleunigt werden. Für Mieter werde zu wenig getan, sagt die Opposition. Und auch die Verbände sind enttäuscht.

Mehr und schneller bauen und die Mieter unterstützen, das soll die Marschrichtung von Bund und Ländern sein nach dem "Wohngipfel" am 21. September in Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, es sei "eine große Kraftanstrengung" für mehr Wohnungen nötig. Vor allem müsse Deutschland schneller werden beim Wohnungsbau.

Bundesbauminister Horst Seehofer (CSU) nannte das Treffen im Kanzleramt ein "starkes Signal für die Wohnraumoffensive der Bundesregierung". Aus der Opposition und von Mieterverbänden kam Kritik.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz und der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller (beide SPD), betonten, es gehe um bezahlbare Wohnungen. Sie warnten vor zu hohen Erwartungen: Die schwierige Lage auf dem Wohnungsmarkt werde noch eine Weile andauern. Zu dem zweieinhalbstündigen Treffen im Kanzleramt waren Spitzenvertreter von Bund, Ländern und Kommunen sowie aus der Baubranche und von Mieter- und Sozialverbänden zusammengekommen.

Gelder für Sozialwohnungen werden verdoppelt

Die Bundesregierung will, dass bis zum Ende der Legislaturperiode 1,5 Millionen Wohnungen gebaut werden. Für den sozialen Wohnungsbau will sie ihre Zuwendungen an die Länder auf fünf Milliarden Euro verdoppeln. Das Ziel sind 100.000 zusätzliche Sozialwohnungen. Der Bund will sich auch langfristig im sozialen Wohnungsbau engagieren, für den eigentlich die Länder zuständig sind und dafür das Grundgesetz ändern.

Damit mehr und schneller gebaut werden kann, sollen die Verfahren beschleunigt werden. Die Länder haben sich verpflichtet, die Musterbauordnung weiter zu vereinheitlichen. Bund und Länder wollen den Kommunen mehr öffentliche Liegenschaften für den Sozialwohnungsbau zur Verfügung stellen.

Zur Unterstützung von einkommensarmen Haushalten soll im übernächsten Jahr das Wohngeld für Geringverdiener reformiert und erhöht werden. In den Mietspiegel sollen nicht nur die vergangenen vier, sondern sechs Jahre eingehen, das reduziert das Vergleichsniveau. Finanzminister Scholz sagte, man wolle in Milieuschutzgebieten außerdem die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen erschweren. Seehofer kündigte an, zur Fachkräftesicherung in der Baubranche noch in diesem Jahr das Fachkräftezuwanderungsgesetz in den Bundestag bringen zu wollen.

Mieterbund sieht nur "Minischritte"

Der Direktor des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten, sprach von "Minischritten" und sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), die Wohngeldverbesserungen seien unzureichend. Das Wohngeld werde ohnehin alle zwei Jahre überprüft, das nächste Mal 2020. Der Mieterbund fordert eine jährliche Anpassung. Außerdem brauche man endlich Änderungen im Mietrecht, die die Mietpreisexplosionen im Neubau, bei der Wiedervermietung und im Bestand stoppen, erklärte Siebenkotten.

"Jetzt kommt es darauf an, die angekündigte Wohnraumoffensive zügig voranzubringen und die heute beschlossenen Maßnahmen umzusetzen. Die Wohnungsfrage ist eine entscheidende soziale Frage dieser Zeit", hieß es beim Deutschen Städtetag. Die Städte würden Bauland mobilisieren und für mehr Wohnungsbau werben und dafür die bereits bestehenden Instrumente des Planungsrechts, wie Vorkaufsrechte, ausschöpfen. "Wichtig wäre darüber hinaus, die Kommunen wieder in die Lage zu versetzen, aktiv Grundstücke kaufen und erschließen und das knappe Gut Boden gemeinwohlorientiert steuern zu können. Dabei helfen würde ein vom Bund einzurichtender Wohnbauland- und Erschließungsfonds – an dem sich auch die Länder beteiligen sollten."

"Wirkliche Anreize bleiben unkonkret"

Kritik kam vom Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA). Die Bundesregierung habe sich wieder einmal auf Verbote und Eingriffe unter anderem in das Mietrecht konzentriert. "Wirkliche Anreize wie die Novellierung einer Musterbauordnung, Unterstützung der Kommunen bei Planungs- und Genehmigungsverfahren und eine Erleichterung der hohen Auflagen an das Bauen bleiben zu unkonkret", sagte Andreas Mattner.

Adolf Bauer, Präsident des Sozialverbandes Deutschland (SoVD) forderte eine massive Ausweitung und Verstetigung des sozialen Wohnungsbaus. Er kündigte für Oktober ein Gutachten über die Mietverhältnisse in Deutschland an. "Das SoVD-Gutachten wird für mehr Klarheit in der Wohndebatte sorgen. Zudem wollen wir neoliberale Initiativen in die Schranken weisen. Der angespannte Wohnungsmarkt darf nicht allein den Kräften des Marktes ausgeliefert werden", sagte Bauer. "Andernfalls ist eine weitere Spaltung der Gesellschaft programmiert."

Linke: Ziel wird verfehlt

Der Fraktionsvorsitzende der Linken, Dietmar Bartsch, sagte im SWR-Hörfunk, es sei schon heute klar, dass dieses Ziel von 1,5 Millionen neuen Wohnungen verfehlt werde. In den beiden vergangenen Jahren seien jeweils weniger als 300.000 Wohnungen fertiggestellt worden. Die grüne Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt erklärte, die Wohnungsnot werde mit dem Gipfel nicht bekämpft, und forderte die Regierung auf, "endlich wirksame Maßnahmen gegen den Mietenwahnsinn vorzulegen".

Die Koalition von SPD und Union in Berlin hat erste Änderungen auf den Weg gebracht. Das Kabinett beschloss in dieser Woche eine Sonderabschreibung für Investoren im Mietwohnungsbau. Familien können seit kurzem das neue Baukindergeld beantragen, das den Erwerb oder Bau von Eigenheimen forcieren soll. Außerdem wird die Mietpreisbremse nachgebessert, die den Mietenanstieg bei Neuvermietungen in den Ballungsräumen bremsen soll. Aus Sicht der Mieterverbände reicht das nicht. Es gebe zu viele Ausnahmen, kritisieren sie.

Bettina Markmeyer


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